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LMRZLZL§LUL Z^>-i 8 'S Z LÄ L§§ " v ^ s L. Ltz^S L x K ZK^L" » § R<s L 8 s: L« «§L^L Der Stülpner drückte dem Kameraden das eine Auge zu, das ihn zum erstenmal, seit sie sich kannten, ernsthaft be trachtete. Dann lud er sich den kleinen fetten Körper auf den Rücken und schleppte ibn in ein LärchengehAz. Hier schaufelte er eine Grube, sechs Schuh lang, mehr war nicht nötig, und legte den Gefährten hinein. Als er Abschiü» nahm von dem allen Gesicht, in dem ein ungeheures Er staunen sestgefroren schien, merkte er, daß der Holzkamm fehlte. Der mochte aus dem Schopf geglitten sein. Er lief zurück und suchte lange im Zwielicht, bis er das schmierige Brettlein in Händen hielt. Er gab es hinab, auf daß der Kleine all sein Eigentum beisammen habe. Nur die Büchse ließ er ihm nicht; di« wcEe er selber zu treuem Gedenken behalten. Nachdem er zugeschaufelt hatte, schnitzte er ein Kreuz aus dünnen Birkenstämmen, bedenkend, daß der Tote das Schnitzeln besser verstanden haben würde als er, und steckte es zu Häupten. Zuletzt warf er ein« Handvoll grü nen Bruch« auf die Schollen. Wie er langsam, zwei Büch fen über der Schuller, von dannen schritt, hatte er Wasser m den Augen. — Als die Völker in der Leipziger Ebene die gewaltige Schlacht schlugen zu ihrer Befreiung, kam der Stülpner in der Verlorenheit seiner Höhle an. Er merkte zum ersten mal, daß sein Schritt laut schallte, so stille war es um ihn. Er duckte sich zu dem Hund, der ihn mürrisch von der Seite musterte, und spürte als Frost, daß er von nun an ein ein samer Mann sein werde bis zu seinem eigenen Tod. Und an das sonderbare Bildwerk mußte er denken, das der Kamerad damals mit täppischer Hand gestrichelt hatte: Der Leichvnzug des Jägers hatte nun freilich anders ausgesehen, als der Tote ihn sich erfabelt hatte. Aber 'ich- ten nicht doch hinter ihm drein die Tiere? Und war das Spruchband nicht doch in einem tiefen Sinne richtig: Ihm ist wohl —? ÄH, wer das alles wüßte Einsamer Jäger. Jahre, Jahrzehnte trieb nun der Stülpner sein Wesen ein schichtig durch die Forste. Er ward dabei selber immer mehr zu einem Wild, das von den Notwendigkeiten seines Blutes als von seinem eigenen unerbittlichen Schicksal ge jagt wurde. Die Verfolgungen seitens der Menschen da gegen wurden immer seltener. Man nahm ihn schließlich selber als ein Schicksal und Ungemach, das sich nicht ab wehren ließ; sogar die von der grünen Farbe gewöhnten sich am Ende an sein Treiben wie an das Vorhandensein eines Raubstücks, das nun einmal nicht zu überlisten war. Hatte sich doch mit der Zeit bei ihm die Fähigkeit, Feind und Falle schon von ferne zu wittern, geradezu tierhaft ausgebildet. Sein Gesicht spitzte sich gegen die Nase förmlich zu. In seine Nüstern kam der Spürsinn eines edlen Hundes; sie bebten ständig davon. Seine Augen kriegten immer mehr den kalten Glanz von Stahl, während es war, als hätten Regen und Schnee den bläulichen Schimmer der Pupillen ausgewaschen. Zäh wie Birkenbast straffte sich ihm die braune Haut in Antlitz und Nacken; das Haar wucherte wie Flechtenbehang der Fichtenstämme. Nur den Bart ließ er nicht lang wachsen; aus irgendeiner sonderbaren Eitelkeit heraus hielt er nach wie vor darauf, daß es bei einem klei nen, .an den Enden scharf geustrbelten Schnauzer blieb. Da er Kleider und Stiefel selten noch erneuerte, nahmen die die graugrüne Farbe der Verwitterung an, die an tausend Stellen des Unterholzes geisterte, so daß sie schließlich von Moos, Nadeln, Gestein nicht mehr zu unterscheiden waren. So ward der unstete Jäger selber immer mehr zu Wald und Fels. Die Risse, die der Frost in den Granit sprengte, nisteten sich allmählich in seiner Haut ein. Die Säfte, die im Frühling in den Stämmen emporstiegen und im Herbst versiegten, schienen auch durch seine Adem zu pulsen, nur daß sie gegen die Neige des Sommers nicht geringer wur den, sondern sich eher verdoppelten. So war es kein Wunder, daß er zuweilen das Knir schen eines blitzgetroffenen Baumes wie einen Axthieb spürte, der durch seinen eigenen Körper fuhr, daß ihn das Stöhnen eines erfrierenden Rehs von seinem Lager scheu chen konnte. So war es kein Wunder, daß sich ihm Natur u. Kreatur immer greifbarer in geheimnisvoller Verwandt schaft offenbarten. .... In einer verkrüppelten Weide, die m manchen Nachten umt phosphorischem Licht grinste und am Tag verschmitzte Fratzen schnitt, lebte die Seele des lustigen Hertzog weiter, daran gab es für ihn bald keinen Zweifel. Man hätte den krummen Stamm nur zu ritzen brauchen, so würde Blut herausgequollen sein. Aber man hütete sich schön, dem Ka meraden wehe zu tunl Sonderbar» wie dem zuweilen die langen strähnigen Haare, die nun kein Holzkamm mehr hielt, zu Berge standen, besonders wenn im Astloch der Zit terpappel der Klopfgeist saß und geigte, und je schärfer die Flockey stöberten, desto schöner geigte der. — In «inen klumpigen bemoosten Findling, der, zwilchen zwei große Wurzeln geklemmt, hinter einer Waldecke tag, hatte sich der Hund Bösenig verkrochen — das stand ebenfalls fest —, di« Bracke, die im siebenten Sommer noch Hertzogs Tod an der Bräune verreckt war. Er, der Stülpner, hatte ihr da- mals, wie «inst dem andern Kumpan, «in regelrechtes Grab gegraben und war schwer davon geschieden. Nun schielte sie ihn zuweilen aus dem Stein heraus mit kiesigen Augen an, und es war nicht erst einmal geschehen, daß er über den mürrischen Block jählings aestolpert war, so, als wäre er halb aus Tücke, halb aus Anhänglichkeit festgehallen wor den. — Und in der Birke mit den hängenden Aesten droben beim Wegkreüz, da saß der Geist seiner Mutter, jawohl! Manchmal winkte sie, wenn er über die Leite schritt. Manch mal nach dem Abendläuten kicherte sie wie in den Tagen, da ihr Verstand schon zerbrochen war und sie sich mu dem Kaktusstock unterhallen hatte als mit einem Winde.cind Er scheute nicht einen Weg von fünf, sechs Stunden hinauf zu dem Baum in Zetten, wo ihm quer und kümmerlich zu mute war: Dann setzte er sich unter bas Geäst und lehnte die Wange an die Rinde, und dann redete ihm eine alte Stimme tröstlich zu, und eine Hand strich ihm die Haare aus der Stirne, oh, so lind! — Und nicht well von den Greifen steinen, Licht dabei, wo er als Bube den Ring gefunden hatte, do stand noch eine Birke, die ihm voll winkenden Zau bers war, zierlicher, Heller, noch biegsamer als die am Kreuz, besonders in Mai- und Juniwinden: Das war seine tc^e Marie, das war seine erste Liebste. Wahrlich, kein Mädchen nachher, auch die aus dem grünen Wagen nicht, hatte sie aus seinem Herzen verdrängen können, keine hatte ihr das Wasser reichen können, keine ihr, die noch nie ganz richtig ihm gehört hatte! Wie sie di« Hellen Arm« bog, die Birke, die Marie, seine Braut! Je älter er wurde, desto teurer wurde ihm dieser schlanke Baum. Manchmal kaufte er auf den Jahrmärkten bunte Bänder und knüpfte sie nächtlich in die wispernden Blätter. Dann wehten sie sommerlang über das Geklüft, und Köhler, Elstern, Eichhörnchen wunderten sich. Einmal steckte er auch den Ring, den er noch immer wohlverwahrt bei sich trug, spielerisch an eins der braunen Aestchen und ließ ihn leise klingeln im Lüftegehn und feierte so Pfingsten, während weit hinter den Wäldem die Glocken wogten. Da nach nahm er ihn behutsam wieder ab und steckte ihn ein. — Bon dem Baum der Mutter aber schnitt er einen Stecken, auf den er sich stützte, wenn er das Reißen hatte in den Beinen, das ihn jetzt zu seinem Befremden dann und wann plagte. So war er doch nicht ganz einsam in seiner Einsam keit. So ward er immer mehr zur Kreatur unter Krea turen. In seinem üreiundsechzigsten Lebensjahr, in einem Sommer, der mit Backofenhitze über den Hängen brütete, lag der Stülpner einmal langgestreckt in braunen Schmie len und dachte hinter alten Dingen drein. Er knipste bald links, bald rechts einen Halm ab, spielte verloren damit und kaute daran. Dann stocherte er sich mit einem neuen Halm in den Zähnen, die noch immer blank und vollzählig bei einander standen, besann sich aber, daß man das nickst dürfe, weil man sonst von bösen Geistern besessen werde, warf sich auf die andere Seite und dämmerte in den schwülen Nach mittag. Schon eine ganze Weile waren von entlegener Halde hell und spitzig klein? Kicherlaute aufgesprungen, Stimmen von Kindern, die wahrscheinlich Beeren suchten, eine Musik der Ferne, die der Stülpner liebhatte und die er in jedem neuen Sommer mit Ungeduld erwartete. Mit einemma! schlug das Gekicher deutlich in ein lautes Jammergeschrei um, das die bleierne Stille schreckhaft zerriß. Der große Mann fuhr hoch, sprang aus die Füße, griff die Büchse und setzte in mächtigen Sprüngen dem Schall