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1. Beiblatt zu Sku««er ISS Der Sächsische Erzähler Mittwoch, de« 11. 1SS4 Moskaus Drahtzieher an der Arbeit. Zu -en Ereignissen in Amsterdam, San AraN-iSeo und Süd-Chile. Liest man die tätlichen „Scklachtenberichte^über die Straßenkämpf« in Amsterdam und San Franzisco, glaubt man sich in die Tage der Wiener Februar-Revolte zurück versetzt. Das charakteristische Kennzeichen aller dieser Kämpfe ist der Einsatz des Militärs, da die Polizei aus eigener Kraft mit den Aufrührern nicht mehr fertig wird. Vor allem ist es die Verwendung von Panzerwagen, die eine neue Note in die Strahenkiimpfe bringt. Sie ist aber auf der anderen Seite ein Beweis für die Zähigkeit und den organisierten Widerstand, der nur mit den stärksten und schärfsten Mitteln der Staatsgewalt gebrochen werden kann. Das Entscheidende liegt aber auf einer anderen Ebene. Nicht, daß in zwei großen internationalen Hafenstädten, wie es gerade Amsterdam und San Franzisco sind, Unruhen ausbrechen, ist das Auffällige, sondern die Arbeit der Hin- ermiinner und Drahtzieher gibt diesen Kämpfen das be- ondere Gepräge. Daß es an solchen Sammelplätzen des nternationalen Schiffsverkehrs gelegentlich zu Zusammen- tößen kommt, ist etwas, mit dem die Sicherheusvehörden ohne welteres rechnen. In allen Hafenstädten der Welt sind Streiks und Arbeitsverweigerungen bei Ausladungen an der Tagesordnung. Sie läsen sich in der Regel von selbst« sei es durch Nachgeben der Reeder, sei es durch Uneinigkeit der Streikenden, sei es durch schiedsrichterliches Eingreifen der Behörden. Daß es aber, wie jetzt in San Franzisco, dabei zst regelrechten Schachten auf den Kais und in den Straßen M der Nähe des Häsens kommt, ist selbst für Amerika etwas Neues. Daß die Streikenden einen mit Waffen beladenen Dampfer, der eigentlich nach China bestimmt war, entern und sich in den Besitz der Waffen setzen, verschärft die Lage bedenklich. Wenn setzt die Regierung 2000 Mann Milizen aufgeboten hat, ist diese Vorsichtsmaßnahme ein Beweis da für, däß die selbst für San Franzisco reichlich bemessenen Polizeikräfte nicht mehr stark genug sind, um der Unruhen Herr zu werden. Damit haben sich die Drahtzieher selbst entlarvt. Wenn auch naturgemäß die Ereignisse in Amsterdam, San Fran zisco und Chile in keinem eigentlichen Zusammenhang mit einander stehen, die Tatsache steht unerschütterlich fest, daß an allen drei Brennpunkten revolutionärer Kämpfe die Kom munisten ihre Hand im Spiel haben. So verschiedenartig und geringfügig der Anlaß im einzelnen auch sein mag, er wird von den Schülern Moskau« dazu benutzt, um gegen die staatlichen Autoritäten aufzuputschen und sie in Schwie rigkeiten zu bringen. So zeigt sich ein eigenartiger Gegen satz zur Politik der Sowjetregierung. Herr Barthou ist krampfhaft bemüht, die Sowjetunion gewissermaßen wieder gesellschaftsfähig im Kreise der Völker zu machen. Herr Litwinow schließt, wo immer es nur geht, mit aller Welt Freundschafts- und Friedensverträge ab. Eine bestimmte Presse bemüht sich tagaus, tagein, Deutschland als Gefahr für dle ganze Welt hinzustellen, Rußland dagegen mit allen Farben der Palette als den wahren Freund und Kulturfak tor ädzumalen. Nach außen hin unterstützen die Machthaber im Kreml diese Bemühungen ihrer neuen Freunde nach Kräften, unter der Hand aber wird eifrigst an der Weltrevo lution weiter geschürt, und wo es nur immer geht, ein revo lutionärer Brand entfacht. Deutschland hat mit und nach dem Sieg seiner Revolu tion den Bolschewismus niedergezwungen, weil seine Führer beizeiten die Gefahr erkannten. Draußen in der Welt hat man sie und uns verlacht und die bolschewistische Gefahr als einen lächerlichen Schemen hingestellt, der nicht mehr ernst zu nehmen sei. Zeitweilig hat sogar fast ein Wettlauf nach Moskau eingesetzt, um sich die Gunst, die Freundschaft und vor allem wirtschaftliche Vorteile zu sichern. Die neue Freundschaft wird wahrlich schlecht belohnt. Die Opfer der Kämpfe in Amsterdam, San Franzisco und Chile und die Spuren der Verwüstung sind nur allzu deutliche Belege für die Richtigkeit der deutschen Auffassung. Es scheint aoer leider immer noch so, daß die Regierungen und Völker erst dann klug werden, wenn sie das Wirken des wahren Mos kaus am eigenen Leibe verspüren. Ob ihnen dle Ereignisse nun endlich die Augen öffnen werden? Kommunistische Grrmirlte in ganz KoUand. dnb. Amsterdam. 10. Juli. Obwohl die Zurückziehung der meisten nach Amsterdam berufenen Truppenabteilungen damit begründet wurde, daß der kommunistische Aufstand als niedergeschlagen gelten könne, ereigneten sich am Mon tagabend und in den ersten Morgenstunden des Dienstag doch noch «ine Reihe von Zwischenfällen. In Jordaan hatten sich auf der Palmgracht zahlreich« Kommunisten zusammengerottet und begannen das Sira- ßenpflaster aufzureißen. Drei Ueberfallkommandos städti scher und Militärpolizei waren erforderlich, um hier die Ord nung wieder Herzushellen. Im Hafenviertel von Wittenburg wurden von den Kommunisten neu« Tumulte geplant, wes halb von Abteilungen der Marineinfanterie das ganze Vier tel abgesperrt und auf den wichtigen Straßenkreuzungen Posten aufgestellt wurden. All« Einwohner mußten schon am frühen Abend ihre Häuser aufsuchen und durften sie spä ter nicht mehr verlassen. Im nördlichen Stadtteil mußten erneut aufgeworfene Barrikaden von Militärabteilungen be seitigt werden. Zu ernsten Zusammenstößen kam es im west- lichen Teil in der Borgersgracht, wo zwei Polizeibeamte plötzlich von einer aufrührerischen Menge überfallen wur den. Nachdem die beiden Beamten von einem Ueberfall- auto aus ihrer heiklen Lage befreit waren, wurden in den Nebenstraßen sämtliche Laternen zerstört. Man mußte auch hier ein starkes Polizeiaufgebot anrücken lassen, das unter Benutzung der Schußwaffen die Straßen endlich zu säubern vermochte. Ferner werden aus einer ganzen Reihe von anderen holländischen Städten Straßentumulte berichtet. Besondere heftig ging es in Rotterdam zu. Hier wurde u. a. auf dem Crooswykschen Weg das Pflaster aufgerissen, die Straßen beleuchtung unbrauchbar gemacht und die Polizei beschossen. Polizeibeamte wurden von den Dächern mit schweren Stei nen bombardiert. Erst alz ahlreiche Salven auf die Fenster und Dächer abgegeben waren und Monteure der städtischen Elektrizitätswerke eine Notbeleuchtung angelegt hatten, wurde um 2 Uhr morgens die Polizei wieder Herr der Lage. Starken Widerstand hatte die Polizei auch in Utrecht und in Zuilen zu überwinden. Auch im Haag, in Enschede, Arn heim und Deventer waren Straßentumulte zu unterdrücken. chließlich aktives Militär her Und wie sieht es in Amsterdam aus? Dort handelt es sich nicht um einen Streik, sondern die Herabsetzung der Ar- beü-losenunterstützungen bildet den äußeren Anlaß zur Re bellion. Bemerkenswert ist übrigens der Unterschied in der Führung der Kampfhandlungen. Während in San Fran- zisco noch im Stile der Wild-West-Methoden „tzearbeitet" wird, zeigt sich in Amsterdam die Beobachtung gewisser Me thoden der europäischen Kriegsführung. In dem verwinkel ten Straßensystem der alten Amsterdamer Stadtteil« kom men sogar die Barrikaden wieder zu Ehren, die eigentlich schon zur überholten und veralteten Revolutionsromantik gehören. Die Regierung hat chließlich aktives Militär her anziehen müssen, um die Hauptwiderstandszentren zu besei tigen. Völlig gebannt erscheint die Aufruhtgefahr noch nicht. Wahrscheinlich werden noch ge etzgeberische Maßnahmen not wendig sein, «m schärfere Handhaben zur Unterdrückung des Aufruhrs zu gewinnend Und noch von einer dritten Stelle laufen Meldungen über blutige Revolten ein, aus Süd-Chile. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um Arbeitslose oder Hafenproletariat, sondern um Landarbeiter, die unter der Parole „Land, Brot und Freiheit" plötzlich in einen Streik getreten sind, der durch seine Begleiterscheinungen bereits an bewaffneten Auf ruhr grenzt. Die Regierung hat sich genötigt gesehen, Ka vallerie- und Maschinengewehrabteilungen in Marsch zu setzen, um ein weiteres Nusbreiten der Aufstandsbeweaung auf ganz Chile zu verhindern, um so mehr, als inzwischen von kommunistischer Seite die Generalstreikparole ausge- geben worden ist. Die kommunistischen Un ruhen in Amsterdam haben nach dem Haag, Harlem, Aerloaenbosch. Pmuiden und Rotterdam überge- grtffen. Uederall war eine zentrale Leitung der Re volten festzustellen. Der Einfluß Sowset-Rußlands begirnt sich auch am Hori zont Hollands abzyzelchney. Aas schlaue Negerlein. Heiteres Geschichtchen v. G. W. A. Th i em a n n - G ro e g. (Nachdruck oerlioten > Nach langer Zeit saß ich wieder einmal auf der breiten Brands des Beckerschen Farmhauses im Hererolande, und wir sprachen von den alten schönen Zeiten des sprunghaften Aufstieges Deutschsüdwestafrikas, den schlimmen Tagen des Krieges, der Besetzung und der Mandatsherrschaft. Da erhellte sich das Gesicht des Farmers plötzlich. Am Fuß« der Veranda stand ein großer Kaffernjunge, grinste seinen Herrn verschmitzt an und bat um etwas Tabak. - Als er gegangen, lachte Becker noch immer. „Ein ganz gerissener Vogel ist das schon, dieser Swartboy. Der Junge hat sich vor einiger Zeit einen Streich geleistet, den ich Ihnen erzählen muß. Sie wissen ja, daß wir Farmer über unsere Leute auch nicht da» geringste Strafrecht mehr haben, seit die Unions truppen das Land besetzten. Die neue Verwaltung hatte das de» guten Mohren ausdrücklich bekanntgegeben und sie auf gefordert, in jedem solchen Falle Anzeige zu erstatten. Da hat denn mancher von uns wegen einer Ohrfeige seine Geldstrafe zahlen müssen, und die guten Negerlein be gingen mit Absicht Sünden und Streiche, um ihren Herrn zU reizen und dann bei dem geringsten Schlage zur Polizei zu laufen. Auch ich habe mein Lehrgeld gezahlt. Jnzwischep nahm aber die Unsicherheit überhand, auch von feiten der ins Land gekommenen Buren mehrten sich die Klagen. So mußte die Regierung eingreifen; es wurde verfügt, daß offenkundige Vergehen der Schwarzen bei der nächsten Polizeistation gemeldet und hier nach kurzer Unter suchung bestraft werden sollen. Ich war nun in dieser Zeit gerade beim Dommbauen und brauchte den Letzten meiner Leute. Das benutzte der gute Swartboy, um plötzlich alles verkehrt zu machen und mich in jeder Weise zu ärgern. Er glaubte wohl, ich würde Srgetlich werden und ihn am Kragen nehmen. Dann hätte er einen herrlichen Grund gehabt, zur Polizei zu laufen und sich von der Arbeit zu drücken, Aüch dl« anderen Leute waren von Swartboys Absicht unterrichtet und beobachteten genau, was ich machen würde. Al» der Junge nun eine weitere absichtliche Dummheit mach te, übersah ich auch diese scheinbar, dann ging ich zum Farm- Jungen barsch an. „7" " Da habe , auf die Herde", grinste mich der Hünge an. Er Hattern aller Seelenruhe den Viehwächter statt seiner die Prügel in Empfang nehmen lassen." Hause und schrieb einen kurzen Bericht über den Vorfall an den Polizeibeamten. Bei der Arbeitseinteilung am andern Morgen ließ ich Swartboy stehen und sagte ihm vor den Leuten: „Du kannst mit einem Briefe von mir zu der Polizeistation gehen, mußt aber morgen früh wieder hier sei» und die Antwort mit- brinaen." Ahnungslos empfing der Junge das Schreiben und freute sich im stillen, nun einen Tag an dem kleinen Platze verweilen und in die Kaufläden schauen zu können. Es waren knapp zwanzig Kilometer Entfernung, die er bis Mit tag bequem schaffen konnte, und ich habe still hinter ihm her gelacht, als er so eilig davontrabte. Er kam auch richtig am anderen Morgen wieder. Aber wie steifbeinig bewegte er sich vorwärts! Er gab mir auch einen Brief der Polizeistation mit der Mitteilung der erfolg ten Bestrafung, äußerte sich aber m übrigen über die Poli zei und die neuen Gesetze sehr mißfällig. Ahnungslos war er zur Stat on gegangen, hatte mein Schreiben überreicht und war höchst unangenehm überrascht, als ihn der Beamte in sein Zimmer holte, ihm dort seine Missetaten vorhielt und ihm nach seinem Geständnis durch einen schwarzen Hilfspolizisten eine ordentliche Tracht Prü gel verabreichen ließ. Diese Strafe wirkte sich sofort auch auf die übrigen Leute aus, und nun war Ruhe. Monate später erwischte ich zufällig den guten Swart boy bei einem Diebstahl. Ohne mich um sein Lamentieren zu scheren, schrieb ich erneut eine Meldung, gab sie ihm be reits am Abend u. befühl ihm, daß er sich am nächsten Mor gen ohne viel Federlesen ganz früh nach der Polizeistation in Marsch setzen sollte. Am andern Tage, als ich wie täglich durch das Feld ritt, um das Vieh zu kontrollieren, sah >ch zu meinem größten Staunen Swartboy, den Missetäter, als Viehwächter bei den Schafen stehen. „Warum bist Du nicht zur Polizei gegangen? Und wo ist denn eigentlich der Wächter?" rief ich den Jungen barsch an. „Ach, Herr ich gehe nicht sehr gern zu der Polizeistation. Da habe ich den Diehwächter hingeschickt und passe inzwischen ie Herde", grinste mich der Junge an. Er hatte in aller Tragödie in der Speisekammer: Jung« Frau (stolz): „Hier, sieh mal, was ich alles eingekauft habe. Borräte sind das mein Lieber! Jetzt kann die Lebens mittelknappheit in Deutschland ausbrechen!" Er (lange stumm den Kopf schüttelnd): „Blödsinn, ausgemachter Blödsinn, mein gutes Kind!" Junge Frau (weinend): „Ja ober — siehst du denn nicht, ein ganzer Sock Mehl und das viele Eingemachte, das gibt zu-' sammen für viele, viele Tage Essen! Und du sagst nichts wei ter als Blödsinn"? Er (heftiger): „Jawohl, Blödsinn, sogar doppelter! Hast du denn vergessen, daß ich noch mein Fahrrad abstottern muß und wovon soll ich denn nun die Schuhe kaufen, die ich so drin gend brauche? Hm? Wie stellst du dir dos vor? Und dann, wer hat dir denn diesen himmelschreienden Unsinn ein geredet von der kommenden Hungersnot? — — So. die Mayern also, die Hot wohl nichts weiter zu tun, als Krisen gerüchte und Miesmachereien zu verbreiten! Di« wird ange-' zeigt, basta!" Junge Fran: E r: „Nun weine nicht mehr, komm in die Stube, ich werde dir einen volkswirtschaftlichen Dortrog halten über unnötige Mehl vorräte und sehr notwendige Schuhe!" Vierzehn Tage später. E r: „Ja, aber um Himmelswillen, was ist denn nun wieder ge- schehen. Rasch einen Rettungs.ing, sonst ertrinke ich in bei- nen Tränen/' Junge Frau: „ Un—unser Mehl — ex—plo—diert ach — und die schönen Hei—Heidelbeeren — u hu huuu ." E r (ahnungsvoll): „In der Speisekammer etwa was passiert?" Junge Frau (führt ihren Mann wortlos in di« Speisekammer und weist ihm stumm das Unglück): Er: „ Na, das ist eine schöne Bescherung! Das große Heidelbeerglas explodiert, alle Wände verschmiert und der ganze Sack Mehl ein blauer Klumpen, das ist ja lieblich! Siehst du, das ist die gerechte Strafe für deine unbedachte Hamsterei. Hätten wir für das schöne Geld Schuhe gekauft, die wären gewiß nicht explodiert!" Junge Frau (fällt ihrem Mann weinend um den Hals): „Du, ich schwöre dir, ich werde nie mehr Vorräte Hamstern und spa ren will ich wie noch ni«, nächsten Monat hast du bestimmt deine Schuhe. Und wenn ich die Mayern treffe beim Kauf mann, die werd' ich ober zurechtsetzen, die soll sich wundern!"