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velbla« zu Itr. 71 de, „Sächsischen Erzähler»". ^«^MMMMM ^MdMMMM^MMMM F «wev^»«ree«»er«»««e^v ^MMUMMU vW VMUMUUUUMM F «e«« L^reuee«^«" Eine Amsel schlägt. Abwartend kühl, al, sollte «ine Hand Den Schleier von verbalt'ner Keimkraft heben, Besinnt sich erst da« braune Land Noch träumerisch. Kaum daß in Bogelkrällchen Reiser beben. Kaum daß ein Sonnenhusch den Morgenflaum Der Feldmark streift, da glitzert schwarz Gefieder, Da flötet von verschlaf nem Baum " Ein Stimmchen frisch. Den Lenz herbei wohl lockt die Amsel wieder? Fritz Fleischhauer. Die pferdeballade. Skizze von Gerhart Herrmann-Bernburg. Len Mann, dem geschah, was ich hier berichten will, habe ich noch gekannt und die beiden Pferde, von denen dis Rede sein wird, auch. Er gehörte zu jenen sonderbaren Käuzen, die es in jeder kleinen Stadt gibt und denen die Kinder spottend nachlaufen. Ihm aber liefen wir nicht nach: er war verfemt; selbst unser Spott schien uns für ihn zu schade. Und während wir alle Pferde des Städtchens kannten und mit Zucker und Brot fütterten, haben wir diese Tiere nie berührt, wiewohl wir wußten, daß es sozusagen heroische Pferde waren; wir hatten Angst vor ihnen . . . Der alte Holzvoigt übrigens, dem sie gehörten, fuhr seit jener Geschichte selbst nicht mehr mit ihnen; das mochte aber daran liegen, daß er seither gelähmt war. Die lange Zeit des Krankenlagers hatte ihn milder und gutmütiger ge macht. Früher war er ein strenger und eigensüchtiger Herr des Hofes gewesen, auf dem sein Geschlecht seit Jahrhunder ten saß. Er wollte diesen Hof nicht nur halten, sondern ihn auch mehren. Er grub in alten Katasterbüchern, sogar in Kirchenbüchern nach, und hier und da stieß er auf ein längst vergessenes Besitzanrecht, das er dann mit Hilf« langwieri ger Prozesse wahrzunehmen suchte. So fand er auch heraus, daß ein paar Morgen Sand boden, di« der Kleinbauer Ärabner beackerte, ursprünglich zum Holzvoigthof gehört hatten. Er stellte Srabner des wegen zur Rede, in seiner robusten Art. Der Kleinbauer weigerte sich natürlich, das Stück Land herauszugeben. Schon sein Vater hatte es beackert; es war dürr genug, aber es gab doch die Kartoffeln für seine kleine Familie her, wäh rend es für den reichen Holzvoigt kaum einen Wert dar stellte. Wer Holzvoigt prozessierte, und Holzvoigt gewann. Der Rechtsstreit ging zur nächsten Instanz, schließlich zur höch sten; und von Instanz zu Instanz wuchs auch Grabners Haß gegen den Mann, der ihm den Boden und die Daseins grundlage rauben wollte. Endlich erfolgte der letzt« Spruch. Er enthielt eine moralische Verurteilung des Reichen, mußte aber nach Recht und Gesetz ihm den Acker geben . . . Grabner ließ seinen kleinen Hof verwahrlosen. Sein Weib ging betteln. In ihm war nichts als Haß, Haß gegen Holzvoigt und Durst nach Rache. Eines Abends im Mai radelte Grabner von der Kneipe im Nachbardorf nach Hause. Die beiden Orte verband ein Feldweg, der wie eine Kerbe durch den Berg gehauen war. Nur an einer Stelle weitete er sich zu einer kleinen Hoch fläche. Dort lag der Sandacker, der einst Grabner gehört hatte und der nun Holzvoigts Besitz war. Und als die Fel sen zu beiden Seiten zuruckwichen und dem Radler den Blick auf die mondbeschienene Fläche freigaben, sah er, wie Holzvoigt dort noch immer pflügt«: Der neue Eigentümer wollte dort noch in diesem Jahr Frucht erzielen. Grabner überwältigt« es. Eine rote Wolke war vor seinen Augen. Er hatte noch gerade Beherrschung genug, um sich vorsichtig umzusehen: Niemand war in der Nähe. Das Dorf lag weit hinterm Berg; niemand würde es hören . . . Holzvoigt, ins Leiten seiner beiden mächtigen belgischen Pferve vertieft, sah ihn nicht. Grabner zog «inen Revolver — schon seit langem führte er ihn immer bei sich — und zielte zwischen den beiden Pferdeköpfen hindurch auf Holz- voigts Brust. Plötzlich, er wußte selbst nicht wie, hatte der Finger den winzigen Druck gegen den Hahn bereits getan, hallte es grell von den Felsen, sank Holzvoigt vom Sitz wie ein Sack, saß Grabner schon wieder auf seinem Rade und fuhr davon. Er sah noch, wie die Pferde hoch aufbäumten; dann schlossen sich die Bergwände um ihn; und in ihm war nichts als ein tiefes, dumpfes Gefühl einer maßlosen Sätti gung . . . Nach einer kleinen Weile erst lauscht« er auf. Hinter ihm stampfte etwas, klirrte etwas. Verfolgte ihn jemand? Aber wer? Unmöglich . . . Er wendete den Kopf. Was er sah, ließ ihn höhnisch aüslachen. Holzvoiats Pftrde folgten ihm. Sie waren durch gegangen, vom Schuß erschreckt. Sie zerrten den Pflug hin ter sich her und eilten heimwärts. Der Lenker fehlte, der lag auf dem Sand, den er ja mit Gewalt hatte haben wollen. Immerhin fuhr Grabner ein wenig schneller. Di« Pferde hatten ein mächtiges Tempo. Er hörte, er fühlte sie bald dicht hinter sich Er mußte sich geradezu anstrengen, so liefen die Biester . . . Srabner strengte sich an. Er schwitzte. Die Pferde blieben ihm am Hinterrad. Er hörte ihr Schnaufen, er fühlte den heißen Hauch ihrer Nüstern in seinem Nacken. Der Pflug klirrte wie eine unaufhörlich mähende Sense. Die Erdbrocken, aufgewühlt von den schwe ren Hufen der Pferde, flogen ihm in die Kniekehlen . . . Er trat, trat um sein Leben. Sein Blick fuhr zuweilen angst voll die Bergwände zu beiden Selten de« schmalen Weges hinauf — umsonst. Dahin gab', kein Entrinnen. Und Zeit zum Abspringen, Hinaufklimmen war auch nicht mehr. Es galt fahren, treten, fahren ... Plötzlich fing er an zu schreien, irre, wimmernd« Wort«: „Er war schuld. Ich wollt', nicht. Laßt mich! Laaßt — miil ch! Ich wollt-s nicht. Ich Sein rechter Fuß verlor da« Pedal, fand das kreisende nicht gleich wieder. Das Rad verlangsamt« seine Fahrt — neigte sich linksüber — er schrie auf, stürzte Pferde und Pflug rasten über ihn weg .. . Srabner lag lange im Gefängnislazarett. Dann saß er seine Strafe ab. Sein Leib wurde gesund, sein Seist nie wieder. Wahrend sein Gegner gelähmt in seinem einsamen, riesigen Hofe saß, irrt« Grabner durch dl« Straßen unserer kleinen Stadt, bettelnd, manchmal lallend: „Er war schuld. . ." Und wenn Holzvoigt» Pferde, von einem Knecht« ge lenkt, manchmal an irgendeiner Eck« vor ihm auftauchten — dann rannt« «r, rannte die Straße hinab, rannt«, al, gine es wieder um sein Leben, wie damals, al» diese Pferde ihren Herrn rächten. Liebe und Logik. Skizze von Wolfgang Feverau. Liddy mit ihren drelundzwanzig Jahren war natürlich kein schwärmerischer, halbreifer Backfisch mehr. Sie wußte darum sehr aut, daß ihre Buchungen zu Doktor Gerrit im Begriff standen, den Bereich des Harmlosen und Unoer- biMichen zu sprengen. Ja, und in Augenblicken der Sülle und d«s Nachdenkens sprach sie sehr ernsthaft zu sich selbst: „Mach dir nichts vor, Liddy — versuche Nicht, dich zu be- trügen! Du bist verliebt, bis über beide Ohren bist du versiebt in diesen Gerrit, und du wirst ihn heiraten ober für den Rest deines Lebens sehr, s«hr unglücklich sein." Ja, sie sah sehr klar, die blond«, zierlich« Liddy. Sie machte sich wirklich nichts vor. Wer diese Klarheit bestand doch nur, soweit ihre eigenen Gefühle und Empfindungen in Frage kämm. Was dm Doktor Gerrit anlangte, so tappte sie durchaus im Dunkeln. Er befleißigte sich einer wahrhaft aufregenden Sewstbehervschung und Zurückhal tung. Er ließ jede Gelegenheit, jede noch so günstige Gele genheit, seine Gefühle zu verraten, ungenützt verstreichen. Obgleich Liddy sich förmlich Mühe gab, solche Gelegenhei ten künstlich herbeizusühren. Ja, mcmchmal schien er ge radezu schüchtern zu sein, und wenn Liddy «mch aus diesem oder jm«m Anzeichen schloß, er habe sie gern — ja, hatte er nicht Hertha, ihre braunhaarige Freulchin, ebenso gern? Beiden gegenüber benahm sich Gerrit gleich liebenswürdig und gleich korrekt. Oh, so erstaunlich, so ärgerlich korrekt! Man hatte nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, ob Doktor Gerrit seinerseits verliebt war. Und — in wen! Als Liddy sich zu der Erkenntnis durchgeriungm hatte, daß dieser Gemütszustand nicht länger erträglich sei, ent schloß sie sich endlich, aufs Ganze zu gehen. Freilich, sie hatte ihren Stolz. Sie wollte sich nicht anbieten, nein, das nicht. Liddy suchte also nach anderen Möglichleiten, das Herz Gerrits zu erkunden. Und einmal, bei einer gemeinsamen Bootfahrt zu dreien, richtet« sie mit dem harmlosesten und naivsten Gesicht, das ihr zur Verfügung stand, an ihn die nicht ganz neue Frage: „Sagen Sie bitte, Doktor: Wenn das Boot plötzlich kentert und wir ins Wasser fielen — wen von uns beiden würden sie rett«n?" Doktor Gerrit besann sich nur-einen Augenblick. Warf erst einen Blick nach dem Ufer, sah dann Liddy voll und mit einem unmerkbaren Lächeln an und entgegnete: „Merk würdige Frage — Hercha natürlich!" Liddy zuckte zusam men. Ja, sie spürte, wie ihr« sonnenglühende, bronzesar- bene Haut plötzlich erblaßte. Sollte sie . . .? „Warum natürlich?" fragte sie trotzig und mit schlecht verhehlter Erbitterung. — „Ist dock klar", meinte Gerrit ruhig. „Sehen Sie, Sie selbst sind eine ausgezeichnete Schwimmerin, ich habe Ihre Kunst oft und gern bewun dert. Und Ihre unermüdliche Ausdauer. Was dagegen Hertha anlangt" — und nun lächelte er das andere Mäd chen an — „sie spielt zwar ausgezeichnet Tennis, aber ihre Bewegungen im Wasser baden mit Schwimmen doch nur eine sehr entfernte Ähnlichkeit. Also: da Sie mit hundert prozentiger Wahrscheinlichkeit ohne mich das rettende Ufer erreichen würden, kann es doch gar Nicht zweifelhaft sein, was in einem solchen Falle meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist." „Wie Ihr nur immer und besonders an solch heiterem Tage über derart gruselige Dinge sprechen könnt!" klagte Hertha. „Wirklich, ich mag gar nicht an so was denken. Ich habe mal auf Rügen eme Frau gesehen, die beim Ba- den ertrunken war. Schrecklich. Seitdem kann ich die See gar nicht mehr recht leiden." „Es war ja nur ein Einfall", erwiderte Liddy und wandte langsam den Bug des kleinen Bootes dem Lande entgegen. „Schade", dachte sie später, beim Einschlafen. „Ich hatte geglaubt, nun würde er Farbe bekennen." Aber sie ließ mit ihren Bemühungen nicht locker. Schon am nächsten Wend hatte sie einen neuen Plan aus geheckt. Die drei faßen auf der Terrasse des Hotels, löffel ten Eis und tanzten ab und zu auf der kreisrunden Tanz platte im Garten, unter duftenden, blühenden Bäumen. Einmal, da ein junger, brünetter, sehr schlanker Mensch — „Bankbeamter oder Handlungsgehilfe", tippte Doktor Ger rit, während Liddy meinte, es wäre ein Marineoffizier in Zivil — Hertha zum Tanz holte und Doktor Gerrit dem hübschen Paar mit wohlwollenden Blicken folgte, brach sie aus — und spürte, wie bereits dieser harmlose Blick Gerrits ihr« Eifersucht aufftachelte: „Wissen Sie, Doktor, wenn ich verheiratet wär« und hätte einen Mann, den ich wirklich liebte, ich würde ihn nicht aus den Augen lassen. Ich wür de immer in Unruhe sein, wenn «r mir fern wäre, und mich ewig mit der Frage Zermartern: Ist er mir treu? Bleibt er mir treu? Ich wär« keine bequeme Frau fürchte itz" „Das verstehe ich", erwiderte Gerrit behutsam. „Eifer sucht und Liebe sind fast unzertrennlich. Und besonders die Frau erlebt in der Grundlosigkeit ihrer Eifersucht die im mer neue Bestätigung ihrer gegenseitigen Liebe." „Hertha ist anders", entgegnete Liddy triumvhierend. „Sie würde nie eifersüchtig sein — immer das Beste von ihrem Manne glauben, auch dann noch, wenn sie ihn im Arm einer andern ertappt." „Auch da» verstehe ich", entgegnete Gerrit, „Siebe ist ja keine Empfindung, die sich mit zwei, drei Worten ein deutig erklären läßt. Und vielleicht ist die Liebe erst dann wahrhaft grenzenlos, wenn sie auch grenzenlos ist in ihrem Vertrauen" „Wir wollen tanzen", sagte Liddy zornig. Und dachte: „Scheußlich — alles versteht «r, alles begreift «r. Wenn ich ihn nicht liebte, so grenzenlos, dann würde ich ihn has sen." Leidend unter einer Leidenschaft, die sich seit langem schon der Kontrolle durch die Vernunft entzog, wollte sie endlich Schluß machen. So oder so. Verrat, Lügt? Was zählte das jetzt? Gar nicht» zählte es. «Du darfst mir gratulieren, Hertha", flüsterte sie nacht», oben m dem Zimmer, da« sie beide geeminsmn be- Oer Mann mit dem Star. Von Conrad Ferdinand Ranke. Jeden Morgen, wenn ich aus dem Fenster hinüber schaue auf die gegenüberliegende Straßenseite, verläßt der Mann mit dem grauen Star das Blindenheim und führt eine alte Frau am Arm. Sie trägt «ine gelbe Binde am Arm, und wenn sie allein geht, tastetsie sich mit einem Stock mühsam über die Straße. Viele Menschen gehen an ihr vorüber. Der ein« schaut bedauernd hinterher, der andere ruft ihr warnend zu, die Straßenbahn kommt, der dritte bemerkt sie überhaupt nicht. Nur einer lächelt immer, wenn er die alte blinde Frau im schwarzen Wollkleid über den Fahrdamm geleitet: der Mann mit dem grauen Star. Er ist klein von Statur, rund lich, zeigt ein volles, gutmütiges Gesicht und trägt «ine große Brille auf der Nase. Jeden Nachmittag treffe ich ihn bei meinem Zigarren händler. Alles lächelt, wenn er seine kleine kugelige Gestalt in den Laden schiebt und mit freundlicher, fast singender Stimme guten Tag wünscht. Das erste ist, daß er sich nach dem Hund umschaut. Bellmaus heißt der, und das dürfte wohl so ziemlich der einzige Fall sein, in dem ein Terrier einen Namen aus einem Theaterstück trägt. Bellmaus kennt den kleinen Mann in dem grünlich-grauen Anzug ganz genau. Mit spitzer Nase starrt «r zu ihm empor, läßt sich streicheln, streicht ihm weich zwischen die Beine, und dann setzt er sich in Positur und markiert Zeus mit Eule. Dieser Ausdruck stammt von seinem Herrn. Er ist einem Bildnis entnommen, das den alten, würdigen Zeus zeigt, und ihm zu Füßen eine kleine, klug dreinblickende Eule. Genau so sieht Bellmaus aus, wenn er sich neben den Mann mit dem grauen Star hockt und treuherzig-verschmitzt zu ihm aufblinzelt, wobei er das rechte Pfötchen hebt wie ein Dressierter Fox in einem Varietöakt. Früher glaubte ich, daß der ewig lächelnde, gutmütig dreinschäuende kleine Mann gesund sei. Gewiß, er trug ein« Brille, ab«r das tun viele Menschen, und doch gehen sie bei Tag oder Nacht ihrem Beruf nach. Eine« Tages aber sah ich, wie er «in Tabakpaket an das Auge hob, um die Aufschrift zu lesen. Was er las, war falsch. Ich tat, al« habe ich nichts gesehen, aber als er den Laden verließ, fragte ich den Inhaber, weshalb der kleine Mann eine Brille trage. „Tja, weshalb?" fragte der Geschäftsmann zurück. „Wahrscheinlich, um nicht jedermann zu zeigen, daß er fast blind ist." „Fast blind?" sagte ich. „Das ist doch nicht gut mög lich!" ,-,Doch, doch", antwortete der Ladeninhaber, „er hat den grauen Star. Unheilbar!" fügte er gedämpft hinzu. „Er lebt in der Blindenanstalt, und ein Detter von ihm bezahlt monatlich den Aufenthalt. Das einzige, was der Mann vom Leben hat, ist Rundfunkhören und em Pfeifchen Tabak." Bon dem Tage an war der Mann mit dem grauen Star mein Freund. Er weiß gar nicht, daß er es ist. Er soll es auch nie wissen, denn dann erfährt er, daß wieder ein . Mensch hinter das trübe Geheimnis seiner Brillengläser ge kommen ist. Er zeigt auf seine Art Stolz. Er trägt auch keine gelbe Binde am Arm, obwohl «r als Insasse des Heims dazu berechtigt wäre. Er tut überhaupt nichts al» helfen. Mit strahlendem Lächeln schiebt er seinen Arm unter den vollends erblindeten Heimkameraden, geleitet sie sicher über die Straßen, hilft ihnen in die Straßenbahnwagen, ja, geht stundenlang mit ihnen spazieren oder Einkäufe besor gen. Hat er seine Leute befördert, dann verabschiedet er sich mit einem Scherz, setzt seine Pfeife in Brand, stößt drei-, viermal Rauchwolken in di« Luft und kehrt mit zufriedener Miene wieder um. Unser kleiner Mann mit dem grauen Star ist ein König, aber ein König ohne Herrschsucht, ohne Macht, ohne Amt. Nein, nicht ohne Amt, denn das hat er sich freiwillig gewählt: Nämlich das zum Helfen! Viele gesunde Menschen gehen täglich an den Blinden vorbei, die vor der Anstalt auf der Bank sitzen oder in den Anlagen spazieren gehen. Nicht jeder, der vorübergeht, hat die Augen, jenes Elend, jene Hilflosigkeit zu erfassen, die hier zu Hause ist. So Mancher hastet allzuschnell vorüber. Nur einer ist immer mit seinem stillen Lächeln hilfsbereit auf dem Posten: Das ist der Mann mit dem grauen Star, unser kleiner, lieber Mann mit der Liebe zum Tier und der noch größeren Liebe zu den Menschen im Herzen! Da» aber ist das größte aller Dinge... Eine» Tages — möge er noch in weiter Ferne liegen — wird auch er zu denjenigen gehören, die sich einen hilfsbe reiten Führer über die Straße suchen müssen. Wird er sich vergebens umsehen? Ich glaube nicht. Nicht nur in Not jahren, nein, immer wird es Menschen geben, die im «igenen Elend den Mitmenschen nicht vergessen, die helfen, obwohl wird auch er zu denjenigen gehören, die sich reiten Führer über die Straße suchen müssen 'm? Ich glaube nicht. Ntchi Elend den Mitmenschen nicht verg ihnen selber geholfen werden müßte. Und so sehe ich morgen», wenn die Sonne aufgeaan- gen ist, unseren kleinen dicken Mann mit dem grauen Star, wie «r schmunzelnd über den Fahrdamm schiebt, in der einen Hand die dampfende Pfeife, mit der anderen den Arm «ine« Heimkameraden führend. Wer ihn nicht kennnt, muß glauben, daß hier ein strahlend zufriedener Mensch au» purer guter Laune zufällig Hilfsdienste verrichtet. Wer ihn aber kennt, weiß, daß auch in der Großstadt die Lieb« »um Menschen nie ausstirbt. Man halte nur einmal zehn Minuten di, Aügen offen,«» lohnt sich schon her Mühe.«,