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Sommervöglein gesessen, gescherzt un» gelacht und einander das Herz geöffnet. , , Aber Hildegard fühlte heute ihre Einsamkeit als doppel tes Verlassensein. Seit dem Ritterfeste hatte Herr Werner den Unterricht bei der kleinen Lisbeth ausgesetzt und in einer kurzen Mitteilung wegen dringender Berussgeschäste und wissenschaftlicher Arbeiten um Einstellung seiner Privatstun den gebeten. Da stieg in Hildegard wieder ein nagender Verdacht auf. — Sollte ihn die Beschämung von Spornitz fernhallen? — Scheut sich Herr Werner, mit Nanon zusammenzutreffen, und will er einer Bloßstellung aus dem Wege gehen? Da ertönen dröhnende Schritte auf der hölzernen Fluß brücke, und Briefträger Kowark, der „Wendische Gesandte", erscheint vor dem Laubeneingang; das „Beglaubigungs portefeuille", wie es Herr Werner bezeichnet hatte, an der Seite, die Hosen in den Schäften und auf Schultern und Armen mit Paketen behangen. Darf eintreten bei gnädiges Fräulein? fragt er zuver sichtlich in seinem wendischen, aber lautreinen Deutsch. Als ihm die Bitte als einSm so hohen Staatsbeamten freundlich gewährt worden war, zog Kowark seine umfang reiche Tombakuhr. Habe sehr verspätet, entschuldigte er sich. — Bin aber sehr gelaufen; darf muh wohl setzen neben gnä diges Fräulein? — Ist «roße Aufregung in Hinterwinkel s<K>ld; denn ganzes Dorf aus Rand und Band. — Dann warf er einen Duck nach der Wirtschaftsuhr hinüber. Geht Dorsuhr immer noch nach alter Zell und Post nach mittel europäischer, erklärte er; sind immer auseinander mw ist gut lo; denn alle Zell immer gemütlicher. Soll Post immer schneller ankommen, immer schneller. Kommen aber schlechte Nachrichten nie spät genug und gute nie zu zellig! — Was ist das für eine Aufregung in Hinterwinkel, Herr Kowark? fragte Fräulein Hildegard gespannt. Ja, ist kein Wunder, wenn Hinterwinkler Schule soll Lehrer verlieren. Ihren Lehrer verlieren? — Sagten Sie so? Ja, Lehrer verlieren, und hat Herr Hietzke schon Schul vorstand einberufen, und soll Postillon an Schulrat Saupe abgehen, daß nicht fortdarf. Und lag bei Gastwirt Kaspar unter Zodiakus zu Unterschrift aus. Was meinen Sie unter .Zodiakus?", fragte Fräulein Hildegard verwundert. Nun, sind Bilder an der Decke über großer Lampe von den 4 Iichreszeiten; soll Tierkreis" sein, und hat Herr Wer ner so genannt; sind: Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, und ist Meisterwerk von Maler Rühle. — Ich begreife die Aufregung von Hinterwinkel, erwiderte Fräulein Schubert. — Aber was bewegt Herrn Werner, die Stellung aufzugeben? Fühlt er sein Benehmen entdeckt und duldet es ihn nicht mehr in unserer Nähe? sagte sie leise für sich hin. — Dann fragte sie laut: Hat sich Herr Werner um ein anderes Amt beworben? Ist keine Versetzung, ist nur Urlaub. Will dann wieder kommen in Amt. — Hat Hietzke Besprechung mit Schulrat Saupe in Mühlbach gehabt und ist beruhigt. Also bloß Urlaub, atmete Hildegard erleichtert auf. Ist hier Brief von Herrn Lehrer an Herrn Vater. Kenne alle Handschriften in Postbezirk. — Wollen selber abgeben? — Wird ganze Geschichte drin stehen, erriet Kowark. Da Frida soeben durch den Garten ging, so übergab ihr Fräulein Hildegard den Brief an Herrn Schubert. Habe sehr eilig, beteuerte Herr Kowark wieder, indem er aufstand, setzte sich aber wieder. — Ist zu Herrn Werner weiter Besuch gekommen, ist große Ehre — auch für Wirt schafterin alte Evedore — hat vor Schreck im Kochherd Feuer gemacht statt in Feuerherd. Muß Name von Herrn Lehrer guten Klang haben, wie Horn von Postillon und schallt lieb lich, weit über Berg und Tal. Was ist das für ein seltsamer Besuch in dem einsamen Schulhause? fragte Fräulein Hildegard erstaunt. Wird alles in Brief vorhin stehen. — Habe Herrn Be such heute früh gesehen. Ist berühmter Perfesser von Unter- versität oder wird wohl heißen Oberversität Genf in Schweiz und heißt Vogel. Hat mir Herr Hietzke alles er klärt. Will Herr Perfesser Lehrer mitnehmen und wollen dort arbeiten in Natur. Hat nämlich Herr Werner neue Wege gefunden und hat Herr Persesser begeistert und wollen Zusammengehen. — Hat Hietzke gelacht und gesagt: Herr Perfesser, können auch Müller Lahl in unsrer Heide mitneh men, ist auch großer Naturforscher und hat in Hinterhaus Museum angelegt. — War schon Besichtigung dort. — Hat Hietzke Herrn Perfesser auch unter Zodiakus gefüW und zu „Billigen Marschner". — Sie kennen „Billigen Marsch- ner", gnädiges Fräulein? Ja, gewiß, es ist der Kramladen von Herrn Gemeinde vorstand Marschner, den Herr Werner ,Au tum warodS" ge nannt hat. — Hat Herr Perfesser immer gelacht und Hand auf Schul ter gelegt und gesagt: Herr Hietzke, freue mich, Bekanntschaft gemacht zu haben; denn sind Seele von Hinterwinkel. — Um» hat Hietzke Herrn Vogel „Starke Willenskraft" angeboten — ist nämlich beste Zigarre von Billigen Marschner; hat Hietzke so getauft, und hat Vogel auch probiert und gesagt: Deckk sich Name mit Inhalt I Fräulein Schubert lachte herzlich auf. Doch muß nun gehen, fuhr Kowark fort. Habe sehr ver spätet. Dann lachte er auch mit. Doch ist gut, wenn erst nach Tisch zu Pohlitzer Herrn komme mit großen Schreiben. Ist Aerger nicht gut vor Tisch, könnte Abetit verderben. Wollen Sie sich in der Küche von Frida nicht erst ein Frühstück geben lassen? fragte Fräulein Hildegard. Danke, danke! Hat Herr Lehrer Werner gesagt: Ist Rit tergut Spornitz Heimat von Gastfreundschaft — und kann auch selber ein Lied singen, natürlich gutes. — Habe schon bei Lahl gefrühstückt und zwischen Hietzke und Perfeffer ge- sefsen. Sagte, wäre Republikaner und große Ehre für ihn, neben „Wendischen Gesandten" zu sitzen — wissen, gnädige« Fräulein, heiße so, weil Wende bin und wendische Dörfel mitbestelle. — Aber will nun Postladung wieder aufnehme« und empfehlen. (Fortsetzung folgt.) Zehn Naturschutzgebote. (Pfingstwanderern zur Beherzigung empfohlen.) Nicht im Gras und in den Saaten Darfst Du wie im Wasser waten. Mühten sie zertreten sein, Ging der Bauer selbst hinein. - Nimmst die Blumen Du der Pflanze, So verschandelst Du das Ganze, Weil nicht — wie manch' eitler Tropf — Schöner sie ist ohne Kopf. Bllit' und Blum' am Strauch, im Grase, Kann man riechen mit der Nase; Schau' nicht mit den Händen an. Was man mit den Augen kann. Eine Blume auf dem Hut Macht sich an und für sich gut, Nur der Ochs will viele schmecken. Rupft sie auch zu andern Zwecken. Alles Viehzeug lasse leben. Dich ergötzt sein Tun und Streben, Sperr's in keinen Käfig em, Sollt' es auch aus Liebe sein. Aest das Reh im Wiesengrund, - Gehe leise, Hali den Mund, Du gefällst — ach, glaube mir — Nicht so gut ihm wie es Dir. Denk', daß Tiere barfuß schreiten, Flaschenscherben Schmerz bereiten! Fühlst Du nicht mit dem Verstand, Dann zerhau' sie mit der Hand. Flaschen, Tüten, Packpapier, Sind dem Walde keine Zier. Bringst Du sie gefüllt bis her. Trägst Du heimzu auch nicht schwer. Johlen, Schreien sei vermieden. Denn es stört den Waldesfrieden, Wenn ihn das Gebrüll durchhallt: Wer hat dich, du schöner Wald . . . Wissen sollen stets die andern, Di« nach uns des Weges wandern. Der vorhergegangen war. War Kulturmensch — nicht Barbar.