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stammte aus einem von geschworenen Meistern mit einem Zeichen besiegelten Tuchballen, das deutlich für dessen her vorragende Qualität sprach, denn in Zwickau wurde nach allem »rauch die zu prüfende Ware durch eine Oeffnung in die Wand de» Beschauzimmers geschoben, so daß kein Meister wissen konnte, wer sie gefertigt, und deshalb schon gerecht sein mußte in seinem Urteil. Doch wie gesagt, für die blonde Komtesse schien dieser Tast völlig bedeutungslos zu sein. Sie v»r bereits vom Fenster zurückgetreten und konnte so nicht ahnen, daß er nichtsdestoweniger soeben mit einem Anflug erhabener Würde auf das hohe Portal des Stiftes zukam, einen gro ßen Berief vor sich hertragend, wie ein Zeremonienmeister seinen Marschallstab. An der Pforte empfing ihn die Dekanissin, Gräfin von Schwarzenburg, mit ihren fünfzig Jahren noch so neugierig wie eine Pute. Carol Sinwart machte eine tiefe Verbeu gung und drehte sich wie ein Pfau aus dem Gehege Kur fürst Augusts in Moritzburg. Die steif? Halskrause der Dekanissin knisterte abwehrend und anziehend zugleich. Ihre Lippen bewegten sich fortgesetzt, auch wenn sie nicht sprach, so daß Meister Tarolus vor lauter Ehrerbietung ebenfalls schwieg, was sonst nicht ost bei ihm vorkam. So überreichte er denn auch wortlos das Schreiben, dabei einen erneuten Bückling machend, daß sein Zwickauer Tuchrock in dem engen Flur gleichzeitig «ine gute Ladung Kalk von der geweißten Wand mit förtnahm. „Aha, an die Madame Königsmarck", meinte die De kanissin schnippisch, und ihr spitzes Gesicht nahm eine höchst geringschätzige Miene an. „Und aus Dresden ist der Brief, aha — soso/ sie ließ ihn scheinbar versehentllch auf die Erde fallen: „Ob — oh. Daß Er sich bücken muß, das tut uns leid.- Damit rauschte sie fort und ließ Carol Sinwart einfach in der Pforte stehen. Akkurat so war die Dekanissin, die sich jetzt stehenden Fußes zur Pröpstin, der Prinzessin von Holstein-Beck be gab: „Aus Dresden eine Sonderpost an die Königsmarck, jaja — soso, gibt es da noch viel zu mutmaßen, vieledles Fräulein Schwester? Ich denke, wir wissen genug, oh — oh.- Und di« beiden .Hosen Spinnen-, wie sie im Stift genannt wurden, spannen schleimige Fäden. Derweilen besann sich Tarol Sinwart nicht lange, denn durch den offenen Hausflur dieses hochadligen Damenstistss mit seinen vielen Jungfrauen, die frommen Sinnes aller Weltfreude entsagt hatten, strich selbst an diesem brutheißen Sommertag noch ein beachtliches kühles Lüstlein. Und wenn einer mit dreiundfünfzig Jahren das Reißen noch nicht hat, so kann man es doch schnell kriegen. Er nahm darum den Klopfer zur Hand und machte einen ganz und gar weltlichen Krach! Teufel auch, den Herrn Hutstaffierer Tarol Sinwart vom Allen Markt in Dresden sollte man selbst in Quedlinburg nicht einfach an der Pforte stehen lassen dürfen wie einen schlechten Zinngießer oder einen falschen Italiener. So lief das halb« Damenfiift zusammen, und Meister Tarol durste sein Schreiben in die kleinen Hände der anmutigen Komtesse Eleona legen, als wolle er sich nun gerade rächen an ihr, daß sie ihm so wenig Auf- merksamkeit geschenkt bei seiner Ankunft. ,Liebste, tzute Gräfin, wer hat richtig prophezeit? Hier ist er, der Bries vom Junker! An das Hoch- und wohlge borene Fräulein Gräfin Aurora von Königsmarck in Quedlinburg I" Meister Carol Sinwart aber setzte sich gleich in die rechte Positur. Das also war die Gräfin Königsmarck. Donner und Türken, sein Junker hatte keinen schlechten Geschmack. Ein bissel rank und schlank zwar war er wohl für dieses üppig« Weib, das einen strahlenden Sommer trug, wie das gelbe Korn die reifende Frucht. Aber dieser kleine Mund mußte küssen können, die schwarzen Augen funkeln, die kleinen festen Hände zupacken, daß es eine Lust war. Und so fing Meister Carol Sinwart vor lauter Be- getsterung wieder an zu reden, ehe er noch gefragt war und He die schöne Gräfin den kurzen Brief da überhaupt zu Ende gelesen hatte. Jawohl, er fei der Meister Hutstaffierer Sinwart vom Wten Markt zu Dresden. Aus purem Stein erbaut «ar An Haus, wie das eines Grafen. Sein Schwiegersohn säße wenn ihr der Sinn danach gestanden — wohl Muße gehabt, als kursächsischer Akzisenempfänger in Meißen, Haha, HerrnLarot Einwärts dunkelblauen Rock als ein echt „Meißner sind Meißner-, redete man im Land. Aber Stück Zwickauer Webkunst bewundern zw können. Ls Lambert Arnekohl, der kursächsische Akzisenempfängdr und ' Schwiegersohn, war gebürtig aus Zwickau, gelehrt wie ein Schulmeister, lang wie ein preußischer Grenadier, für die der verrückte König — o pardon, halten zu Gnaden — Friedrich Wilhelm I. im benachbarten Berlin seine halben Kunstschatze an Seine KürfürstlicheDurchlaucht nach Dresden verkauft. Und Monsieur Johann Siegmund von Mordax, der Direkteur des Pläsiers, ließe bei Meister Carol Sinwart die Hüte staffieren sür die Acteurs und Chanteurs der Opöra. War es da ein Wunder, daß der Junker Joachim von Eckelshöh just in seinem Hause Quartier genommen? O, er habe ihn auch gleich an die rechte Adresse verwiesen, an den Herrn Friedrich, Grafen Vitzthum von Eckstädt, die rechte Hand Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht, sein Freund aus den Jahren der Kavalierstour des weiland Prinzen August und ein Bekannter des Herrn Grafen Philipp Chri stoph von Königsmarck. Der Freund schöner Frauen auch, »erstieg sich Carol Sinwart mit einem bedeutungsvollen Seitenblick auf Aurora despektierlich zu vermelden. Ein gar lustiger Herr, aus dessen Munde ein Sprüchlein seinen Weg gewandert durch halb Dresden und das also laute, ach, daß er nicht laut lospruste im geheiligten Hause des hochadligen Damenstiftes zu Quedlinburg: Lieben ohne Genießen Ist wie Büchsenladen und nicht Schießen." Die Gräfin brauche übrigens den Brief des Herrn Junker erst gar nicht zu Ende zu lesen. Es stehe nichts wei ter darin, habe er ihm selbst gesagt, als daß die Frau Gräfin posMerweise mit selbiger Post und in Begleitung Meister Carol Sinwarts auf schnellstem Wege nach Dresden kom men möchten, um die Angelegenheit wegen Hannover an Ort und Stelle mit besserem Nachdruck in der Residenz selbst be treiben zu können. Und also, wie die verehrungswürdige Dame sich überzeugen könne, der Postillon draußen habe schon kehrt gemacht und warte. Womit er zugleich in unter tänigster Reverenz seine bescheidenen Dienste offeriere, also aufgetragen vom Herrn Fähnrich Joachim von Eckelshöh. Aurora sah den kleinen dicken Mann, der sich erregt mit seiner grüngetupften seidenen Serviette das Gesicht putzen mußte, belustigt an. „Äinsi, meine liebe Eleona, vor soviel Liebenswürdig keit sind wir beide ganz und gar machtlos, meinst du nicht auch?" Lch befürchte, Jhro Gnaden!" kicherte die Komtesse. Während Meister Sinwart nur stammeln konnte: „Oh — oh, diese Ehre — diese Ehre" und machte dazu einen er neuten Knix, der den Zwickauer Tuchrock nun in nächste Be ziehung zu dem steinernen Fußboden brachte. So wurden denn in fröhlicher Eile Koffer und Schach teln gepackt und im Rücken des Gefährtes verstaut, der zi tronengelbe Postillon blies sein lustiges Halali, und neben ihm, hoch oben auf dem Kutschbock, inspizierte Meister Carol Sinwart wiederum mit einem langen Blick die Front aller umliegenden Häuser Seine grüngetupfte seidene Serviette flatterte dazu wie eine stolze Fahne im Wind. (Fortsetzung folgt.) Von Störchen und Kranichen in Sachsen. Auch in diesem Jahre zeigt der Storchenbestand in Sachsen eine weitere Zunahme. Von einer Anzahl Ortschaften der Amts hauptmannschaften Großenhain, Kamenz und Bautzen liegen dem Landesverein Sächsischer Heimatschutz, der wie in den letzten Jah ren wieder «ine genaue Storchenzählung vornimmt, Meldungen von Neuansiedelungen dieses volkstümlichen Vogels vor. Zum ersten Male seit langer Zeit hat auch Westsachsen wieder ein be setztes Storchennest, und zwar in Grethen bei Grimma. Auch des größten und völlig harmlosen deutschen Landoogels, des Kranichs, dessen Schicksal vor etwa zwei Jahrzehnten besiegelt schien, hat sich der Natur- und Heimatschuß erfolgreich angenom men. In der vogelreichen Oberlausitz ist der Kranich noch zu Hause. War er vor zwanzig Jahren nur noch in wencgen Brutpaaren vorhanden, so läßt sich neuerdings eine erfreuliche Zunahme fest stellen: und er siedelt sich allmählich auch in Orten an, wo er bis her fehlte. Druck und Verlag von Friedrich May. G. m. b. H„ verantwortlich für die Schriftleitung: In Vertr. Alfred Möckel, sämtlich in Bischofswerda. rilen besann sich offenen Hausflu vielen Jungfra Sommertag noch ein beachtliches kühles Lüstlein, wenn einer mit dreiundfünfzig Jahren das Reißer nicht hat, so kann man es doch schnell kriegen. Er darum den Klopfer zur Hand und machte eil gar weltlichen Krach! Teufel auch, den Herr