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Christnacht. Lausend Aerzen sind entglommen, Tannendüfie find entfacht, wieder ist herabgekommen Milder Glanz der Weihmacht, wieder Maat au» Eagelaworten Aller Sehnsucht Trostverheiß, An verschloss'ne Herzenepforten Klopft der Liebe Inbrunst leie: Schau, des Himmel» Sterne weben Licht in tiefste Dunkelheit, wolle nur den Blick erheben — Christnacht bringt in jede» Leben Linen Strahl der Lwlgkeltl Lheod. v. Rommel. Endlich ist der Morgen des Weihnachtstage« gekomtnen, und der Welhnachtsbaum wandert au» dem Garten oder vom Balkon ins Zimmer. Da steht er nun, strömt zunächst Kälte aus und allmählich einen herrlichen Tannendust, der die ganze Stube erfüllt. Wer kbug ist, hat den Baum bereit» in seinen festen Fuß gesetzt. Man hat dafür die plastischen eisernen Füße, bei denen der Stamm einfach einaeschraubt wird. Ost kommt der Baum auch schon vom Händler in einem weißen Holzkreuz, in dem er ebenfalls meist sehr sicher steht. Dieser Helle Holzfuß muß allerdings zweckmäßig mit ein paar Tannenzweigen zugedeckt werden, da er nicht sefst schön aussieht. Je nachdem, ob man einen großen oder einen kleinen Baum hat, wird man. ihn auf den Boden oder auf ein Tisch« chen stellen. Erste Bedingung muß stets sein, daß der Baum sicher steht. Kein zu kleines, wackeliges Tischchen dafür wäh« len! Der Standplatz selbst ist von Bedeutung. Dicht neben dem Ofen oder der Heizung darf der Baum nicht stehen, weil er dann zu schnell austrocknet. Auch soll man ihn nicht zu nahe an die Gardinen rücken, weil diese Feuer fangen könnten. Am besten ist schon ein Platz in der Nähe des Fen sters, doch soweit von den Gardinen entfernt, daß kein Un glück geschehen kann. Wird der Baum auf den Tisch gestellt, so breiten wir ein weißes Tuch darunter. Zweckmäßig wird man nicht gerade ein sehr gutes dafür wählen, weil immer die Möglichkeit des Wachstropfens besteht. In solchem Fall« wird später das Wachs unter Auflegen eines Löschblattes herausgebügelt. Endlich steht unser Bäumchen, und wir können an das Schmücken gehen. Zunächst kommen natürlich die Kerzen. Der neuzeitliche Kerzenhalter vereinfacht diese Aufgabe gegen früher wesentlich. Die Lichter werden stets an ziem lich kräftigen Aesten angebracht. Man soll darauf achten, daß kein anderer Zweig sich unmittelbar über der Flamme befindet und soll einen solchen lieber rechtzeitig herausschnei den. Durch richtiges Anbringen der Lichter erhöhen wir un sere Ruhe und Freude am Weihnachtsabend. Es macht ner vös, wenn wir dauernd spüren, daß ein Zweig anörennt und wenn wir stets einen Brand befürchten müssen. Sobald die Kerzen befestigt sind, kommt der übrige Schmuck an die Reihe. Wer ihn nicht rechtzeitig geprüft hat, kann da in letzter Minute noch unliebsame Ueberraschungen erleben und muß noch manches ergänzen. Da sind schöne Silberkugeln zerbrochen oder anaebrannt. Papierbehang ist zerrissen, manch silbernes Glöckchen trübe und unansehnlich geworden. Niemals darf der Baum überladen wirken. Es gibt Menschen, die das Schmücken des Weihnachtsbaums zu einer wahren Kunst entwickelt haben. Biele schmücken ihren Baum überhaupt nur mit Lichtern und mit ein wenig La metta. Aber wir haben in diesem Jahre wirklich Veranlas sung, von diesem Schema abzugehen, und für unseren Baum schönen neuen Christbaumschmuck zu erwerben. Leben doch von dieser Industrie in Thüringen viele deutsche Volks genossen. Besonders wo Kinder im Hause sind, muß der Baum natürlich bunt aussehen. Es ist kaum faßbar, was manch mal alles an einem Weihnachtsbaum hängt. Tiere und kleine Puppen und Körbchen — ja, sogar eine Nähmaschine aus Silberpappe habe ich einmal erlebt. „Für die Puppen stube", kam dann die Erklärung für diesen merkwürdigen Baumschmuck. Oft haben wir unsere Freude daran, jedes Jahr all die netten Sachen wiederzusehen, die wir manchmal schon seit zehn und zwanzig Jahren kennen. Da sind Nüsse und Tannenzapfen, Weihnachtsmänner und Märchengestal ten, der alte, liebe Weihnachtsengel . . . Und nun kommt noch der süße Teil des Baumbehangs — der hat für manche Leckermäuler die größte Anziehungskraft! X. Weihnachten. Frauengedanken zum schönsten Fest. Eigentlich erleben wir in jedem Jahr das Gleiche: zuerst stehen wir dem Weihnachtsfest ein wenig fremd und unbe teiligt gegenüber — wenn es nämlich noch in gewisser Ent- fernuna liegt. Man erlebt die wiederkehrende Spielwaren ausstellung und den Jubel der Kinderwelt. Man lächelt freundlich und meint dabei im stillen, man sei ja nun als er« wachsener Mensch über diese kindliche Weihnachtsfreude längst hinaus. Aber je näher das Fest rückt, umso unwider stehlicher zieht es uns auch in seinen Bann. Ueberall hasten und laufen di« Menschen, Überall drängen sie sich und eilen paketebeladen heim — alles in dem einen Wunsch: Freude zu bereiten! Das ist das Wesentliche: dies« Zeit lenkt so völlig ab von dem gewöhnlichen Getrieve des Alltags. Ein Ziel steht uns greifbar nahe und glänzend vor Augen: Weihnachten! Das Leben hat auf einmal einen anderen Sinn bekommen. Un ser Streben geht nicht mehr nach den rein materiellen Dingen, die sonst zwangsläufig zu einem großen Teil unser Leb«: bestimmen, sondern hat sich anderen iZelen zugewandt. Unser Denken und Fühlen kreist um ander«, liebe Menschen, unser Trachten ist darauf gerichtet, in das Leben derer, die es vielleicht noch schwerer haben als wir selbst, ein wenig Licht zu bringen. Mit Advent schon ist ein Lichtlein aufge glüht, das in unserem Herzen die Flamme der Liebe entzün det hat. Und der warme leuchtende Schein wächst und er füllt uns mit seiner Wärme, bis di« vielen Lichter des Weih nachtsbaums erstrahlen. Wenn uns das Leben zwingt, mit harten, starken Schrit ten vorwärts zu schreiten, mit fester Hand zuzupacken und unser Schiff durch die Klippen mancher Nöte zu steuern, so läßt uns die Weihnachtszeit zu uns selbst, zu den Tiefen unseres Wesens zurückfinden. Wir wollen schenken, wir wollen Freude bereiten. Viele von uns können das nicht. Unserer Gebefreudigkeit hat die eigene Not vielleicht Gren zen gesetzt. Eines aber können wir schenken, in einer Bezie hung können wir unerschöpflich spenden aus dem eigenen reichen Born: Wir können Liebe geben, Freundlichkeit, wir können Geduld, Zuversicht und Mut ausströmen und unser Zuhause zu einem wirklichen Heim machen, das unseren Lie ben ein fester Ankerplatz m den Stürmen des Lebens bleibt — das alles sind Geschenke, die jede Frau und Mutter geben kann und die wertvoller und wichtiger sind als Weihnachts braten, Kuchen und Puddings, als Tanne und Schmuck am Weihnachtsbaum und alle kostspieligen Gaben . . . Bon dieser Seite gesehen, wird allen, die da wollen, Weihnachten ein reiches Fest sein, erfüllt mit innerem Er leben, mit dem starken Bewußtsein: ich schenke, ich schenke mehr als Geld je erkaufen könnt«.. - Rund um den Weihnachtsbaum. Alein-Ada und der Lhristbaum. Klein-Ada hat in Afrika das Licht der Welt erblickt. In diesem Jahre erlebt sie ihr erstes deutsches Weihnachtsfest. Staunend gucken die dunklen Kinderaugen in den schim mernden Christbaumkerzenglanz. Plötzlich zupft sie die Mama am Aermel: „Weißt du, Mutti, warum wir in Afrika keinen Christbaum hatten?" „Nun, warum denn nicht, Liebling?" „Nun, das ist doch ganz einfach", erklärt Klein-Ada wichtig, „bis das Christkindchen so einen brennenden Baum übers Meer getra'gen hat, hat ihm der Wind ja doch alle Kerzen ausgeblasen!" Gratis! Leider ist in diesem Jahr« der Weihnachtsbaum ein we nig klein und unansehnlich ausgefallen. Er ist auch nicht ganz gerade gewachsen, ja, es fehlen ihm sogar ein paar Aeste. Eine Weile hat ihn sich Maxel kritisch betrachtet. „Na. weißte", erklärt er darauf dem Papa, „der sieht auch nicht aus, als ob das Christkindchen viel dafür bezahlt hätte! Entweder ist es damit angeschmiert worden, oder es hat ihn bei den anderen Bäumen gratis mit dazubekommen!" Der Letzte. Auf dem Weihnachtsmarkt standen viele Christbäum«, große und kleine. Die großen sind für die großen Geldbeu tel bestimmt, die kleinen aber für die entsprechend kleinen Börsen. Am Ende ist nur noch ein winziges Bäumchen übrigge blieben. Natürlich nicht gerade das schönste. Käufer finden sich auch kein« mehr. Denn es ist Heiligabend. Gleich wird Geschäftsschluß sein. Auch hier auf dem Weihnachtsmarkt. „Mich will keiner haben!" dacht« das verschmähte Bäum chen. Ihm ahnte schon so etwas wie Brennholz. Dafür aber braucht man doch nicht aus dem schönen Wald« geholt wor den zu sein! Da wurde es, kurz vor Toresschluß, noch ver schenkt. Ich aber will euch etwas verraten: Dieser kleine, unver käufliche Baum hat mehr echte Weihnachtsfreude bereitet -l» Weihnachtsbesuch Wie eine hohe schwarze Mauer stand der Wald kaum dreißig Schritte vom Dorf« entfernt. An die schneebedeck ten Felder grenzten die Häuser des kleinen Dorfes, aus de ren Mitte ein spitzer Kirchturm gegen den Himmel ragte. Leis« fielen Schneeflocken auf die Erde und legten sich ne beneinander und übereinander schützend auf die Wintersaat. Es war acht Uhr abends. Feierlich erklang der Ton der Kirchenglocke und zog hin zum Walde, wo die Rehe aufhorchten. Und ein Reh stand von seinem Lager auf und schritt leis« durch den Wald bis an seinen Rand. Erstaunt sah es, -aß aus den Fenstern der Häuser des Dorfes Heller Lichterschein erstrahlte, wie ihn das Reh noch niemals ge sehen hatte. Sonst glühte nur ein mattes Lichtlein aus den Fenstern, das bald erlosch. Vorsichtig schritt das Reh über die Felder. Eine Gar tenpforte stand auf, und das Reh nähert« sich behutsam, zwischen den Braunkohlvflanzen hindurchschreitend, einem Fenster. Da stand im Zimmer auf einem Tisch ein Tannen baum, besteckt mit vielen Lichtern. Ein goldener Stern leuch tet« von seiner Spitze. Mit fröhlichen Gesichtern umstanden die Kinder des Bauern, die sechsjährige Lotte, die achtjährig« Klara und der zehnjährige Jochen den Weihnackstsbaum. Spielzeug lag um den Baum, ein Puppenwagen stand neben ihm, und Jochen hatte ein Schießgewehr über der Schulter, aber nur ein kleines, nicht so ein großes, wie es der Jäger hat, wenn er durch den Wald geht. Und der Bauer und seine Frau saßen am Ofen, er mit der Pfeife im Mund, sie mit einem Strickstrumpf, und hatten erfreute Gesichter. Friede, Freude und Fröhlichkeit erfüllten die kleine Stube des Bauernhauses. Plötzlich aber stutzte der Bauer und rief leise seinen Kindern zu: „Seid hübsch still und seht vorsichtig an das Fenster. Da guckt doch jemand in unsere Stube!" Zwei große braune Augen leuchteten aus dem Dunkel, ein brauner Kopf wurde sichtbar und ein schlanker Körper, auf dessen Rücken die Schneeflocken fielen, um gleich darauf zu schmel zen. Leise sagte der Vater: „Wir wollen nun dem Tier auch eine Weihnachtsfreuve bereiten. Draußen im Flur stehen Kartoffeln und rote Rüben. Die nehmt und tragt sie dem Reh hinaus." Als die Kinder iy den Garten kamen, war das Reh vom Fenster verschwunden. Sie sahen es mitten auf dem Felde stehen und nach dem Haus zurückblicken. Der kleine Jochen legte die Kartoffeln und Rüben an den Garten zaun, und rasch waren die Kinder wieder in der warmen Stube. Am nächsten Morgen sahen die Kinder nach, ob das Futter noch am Gärtenzaun läge. Aber es war fort. Spu ren im Schnee bewiesen, daß das Reh sich sein Weihnachts- gejchenk geholt hatte. Und als Jochen zum Walde blickte, da stand am Waldrand ein großes Reh. Einen Augenblick lang wandt« es den Kopf nach den drei Kindern, um dann im Walde zu verschwinden. < — '' . Beiblatt zu Rr. 2SS de» „SSchfisch-n Erzählen". s-ss-sss» Nachdruck aller vriglnalbeltrllg« verboten. «— . . > > - putzen den Weihnachtsbaum .!. Der Weihnachtsmann am Fahrkartenschalter. Ein« Christfestskizze von Gustav Stange. Tag für Tag sah Annemarie Horn hinter ihrem Schal terfenster, Tag für Tag durfte sie an ihr völlig fremde Menschen Fahrkarten verkaufen, die den Reisenden die fernsten Gegenden erschlossen, und noch dazu zumeist nur vornehmen Reisenden, da sie die Abteilung für erste und zweite Wagenklasse zu bedienen hatte. Tag für Tag erschien aber auch ein Mann, den sie nur noch zu sehen brauchte, um zu wissen, daß er „eine Zweiter nach Magdeburg hin und zurück" wünschte. Das war eigentlich der einzige Mensch, den sie regelmäßig Tag für Tag um dieselbe Stunde, ja, Minute, zu Gesicht bekam. Wochenlang ging das nun schon so vor sich. Zuerst rein geschäftsmäßig, dann änderte sich di« Form etwas; denn er bot ihr schon einen freundlichen Gruß und sie nickte ihm ebenso freundlich zurück, dann wußten sie auch bald, wen sie einander vor sich hatten, und dann, ja, dann kam er immer wenigstens fünf Minuten früher, um mit ihr „einen kleine Schwatz zu machen". Sie erfuhr von ihm, daß er Witwer war und sein Töchterchen in Magdeburg bei der Oma hatte, daß er ein ansehnliches Fabrikarunbstück hatte, Las trotz der Schwere der Zeit immer noch genug abwarf, daß er aber ein völlig zurückgezogenes Leben führte und von niemandem etwas wissen wollte. „Und ehe» Sie, mein, liebes Fräulein, nun kommt wieder Wehnachten, das mich mit all seiner Traurigkeit überfällt; denn gerade am Heiligen Wend wurde meins Frau, als sie zu hastig in der Vorfreude die Straße über- querte, von solch einem modernen Ungeheuer erfaßt und zu Boden geschleudert. Am ersten Fe>ertag ging sie von mir und ließ mich und Hildchen für immer zurück. Seitdem will ich von dem ganzen Zauber und dem Tannenbaum nichts wissen — der ist ja nur für die Glücklichen da!" Und ein anderes Mal erfuhr Kunc Mertmann von ihr, die sich Annemarie Horn nannte und Tag für Tag hinter ihrem Schalterfenster saß und Fahrkarten verkaufte, daß auch sie Böses erlebt hatte. Merkmann war ganz er schrocken. „Mein Gott, auch S i e tragen schweres Leid mit sich herum?" „Ja, so schwer, daß ich fast zusammenbreche; denn auch gerade an einem Heiligen Abend mußte ich es erleben, daß mein Bräutigam ander« Wege ging und mich betrog. Ge rade am Heiligen Abend überraschte ich ihn Arm in Arm mit einer anderen, die sich früher — meine Freundin nannte!" „Armes Kind, das ist allerdings schlimm genug, und Ihr Leid nicht geringer, als mein Kummer. Wir beide haben ja unser Liebstes hingeben müssen, wir sind Schick salsgefährten geworden." Wieder war es Heiliger Abend geworden. Heute aber erschien Kuno Merkmann nicht allein am Schalter — ein niedliches, frisches, krauslockiges und dicht beschneites Mädchen hing ihm am Arm und sprach fortge setzt plappernd auf ihn ein. „Ja, Dati, wir fahren nicht mit der Bahn — nicht wahr, Vati? Wir fahren Auto — ja, Vati?" „Gewiß, mein Liebling, wir fahren Auto, aber wir müssen noch ein ganz klein wenig warten — nicht wahr? Du weißt doch!" „Ja, Batt, bis die Tante fertig ist — nicht wahr, Vati? Und die kommt dann mit — nicht, Vati? —, und fährt mit im Auto; ja, Vati? Und fährt dann mit bei uns — nicht, Dati?, und dann feiern wir zusammen, und der Weihnachts mann ist auch da, und jeder kriegt was, Hildchen, der Vati, die Oma, die Tante, und ... und ..." „Nun halt aber mal dein Plappermäulchen, sonst kann die Tante Annemarie ja gar kein« Karten verkaufen — nicht?" Und so wurde es wirklich. Di« beiden Schicksalsgefährten reichten sich ohne große Worte die Hände und fuhren nach Schalterschluß zusammen zum Weihnachtsmann unter den Tannenbaum. Kein Wunder war es, daß es in dichten Ballen schneite; denn Hildchen hatte ja längst auch dm letzten blauen Rest vom Himmel weggeschwatzt. Daheim aber verstummte sie doch, als die ganze Herr lichkeit des Weihnachtsheiligabends über sie hereinbrach und sie verwundert mit ansehen muhte, wie der Vati die Tante Annemarie in die Arme riß und sie selbst plötzlich von bei- den hochgehoben und mit einer wahrm Kanonade von Küs sen überschüttet wurde. Aber einverstanden war und blieb sie doch mit der neuen Mutti!