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NMUM;s§°srrLMZLTL> Kinde das Hemdchen vom Leibe, dort einer Frau das Haar -vom Kopfe. Den Leuten fangen die Kleider am Leibe zu brennen an. Sie werfen sie von sich. Wahnsinn erfaßt sie. Sin Haufe Weiber mit Kindern springt in die große Röhr bütte, weil sonst kein Ausweg ist. Ueber ihnen brennt der hohe Giebel des Weinkellers lichterloh, drohend, jeden Augenblick über sie zu fallen und sie zu begraben. Andere rennen nach dem Dom. Hunderte suchen vor ihnen hier Ret tung schon. Hunderte knien betend am Hochaltar. Hunderte liegen in Zerknirschung vorM Muttergottesbild. Da wird die Türe ausgeriffen. Ein Rittmeister und sechs Kroaten kommen zu Pferde hereingesprengt, in der Hand brennende Fackeln. Sie galoppieren die Gänge entlang und spritzen die lodernde Pechfackel ins hölzerne Gestühl, daß es prasselt. Und haben sie ihr teuflisches Werk getan, dann reiten sie wild in die Scharen der knienden Beter hinein und hauen mit Sä beln und Kolben nach ihnen. Schon brennen die Bänke hellauf. Die Flamme läuft lechzend die Emporen entlang. Das Zinn der Orgel schmilzt in ihrer Glut. Ein einziger Schrei der Verzweiflung gellt durch das brennende Gewölbe. Ein dumpfer Schlag dröhnt schwer hinein. Die große Glocke im Turme ist, geschmolzen, herabgestürzt, die andern sechs find ihr voraufgegangen. Und sie wog über hundert Zent ner. Der Feind hatte zwei Pechkränze an ihren Stuhl ge hängt. Der Glöckner hatte sie tropfen sehen, wie er den Turm herabgeeilt. Nun steht der gewaltige Turm in Flam men: eine Riefenfackel über der Stadt. Drinnen im Gotteshaus ist's still geworden. Nur hier und dort — kaum hörbar noch — dringt Röcheln und Stöh nen in Todesqual durch Qualm und Flammen. Noch knien die Beter am brennenden Hochaltar, indessen — tot. Nock liegen sie vorm längst verkohlten Muttergottesbild, doch sind's Gerippe nur. Beim Fenster sind einige, die haben mit Nägeln die Erde gekratzt, in Angst und Schmerzen. Dort welche, die gruben Löcher in den Loden, um sich vor Rauch und Hitze zu bergen. Das Gesicht auf die Erde gedrückt, so hocken sie da. Der Tod gab ihnen Schutz. Mann und Frau halten einander umschlungen — verbrannt. Zwei Kinder kauern beisammen — verkohlt. Die Mutter hält ihr Knäb- lein im Arme — erstickt. Häuflein von Asche liegen ver streut, hier ein Ring noch, dort ein Schlüssel, letzte Reste Ge quälter. Bilder des Grauens und Jammers bietet die Stadt, als endlich nach bangen Tagen und furchtbaren Nächten die Feuer verschwelt. Oberst von Golz hat bald nach Ausbruch des Feuers mit seinem Heere die Stadt verlassen. Wie er aber durchs Lauentor reitet, hinter sich in brennenden Häu sern das Klagegeschrei der geängstigten Bürger, da lacht er auf in teuflischem Hohne: „Nun heulen die Hunde von Budissinl" Da bäumt sein Pferd jäh auf, er stürzt, sein Leib wird von Hufen und Rädern des nachdrängenden Trostes zerstampft. Seitdem erscheint, so berichtet die Sage, von Zeit zu Zeit um Mitternacht ein feuriger Hund in der Stadt und lauft heulend ums Lauentor. 0. U. ersaht. Dah sie gerade dieser Draa rinmai hatte rorh tun können, trug sie als ungetilgte Schuld ihres Lebens. Ganz anders dachte dagegen Christiane Eberhardine. Längst beschiel» sie sich mit ihrem Los, das sie während ihrer ganzen Ehe ihren Satten teilen hieß mit anderen Frauen. Unter ihnen blieb Aurora immer noch die Würdigste und Wertvollste, dem Könige damals ergeben wohl mehr aus innerem Zwang«, denn aus eitler Machtgier und vermessener Eigensucht wie di« übrigen. Sie beide durften der Majestät einen Sohn schenken. Der eine stieg hoch, wie es d«m Kurprinzen des Landes zukam, der andere jagte aben teuerlichem Ruhme nach, von den Frauen wegen seiner Schönheit und seines feurigen Temperaments verwöhnt, von den Männern wegen seiner Unbeständigkeit in allerhand Unternehmungen nie ganz ernst genommen. Waren sie beide am Ende nicht Schwestern in der gleichen Sorge vereint? .Liebe Gräfin, wir schafften uns beide eine Insel, zu der wir aus dem Lärm unserer Zeit hinflüchten können. Und ich darf Ihnen verraten," fuhr Christiane Eberhardin« fort, „daß ich hierin ein klein wenig, Ihrem Quedlinburger Beispiel folgen möchte. Ich beabsichtige, aus Augustusburg ein Stift für adelige Damen einzu- richten, wenn Majestät die Erlaubnis erteilen." „Majestät sprechen von einer Insel?" erwiderte Aurora auf blickend. ,Lch fürchte nur, in unserer Gegenwart gibt es keine Inseln mehr, di« zum Ausruhen Zeit lasten." Christiane Eberhardine lächelte abwehrend. Run ja, das war vielleicht der einzige Unterschied, der sie beide trotz so vielen glei chen Erlebens immer wieder trennte und trennen mußte. „Wir reden ein wenig und ungewollt aneinander vorbei. Ich meine das von der Insel symbolisch, Fra« Pröpstin." „Majestät gestatten, ich faßte es auch genau so auf." Aurora fühlte sich schon wieder als die Lebensklügrre, Ueber- legenere. Nie gab sie das Pläncmachen auf bei ein«m Fehlschlag. Und aus ihrer unverwüstlichen Lebensfreude sprach sie fest und überzeugt: „Insel ist gleichbedeutend mit Tod, Majestät!" „Vielleicht, Exzellenz! Insel heißt mir Frieden. Und da schei nen wir zwei verschiedene Bedeutungen zu haben für die glerchen Wort«. Nun, Frau Pröpstin, ich wär« neugierig zu erfahren, wer am Ende recht behält von uns beiden!" Arme Aurora, du willst es eben nicht lernen, aus dem Zu sammenbruch deines LÄxns das Königreich der Seele dir zu ret ten. Immer noch hängst du an den Fahnen der Lust und gehst achtlos vorüber an den Kreuzen der Pflicht. So findet auch dein Herz nie den Einklang zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Du bist das Mensch gewordene Ebenbild deiner tänzelnden Zeit, die mit dem blumengeschmückten Hirtenstab des Schäferspiels geboren wurde, der das Leben ein Traum aus Tanz und galantem Spiel erscheint und der Tod «in jähes Erschrecken, aus dem man nicht wieder erwacht. Sinnend dachte es Christiane. Aurora jedoch, der Königin Versunkenheit bemerkend, gab leicht und beschwingt diesem Gespräch, das bei ihr kein Echo fand, eine scherzende Wendung: „Ich will Majestät gern versprechen, rechtzeitig Botschaft zu senden, sollten meine Ansichten über das Leben sich in graue Phi- - losophie verkehren." Uebermütig lachte Aurora. Fern aus der Galerie drangen die ersten Klänge eines Menuetts. Warum nicht tanzen, solange die Sonne lachte! Die Residenz war ja nicht Quedlinburg, und die Hoffräulein keine Stiftsdamen. Im Menuett läßt sich gar artig schreiten, und kein Zercmonienmcister der Welt fände einen Grund, daran Anstoß zu nehmen. Da erschien in der Tür des Gemaches auch schon der Kanzler Flemming, gefolgt vom Bevollmächtigten des kaiserlichen Hofes zu Wien: „Majestät wollen in Gnaden verzeihen, wenn ich die Kühn heit mir nehme, Hochdero Unterhaltung zu stören. Seine Exzel lenz, der Herr Bevollmächtigte bitten um die hohe Ehre und Aus zeichnung, Ihrs Majestät zurm Tanze führen zu dürfen." Christiane Eberhardine reichte dem österreichischen Gast ihre Hand zum Kutz. Sich erhebend wandte sie sich an den Kanzler: „Wir kehrten eben von einem Ausflug von unseren Inseln heim, Flemming. Und schon gilt cs, von neuem tätig zu sein. Aber dem Herrn Bevollmächtigten können wir seine Bitte nicht abschlagen." „Majestät kehrten von einer Insel heim?" fragte wenig geist reich und verdutzt der Kanzler. „Majestät verließen doch erst vor wenigen Augenbücken den Thronsaal, i ch begreife nicht." „Fragen Sie das Weltkind da", half ihm Christiane Eber- hardine aus seiner Ratlosigkeit und dankte lächelnd der sich tief verneigenden Aurora von Königsmarck. — „Exzellenz wollen also die Güte haben, mir Aufklärung zu geben," wartete Flemming, die Frau Pröpstin durch feine Lor gnette anblickend mit unverhohlener Bewunderung in den Augen, die Aurora keineswegs entging. ,La, lieber Graf, wenn sich das so in ein paar Worten sagen ließ! Die Reise zu jener Insel, die Majestät meinen, ist gar weih man reist sozusagen ein ganzes Leben dahin, und manche errei chen dieses Ziel dann doch nicht. So beispielsweise Aurora von Königsmarck, die Pröultin von Quedlinburg. wenn Ejr die kenne« sollten, Gras," Rauienkranz u. Schwerter Roman aus dem Barock August des Starken von Heinrich Zerkauten. <40. Forttetzung. RachdruL verboten) Und Aurora mit ihrem angeborenen Gefühl für Grenzen nutzte diese günstige Einschätzung ihrer Person aus, verlor niemals die Verbindung mit alten Dresdner Freunden und Bekannten und begnügte sich mit der allgemeinen Achtung, mit der man ihrer Stellung hier begegnete. Nur Christiane Eberhardine erhob sich von ihrem Sessel, fing Aurora, die vor ihr in die Knie sank, ihr die Hand zu küssen, in den Armen auf und geleitete sie wie eine vertraute Freundin in einen der angrenzenden Salons. „Ich freue mich, daß Sie meiner Einladung folgten, Exzel lenz", sagte sie schlicht und herzlich. Nach wie vor stand ihre herbe Erscheinung in seltsamem Widerspruch zu ihrer Umgebung, in Widerspruch auch zu der Güte ihres eigenen Herzens. Vor der Königin verstummte die Galanterie, und nur wenige ahnten, daß man mit ihr sprechen durfte von Mensch zu Mensch. „Majestät ließen mich durch Herrn von Knoch wissen, daß ich die Ehre hätte, von Ihnen empfangen zu werden." „Ich möchte mich dieses Vergnügens öfters bedienen, Frau Gräfin, Sie lassen sich nur selten in der Residenz bücken." Eine einladende Bewegung der hohen Frau, und die Damen ließen sich in den bereitstehenden Sesseln nieder. Aurora öffnete ihre Hand ein weniges, doch schwieg sie, von innerer.Bewegung