All diese aus Laboruntersuchungen stammenden Werte können zwar nicht unmittelbar auf Grubenverhältnisse übertragen werden. Sie zeigen jedoch, daß schon verhältnismäßig geringe Belastungen genügen, um Salze bleibend zu ver formen. Dies trifft sowohl für das am meisten verbreitete Steinsalz als auch für das in unserem Falle besonders betrachtete Hartsalz zu. Ohne Kenntnis der genauen Größe der Fließgrenze der Salzgesteine im Ge birgsverband oder in den Pfeilern zu besitzen, genügt dies Wissen insofern, als man annehmen kann, daß dort bei Belastungen um 100 kg/cm 2 wohl noch nicht mit Fließerscheinungen zu rechnen ist, da im Gebirge bei einem gewissen Man teldruck die Fließgrenze höher liegen muß. Sie dürfte aber bei den Verhält nissen der üblichen Hartsalzpfeiler um 200 bis 300 kg/cm 2 liegen, da die an den Pfeilern beobachteten Verformungen auf wesentlich über diesem Werte liegende Belastungen schließen lassen. In Carnallitpfeilern dürfte sie etwas niedriger lie gen. Die Feststellung der Fließgrenze der verschiedenen Salzgesteine im Gebirgs verband ist eine wichtige Aufgabe, die noch der Lösung bedarf. Für den vorliegenden Zweck ist jedoch die genaue Kenntnis der Fließgrenze nicht von entscheidender Bedeutung. Viel wichtiger ist es für uns, über den Mechanismus der Verformung nach Überschreiten der Fließgrenze Klarheit zu gewinnen, besonders aber über die Erscheinungen des Fließens oder Kriechens, d. h. der Formänderung unter gleichbleibender Belastung. Zunächst aber noch ein Wort zu den sogenannten plastischen Verformungen: Mit dem Ausdruck plastisch ist meist die Vorstellung eines ideal-plastischen Körpers verbunden. Aus diesem Grunde werden für Salzgesteine verschiedentlich die Worte quasiplastisch oder elastoplastisch gebraucht. Freudenthal [27] be zeichnet das Verhalten jenseits des elastischen Bereiches als inelastisches Ver halten, wobei aber angenommen wird, daß der elastische Bereich seine beträcht liche Bedeutung bei behält. Diese Kennzeichnung eines Materialverhalte'ns trifft auch auf die Salzgesteine zu. Deshalb soll der Ausdruck im Folgenden weit gehend benutzt werden. Für das Verhalten des gesamten Gesteinsverbandes bildet das der Einzel kristalle die Grundlage. Daher können aus dem Studium der an Einzelkristallen erzielten Ergebnisse über den Mechanismus der Verformung jenseits der Fließ grenze wichtige Schlüsse auf das Verhalten des polykristallinen Haufwerkes gezogen werden. Die Erscheinungen der „Plastizität“ wurden in der Hauptsache an Metall kristallen erforscht, da diese wegen ihrer leichten Gewinnbarkeit und ihrer sehr ausgeprägten Verformbarkeit ein besonders geeignetes Probematerial darstellen und die Kenntnis ihres Verformungsverhaltens von größter praktischer Bedeu tung ist. Die sich bei der plastischen Kristalldeformation abspielenden Vorgänge wurden schon lange vorher an lonenkristallen entdeckt, wobei insbesondere der Steinsalzkristall als Versuchskörper diente (s. u. a. Schmid-Boas [28]). Der grundsätzliche Unterschied zwischen Metallkristallen und lonenkristallen besteht im Ausmaß der erzielbaren Verformungen. Die anorganischen Salze sind nach der Bindungsart lonenkristalle. Den beim Zugversuch unter Raumtempe-