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ArrsLs Ein Kampf um Stolpen. Die Einnahme von Stolpen und Bischofswerda in der Larlowiher Fehde vor 375 Jahren. Historische Novelle von Otto Flösset. (4. Fortsetzung.) „Der Zuschendorfer wird sich nicht erdreisten, auch noch an ihn die Hand zu legen. Denn wollte er das, so hätte er, als er sich damals bei uns zeigte, ihn leichter noch als Wur zen haben können," entgegnete der Sekretär. Doch glaubte er kaum selber mehr an das, was er sagte, und er sagte es mehr, um vom Kanzler eine Bestätigung und damit einen Trost zu erhalten. „Dem Stolpen wird der Boden ringsum abgegraben, er wird von selber fallen", sagte der KanKer. Es hatte kei nen Sinn, etwas noch zu verbergen. Die ungünstigen Nach richten, di« gleich Hiobsbotschaften täglich nach Stolpen ge langten, ließen keinen Zweifel mehr übrig, daß di« Tage Stolpens gezählt waren. Er hatte sich das alles ganz klar vovgestellt und war zu dem Ergebnis gekommen, daß der Lauf der Dinge nicht mehr aufzuhalten und Stolpen nicht mehr zu retten war. Wemr er sich prüfte, mußte er end' decken, daß er seine Aufgabe nur noch darin erblickte, die laufenden Geschälte zu regeln, damit, wenn Stolpen über geben werde, er dies in ordnungsmäßigem Zustand und so tun könnte, daß ihm als gewissenhaftem Verwaltungsbeam ten kein Vorwurf gemacht werde. „Und wenn vom Fehder ringsum alles auch genommen würde, so wär's doch nur ein Raub", wandte der andere ein, er mußte sich Trost zusprechen, er fürchtete si<b d-n Din gen gerade ins Gesicht zu sehen. „Solang im Lande noch Gesetz und Rechte gelten, kann's nimmer doch gescheh», daß einer sich in einer Stegreiffehde heimholt, was ihm beliebt." „Gesetz und Rechte, Sekretär!" lachte der Kanzler trau rig. „Wo sind sie denn?" Aber der Sekretär klammerte sich an seinen Gedanken, es bereitete ihm innerliche Beruhigung, sich damit zu trösten. „Einmal wird diese Fehde auch zu Ende gehn. Dann wer den die Gerichte sprechen, sie können anders nicht, als so urteilen, daß er die Beute uns zurückgibt, die er stahl." Dem Kanzler war es unangenehm, daß jener ihn zu einem Gespräche zwang, das ihm im Grunde ganz gleichgül tig war, seine Gedanken waren ganz woanders. Er emp fand etwas wie Verachtung gegen den feigen Schwätzer, der sich mit seinen eigenen Worten selbst belog, der nicht den Mut fand, gegen die kommende Gefahr zu stehen. „Ihr habt noch einen guten Glauben von der Welt!" sagte er, tief Atem schöpfend. Er griff zu einem Aktenstück und begann zu arbeiten. „Wie's überhaupt hat so weit kommen können!" redete der andere weiter. ;,Da ist der Bischof, ist der Heilige Va ter, ist kaiserliche Majestät: und ein Kurfürst kann tun, war er will." Das war allen nun offenbar, daß dem Kurfürsten das Treiben Hans v. Carlowitz' hochwillkommen war und daß er es nach Möglichkeit unterstützte. „Den Kurfürsten, den könnten sie schon beugen. Wenn'» nur der Kurfürst wäret" antwortete der Kanzler. Er hatte sekne Ästigkeit wiedergewonnen. „Sie haben einen Mäch tiger» zum Feinde der macht sie allesamt zu Spott." „Ihr meint —?" fragte -er Sekretär erschrocken. „Den Geist von Wittenberg!" „Herr Kanzler!" rief der Sekretär vorwurfsvoll. „Ach laßt!" sagte der Kanzler und macht« mit der Hand eine abwehrende Bewegung. Da war es endlich ausgespro chen, was ihm seit Wochen schon das Herz bewegt, und -r fühlte sich leichter. „Ist uns von Prag her Nachricht zuge- kommen?" fragte er mit verändertem, sachlichem Ton. „Briefe von Seiner fürstlichen Gnaden." „Was schreibt der Bischof?" „Er rät, getreulich auszuhallen und ohne seinen Wil len Stolpen nicht aufzugeben, es sei denn, daß die Notwehr es erfordere. Empfiehlt uns auch dem Schutz des Höchsten, des Hilfe anzüflehn er uns ermahnt, damit Gott alle Unbill rächen, die Frevler strafen und endlich uns in Friedens stand und Ruhe setzen möge. Was wir an Sorgen, Aeng- sten und Beschwerlichkeit jetzo zu dulden haben, so will er uns getrösten, daß wir in starker Zuversicht auf baldige bess're Tage hoffen, welche herbeizuführen er nicht laß sein werde." Der Sekretär berichtete mit sichtlicher Freud« und hoffte, daß auch der Kanzler seine Zweifel fahren lasten werde. Statt besten antwortet« dieser, die Feder weglegend und vor sich Hinblicken-: „Trösten und raten — helfen kann er nicht." Er stand auf, um sich Bewegung zu machen. Wieder überkam ihn seine trübe Stimmung. Die Arbeit wollte ihm nicht gelingen. Der Sekretär wußte nicht, was er sagen sollte, er fühlte, daß jedes Wort jetzt stören würde. Es ent stand eine lange Pause: Das Schweigen wurde plötzlich unterbrochen durch Trommelwirbel, die von der Stadt her aufklangen und denen bald langgezogene Trompetensignale folgten. Der Kanzler stand wie angewurzelt, er hörte auf die Töne und schien sie förmlich in sich einzusaugen. „Vesperklänge k" dreht« er sich endlich nach dem Sekretär um, während sie noch immer bliesen. „Man hat uns nicht vergessen, Sekretär." Dieser war, von neuem Schreck befallen, ans Fenster geeilt, um zu erforschen, was es gäbe. „Ein Trupp von Bürgerschützen zieht heraus!" rief er, sich halb ins Zimmer »»endend, halb mit den Augen den Zug verfolgend. „Sie bringen uns den heil'gen Ehrist — verlaßt Euch drauf!" antwortete der Kanzler mit beißendem Spott. Denn es war Weihnachtstag, man schrieb den 24. Dezember 1SS8. „Der Rüstung nach sind's Dresdner", berichtete der Sekretär weiter, in seiner Aufregung hatte er des Kanzlers