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Oer Dandemng Ende. Emte/estfkiz-e von Otto Erich Gurlitt. Der Wandestr kam von Norden. Er stand auf der Höh« und sich in da» «eile abendliche Tal hinab, «o zwischen herbstgoldenen Bäumen weiße Häuser leuchteten. Fahnen warfen frohe bunte Flecken in da» Bild de» Dorfe» dort un> ten, und über die Straßen fpannt« sich Tannengnin. Fritz Lchgeü» zuckte die Achseln unter den Riemen de» Rucksack», «in unangenehme» Befühl kroch an ihm hoch. Er wußte sich selbst keine Erklärung dafür zu geben, warum di« Vorbereitungen zum Erntefest, denen er heute allenthal ben begegnet war, so auf ihn wirkten, vielleicht klang ein wenig Schuldbewusstsein mit, doch er wollte davon nichts wissen. Er umklammerte den Stock fester, al» könnt« er sich damit wehren, und schritt die Straße weiter, in» Dorf hinein. Der Abend senkte sich schon tiefer. „Weiterzulaufen*, brummte Fritz Achgeli«, ,chat keinen Zweck, denn überall werden sie Erntefest feiern.* So trat er in die Gaststube de» „Goldenen Lamm»* und fragte nach Quartier. Er saß am Tisch und aß. Ein sonderbarer Dust erfüllte da» Haus und störte ihn zuerst. E» roch nach Braten und Kuchen. Es war der von der Heimat her vertraute Geruch de» Festvorabends, und mit der Erinnerung an frühere Zei ten weckte er wieder da» leicht« Gefühl der Schuld von vor hin. Fritz Achgeli» legte sich zeitig nieder. Am nächsten Mor gen wollte er schon in der Frühe rvetterwandern, obwohl er kein eigentliche» Ziel kannte und keine Eile ibn trieb. Doch al» er in der Frühe in der Wirtsstube stand und zum Aufbruch rüstete, waren seine Bewegungen ein wenig unschlüssig. Di« Tochter vom „Goldenen Lamm*, «in fri sches junges Mädchen, sah es und trat auf ihn zu: „Sie den ken doch nicht ans Fortgehen? Bleiben Sie hier zum Erntefest!* „Nein*, sagte er ohne Ueberzeugungskrast, „nein, deyn ich muß weiter, will noch heute nach. . . .* Er stockte, denn erst jetzt fiel ihm ein, daß er nicht wußte, wohin er wollte, nicht wußte, wo setne'Tageosahrt enden sollte. Das Mädchen merkte seine Verlegenheit. Es ging lä chelnd darüber hinweg: „Auch dort wird nicht ander» Ernte- festgestiertwst bei uns. Sie bleiben, nicht wahr?* Fritz Achgeli» blieb. Denn er war auch ein wenig neUgstria aus diese» Fest, da» nach dem Willen eine» Manne» für em« ganz« Nation ein Tag der Freude und zugleich eine Stunde de» Besinnen» auf die Wurzeln des Volkes sein sollte. — Er sah di« Gäste kommen, sah den freundlichen Empfang durch die Bauern, sah alle» zur Kirche gehen und wußte nicht. wst es kam, daß er plötzlich selbst im Gotteshaus« stand und den Worten des Pfarrer» lauschte, der Sott für den Gegen der Ernte auf den Feldern und für die in den Herzen der Menschen aufge- aanaene Saat dankte. Fritz Achgeli» stand mit gebeugtem Kopf und sann lange nach. — Mittag» durste er nicht allein essen, wie er es gewohnt war, seitdem er wanderte. Die Wirtin bat ihn an den ge meinsamen Tisch, auf dem die duftend« Last des Festbratens ruhte. Der Wanderer wunderte sich, daß es ihm im Kreise der Unbekannten gefiel. Er kam sich nicht mehr wie ein Fremder vor, nicht mehr wie ein Wanderer ohne Ziel und ohn« Freund. Dann stand er vor dem Haus« und sah die Aestwaaen, beladen mit frohen jungen Menschen, an sich vorüberziehen. Er konnte lachen, al» draußen auf der Wiese die Festordner da» Volk mit ihren althergebrachten Scherzen lenkten und die Mädchen neckten. Er stand mit den anderen im großen Viereck um den Festleiter. Der sprach vom Sinn des Tage», von der Scholl«, di« dem Volk die Kraft zu seinem Handeln und Wachsen gibt, von der Scholle, die so mancher achtlos verlassen hatte, weil er in der Stadt oder irgendwo in der Fremde sein Glück zu finden glaubte. Er sprach von der Scholle, zu der die Nation zurückkehren müsse, um gesunden zu können. Fritz Achaeli» war nachdenklich, als er in da» „Goldene Lamm* zurückkehrte. Er wollte sich ein wenig abseits setzen, doch die Wirtin trieb ihn mütterlich scheltend au« seiner Ecker „Wie kann junges Blut hier sitzen, während drüben alle» tanzt!* Er ging in den Saal und sah da» Gewimmel von alt und jung. Und während er unschlüssig stand und nicht wußte, was er mit sich beginnen sollte, nickte ihm die Tochter vom ^Goldenen Lamm* zu. wollt« mich nicht ziehen lassen. Das Geschieht sitzt seit Jahr- " - ' , , ') würde in der Stadt . , sondern entwurzelt sein und auf frem ¬ dem Boden nicht leben können. Doch ich wollte gehen, wollte Vie Last der schweren Ackerkrume von den Füßen schütteln, Und nicht» konnte mich halten. Richt einmal mein Mädchen. Ich flüchtete fast in di« Stadt. Ich sog ihr« Lust wie Da wunderte er sich wieder über sich selbst. Denn er legt«, ohne viel zu fragen, in rasch aufspringender Stimmung den Any um das Mädchen und führte es in das Gewimmel der Taruenden hinein. Da» junge Ding lachte ihn an: .Hat die Musik den Griesgram kuriert?7 Er nickte und fühlte sich leichter ums Herz. Doch als er dann mit dem Mädchen am Tisch saß und glaubte, es. unterhalten zu müssen, wie di« anderen es taten, zwanglos und voller Lebensfreude, da kam wieder die Mut- lofigkett ,über ihn, und er schwieg. Da sing das Mädchen zu sprechen an: .^Irgend etwas bedrückt Sie. Es scheint, als fühlten Sie sich nicht wohl un ter uns, und doch glaube ich, daß Sie zu uns gchören, daß Vie auch pom Lande sind. So müßten Sie heute froh sein wie wir.* . Et blickt« dem Mädchen ins Gesicht und sah fast mütter liche Gorge in den Augen. Da löste sich seinMund zu einem Geständnis: ,La, ich stamme vom Lande, doch ich bin fahnen flüchtig geworden! Ich glaubte, die Welt auf dem väterlichen Gut sei zu eng für mich. E» lockte mich in die Fremde, in dl« Stadt mit ihren hunderttausend Lichtern. Der Vater wollt« mich nicht ziehen lassen. Das Geschlecht sitzt seit Jahr hunderten auf dem Hof. Er sagte, ich würde in der Stadt nicht glücklich werden, sondern entwurzelt sein und auf frem- eM Boden nicht leben können. Doch ich wollte gehen, wollte ... r den Füßen schütteln, ich halten. Richt einmal mein Mädchen. , , st in di« Stadt. Ich sog ihr« Lust wie «inen kostbaren, fremdartigen Dust ein. Er berauschte mich. Ich stlnd Arbeit. Sie gab mir Zeit und Geld, di« Stadt zu tosten. Ich kümmerte mich nicht um die Briefe von zu Hause, in denen der Vater schrieb, der Hof and mein Mädchen und er selbst warteten auf mich. Das alles lag ja so unendlich fern. » Ich kostet« die Stadt zwei Jahre lang. Und dann spürte ich einen bitteren Geschmack. Er kam ohne-äußere Beran- lasickng. Die Stadt war plötzlich fade. Irgend etwas fehlte mir. Irgend etwas drohte, mich zu erdrücken. Ich fühlte Mich unfrei und mußte in die Weite. So kam ich zum Wandern. La» Geld, Sa» ich besaß, macht« mich unabhängig. Sch hab« viel g«s«h«n und bin doch nicht glücklich geworden, vielleicht well ich überall ein Frem der «ar, vielleicht well mich stet» diß Unrast trich, vielleicht «eil ich mich nach etwa» sehnt« und doch nicht wußte, wo» «» «ar. Heut« ««iß ich, «a» mir fehlt: di« Heimat, die Scholl«, mein Mädchen, da» mit b«id«n verwckbsin ist. HeutHh« ich g«s«hen, «i« andere di« Heimat «rleben Md wi« entwur zelt L bin.* Er schwieg und starrt« in» Leere. Br wundert* sich nicht, daß ihm da» Mädchen die Hand auf den Arm legier „Warum kehren Sie nicht zurück? Warum machen Sie nicht ein Ende mit Ihrer Wanderung ohn« Ziel?* Fritz Achgeli» ,sah auf den Dsch^ . Es laM langsam au» ihm heraus: ,Hch schäme mich! Ä> w-iß nicht, ok fst mich zu Hause jetzt noch «ollen * Ein Fragen, «in Bitten und Hoffen war in seiner Stimme. . > Das Mädchen hörte es und sagte: ,Zum Lernen war auch ich einmal in der Stadt. Ich weiß es: Di« Heimat und alles, was zu ihr gehört, sie stoßen dckr Zurilckkehrenden nie mals von sich.* Da griff er nach der HaNd und drückte sie dankbar. — Eine Woche, später, al» da« Fest verkdmgen, kam ein Brief in da» Dorf im Talgrund. E» standen nur ein paar Worte darin, ooch da» Mädchen la» au» ihnen den Dank eines befreiten Menschen: „Die Wanderung ohn« Ziel hat b«ts. ly" in b*ss«rol»Mf« dämonen nahm Mähens köpf an noch am erfreut« dem di« Bäuerin nj tM* b«is«tzst. De? tenwäfchkw «ar seletaNz* ter Linie Ein Schimmel und «st Wst wW in Furchen Wenn so bedächtig seir Der Bauer lenkt. E» . ... „ . Und Flammen schießt die fahle Wolkenwand. Was kümmert einen Bauernsturm und Regen? Zu stünen M'»^ noch sein Ackerland, / . Bevor sich Winterfrucht mnn schlaftn legen. Und ^hritt für SchriAN« so chr Lauer stampft, Versteht er recht die Schollen umzureißen, Die Sonn« steigt. Da» All her Gäule dampft. Und strählend Knkt da» blank« VstugschareHm. gen Jahrhundert* am letzt«« Tba« dtk «oagenernt« mor- gens einem -ahn den Kopf ab.lM-omn ost^de» L einige Achrqn stehen, mit d«WN nÜM dim Hahnent einem Stocke ' — - gleichen Tag« sich da» „He auch vom „H ist auch viel- Lbklatschwalzer*, bet dem di« Frauen st auf das Händeklatschen einesWwr- zer wechseln. Ein Auäausch lsttTmiz- iem anderen beim Erntefest bevorzug» s«w» dst „Loffm* oder mstpkuchen* durst« na- ch, Ww> ab«r glücklich««- *-*ckewg und «W« — t, eine» verspro- jammerten di« iwch.Leibe-krWen vom Heustall henürstt. Mitten in der Scheune sah auf einer Stange gvaviMsch der Hahn. Ueber den tanzenden Paaren befand sich aüf «in«m losen Gestell «in Glas mit Wasser Jedes Mädchen hielt beim Herum tanzen unter dieser Stelle seinen Tänzer hoch, damit er da« Bla» umflöße. Gelang diese Verschüttung dreimal einem Paar, erhielt es zur Belohnung den Erntehahn, der »ach sofortiger Zubereitung verzehrt wurde. Diele dieser alten ErnstbrSuche kennt die Gegenwart nur noch vom Hörensagen. Sie aus ihrer Vergessenheit wie- der hervorzuholen, ist eine Ehrenpflicht des deutschen Bill- ke», das in diesem Jahr« «stber nach langer Zeit da» Ernte dankfest so feiert, wie unsere DbMchrm es begingen. StirrzwM«. speagrr „StmwßWchn entschied«« Wr Hahn vermög« seiner Frucht- Stellung ein. Wenn man in vst- DaS urreHetziiche Brot. Richt selten haben Mißwach» und Teuerung, Krieg und Belagerung zu der Notwendigkeit gtfitzrt, sich für da» feh lend« »rot «Hatz zu schaffen. Dabei W» dst s-ltscmchen Surrogate estAmden. tMde- Ionen, Ranket- und Kolben, Quecken-, wurzeln» Moos und verschiedenen Flecht«« hat man «Mein Mittel schaffen «ollen, den nagenden Hunger za vertreiben. In Norwegen versucht« man e» gqrmtt dem Bast d«r Fich- stnstämme. Der wurdo gedroschen, g«klopst, getrockiret, M Mörsern zerstampft und mit mancherlei »Delikatessen* wie Moos und Häcksel vermengt. Aber es gab doch einen recht bitteren Kuchen. Man könnte ihn nur genießen, indem man ihn mit Wasser hinunterspülte. An zu essen, war unmög lich. Dieser Versuch st« da» Brot Ersatz zU schaffen. ift eben so wte 'ülle seine Dorgängerund Nacholger völlig erfolglos geblieben. DaS Gänsarichreiten als S«ntebra»ch. Vaterlandes auchcheute iwch Stimmung beim Erntestfl ---- reich geschmückt, in einil den Wßdn un einem Slot LZWNNÄ nicht so gaty einfach, denn hängt, daß sie, sobälstsie den Kopf einzsthen, nich M Wen sind und deM Reitersmann nur tin lautw Hühngelächter der Zuschauer «intragen. Erst wenn die Titre ermattet find, fallen sie schließlich einem geschickten Griff zum Opfer und werden damit Eigentum de» glücklichen Gewinner». Las „Ganschreita*, wie man in Schlesien sagt, wird dort noch h«ust geübt. Früher kannst man es auch in Bayern, wo der Gewinner noch den vowrib hatte, daß ihm der er beutete schmackhafte Vogel fertig gebraten überreicht wurde. . » —,- - - - Der Bauer drehte fich zum Larrz ... noch den „Schleifer*, jenen echtdeutschen Nattonalt der Walzer seinen Ursprung verdankt. Beliebt ist , fach der sogenannte „Lbklatschwalzer*, bet dem ... und Mädchey jedesmgl auf da» Händeklatschen eim zähligrn parw« l . , te» Volkstanz zu Grunde: dem „Betzntqnz*. Hierbei rettet «iner der Teilnehmer, der kein» Tmwertn gefunden, auf «inem Besenstiele zwischen den Tanzenden herum. Plötzllch läßt er sein Holzroß fallen und gibt damit d<w Zeichen -um Wechseln der Partnerin, wer dabet keine erwischt, muß im nächsten Tanz den Besen retten. Ein in gleicher Weise auf ^'in !be- » e» Allerdings M dies eitzENchMstGSn- e Wd-bünstiivchttstrn iung voneinander mit st werben. Laiin reiten > dÄ bedauerNwberstn wevoen suHoch cmwe- eine ver- Norddeutschland bümerte sich vielerorst die Sttte ein, wäh rend und nach der Ernst ein „Kmnzbstr* für di« Schnitter Dieser uralst, germanische Dalrsbrauch.wird tetzt.ju, neuem Lebe» erweckt, denn der Erntekranz ist nicht «ar: eine zufällige Schmuckform, sondern da^Aiü^ Ssilndtth der alt-nordischen Frohsinn beim Emteschmaus. Me unser« Vorfahren atzrn mw stierst». Von Dr. D- F. Strad«ck. Der Schnitt der Ernte war für unsere Lltoördern heilige Handlung. Unnötiaen Lärm, ja sechst das Sprechen bei dieser harten Arbeit uebstn Bauer ütch'Gesinde nicht. Schnitter und Schnitterin wollten sich btim AbVkinaen de» Getreides, beim Werfen der Schwaden, beim Garvenbin- den und Puvpensetzen nicht ablenken lassen, sollte ihr Tage werk bewältigt werden. Stand aber der Erntesegen unter Dach und Fach, trat überall der Frohsinn in" dienten Rechst. Schmaus, Umtrunk, Tänze sammelten die Dorfgemeinde auf dem Ang WochM Arbeit zu frohen Festen, bei den«U ler au» dem Dollen geernteter Schätze tzstnd Wenn der reich« Herbst Platonis kochnst^ vmmAet, «in mitstlMerltche» Sprichwort, wird'» Bratwürste regnen und Kirschkuchen schneien. Ja, wenn . .<» La» große plastnische Jahr besteht lewer aus 26 OYO geroöhnlichen Jahren. So lang« M warten, wäre unklug gewesen. Deshalb trösteten sich unsere Dorsahren mit dem gewiß nicht-schlechten Exnt«- segen, den ihnen Jahr für Jahr der Hexbfl bescherst. Sie kannten den Wert ihres Bodens, wußten, was Ackerbau und Wehzucht für d«n einzelnen gemeinhin abwarfen. Gott Freyr ritt «inst in dieser mtt Früchten der Erde und Bäu men gesegneten Zett auf einem rostg^eistW Schwein duych dst deutschen Lande, und jeder klug« Lmchmann hielt es für angebracht, dem schmackhaften Schinken klagten Borsten- t.er» stinen Gruß zu entbieten, denn „Schwein* lGlück) mußte auch der Bauer haben, um der oolstn Segens seiner Arbeit telchaftig zu werden. War da, Reittier eine Sau, mußt« der Bauer Obacht geben, daß sst ihm nicht in .hie Frucht lief, sonst gab es kein gute« neues Jichr. War dst Ernst glücklich und unversehrt eingebracht, so begann allen, di« e» sich dabei Hattyr saupx werde« lassen, das Herz im Leibe zu lachen, denn mm kamen Zähne, Gau men und Magen voll auf ihre Kosten. Dafür sorgst der Ernteschmau». In nicht immer reinen, aber dafür um so herzhafteren Dersen gelangst diese Freude am Festessen zum Ausdruck. So begann denn der Festschmaus, nachdem --» Gesinde vorher noch dem Bauern in einem Sprüchlein ebenfalls viel Ergötzliches gewünscht hatte: : r , Wir wünschm der Herpkchaft 'nyiHockstnen . Tisch, Auf jeder Ecke «inen gebratenen Fssch In der Mitte ein« Fwsche Wein, Dabei scAey die Herrsc^sstn lustig sein. Getafelt wuch« im allgemeinen kräftig und ohne viel zu nötigen- Lhon am Jakobsta«-) M. ,ÄNli> tranken