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Druck und Verlag von Friedrich May. G. m. b. H. vrranttvortlich für die Schrlftleitung Max Fi «derer sämtlich in Bischofswerda. Aurora, schöne Aurora. Eleüna, geliebt« Eleona. Eberhardine, arme Eberhardine. Mit tausend Füßen hätte Joachim von Eckelshöh laufen mögen, Eleona zu suchen» das Rätsel um sie und den Toten zu lösen. Aber er war der Offizier der Leibwache, er war im Dienst und sein Kurfürst hatte befohlen: „halte Er gute Wacht, Leutnant!* — Auch im letzten Zimmer von Schloß Moritzburg verlöschten endlich die Kerzen. , Vl. Drei Frauen. Eleona de la Gardie wartete in den Gemächern der Gräfin Königsmarck auf ihre Herrin. In einem Sessel zusammengekauert sah sie den langsam abbrennenden Lichtern zu. Alle Fenster de» Gemaches hatte sie verschloßen, draußen lauerte die schwarze Nacht. Ein Toter lag im Hellsaal des Parkes. Regungslos starrte Eleona in die züngelnden Flammen der Kerzen. Manchmal siel ein glühender Tropfen Wachs auf die ge schliffenen Glasmanschetten der Leuchter. Dann' zischte es leise auf, ein feiner Ton klang durch das Zimmer, wie der dünne hohe Seufzer eines Sterbenden. Manchmal wieder knackte es im Ge täfel des Holzes, als schleppe sich wer auf todmüden Füßen über das Parkett. Immer tiefer brannten die Kerzen, immer stiller wurde es im Schloß. Die Gräfin kam nicht. Sollte sie die Nacht hier allein zubringen müssen, stets mit dem Schatten des Toten vor sich. Gräßlich, wie er im Augenblick des Stoßes die Hände hochgeworfen, wie seine Augen in jäher Todes angst groß geworden, wie er den Mund hatte öffnen wollen zu einem Schrei und wie der Ton dann halb in die Kehle zurückge fallen war, als sei ihm Blut in den Mund gedrungen. Doch nein, nein, sie hatte ja gar nicht zugestoßen. Sie wollte den Degen senken, da war er über den Sessel gefallen und hatte ihn sich selber ins Herz gerannt. Und Eleona grübelte und grü belte, wie alles gekommen. Ein Unglücksfall nur — ein Mord? Da schlug es an das Lenster: kling. Und wieder, kling, kling. Nur nicht erschrecken jetzt, immer in die Lichter hineinsehen. Daß die doch brennen möchten, brennen hell bis zum Jüngsten Tag! Kling, kling. Wer wollte etwas von Eleona de la Gardie? War sie nicht im Recht? Hatte sie nicht den Räuber ihrer Ehre be straft, wie Gott befohlen, Auge um Auge, Zahn um Zahn! Aber sie hatte gar nicht einmal selbst ihre Ehre zu rächen brauchen, das Schicksal hatte es getan für sie. Oder war sie es doch? Kling, kling, nadelspitz und leise. Er hatte geschworen und dann gelogen, er war ein Schurke, ein Satan. Ein Windstoß warf das Fenster auf, die Kerzen verlöschten in seinem Wehen. Regen tropfte in das Gemach. Eleona saß unbeweglich, ihre Glieder schlugen vor Erregung. Sie wagte kaum zu atmen. Stand er nicht hinter ihrem Stuhl jetzt, der Tote, und legte die kalten Arme um ihren Hals? Eleona wartete auf das Gericht des Toten, blickte starr in das Dunkel geradeaus, dasHaupt gebeugt, frei den schönen weißen Nak- ken für das Beil des Henkers. Doch der Regen Gottes rauschte nur stärker, aufdufteten herb und rein nach der Hitze des Tages die Blüten und Bäume. Bis es stiller wurde und stiller, die Wol- ken zogen davon. Sterne funkelten silbern und friedlich am nächt lichen Himmel. Ihrer selbst nicht mehr mächtig, müde und zerbrochen, den Kopf auf die Arme gelegt, sank Eleona in tiefen Schluf. Traum los verrannen die Stunden. Wie ein tiefer See war die Nacht, weich und voller Mitleid. Erst der nahende Morgen weckte Eleona. Und von neuem be gannen sich die Gedanken in ihrem gemarterten Kopf zu verwirren. Ein blaßroter Streifen stand im Osten am Himmel, als blute eine frische Wunde. Verstört blickte die Komtesse um sich. Wie kam sie überhaupt in diesen Sessel. Und wo war die Gräfin? Da schlug im Park unten eine erste Amsel. Im Park! Und auf einmal schien es ihr, als reckten sich alle Bäume hoch hinauf und sahen durch die Fenster in ihr Gemach, wie riesige Galgen, die ihr Opfer forderten. Nein, nein, nur das nicht! Die Nacht hatte sie gnädig verschont vor allen Menschen. Es war ihr wie ein Wink des Himmels, daß sie ausgewacht war. Nun eiligst fort, fort von dem Toten, der aus dem Mund der Amsel sang, der im leisen Rauschen der Bäume lebte, dessen Wunde am Himmel blutete. Fort, vor allem fort aus der Nähe des Ge liebten, der verraten und betrogen war, ohne es zu ahnen! Und mit rascher Gebärde streifte Eleona das Gewand her unter, das der Tote mit seiner Hand berührt. Aus weißer Seide war es, das Totenkleid ihrer Liebe. In sagender Hast raffte sie Geld und Schmucksachen und ihre geringen Habseligkeiten zusam men. Aus dem Schlosse, nur aus dem Schlosse jetzt! lFortsetzung folgt.) einer Abwesenheit. Richtig, da lag auch auf dem Tisch ein versie- >eltes kleines Paket, das seinen Namen als Aufschrift trug. Und >ie Schrift, das Band, das Siegel — es war von Eleona! In iebernder Eile riß Eckelshöh die Schnüre ab: ein Bündel Briefe iel aus der Umhüllung, Blutspuren zogen sich durch sie hin, es waren die Briefe Elaes Horns und Aurora von Königsmarcks. „Eleona!* Doch niemand hörte. Nur Musik, Musik, Musik im ganzen Schloß. Rasch verbarg er die Briefe in seiner Brusttasche. Eleona, wo war Eleona? Er stürzte aus seinem Zimmer, den Gang hin durch, wollte eben die Treppe hinunter, blieb jedoch stehen, wie angewurzelt, riß den Degen aus der Scheide und grüßte. Seine Durchlaucht, der Kurfürst Friedrich August, an der Hand führend Aurora von Königsmarck, begleitet von zwei kerzentragenden Pagen, schritt an ihm vorüber zu den kurfürstlichen Schlafgemä chern. Seine Durchlaucht winkten ihm gnädig: „Rühre Er sich nicht aus dem Schloß und halte Er Uns gute Wacht, Leutnant!" Und ohne ihn anzublicken, tief gesenkt den schönen Kopf, schritt stumm Aurora von Königsmarck an dem Leutnant vorüber, dem Kurfürsten folgend. — ,Lalte Er gute Wacht, Leutnant!" Schon siel die Tür ins Schloß, die Pagen verschwanden. An -er Treppe jedoch klammerte sich Eckelshöh fest, vor seinen Augen hielt ein blutroter Schein. Schicksal, wie ungenützt stehst du oft in der Menschen Tun und Lasten. Wie geheimnisvoll und furchtbar knüpfst du deine Fäden. Liebe und Leben dem einen, Tod und Verderben dem andern. Und wievkele sind geneigt, unter diesem Worte Schicksal nur eige nen Ehrgeiz und eigene Wünsche zu verbergen, um sich selber zu entlasten. Kam da nicht «in Man» gelaufen, hastig und vorsichtig, immer tm Schatten der schützenden Büsche? Schon wollte der Leutnant -t« Wache alarmieren, da erkannte er in der hastenden Gestalt den von chm vermißten Lewendahl. Leichenblaß war des Barons Ge- . ficht, «ine Haarsträhne hing ihm wild in die Stirn, er torkelt« mehr, als daß er lief. „Baron, was ist mit Ihnen?*, stellte der Leutnant den Flie henden. „O mein Sott*, entfuhr es dem Baron von Lewendahl, da «k Eckelchöh erblickte. „Ich — ich — es ist ein gräßliches Unglück geschehen, Herr von Eckelshöh." Er wandte sich um, während er näher an den jungen Offizier herantrat, als suche er Schutz vor etwas Furcht barem. .Ja hinten im Pavillon liegt der Gesandte Conte de Lascagno erstochen am Boden* „Baron, find Sie von Sinnen! Bei diesem Fest, in Moritz burg, der Turiner Gesandte ermordet? Ich will sofort die Wache..." Aber Baron von Lewendahl fiel dem Leutnant in den Arm: „Um Gottes willen, Eckelshöh, Sie können nicht wissen, was vorgefallen ist! Ich selbst sah den armen Lascagno kurz vorher zum Pavillon gehen in Begleitung der — der Komtesse de la Sar- die." Zwei Fäuste umkrallten des Barons Racken, daß er in die Kni« stürzte Wie ein Rasender war Joachim von Eaelshöh über ihn geraten. „Roch ein Wort in diesem Zusammenhang von der Komtesse de la Gardie und ich erschlage Sie wie einen räudigen Hund.* Der Gewürgte stöhnte nur: ,Hch habe nichts gesagt, Leutnant, nichts will ich behaupten. Am besten ist'» auch, man weiß nichts von alledem." Einen Stoß gab ihm der Offizier noch, dann Netz er ihn fah ren. Ein Feigling war der Baron, einer, der es nur mit den Le benden hiett, selbst wenn er darum einen Toten verraten mußte. Dafür war da» Dunkel feiner eigenen Geschäfte um ihn her zu schwarz. Der Baron, wie der Leutnant ihn kannte, würde nach diesem unaufgeklärten Vorfall jedem ins Gesicht hinein leugnen, je mit dem Gesandten Pedro d« Lascagno befreundet gewesen zu sein. So überließ er den Elenden'sich selbst und stürmte zu dem Pavillon. Wie eine tolle Meute jagten die Gedanken in ihm mit. Eleona und der Gesandte, der Gesandte tot, Eleona nicht auf dem Fest. Durch die offene Tür schritt Eckelshöh in den von Mond licht schwach erhellten Pavillon. Da lag Pedro de Lascagno langgestreckt mit dem Gesicht auf dem Boden. Sein eigener Degen steckte noch ein wenig seitwärts in der Herzwunde. Und über die wrlße Seide des Rockes sickerte ein dünnes Blutbächlein. Die eine der Rocktaschen lag umge stülpt, als sei ihr in höchster Eile von irgend jemandem noch etwas entnommen worden. Joachim von Eckelshöh salutierte vor dem Toten dreimal mit entblößtem Degen, dann wandte er sich, verschloß den Hellsaal und ging zurück zum Schloß. Wo war Eleona d« la Gardie? Noch unschlüssig, wo er sie wohl suchen könne, begab er sich in ein Quartier. Hier fand er die Tür nur leicht angeklinkt, daß es hm schien, als sei jemand in sein Zimmer eingedrungen während » V. e» M ES gy gh