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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.09.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-09-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192509016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19250901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19250901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-09
- Tag 1925-09-01
-
Monat
1925-09
-
Jahr
1925
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vlenstsg, cken^Kepkernder l-etpriger r«gedl»tt Zwölf Tage HachseesiWag Pon 60tU,0ick t.«k«n»rt. Nun ist mein Wunsch, auf einem Fischdampfer eine Fangreise zn erleben, erfüllt. Als freundlich aufgenornniencr Gast stehe ich an Deck der „A l t c- land"' und sehe rechts und links die Bugwelle des kleinen Dampfers smaragdgrün aufschäumen. Zwei Tage und zwei Nächte sind wir schon ge dampft, seit der rote Fels von Helgoland, in der Abendsonne aufglühcnd, im Meer versank, und seit der Schein des Leuchtfeuers wie ein blinkender Besen am schwarzen Nachrhimmel uns seine letzten Grüße zugcwinkth »U-» Zwei Tage lang uar ich au' dein kleinen, nur ncununddreißig Meier langen Dampfer treppauf, treppab geklettert, war in den Fischraum gestiegen, wo eine ungeheure Menge mitgenommenen Eises Winterkälte verbreitete, hatte mir von dem hageren Maschinisten mit dem gütigen Gesiast und den weißen Schläfen bei 34 Grad Wärme den Gang der Maschine erklären lassen, hatte die fürchterliche Enge des Wohnens vorn in der Back, wo die Ma» troscn Hausen, schaudern gemustert und hinten 'n der Pantry zusammen mit dem Kapitän, den zwei Steuerleuten und dem Maschinisten das vorzügliche Essen des Kochs mir schmecken lasten- Und ich hatte geschlafen oben auf der Kommandobrücke in der Koje des Kartenhauses ans eisenharter Matratze. Der zweite Sonntag, ein Sonntag, ist in eiserner Arbeit vergangen. Das große Netz ist .klar gemacht" worden-, denn am nächsten Morgen sollte der Fang beginnen. Dann kam der Morgen, wo wir ,,da waren", wir der Kapitän sich scherzend ausdrückte, nämlich am Fladen gründ, einer Meeresbodcnsenkung von etwa 140 Meter Wassertiefe in der Höhe von Nord schottland, wo die von Norden kommenden Heringe im August zu laichen beginnen. Man kennt so nn- gcfähr die Reiserouten dieser Hochzeitskarnwancn, wenn auch der Hering es liebt, dem jagenden Menschen hin und wieder ein Schnippchen zu schlagen- So kommt es, daß zu dieser Zeit hier Dutzende von Fischdampf-rn sich ein ungewolltes Stelldichein geben. Als ich gegen die Sonne blinzelnd auf die Kommandobrücke hinaustretc, funkelt das Meer blau- grün im Sonnenglast und kleine Wogen krallen mit weißen Schaumpfötchen nach uns. In der Nähe und in der Ferne dampfen rings mit halber Kraft Fischdampfer. Sie fischen bereits. Die Deckmann schaft steht an der Reling ^ereit; ein Kommando. Klatschend fällt das Grundschleppnetz über Bord, sinkt langsam in die grün verdämmernde Tiefe, während prasselnd und knatternd von den mächtigen Winden die Stahltrossen sich abrollcu, an denen das Netz hängt. Mil halber Kraft arbeitet die Maschine und zieht das Netz ganz langsam über den Meeresboden- Es schleift unten dahin wie eine riesige Tüte, deren Oeffnung etwa siebzig Meier breit klaftert und deren Länge dreißig Meter be trägt. Zwei große Cchccrbrctter sorgen dafür, daß das Netz immer breit ausgespannt ist. Am Ende der „Tüte" befindet sich ein Fang sack aus be sonders festem und dichtem Gewebe, in den alles gerät, was sich einmal in den Rachen dieses Netz- «ingeheuers begeben hat. Zwei Troffen von je 450 Meter Länge schleppen das Netz vorwärts, hinweg über den geheimnisvoll blühenden Garten der Ko- rallen und phantastischen Scegewächse, die die Brücke sind zwischen Pflanze und Tier, jenen Gar ren, der ewig in Rackst getaucht ist. Inzwischen wird das Deck des Vorderschiffes für den Empfang der Fische vorbereitet. Große Bohlen werden rechtwinklig zu niedrigen Kästen zusammen- acstellt, in die nachher die Fische geschüttet werden sollen, damit sie nicht beim Schlingern Les Schiffes auf ihren glatten Schuppen über das Deck davon rutschen. Oben auf dem Laufsteg der Brücke geht der Kapitän unruhig auf und ab und sieht grübelnd hinab in die Flut, in der lilafarbene Quallen lang sam vorbcitreiben. Ob es ein Glllckszug wird? Denn Hcringsfang ist ein Hasardspiel- Es kann einem Dampfer ein ganzer Schwarm ins Netz laufen. daß er hundert Zentner an Deck bringt, während der eine Seemeile daneben fischende Konkurrent kaum drei Zentner Beute macht. Doch nicht der Kapitän allein ist nervös geworden. Die ganze Besatzung ist unruhig. Sind sie doch alle mit Prozenten am Ncttoumsatz beteiligt. Freilich mit nur recht bescheidenen Prozcntzahlcn. Der Matrose und der Heizer erhalten je einen halben Prozent, sieben Zehntes Prozent der zweite Steuer- mann und der zweite Maschinist, einen Prozent der erste Maschinist und erste Steuermann; und nur der Kapitän erhält sechs Prozent, bekommt dafür kein Gehalt, kein Fixum, sondern ist mit seinem Ein- kommen auf sein fangtechnischcs und seemännisches Können und auf — sein Glück gestellt. Bier Stunden schleppen wir das Netz; endlich ist die Zeit vergangen. Laut kommt das Kommando von der Brücke: »Hiev up!" Die beiden Steuerleute an der Dampfwinde drehen den Hebel. Heißer Dampf fährt pfeifend und sausend aus den Zylindern; kreischend und knirschend beginnen sich die eisernen Trommeln zu drehen, auf die jetzt die Stahltrossen ausgerollt werden. Ohrenbetäubend ist der Lärm. Die Tröffe beginnt über Deck zu laufen, knattert über Rollen; unendlich erscheint das stählerne Band. Nun tauchen die beiden Scherbretter vorn und hinten am Schiff auf und werden schnell festgehakt. Das Netz erscheint; an der Oberfläche schwimmen plötzlich Ketten von grünen Glaskugeln von der Größe eines Kinderkopfes, die am Meeresboden die obere Netzkante durch ihren Auftrieb derart in die Höhe ziehen, daß das Netz wie eine Wand senkrecht im Wasser steht. Alles blickt über die Reling und späht nach dem Fangsack, dessen unten zugebundenes Ende scherzhaft der „Dutt" genannt wird. Am Ende des Netzes erscheint er dicht am Schiffskörper. Alle Mann g- ifen zu, das Netz an Bord zu ziehen. Merkwürdig, fast komisch ist des ersten Steuermannes Kommando: „Riiihhh-Dopp! Riiihhh-Dopp! Immer hier noch mal ran! Riiihhh-Dopp! Keine Müdigkeit vor- schützen! Riiihhh-Dopp! Fest zugreifen Karl! Zier dich mal nicht! Riiihhh-Dopp! Jetzt haben wir ihn! Jetzt kommt er! — Holt fast!" Das Netz ist an Deck; die Männer richten sich schnaufend und langsam auf. Noch schaukelt der Fangsnck in der schwankenden Flut. Schnell liegt ein mächtiges Tau um seinen Hals. Wieder von der Brücke das Kommando: „Hiev up!" Schon pendelt der Sack mit seiner glitzernden Fülle über Deck. Ströme von Seewaffer rauschen auf die Planken. Der „Dutt" wird aufgebunden; noch ein kurzer Ruck. Erst drei glitzernde Fische, dann zehn, dreihundert, eine blinkende, schnellende, nach Luft schnappende Mass? rauscht aus dem Loch zwischen die Bohlen- kästen, schnippt und schnappt. Eine bunte Masse: Stahlblau leuchtende Heringe, graugrüne, meterlange Kabeljau, mächtige, graublaue Köhler, drachcnförmige Rocken, stachlige Knurrhähne, getigerte Makrelen, wuchtige Heilbutts, kupferne Rotzungen, purpurne, sünfstrahlige Seesterne, rosige Langusten, violette Quallen, sich kestsaugendc Tinten fische, gespenstische Meerspinnen, eilfertige Taschen krebse, Muscheln, Seetang, Seerosen — ein unbe schreibliches Gewimmel und Gekribbel. Während ich »ock andächtig die wundersame Mannigfaltigkeit der Mecresbewohner bewundere, ist hinter mir fchon der Dutt wieder zugcbundcn: das Netz fliegt über Bord und wieder sausen die Stahlroffen von den Winden über die Rollen in die Tiefe. Der neue Fang be ginnt — wieder vier Stunden lang. Doch nun kommt dieArbeitan Deck, cs gilt sich zu tummeln, will man bis zum nächsten Fang fertig werden und noch eine Viertelstunde essen oder schlafen. Die Heringe werden ausgenommen, in Körbe gelegt, dis immer einen Zentner fassen; sie kommen nachher mit dem übrigen Fang hinab in den Fischraum zwischen Bohlen und Eis. Die übrigen Fische werden geschlachtet und ausgenommen. Staunend sehe ich die Gewandtheit der drei Matrosen. Drei Tempi verlangt ein Fisch: Linen jähen Schnitt mit dem haarscharfen, kleine«. Messer und zwei weitere Griffe, die den Fisch von Eingcwciden und Unrat befreien. Berge von Fischen werden, so zu bereitet, in Körbe verpackt. Dann geht es ans Waschen. Aus der Deckpumpe springt ein armdicker Strahl Seewaffer in die Körbe hinein und spült unter dem heftigen Schütteln der Matrosen den letzten Rest von Blut und Eingeweide» fort. Die großen Fische wurden Stück für Stück unter den Strahl gehalten. Dann schnell mit der Ware von Deck, in den Kühlraum hinein; denn schor» steht einer der Leute bereit, mit dem Schlauch das Deck zu waschen. Diese Menschen sind merkwürdig: Sie können sich nicht genug darin tun. Deck und Fische und Bretter und Netz zu spülen und zu waschen; aber sich selbst waschen sie nur einmal bei der Abfahrt und einmal bei der Rückfahrt, werrn Cuxhaven passiert ist. Einen Augenblick ist es leer und ruhig auf Deck. Dann erscheint wieder der Kapitän, wandert auf der Brücke auf und ab und bald kommt das Kommando: „Hiev up!" Alle vier Stunden. Tag und Nacht, Nacht und Tag. Zwölf Tage lang müssen sich so Matrosen und Steuerleute die Zeit zum Schlafen und Essen stehlen; und wehe ihnen, wenn das Netz reißt oder an einem Kriegswrack ausgeschnitten wird; dann wird vier- undzwanzic) Stunden, zwei Tage ohne Pause ge arbeitet, ins das Schiffchen zum Netzknüpsen den Händen entgleitet und das im Seegang überholende Schiff die Eiugeschlummerten durcheinander wirft und weckt. In diesen Tagen Nordseefang habe ich erfahren, daß dort draußen in Sturm und Not ein stilles Heldentum tagaus, tagest» sich abkämpst, um für den Tisch der Nation zu sorgen, ein Heldentum, das mit kargem Lohn zufrieden ist und seine Kraft nimm» aus einer unbeschreiblichen Liebe zur See. Oer Tod der Frau Hof aufgeklärt Die Frankfurter Kriminalpolizei hat die Untersuchung über den Tod der Gattin des General- direktors Hof nunmehr abgeschlossen. Frau Hof wurde an» 11. August in ihrer Wohnung in der Sa- vignystraße mit schweren Schußverletzungen aufgcfun- dei». Sie gab an, von einem Mann, der sich in einem Nebenraum versteckt gehalten hatte, überfallen worden zu sein, sie habe zwei Schüsse auf ihn abge geben, worauf sich der Mann auf sie gestürzt und dreimal auf sie ocschossen habe. Frau Hof verwest gerte bei ihrer Vernehmung jede Angabe über die Person des Täters und starb kurze Zeit darauf im Krankenhause. Die Mordkommission stellte fest, daß tatsächlich zwei Kugeln in der Holzvertäfelung des Zimmers stecke«» geblieben waren. Doch alle Nachforschungen nach dem Mörder blieben vergeblich. Nun hat die Untersuchung des Revolvers einwandfrei ergeben, daß Frau Hof selbst alle Schüsse abge geben hat, denn der Revolver wies nur ihre eigenen Fingerabdrücke auf. Warum Frau Hof vor ihren» Tode die irreführenden Angaben ge macht hat, ist noch nicht aufgeklärt. Drei Leipziger Touristeu erfroren. Wie bereits gemeldet, sind am 0. August drei Leipziger Touristen in der Nähe der Mutthornhütte beim Petcrsgrad in Tirol tot aufgefunden worden. Die Rainen der drei Verunglückten lauten Richard Paul l Müller, Artur Ungestüm und Walter j Riede beiger. Wie »vir zu dem Unglücksfall > hören, sind die drei jungen Leute während ihrer Ferien auf einer Tour in Tirol gewesen, haben j einen große«» Teil Tirols innerhalb 2X- Wochen j durchwandert und gegen Ende ihrer Ferien mehrere Bergstcigungcn unternommen. Dabei fiele«» sie auf der Tour zum Petersgradc infolge Unkenntnis der Wittcrungsvcrhältnisse dem weißen Tod zum Opfer. Die Beisetzung der Verunglückten finde» vcr- mullich in der Nähe des Unglücksortes statt. Leit« S Nicht: Messe ohne Wasser Auf der übernächsten Seite wird eine Tatsache mitgetcilt, die uns in Leipzig Ansässige nicht allzu stark verblüfft, aber deren Effekt» den Meßfremden vielleicht unangenehm berührt: der Rohrbruch in der 23 Kilometer langen Wafferzulcitung Canitz—Leipzig. Und um nun einer Panik unter den nicht wasser- scheuen Meßfremden vorzubengen, seien hier die folgenden beruhigenden Mitteilungen gemacht: Wir haben in diesem Sommer bereits dreimal eine«« solchen Rohrbruch erlebt, und es ist damit gar nicht so schlimm. Es ist überhaupt nicht schlimm bis in die Höhe der zweiten Etage. Was darüber ist, ist allerdings übel dran. An Baden ist z. B. nicht zu denken, und eii» eventuell vorhandenes WC. ist für einige Tage eine angenehme Illusion. Weiter ist nichts, und solche kleine.« Hindernisse sollten für die Meßgäste den Reiz der Neuheit haben. Wenigstens ist uns keine größere Stadt be kannt, in der wiederholte Wasserschwierigkeiten zum sommcrlichcn Vcrgnügungsprogramm gehören. Leider sind solche Leipziger Sondcrvergnügungcn stets kurz befristet, nur ein, zwei oder drei Tage, dann ist der Schaden repariert und das Wasser strömt wieder ausreichend, auch für den erhöhten Bedarf der Messe. Diesmal soll die Reparatur be reits Mittwoch morgen beendet sein. Und da die Mess e am Mittwoch noch nicht zu Ende ist, wäre cs verfehlt, von einer Messe ohne Wasser zu sprechen. So ein Rohrbruch ist überhaupt kaum der Rede wert. Wir Leipziger jedenfalls sind in dieser Be ziehung bereits „ganz gräßlich blasiert". 31m. Furchtbare Mißhandlungen eines Kindes Vier Jahre Huihthans für einen Wachtmeister Memel, 31. August. Ein schreckliches Bild von den Leiden eines Kin des, das völlig verwilderte«« Menschen st» die Hände gefallen war und von ihnen zum Krüppel gemacht worden war, entrollte eine Verhandlung vor dem hiesigen Schöffengericht gegen den Besitzer Schak - nes und den Wachtmeister Wolf. Schaknes hatte eine Brieftasche mit 30 Dollar und verschiedenen Papieren verloren. Einige Tage später fand der 15jährige Knecht Peltrauskas einige der Papiere in dem Landstraßcngraben. Er brachte sie Schaknes, der ihn mit zu dem Wachtmeister Wolf nahm. Dieser marterte nun den Jungen auf die »in- menschlichste Weise, um ihm ein Geständnis, wo er das Geld versteckt hätte, zu erpressen. Er zerrte ihn in einen völlig dunklen K a r t o f f e l k e l l e r, »vo er des nachts bei starker Kälte ohne Decke liegen »rußte. Er ließ den Jungen dann lange hungern und schlug ihn mit einen» Lederprügel, bis ihm das Fleisch in Fetzen vom Leibe hing. Einmal hing er den Jur» gen regelrecht an einem Ba n me a u f, bis er nur noch röchelte, ein anderes Mal bearbeitete er den Junge«» mit einer Dunggabel. Nach 10 Tagen gelang es endlich der Mutter, den Junger» hcrauszubekoinmen. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, wo ihm beide Füße abgenommen werden mußten, da sie durch die Abschnürung mit den Stricken und durch große Kälte abgestorben waren. Der Wachtmeister wurde zu 4 I a h r e n I u ch t - Haus, der Besitzer Schaknes zu drei Monate«: Ge fängnis verurteilt. „RMM-rkWt in ktiMkk SvrMe - 10 M IM MW" Lin Interview mit dem größten amerikanischen Theaterunternehmer. Salzburg, 31. August. Salzburg, Grand Hotel de l'Europe. Kommen und Gehen, Lift auf und ab. Auto- mobile fahren an, Telephone rufen, Telegramme flattern hcrein- Dic Hall sieht Salzburgs vornehme Festspiel, gästc. Amerikanische Bankiers, deutsche Prinzen, englischen Adel. Und einige Oesterreicher, die mit Mühe den Platz behaupten (das Zimmer bezahlen). Diese schauen zu, die Fremde«» werde«» gesehen. Sie kommen, sie grüßen, sic gehen. ' Ihre Spur bezeich. net ein Duft, der voi» keinem Parfüm, der nur von Exotik kommt. Und eine Schnur kleiner englischer Laute, die hinter ihrem Gehe«» zu Boden fällt und nach der sich der arme Wiener bückt: „Was hat sie gesagt?" . . . Nur einer verharrt in» Getriebe, verläßt nicht die Hall, ist immer da, geht anf und ab wie ein Kontrolleur. Er ist es in der Tat: der ameri kanische Beobachte der europäischen Kunst. Morris Gest- Wie stellen Sie sich den größten Producer der Neuen Welt, den berühmten Thcatcrmanager, vor? Denken Sie an einen Mann im Cut, mit Monokel, Glaces? Sie finden hier manchen, der diese Zeichen trägt, doch nicht den Namen Morris Gest. Gest hat das Habit eines Künstlers. Eines Künstlers, der es noch nicht weit gebracht hat, der erst auf die Ein- ladung eines literarischen Salons wartet. Gest trägt sich wie ein Dohömien. Schwarzes Saeco, blaues Hemd, schwarze Lavalliöre, weicher Filzhut. Unter dem Hut reiches Haar, das aufwärts steht und die Stirn ziemlich frei läßt. Unter der Stirn zwei Augen, die für vier sehen, lebhaft, flackernd, suchend. Ein Kunstaeschästsmann, dem inan die Kunst anzusehen glaubt. Morris Gest erzählt: — Ich komme aus London, Paris, Wien. Ich . habe in Wien eine Zusammenkunft achabt mit Nemirowitsch-Dantschcnka. Sie kenne«» nicht Dantschenko? Der Direktor des Moskauer K u n st t h e a t c r s Ich habe mit ihm einen Kon- trakt gemacht. Er wird mit seinem musikalischen Studio nach Amerika kommen. Ich habe gebraucht 24 000 Unterschriften von die ersten Gesichter Ame- rikas, bis wir haben bekommen die Erlaubnis von dem russischen Kunstministcr, daß Dantschenko reisen kan. Der Kontrakt ist perfekt. Dantschenko wird kommen mit 95 Personen von Moskau nach New Park. — Aber das ist Nebensache. Ich will Ihnen sagen etwas anderes. Ich war gestern beim „Weltthcatcr" und ich habe bekommen eine neue Idee, was ich glaube, daß sie richtig ist. Sie wissen: Kunst ist international und muß sein international. Wann ein Sänger hat großen Er- folg, aber nur in Wien, Berlin, Frankreich, in London — das macht gar nichts! Der Schau- spicler muß alle Sprachen sprechen, wenn er will berühmt werden. Die Ausübung von einer Kunst ist nur dankbar, wenn der Künstler Ruhm erwirbt. Denn Geld hat er nie- Lin Künstler ist aber nur berühmt, wenn die ganze Welt ihn kennt. Amerika hat einen so großen Wert in der Welt, daß der europäische Ruhm nur wenig bedeutet. Wenn ein Künstler englisch spricht, wird er wichtig für die ganze Welt. Warum kann ein Sänger drei Sprachen sprechen, er singt deutsch, er singt italienisch, er singt englisch, warum soll nicht auch der Schauspieler Englisch erlernen? Es wird sein das größte Glück für ihn und auch die größte Propaganda für sein Land. Ich mar gestern im „Welttbeater". Ich habe kein Wort verstanden. Ich möchte viele von die Schauspieler Reinhardts nach Amerika nehmen, aber ums soll ich mit ihnen anfanaen, wenn sic nicht können Englisch? Sie müssen Englisch lernen und esi werden Englisch lernen- Wenn sie wollen Brot haben nächstes Iabr, müssen sie heute — wie sagt man nur — yes: säen. Lin deutscher Schauspieler kann in fünf bis sechs Wochen in Amerika so viel verdienen, was er hier verdient in einem ganz-n Iabr. Das aanzc Theater von Reinhardt könnte ich nach Amerika bringen. Und das Theater würd" keine Sorgen mehr haben- Warum bat Bgljeff Englisch gelernt? Kennen Sie Baliesf? Der „blaue Vogel", was auch bei Ihnen war, ist eine Imitation von Baljcff. Pes. er bat nicht aut Enalikch aesvrocben. aber er hat gehabt ei,'en großen Erfolg. Pes. Unsere Marn Tarden bat in Paris krcnnösisch gesungen „Salome", und „Rotre Dame". Reinbardt hat in New Pork großen Erfolg ge habt, weil Vantomimc vcrsteht ieder. Aber die Svrechstücke muß man englisch hören. Außer man ist die Düse. Die Düse hat bei mir sensationellen Erfolg gehabt. Aber sechzig Prozent des Publikums ist zu ihr gegangen, »vie zu einem Mann mit zwei Köpfen. Der erste Abend hat eine Einnahme gehabt von dveißigtansend Dollar. Ich habe mit der Düse gemacht einen Kontrakt auf zwanzig Vorstellungen. Nach der zehnten Vorstellung ist sie krank geworden Ich habe sie gebeten, sie soll zurückfahren (sie hat noch einen Vertrag «nit Wien gehabt). Die Düse wollte unbedingt bleiben. So hat sie gemacht einen anderen Kontrakt «nit einem Direktor in Kalifor nien für zwanzig Vorstellungen. Nach der sech zehnten Vorstellung ist sie gekommen nach Detroit und hat mich gerufen, ich soll vermitteln, daß sie die letzten vier Vorstellungen nicht mehr spielen muß. Sic hat mir im Februar 1924 gesagt, sie hat uur noch einen Wunsch, sie will einmal die Madonna in „Mirakel" spielen. Ich habe ihr versprochen und zugesagt, daß die ganze Bor- stcllunq wird sein ihr Benefiz. Eie hätte 15 000 Dollar verdient- Aber sie ist krank geworden st» Pittsburq und ist gestorben, die Arme. Ich bin nicht responsabel. Ich habe ihr gesagt, sic soll nach Hause fahren, obwohl sic war in Amerika der größte Erfolg. Auch das Moskauer Theater von Stanislawsky war ein gutes Geschäft in Amerika. Sie haben gespielt sechzehn Wochen und haben eingenommen 43 000 Dollar die Woche. Die „Fledermaus" von Moskau hat gespielt 109 Wochen nacheinander. Das „Mirakel" wird erst ein Erfolg werden. Jetzt wird es gegeben in vier amerikanischen Stad- tcn, in Cincinnati, Boston, St. Louis, Chicago. Die vier Städte haben mir zusammen eine Garan tie von einer Million Dollar gegeben. Max Rein- Hardt wird wieder nach Amerika kommen, wir suchen nur ein neues Stück für ihn, was er wird inszenieren Aber jetzt kommt schon Amerika nach Salzburg. Jetzt fängt erst Salzburg an. berühmt zu werden. Und warum? Weil die Pinchot ist erstes Blut von Amerika und die Ladn Diana von England. Deswegen sind so viele Gäste aus Amerika und England hergekommen. Und die ersten Reporters von New Pork Times und World. Und der erste Kunstkritiker von Amerika. Brinton filmt für die Cinemas von Amerika. Ich selbst habe fünfzig Telegramme bekommen von meinen Freunden, welche wollen kommen nach Salzburg . . In diesem Augenblick übereichte der elegante. 1 umfangreiche Sekretär Morris Gests das einundfünf. I zigste Telegramm. Gest überfliegt cs Die Tclc- grcrmmc an Morris Gest dürften nur mit Namen ! und in Ziffern sprechen, wie er selbst, dessen Be- richt sich in dem Satz zusammenfassen ließe: „Dan- tschenko mit 24 000 Unterschriften für Amerika ge- Wonnen. Hoffe 15 Wochn ä 40 000. „Mirakel" für Cincinnati, Boston. St. Louis, Chicago — eine Million Dollar. Reinhardts Truppe in englischer Sprache 10 000 Dollar täglich." Aber Morris Gest sieht nicht nur in der Kunst ein Geschäft, sondern auch iin Geschäft eine Kurst Als Künstler gibt er sich- Er weiß, was er seiner Lavalliöre-Binde, was er seinem abgetragenen An zug schuldig ist. Vivtor- WWzMmM Von Mekttwck Lurlnsor Der Händler redet. Der Kaufmann schweigt. Sein Schaufenster von außen sehen, wenn man von innen cs stellt: die Fähigkeit durch alle Dirnen- sioncn bewährt den Kaufmann. Das hat er mit dein Strategen gemein, daß er sich mit dem Auge dessen mißt, den er ins Auge faßt. „Ls ist mein Stolz," sagte der Arzt, „daß ich, andern dienend, mich verzehre." „Es ist «nein Spaß," sagte der Krämer, „daß ich, andere bedienend, verdiene." „Es ist mein Stolz," sagte der Kaufmann, „daß ich, andern dienend, mir diene." -V. „Ich kenne keine Konkurrenz," sagte der Kaufmann: „der gute Kaufmann ist Geschäftsfreund. Der schlechte Kaufmann aber ist nicht Konkurrent, weil er kein Kaufmann ist." «- Unsummen gewinnt der Spieler und weiß nicht wohin vor lauter Geld! Der echte Kaufmann har nie Geld. „Mein Beruf ist kein Fach," sagte der Kaufmann; „mein Beruf ist universal; nichts Menschliches bleibt mir fremd, alles Leben zieh' ich an mich, leit' ich durch mich hindurch wieder hinaus. Nicht wie ein Händler, nein, als Handelnder handle ich mit allem, nur nicht mit «nir selbst!" * „Kaufmann jein," sagte der Kaufmann, „ist e i ' Weltanschauung, kein Geschäft."
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