Volltext Seite (XML)
die doch Herr Hietzke als Ehrenmeister alle Jahre hat be kommen. — - Hietzke las den Bries mit freudigem Gesichtsausdruck. Ja, ich bin wieder eingeladen, teilte er stolz mit. Und zur größten Ehre von Hinterwinkel soll diesmal die Weihnachts bescherung des ll.-K.-V. in August Kaspa-s Fremdenhofe mit seinem neu renommierten Kegelschub stattfinden; ich soll als Kommissionsmitglied alle Vorkehrungen treffen und mit August darüber verhandeln. Und du, Kowark, teilte Hietzke mit, bist och in die Kommission gewählt und sollst di« Ge schenke in der nächsten Woche ins Festlokal zu uns heraus fahren. Kowark stutzte, als er von dieser Ernennung zum Kom missionsmitglied hörte. Nein, weigerte er sich, nehme nicht wieder Wahl in Kommission an! Bin schon einmal Mit glied gewesen, als Briefträger Zulage haben wollten. War schöner Empfang damals bei Hohen Vorgesetzten. Sieht Postbehörde Kommission lieber von hinten als von vorn. — Na, gab noch Zulage damals, aber nur Tropfen auf heißen Stein; war damals, Meister Hietzke, als nachher Zwillinge ankamen — einen Schritt vorwärts und zweie zurück! Na, diesmal wird der Auftrag besser ablaufen, redete Hietzke. zu; denn von der Weihnachtsbescherung fällt gewiß für dich auch etwas ab, und über die Zwillinge bist du doch hinaus. Kowark lachte. Also werde Kommission noch einmal annehmen und Auftrag befördern. — So rückte denn der für das Weihnachtsfest des U.-K.-B. bestimmte Abend immer näher heran. Im Kasparschen Fremdenhofe stieg die Aufregung, die diese Auszeichnung hervorrief; bis ins fieberhaft« und August klagte: Mußte denn das gerade bei mir sein? — Im Gastzimmer umkreiste am Vorabend Meister Hoffnung aufgegeben? Und das kost ganz und gar nichts! Pauline rief Hietzke erfreut seine Pflegemutter herbei: Hietzke den runden Tisch und betrachtete wohlgefällig den stattlichen Christbaum, den er darauf gestellt hatte. Der erste, sagte er, der unterm Zodiakus steht, und der schönste aus der Kroker Heide, und der billigste im ganzen Hinter lande. — In Hinterwinkel hat überhaupt noch ke Baum ge brannt, der bezahlt gewesen wäre, setzte er hinzu. — Dann lief er zum „Billigen Marschner" und holte Pfeffernüsse und Goldsterne darauf und Engelshaar und Lichte und rief August herbei, der hlnterm Schänkstock hantierte: August, das wär etwas für eure Kinder, aber ihr habt wohl nu die Hoffnung aufgegeben? Und das kost dich ganz u. gar nichts! — Aber di« Hauvtsache fehlt ja noch, die Geschenke! — Doch sie trafen noch rechtzeitig ein. Am nächsten Vormittag hielt der Wendische Gesandte mit einem von ihm selbst gezogenen Postschlitten wieder vor der Hietzkeschen Filiale und lieferte eine Reihe von Kar tons ab. Habe nicht verspätet, meldete er, sind Weihnachtsge schenke für U.-K.-B. drin; hier Absender drauf. Und geht Schlitten wie auf Tisch. — Pauline, rief Hietzke erfreut seine Pflegemutter herbei: Sie sind dal Nun geht's heute nachmittag ans Auspacken! Da kannst du dir auch die Vorläufer vom Feste mit ansehen. Und du bist doch heute abend von Augusten als Tischfräu lein engagiert: das ist eine große Auszeichnung für dich; denn die Bedienung solch hoher Herren is ni leicht: links anbieten und rechts wegnehmen, und weiße Handschuhe an ziehen und mit dem Daumen ni in die Suppe stippen! Bis nur du stille, entgegnete die Freundin erregt, du verwechselst selber rechts und links; du hast neulich für Auguste Kaspar und mich e Paar Schuhe angefertigt, und da hüt du der Auguste 2 rechte geschickt und mir 2 linke hingeAllt. — Ak» diese gegenseitige Berichtigung beendet war, kam der Wendische Gesandte wieder zu Worte: Habe noch mehr Vorläufer draußen auf Postschlitten; werden Meister Hietzke staunen, von wem! — Ist großer Reisekoffer und kommt aus Genf; brauche wohl Absender nicht nennen, wo drauf steht. Wird auch großes Weihnachtsereignis in Hinterwin kel sein, wenn Aufgeber nachkommt. Soll Koffer bei alter Coedore im Schulhaus abgeben! Hietzke eilte von seinem Meisterschemel in großen Sätzen ans Fenster und rief auch Pauline hocherfreut heran. Sieh nur, Pauline, Herrn Werners Reisekoffer steht auf dem lpchlitten, den kennst du doch och? — . - Natürlich, bestätigte sie, es is ja der einzige in ganz Hinterwinkel. Also unsere zweite Sehenswürdigkeit, ergänzte Hietzke. Und ist Bormeldung von Heimkehr, vermutete Kowark. Wirst recht haben, lobte Hietzke. Ja, setzte Kowark selbstbewußt hinzu; große Ereignisse gehen durch Post immer voraus! Denke, wird heute so fort gehen und Herr Lehrer kommt noch hinter Reisekoffer her und macht auch noch Weihnachtsfest in U-K-V. mit prophe zeite er gewichtig. ' Hietzke legte beide Hände auf Kowarks Schultern. Alter Fernseher, bewunderte er ihn, du hast übernatürliche Ga ben; Pauline, sieh zu, daß du heute abend die beste Portion von der Festtafel zur Seite stellen kannst, so wie es sich für einen „Wendischen Gesandten" schickt! Pauline nickte. Und sie wolle beim Abdecken die Fla schen einer Nachprüfung unterziehen, fügte sie hinzu. Nach Tisch sei nicht immer alles ganz leer, was zuvor gefüllt ge wesen wäre. Zwei Verlobungen unlerm Zodiakus. Kowarks Vermutungen gingen beide in Erfüllung: Herr Lehrer Werner kehrte noch an demselben Tage au» Genf zurück und nahm auch als früheres Mitglied des U-K-B. an der Weihnachtsfeier teil, wozu er von den Kegel brüdern in feierlichem Zuge aus dem Schulhause abgeholt worden war. —' Die Festtafel, zu der der Mühlbacher „Traiteur" Mink witz ein ausgewähltes „Menu" geliefert hatte, fand im „Frauenzimmer" statt. Nach der Bescherung unterm Zo diakus zogen sich dann die Kegelritter auf Kaspars renom mierten Kegelschub zurück, wo der Wettkampf bald in vol lem Gange war. — Hietzke, der schon zur Bescherung eingeladen gewesen war, rief jetzt Pauline Finsterbusch aus dem Frauenzimmer ins Gastzimmer herüber: Das war ein Wiedersehen, Pau line, erzählte er ihr. Ich höre in meiner Klinik die Schul glocke zum ersten Male wieder schlagen, dann schreie ich zu eurer Tür hinein: Unser Lehrer ist wieder da und grüßt seine Gemeinde! Dann stürme ich auf der Hauptverkehrs ader unsers Normalherzens hinauf, beim „Billigen Marsch ner" vorbei und rufe: „Gottlieb, hörst du's? Unser Lehrer ist wieder dal Komm, wir wollen ihn willkommen heißen!" — So eilten wir nach dem Schulhause. — „Licht, Licht!" rief ich unter den erleuchteten Fenstern, und „Landl Land!" schrie Gottlieb hinterher. — Und „ich bin entdeckt!" ruft uns Herr Werner zu, und in den Armen lagen wir uns alle drei! — Ja, Ludwig, meinte auch seine Pflegemutter erfreut, nun wirst du deine Abende nicht mehr bloß in der Schänke zu bringen und kannst dich wieder an eine vernünftige Unter haltung gewöhnen. — Aber du wolltest mir doch die Ge schenke zeigen und erklären. Hietzke führte Pauline an den Weihnachtstisch. Sieh hier die Riesenzigarre mit der Aufschrift: „Starke Willens kraft". Sie ist das Bild des männlichen Charakters. Renommiert nur ni so, ihr Männer; wenn's euch emal sticht oder zwickt, dann knickt ihr glei zusammen! wies Pauline ab. Und dann heißt's: „Männerpflege is der edel ste Dienst der Frau!" Hast recht, Pauline. Weißt du noch, was Pastor Pall- mer in der Predigt sagte? — „Die Frau ist wie eine Kerze, die für andere leuchtet und brennt, aber sich selbst dabet verzehrt". Das Lob klingt ganz schön, gab Pauline zu; aber ihr Männer seht ruhig zu, wenn unsere Kerze niederbrennt; und wenn sie aus ist, dann steckt ihr eine neue auf den Leuchter! Ne, Pauline, wenn euer Licht verlöscht, dann is es och mit uns zu Ende! — Denkst du, daß sich Gottlieb nach einer zweiten Lebensgefährtin sehnen würde? So e zärtlicher Vater hat nu genug an seiner lOköpfigen Familie. Ludwig, du wirst anzüglich! tadelte Frau Finsterbusch. Zeige mir lieber die Geschey-ke weiter. — Was is das hier für e fremdes Tier'mit dem großen Buckel? (Fortsetzung folgt.) ' /. ' )