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«in mit Bildern geziertes Bänkelsängerlied, das damals aus Anlaß der verunglückten Probefahrt entstand. In dieser Schauerballade heißt es: „So fahren wirnach Löbau fort, adieu, adieu, adieu. In 1V Minuten sind wir dort, herrje, herrje, herrje. Wir liehen Pelz und Mantel da, denn Löbau war uns ja so nah. O je, o je, o je!" Bei schönstem Wetter war man in Dresden «^gefahren. Hinter Bautzen abeit hatte plötzlich ein so heftiges Schnee treiben eingesetzt, daß in wenigen Minuten große Wehen auf den Gleisen aufgetürmt wurden, in denen der Zug nach hartem Kampfe schließlich im Ralbitzer Einschnitte stecken ' «ieb. „Sie haben Löbau nicht gegrüßt und stehn nun hier versammelt. Der Czorneboh hat nur geniest — pautz! war der Paß verrammelt! ..." ' Als vor SO Jahren die Schlesische Bahn gebaut und ab- sHiittsweise in Betrieb genommen wurde, stellte man dr .Kalendern und Tageszeitungen gern Vergleiche zwischen der Schnelligkeit der Post und der Eisenbahn an. So konnte man über die zurückzulegende Wegstrecke lesen: Extrapost in der Sekunde 7 Fuß, Dampfwagen in der Sekunde 40,5 Fuß. Die Lokmnotiven entwickelten also damals schon eine . sehr ansehnliche Geschwindigkeit. Die Fahrtdaüer wurde verkürzt durch den Umstand, daß die Züge in den ersten Jahren nur bei Tage fuhren, und daß es nur ganz wenig Hallestellen gab. So hielt der Zug auf der Strecke von Dres- den-Neüft. nach Löbau nur in Langebrück, Radeberg, Fisch bach (welche Hallestelle später nach Erbauung der Kamenz— ' Pirnaer Bahn noch dem an der Kreuzung gelegenen Arns dorf verlöt wurde), Bischofswerda, Seitschen, Baut zen und Pommritz. Diese 10ZH Meilen oder 78 Kilometer länge Strecke wurde in reichlich 2A Stunden (2 Stunden 36 Minuten) durchfahren. Von Dresden nach Leipzig, 120 Kilometer oder 15z4 Mellen, benötigte der Zug drei Stun den. Hallen gab es auf dieser Linie anfangs nur in Wur zen, Dahlen, Oschatz, Riesa, Priestewitz und Niederau. Es sei hier ein Fahrplan der „Sächsisch- Schlesischen Eisenbahn" aus dem Jahre 1849, also aus der Zeit kurz nach der Betriebsaufnahme, wiedergegeben. Sächfisth-Schlefifche Eiseubaha. Don Dresden nach Löbau. SO Pfund Freigepäck. Im Jahre 1860 verkehrten von Bischofswerda aus täglich schon sechs Personenzüge in beiden Richtungen, außerdem vier Güterzüge. Das Personal des Bischofswerdaer Bahnhofs bestand damals nur aus 1 Bahnhofsinspektor (Johann Wilhelm Müller), 1 Billeteur (— Fahrkartenverkäufer), welchen Posten Lieber bekleidete, 1 Portier, 2 Kofferträgern, 1 Schirrmeister, mehreren Bahnhofsarbeitern. Mancherlei Vorschriften und Einrichtun- W«n aus der Zett der Eröffnung der Schlesischen Bahn mu ten uns heute sehr seltsam und kurios an: Me Wagen 3. Klaffe waren offen wie die heutigen Koh- lenwaggons. 2. Klaffe war verdeckt und mit Zugvorhängen Mellen I Stationen. Fahr- zeit. Personenkaxe. Reich«, laler l. Silb^ Sr. L lll. St. M. Re>q «aler «Ilb^ «e. 1'/, Bo« Dresden ««ch Langebrück 1« 6 — 4 2'/. Radeberg — 27 — 8 — 6 3'/», Fischbach — 43 — 12 — 9 5 Bischofswerda. - . . . 1 4 — 20 — 15 «'/, Seitschen 1 29 — 26 — 20 7'/, Bautzen 1 44 1 — —» 23 N/u Pommritz 2 10 1 6 — 28 10'/, Lödan . 2 36 1 12 1 2 versehen. Nur die Wagen 1. Klasse hatten Glasscheiben. Die Wagen 1. und 2. Klaffe glichen aus Eisenbahnschienen gesetzten Kutschen. Die Lokomotiven hatten himmelhohe Esten, nur vier Räder und waren völlig ungeschützt und offen. Die ersten Lokomotivführer waren Engländer, di« ein sehr hohes Gehalt bekamen. Als Zeichen ihrer Würde tru gen sie einen hohen Zylinder. Wer mitfahren wollte, mußte einen Reisepaß vorwei sen, in dem Name, Stand, Geburt, Wohnort und Reiseziel eingetragen waren. Kinder unter 12 Jahren wurden nicht mitgenommen. Später wurde das 5. Lebensjahr hierfür festgesetzt. Schon eine Stunde vor Abfahrt mußte man sich auf dem Bahnhofe einfinden, da die Fahrscheine geschrieben wurden. Gedruckte Fahrkarten kamen erst spater auf. Eine Viertelstunde vor der Abfahrt von der Ausgangs station ertönte das 1. Glockenzeichen. Da mußten alle Pas sagiere ihre Plätze eingenommen haben. Keiner durste von jetzt an mehr aufstehm, auch nicht während der ganzen Fahrt. In der 3. Klaffe hatte man gut schließende Staub brillen aufzusetzen, ja, sogar Masken wurden verwendet, ferner trug jedermann graue Leinwandmäntel und spannte große Schinne auf gegen den unausbleiblichen Ascheregen, den die ersten Lokomotiven spendeten. Wer aus der Fahrt ohne „Billet" erwischt ward, der wurde unbarmherzig zwischen den Stationen ausgesetzt . . ? Es gab nun in der Gründungszeit unserer Sächsisch- Schlesischen Bahn viel«, die mit der Schaffung dieses neuen, modernen Verkehrsmittels nicht einverstanden waren: Post kutscher, Postmeister, Fuhrhalter, Botenfuhrleute, die Wirte der an den Landstraßen gelegenen großen Gasthöfe und Aus spannungen, Stellmacher, Schmiede und andere Gewerbe treibende, deren Verdienst Mit dem Weiterblühen des Fuhr mannswesens aufs engste verknüpft war. In dem auch in der Bischofswerdaer Pflege viel ver breiteten und gelesenen „Meißnischen gemeinnützigen und unterhallenden Talender für Stadt und Land auf das Jahr 1840" bringt der Kalendermann darüber einen kleinen Arti kel mit der Ueberschrist. Reibung der Eisenbahn mit einigen Gewerben. „Wie alle großen Neuerungen und Fortschritte werden auch die Eisenbahnen manches Interesse verletzen. Wir werden aber nickst um ihre Einführung befragt. Sie liegt in der Natur der Dinge, im Lauf der Fortschritte, die wir nicht aufhalten können. Wir haben nicht zu erwägen, ob dieser oder jener Stand, dieses oder jenes Gewerbe darunter leiden werden. Vielleicht werden manche augenblicklich leiden, aber wir können es nicht ändern. Das Interesse dieser Ge werbe kann so wenig die Anwendung der Ellenbahnen und Dampfschiffe auf die Vervollkommnung der Communicatio- nen (— des Verkehrs, der Verbindungen) verhindern, als irgendein partikulares Interesse (— ein Standes- oder Ein zelinteresse) jemals die Fortschritte großer Erfindungen, z. B. der Buchdruckerkunst oder der Spinnmaschinen verhindert hat." ftnternl Zodiakus von SürtenviM oder Das Opfer der Heimat. Eine Dorfgeschichte, erzählt von PaulGottlöber. (16. Fortsetzung.' Alle Bekannte. Kaum hatte sich Kowark empfohlen, so traten Pauline Finsterbusch und Marschner, von Mühlbach kommend, ein. Pauline mit dem Tragkorb und Marschner mit dem Ruck sack, aus dem eine Kiste Zigarren mit der Aufschrift: „Starke Willenskraft" herausschaute. Willkommen! Willkommen! rief ihnen Hietzke entgegen. — Gut so, Pauline, lobte er, indem er ihr den Tragkorb' abnehmen half; bist immer noch eine fürsorgliche lOköpfige Familienmutter; und denkst auch an deine Pflegekinder. An dich zuerst, bestätigte Pauline. Ich hab dich im Kriege hinterherum versorgt, bei Nacht und Nebel; ich wer de dich bei Tage nun erst recht ni verhungern lasten. Hietzke nickte anerkennend: Das ist recht so! Das große Wiedersehen macht „guten Abetit", Wie Konditor Gustav