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mKge.DIr da, neue Jahr ein heiter«, Gesicht machen! Und Wenn e» dabei «in Gesicht zeigt, da, von dem de« alten Iah« r«, nicht gar zu verschieden ist, so wollen wir all« damit zu« friedrn sein! Daß da, „Glück" «in«, Tages mit Trommeln und Trompeten erst noch käme, daran glauben wir ja alle nicht mebr. . . Aber ich habe meine Tapferkeit und Männlichkeit in anderen Dingen und muß mich eben durch schlagen, um etwa» Ordentliches in meiner Art doch noch, trotz aller bösen Krankheit, zu Stande zu bringen." Zum Schluß noch einen kernhaften Glückwunsch von -än« Thoma ans „Agathli", seine treue Schwester: „Nun, was wünsche ich Dir denn zum neuen Jahre, AgpHlil Glück Glück! Glück! ... Ein fröhliches Gemüt, da» die Schön heiten der Natur erkennt, dazu viele sonnige Tage und im Frühling viele Blumen und muntere Vögel und Kuckucke, die im Walde schreien . . . alles Gute wünsche ich Dir — Du mir auch, gelt?" Neujahrsnacht. Bon den Höhen schimmert e« kühl — Laß uns entsteigen dumpfem Gewühl! Unter uns bleibt der Lärm der Tavernen. Ueber uns funkeln Heere von Sternen. Feierlich atmet die Nacht . . . Und aus ehernem Glockenmund Jubelt's herauf vom Talesgrund: „Einsame Wanderer zwischen den Jahren. Wandelt im Schönen, wandelt im Klaren! Seht — auf dem Antlitz der rastlosen Zeit Spielt das Lächeln -er Ewigkeit!" Feierlich atmet die Nacht . . . Heinrich Anacker Ein glückseliges Neujahr! Von Wilhelm Schüssen. „Ich wünsch Euch ein glückseliges neues Jahr. Und daß Ihr lang lebet und gesund bleibet und in den Himmel kom met!" — Diesen Spruch mußte ich als Kind am Neujahrs tage eigentlich furchtbar oft aufsagen. Ja, mitunter war mir das hohe Neujahrsfest eben wegen der Häufigkeit dieses unerläßlichen Glückwunsches nahezu ein Greuel. Jedesmal in der Neujahrsnacht erwachte ich an irgend etwas Ungewohntem, und dann vernahm ich in meinem Bett im ersten Stockwerk, wie drunten in unserer Dorfwirtsstube die ledigen Burschen sich lärmend unterhielten, wie dann auf einmal eine unaussprechliche Stille anbrach, daß man meint«, die ganze Welt halte den Atem an und warte nun auf ein unmittelbar bevorstehendes, unbeschreibliches Er eignis. Dann hörte ich unsere knarrende Stubenuhr schlagen, hörte ich die Kirchenglocken im nahen Marktflecken froh lockend in das beklemmende Schweigen hineinfluten, hörte ich die Dorfburschen einander den schon erwähnten Neujahrs wunsch zurufen und die Gläser dazu klirren. - - Kürz darauf erhob sich eine gewaltige, hocherregende Schießerei draußen kn unserem Hof und zwischenhinein der laute Ruf gegen di« Nachbarhäuser: „Ein glückseliges neues Iaht. Und daß Ihr lang lebet und gesund bleibet und in den Himmel kommet!" Es dauerte immer eine gute Weile, bis das alles vorüber war und der Schlaf wieder zu seinem Recht kam. < Am Morgen aber stieg ich aus meiner Kammer wie in «ine verwandelte Welt hinab. Schon auf -er Treppe begegnete ich der gestrengen alten Magd, die sofort stehen blieb und meinen Spruch erwartete, der so selbstverständlich erfolgte wie der Donner auf den Blitz. ,Jch wünche Euch ein glückseliges neues Jahr", sagte ich noch etwas schläfrig durch die Zähne hindurch. „Und daß Ihr lang lebet und gesund bleibet und in den Himmel kommet!" Sie putzte sich die Nase an der Schürze und entgegnete qndächtig und feierlich: „Dank Dir Gott. Ich wünsch Dir quch-soviel." Im Hausflur stieß ich auf den Vater. — „Ich wünsch Euch ein glückseliges neues Jahr. Und daß Ihr lange lebet und gesund bleibet und in den Himmel kommet!" wiederholte ich laut und deutlich und in einem einzigen Atemzug. Ich war, obwohl ich den Spruch diesmal von Herzen aufsagte, nun dennoch froh, daß ich den langen Satz glücklich heraus hatte. „Dank Dir Gott. Ich wünsch Dir auch soviel." Ich schlüpfte durch die Küchentür. Aber hier stand die Mutter am Herd und rührte mit einem hölzernen Löffel in der Morgensuppe. ,Zch wünsch Euch «in glückseliges neues Jahr", stotterte ich, weil ich den Spruch nun plötzlich schon wieder hersagen sollte. .Krieg bloß keinen Kropf!" Doch nun bockte ich und machte absichtlich Fehler: „Und daß Ihr lang lebet im Himmel." Nun war aber ein saftiger Streich mit dem Kochlöffel fällig „Was gibt's denn da drin?" rief der Vater draußen. „O, er kriegt den Zungenschlag und einen Kropf beim Neujahrswünschen. Also, nochmal von vorn!" Da fing ich denn wohl oder übel von neuem an: ,Zch wünsch Euch ein glückseliges neues Jahr. Und daß Ihr lang lebet und gesund bleibet und in den Himmel kommet!^ ,Iank Dir Gott, ich wünsch Dir auch soviel", entgegnete Mutter. Es klang wie ein Gebet. . Dann erschien der Knecht Anton zum Morgenessen und erwartete mein Sprüchlein. Mein jüngerer Bruder schrie es mir gleich in die Ohren und ich ihm. Dann kam die alte Annemei daher, die auf dem Weg zum Frübgottesdienst bei uns einkehrte und uns Kindern den Reüsahrsspruch bis aufs Tüpfelchen genau abnahm. Gleich hernach polterte der Torfstecher in die Wirts- stube. Er roch noch ein wenig nach seinem Ziegenstall. Er wünschte als erster Auswärtiger meiner Mutter ein gute» neues Neujahr, stellte sich mitten in den Raum, trank sein Gläschen Obstwasser auf einmal aü» und macht« hinterdrein noch befriedigt; „AK!" Und dann schritt er wie ein Pro fessor, der «inen Schüler auf Tod und Leben prüft, auf mich zu und sagte: „So, nun kannst anfangen." „Ich wünsch Euch ein glückseliges neue« Jahr. Und daß Ihr lange levet und gesund bleibet und in den Himmel kommet!^ So ging es fort bi» in die Nacht hinein. Und es wurde uns keine Silbe an unserem Sprüchlein geschenkt. Ja, wir hatten Strafe zu gewärtigen, wenn etwa einmal jemand bei uns daheim erzählte, daß wir nachlässig gewesen seien. Wir sprangen im Freien manchmal durch Wiesen und Felder, nur um einem uns bekannten Tüftler und Nörgler auszuweichen. Aber wir hängten, wenn die Sache schließlich gar zu langweilig wurde, zur Abwechslung unserem Spruch auch hin und wieder einen lustigen Schnörkel an, namentlich bei Leuten, vor denen wir uns nicht zu fürchten brauchten. So erfanden wir einmal einen Vers für den Gükler Braunbeck, der vom Gericht als „mundtot" erklärt worden war, weil er zuletzt noch all sein Geld ins Wirtshaus getra gen hätte. Uns Kindern hatte es vor allem dieses geheimnis volle Wort „mundtot" angetan, mit dem wir rein gar nicht» Rechtes anzufangen wußten. Der Mann war für uns da durch riesig interessant geworden. Der Mundtot« hatte oben drein eine Glatze ohne auch nur ein einziges Hitrleln daran. Ihn sahen wir «inst gerade aN einem Neujahrstage von der Steige unterm Wald herabschreiten. Wir machten uns also zu viert oder fünft schleunigst in eine Halbleere Heuhütte am Wege und warteten, bis er vorüberkam. Er trug den Filzhut in der Hand, stich den Spazierstock in den flimmernden Schnee, und sein glutroter Kahlkopf blühte höchst ergötzlich in das weißblaue Winterlicht hinein. Al, er aber endlich vor unserer Hütte anlangte, riefen wir au» unserem Versteck heraus: „Wir wünschen Euch ein glückselige» neue« Jahr — Und auf den Kopf viel Haar — Und in» Hirn viel Verstand — Und ein Geld in die Handl* Aber da öffnete der vermeintliche Mundtote sogleich den Mund zu einem gewaltigen Fluch, stürzte, noch ehe wir mit unserem Berslein recht zu End« waren, in die Hütte herein, sperrt« die Tür« von innen ab, zog uns wie Ratten der Reihe nach an Haaren und Beinen aus dem Heu, legte einen nach dem andern über seine Knie und bleute uns nach allen Re geln der Kunst durch Alsdann mußten wir am Boden niedertnien und mit ge falteten Händen den richtigen Neujahrswunsch so oft her sagen, bis Betonung und Lautstärke und Andacht und In brunst endlich und endlich zu seiner Zufriedenheit ausfielen. So bin ich denn im Wünschen und namentlich im Neujahr-wünschen, teil» freiwillig, teils unfreiwillig beinahe so etwa« wie ein Fachnann geworden. Uno als solcher hab« ich im Lauf der Jahre auch Wert und Bedeutung und den Segen aller guten Wünsch« immer mehr begreifen und schät zen gelernt. Sind doch an mir selber bereit« zwei von je nen einst soundsooft aufgesagten guten Wünschen in Erfül lung gegangen. Denn ich bin unterdessen tatsächlich allmäh lich über sechzig Jahre alt geworden und in der Hauptsache auch gesund geblieben. — Ich brauche also nur noch zu hoffen und Gott zu bitten, daß auch der letzte der drei Wunsche sich einmal an mir er füllen möge. Solche Wünsche, die aus rechtem Brauch und rechtem Herzen kommen, haben sich irgendeine geheime Ouellkraft und also auch ihren heimlichen Segen. So lade ich denn je den, der dies liest oder hört, geziemend ein, aus frohem und gläubigem. Denn ich bin unterdessen über sechzig Jahre alt geworden und in der Hauptsache auch gesuNd geblieben. — Der Grutz ans Neue ^ahr. , . / Don Hans Straffer-Neidegg. was geschehen wollte! Nur nicht dieses trostlose Warten und Warten! Endlich «in schleifendes Geräusch. Ich strengte alle meine Sinne an. Vor mir blieb es still. Sollten sie mich schon umgangen haben? Dann war alles aus. Dann sah ich Vie Heimat nicht wieder. - Heimat — der Gedanke packte mich plötzlich mit Ge walt. Könnte ich sie doch noch einmal sehen! Jetzt saßen sie daheim im stillen Forsthaus, der Vater, die Mutter und Vie Geschwister. Schnee, weißer glitzernder Schnee lag auf den Dächern. Dünner Rauch stieg aus den Kaminen in die frosthelle Sternennacht. Die Wälder rauschten ihr uraltes Lied. Warum mußte ich gerade daran denken? Betete die Mutter für mich? Fragten di« Kleinen, wo denn der Hans solange blieb? Wie eine Vision stand alles vor meinen Äugen. Da saßen sie alle um den runden Tisch im Wohn zimmer. Er hatte schon Generationen unserer Familie ge dient und wird noch Generationen dienen. Mir nicht. Ich lag im feuchten Sande dieses fremden Landes und verblu tete mich langsam . . . Aber daheim, der Vater, er nimmt die alte Bibel und liest mit seiner tiefen Stimme, wie jedes Jahr, wenn es sich seinem.Ende zuneigt, den alten frommen Sang: „Herrgott, du bist unsere Zuflucht für und für." Ich murmelte vor mich hin: .Herrgott, du bist unsere Zuflucht für und für. Herrgott, laß mich die Heimat Wiedersehen, laß mich die Mutter Wiedersehen. Die Mutter!" Mein Kops wurde so schwer. Was war mir nur? Ich versuchte mich zu bewegen. Zu schlapp! Die Mutter — jetzt würbe sie nach dem Bilde an ber Wand aus dem Siebziger Kriege sehen. Ihr Bruder lag dort zerschossen unter dem Haufen der Kame raden vom 61. Regiment, die mit ihren Leibern bei Dijon die Fahne deckten. Würden ihre Gedanken jetzt auch bei mir weilen? Endlose Stunden mußte ich schon gelegen haben. Mitter nacht konnte es fast sein. Jetzt würden in der Heimat die Neujahrsglocken klingen. Glocken der Heimat! Sie riefen mich. War es der letzte Ruf? —— Wieder das Schlürfen und Schleifen. Sie kommen, sie schleichen sich näher. Bald wird es zu End« fein. Ich griff nach meinem Gewehr. Die Glocken der Heimat klingen. Die Glocken der Heimat, der Heimat. Plötzlich höre ich flüstern. Alle mein« Sinne werden wach. Ich liege still, keine Bewe gung. Da klingt es mir in die Ohren: „Viktoria!" unser Losungswort. ' Dem Himmel sei gedankt, ein Kamerad! ,Hans", höre ich rufen, im Flüstertöne,,Hansl" Em schwaches .Hier!" Ich spüre eine Hand. Geret tet!— .Kannst Du noch? Ich bringe Dich zurück." Nielsen war es, der Getreue, er hatte sich bis zu mir vorgearbeitet. Wie ich zurückkam, weiß ich nicht. — So begann das neue Jahr. Jahresende in Güdwest Das war Silvester 1904. Der Regen rauschte. Ich habe manches Unwetter in den Tropen erlebt, aber ich kann mich nicht entsinnen, je einen solchen Guß gesehen zu haben. Die Gewitter tobten, als sollte sich die Erve öffnen. Blitze zuck ten unaufhörlich nieder, und die Donner rollten und krack ten. Ein Erdbeben stelle ich mir harmlos vor gegen diese Wut der Naturaewalten. Wir lagen längs der Pad im Wasser, durchweicht bis auf die Knochen. Ringsumher schrien und stöhnten die Ver wundeten. In all dem Lärm verklangen di« Schliff« wie schwache Peitschenknalle. Das neue Jahr bereitete sich gut vor. Weihnachten hatten wir von der Abteilung Meister in Kalkfontein verbracht und hatten unsere Gedanken weit über das Meer wandern lasten zu den geschmückten Tannenbäu- men der Heimat. Dann aber war der Befehl gekommen, auf Gochas vorzurücken. Nun lagen wir hier fest. Vor uns der braune Feind. Langsam krochen wir näher und hörten sein Schnattern, wenn einmal das Gewitter für einige Sekunden Ruhe gab. Auf dreißig Meter krochen wir an einen Kral heran, der nach unserer Meinung leer sein mußte. Die Ar tillerie hatte heute morgen hineingefunkt. Es war nicht an zunehmen, daß die Nama in dem gefährdeten Neste noch lagen. Ich springe auf und laufe einige Meter vor. Aber der heimtückische Nama hatte gut aufgepaßt. Ein schwacher Knall, ich spüre einen Schlag im Oberschenkel und fall« der Länge Nach patschend in eine große Wasserlache. Ver dammte Schweinerei! Das konnte ja gut werden. Die Rufe der Kameraden wurden schwächer, sie entfernten sich. Himm lischer Vater, laß jetzt bloß dies« Bestien nicht vorstoßen! Ich war hilflos. Wenn sie mich bekämen, wäre ich geliefert ge wesen. Lebend freilich sollten sie mich nicht bekommen . . . Ich wartete. Nichts rührt« sich. Endlose Minuten. Ich tastete nach meinem Schenkel. Blut! Es schmerzte schauder haft, aber es war anscheinend nur ein Fleischschuß. Lang sam versuchte ich zurückzukriechen. Jede Bewegung bereitete einen Höllenschmerz. Gerade als ich mühselig einige Zenti meter geschafft hatte, flammten wieder di« Blitze auf und er leuchteten für Sekunden taghell das Gelände. Das hatte gerade genügt. Scharfe Augen hatten die Bewegung ge sehen, und über mich ergoß sich ein Regen von Schüssen. Ich glaubte mein End« gekommen. Dann Stille. Nichts be wegte sich mehr. Ich wußte nun, der Kral war nicht frei. Die Banoe hatte ihn nach der Beschießung wieder besetzt. Was sollte ich jetzt machen? Die Stimmen der Kameraden wurden immer schwächer. Man hatte mich offenbar noch nicht vermißt. Allmählich war es eine ungemütliche Lage ge worden. Der Feind paßte gut auf, ich konnte nicht vor und nicht zurück. Das Master verursachte eine ekelhafte Kälte, ich fing an zu frieren. Mein Blut sickerte immer noch durch die Hosen. Ob ich hier wohl lebend aus der Mausefalle heraus kommen würde? Ich lag und wartete. Wenn doch nur et-