Die Deutung des tektonischen Baues geologischer Einheiten bzw. des Verhältnisses mehrerer Einheiten zueinander wird oft dadurch erschwert, daß die Erfassung der „dritten Dimension“, der Teufenfortsetzung, mangels entsprechender Aufschlüsse un möglich ist. Die Interpretation mit allen ihren Unsicherheiten beginnt bereits beim Versuch, das flächenhafte Bild der Beobachtung in eine räumliche Vorstellung zu über tragen. Diese Schwierigkeit schien lange Zeit von grundlegendem Charakter zu sein, und die einzige Möglichkeit, sie zu überwinden, wurde im Analogieschluß zu anderen ähnlich gebauten, besser aufgeschlossenen Gebieten gesehen. Dieser methodische Kunstgriff erfordert allerdings bereits die Annahme einer Grundvorstellung, die vorweggenommen ist und ihrerseits bereits die Deutung maßgeblich beeinflußt. Durch die Arbeiten von B. SANDER und W. SCHMIDT hat sich die Situation grund legend geändert. Es wird dadurch dem Geologen die Möglichkeit eröffnet, auf methodisch einwandfreiem Wege ein räumliches Bild der tektonischen Vorgänge auch dort zu erhalten, wo das Fehlen größerer Aufschlußhöhen die unmittelbare Beobachtung un möglich macht. Das Grundsätzliche der Methodik Sanders und Schmidts, also der Gefügeanalyse, mit der die Dimension vom Mikroskop bis zum Orogen-Profil erfaßt wird, ist darin zu sehen, daß die beobachtbaren stofflichen Abbilder eines kinematischen Vorganges, die Gefügeelemente, zur Rekonstruktion des sie erzeugenden Prozesses benutzt werden. In dieser methodischen Grundkonzeption sind bereits zwei wesentliche Punkte ent halten, deren Nichtbeachtung eine Überforderung der Aussagesicherheit und -möglich- keit der durch sie gewonnenen Ergebnisse mit sich bringt. Zum ersten können nur solche Gefügeelemente miteinander in eine deutbare Ver bindung gebracht werden, die einem mechanischen Geschehen angehören. Diese Voraus setzung ist nicht immer gegeben, bzw. in vielen Fällen ist eine klare Entscheidung darüber nicht immer möglich. So erfassen z. B. Kluftrosen, die in vielen tektonisch gerichteten Arbeiten zu finden sind, in den meisten Fällen automatisch alle Klüfte eines bestimmten Gebietes ganz unabhängig davon, wann sie entstanden sind und ob sie einem System oder mehreren mechanischen Systemen angehören. Eine solche Statistik ist wertlos. Damit wird man zum Beispiel östlich der Mittelmeer-Mjösen-Zone bei einer genügenden Zahl von Messungen immer ein Maximum in NW bekommen, wenn das zu vermessende Gebiet nicht allzu klein ist. Hierin äußert sich letzten Endes nur der in nachkambrischer Zeit stets vorhandene Einfluß des Westrandes des Fennosarmatikums. Innerhalb der Mittelmeer-Mjösen-Zone wird großstatistisch die N-S-Richtung vor herrschen müssen. Die Zahl der Beispiele ließe sich noch beliebig vermehren. Der Grund für diese Unsicherheit bzw. das häufige Versagen der kluftstatistischen und