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9. Jahrgang. Dienstag» 7. Äpril 1914. ««»oh» »i Auer Tageblatt Anzeiger für -as Erzgebirge DWSNL mtt -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Mer Sonntagsblatt.: u«» nu.<>ad^«ü«a^f»»E, Tvr»chstm>z» So tte-aktlou mtt Ausnahme See Seaatage «achmtNag» 4—s Uhr. — ckelegeamm-fföeesfe I Tagidlatt Meer-geblrge» Inmfpeechee SS. »hm«a'Äst"llun^n M» ««»«langt ^ngefaaSte Manuskript, kann »«»Sh, nicht gelüstet w«r-m. Nr. 80. Diese Nummer umfaßt 8 Selten. Das Wichtigste vom Tage. Die Retchsregierung plant mit dem Haushalt ISIS eine teilweise oder völlige Neuordnung der Presseabtetlung ^m Auswärtigen Amt. Der Gouverneur von Togo, Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg, wird in Kürze einen längeren HetmatSurlaub antreten und bereits Mitte Mat in Hamburg etntreffen. » Die neue Telephonverbindung Rom-Berlin ist am Montag dem öffentlichen Verkehr übergeben worden. Der Urheber des Attentates gegen den Debrec ziner Bischof ist in Uesküb verhaftet worden. V Ein orkanartiger Sturm deckte in München ein Haus ab, wobei sechs Personen verletzt wur den; in Passau wurde ein Aussichtsturm umge stürzt. » Die italienischen Eisenbahner beschlossen den Generalstreik, falls ihre Mindestforde rungen nicht bi» zum 18. April angenommen werden. n NLH««« steh« an andere. Stell«. Osterfest unä Wirtschaftsleben. Menn auch nicht in dem Umfange Vie das Weih- nachtssest» ist in den letzten beiden Jahrzehnten doch auch das Osterfest für das Wirtschaftsleben von wicht geringer Bedeutung geworden. Zunächst hat sich der Brauch, Ge schenke zu machen, vielfach auch schon aus das Osterfest aus gedehnt. Früher wurden zu Ostern fast nur buntgefärbte Hühnereier und dann auch Schokoladen, und Mkrzipanoier veffchenkt, in den letzten Jahrzehnten aber ist vielfach der Brauch entstanden, in verschieden zusammengesetzten Um. hüllungcn nach der Form des Gis, in Attrappen, die mannigfachsten Geschenk« M machen. Es gibt jetzt kaum ein Geschäftszweig mehr, der sich nicht di« Vorliebe des kaufenden Publikums für solch» Attrappen zunÜHe gemacht hätte, um mittels dieser wcchrend der Lssterzeit so sehr beliebten Verpackungen den Umsatz zu steigern. Gßwvren der mannigfaltigsten Art, Weine, Liköre, Meine Werkzeug«, Schmuckgegönstände in «allen Größen und in den verschieden sten Preisäbstulfungein, Haushaltung-gegenstände, Par- fünnerien, Soffen, Soidenmaron, SpteHachen und noch viels andere Gegenstände: alles wird in einförmigen Attrappen verkauft. Dadurch Hat sich das Ostergeschäft nach mancher Richtung hin gegenüber früheren Zeiten belebt; nicht nur in der Schokoladenindustrie und im Eier« handel werden wesentlich höhere Einnahmen erzielt, dies ist auch 'in so manchen anderen Geschäftszweigen der Fall. Von Wichtigkeit ist das Ostergeschäft auch für Schreib- warenhandlungen. Nach Ostern werden wieder Millionen von 'Kindern in andere Klassen versetzt oder neu in die Schule ausgenommen. Da macht sie jetzt ein starker Bedarf nach Gesangbüchern, Schreib- und Rechenheften, nach Schulbüchern und Schreibmaterialien geltend. Daraus er geben sich auch höher« Umsätze und vermehrte Beschäftigung bei Buchbindern und Buchdruckern, in Linieranftalten und Papierfabriken. Die vielen Attrappen, die zu Ostern in allen Gröhen und Ausführungen umgesetzt werden, Haben auch den Kartonnagenfabriken vermehrte Beschäftigung ge bracht. Nicht gering ist auch der Einfluß des Offtergeschäftcs auf die Bekleidungsindustrie. Zunächst mußten die Hunterdtausende von Konfirmanden und sKonffirman- dinnen, di« zu Ostern die Schule verlassen, mit neuen Kleidern, neuen Hüten, mit neuen Schuhen und mit neuer Wäsche auqgvstcrttet werden, nun muß .auch bei den kleinen Jungen und Mädchen, die nach Ostern in d.e Schule kommen^ an Neuausstattungen gedacht werden. Vielfach beschaffen sich auch die Eltern Lei der Konfirmation ihrer Kinder neue Kleider. Ziemlich bedeutend ist zu Ostern auch der Absatz von Taschenuhren; denn jetzt erhalten viele Knaben und Mädchen schon bei der Konfirmation eine Taschenuhr zum Geschenk. Fällt das Frühjahr ziemlich spät, wie es diesmal der Fall ist, so wirkt das Osterfest aber noch weiter auf da» wirtschaftliche Leben ein. Dann werden schon häufig FrühjcchrsaNschasfungen «getroffen, die sonst afff einen späteren Termin verlegt würden. Es steigert sich der Umsatz in Kleidern, Stoffen, Schuhen, Damen- und Herrenhüten, in Krawatten, Stöcken, Schirmen usw. Ein späte» Ostern wirkt auch schon auf den Umfang der Vergnügung»- und der Erholungsreisen ein; es werden dann schon viel« Reifen und Ausflüge unternommen, Vie Unterlässen werden, wenn Ostern auf «inen Termin fällt, bet dem noch mit Schnee uNd Eis gerechnet werden muß. So ziehen auch Post, Eisenbahnen, Straßenbahnen, Schiff- fahrtsgessUchaften und andere Berkehrsunternchmungen Vorteile au» dem Ostevgoschäft. Auch Mr Hotels und Gast wirtschaften ist das Osterfest von Bedeutung. Namentlich in den Ausflugsorten haben die Gastwirte an den Oster- tagen gute Einnahmen. Mr diese Gastwirte bedeuten die Ofterfeiertago den Anfang der Saison und meistenteils stellen fie erst von diesem Tag« an Hausdiener, Kellner, Köche und andere» Dienstpersonal in größerem Umfange ein. Gerade aber weil Ostern Mr das Geschäftsleben von immer größerer Wichtigkeit wird, und weil das verschieden artige Datum de» Osterfeste» unter diesen Verhältnissen zu allerlei Unzuträgltchkoittn führt, ist es sehr bedauerlich, daß die bisherigen Bemühungen, da» Osterfest auf .einen be stimmten Sonntag im April festzulagen, noch zu keinem Erjfollsg geführt haben. Rlagen über äen Reichstag. (Von unserem Berliner cS-Mitarbeiter). Nun hat auch die Norddeutsch» Allgemeine Zeitung zu den Prcherörterungon darüber, ob der Reichstag ge schloffen oder vertagt werden solle, Stellung ge nommen. Das offiziöse Matt geht davon aus, daß di« Verfassung die Schließung als Regel, die Vertagung als Ausnahme hinftellit. Im vorliegenden Falle werde der Reichskanzler wohl die Entscheidung des Kaisers erst her beiführen, wenn sich das Ergebnis der Reichstagsverhaitd- lungen genauer übersehen läßt. Es heißt dann schließlich: Darüber, was in diesem Jahre nach Ostern noch erledigt werden soll, wird sich hoffentlich eine Verständigung zwischen der Regierung und den Parteien erzielen lasten. Findet dann .noch der Appell an die SMstbeischränkung in den Debatten Gehör, so wird der Reichstag wicht ungebührlich lange auf den Beginn der Sommerpause zu warten brauchen. — Das klingt wesentlich friedlicher, als die Vorschläge, die von manchen Stellen der Regierung aus Vodrossonhett über Vie Reichstagsarbeit gemacht worden sind, und es ist erfreulich, daß die Regierung offenbar nicht geneigt ist, ohne Not Konflikte mtt dem Parlament her aufzubeschwören. Ueber «ine gewisse Unfruchtbar keit der Reichstagsarbett wird freilich mit Recht geklagt, und zwar sowohl von rechtsstehenden wie linksstehenden Politikern. Man ist sich darüber fast einig und streitet sich nur über die Ursachen. Wann der Reichstag dabei beharrt, nach Ostern nur bis zum 12. Mai zusammen zu bleiben, so stehen ihm nicht mehr als 12 Bematungstage zur Ver- fügung, in denen noch die zweit« und die dritte Etats- berat»ng beendet oder erledigt werden müssen. Und dann soll noch Zeit übrig bleiben Mr die verschiedenen Vor lagen. Di« Erledigung wird obendrein dadurch erschwert, daß Mm Teil die notwendige Einigung zwischen Regierung und Reichstagsmehrheit noch aussteht, wie z. B. bei dem Ertrag über die Konkurrenzklauseil, di« Sonntagsruhe, die Bekämpfung der Spionage, die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens, die Milderung de» Militärstvafvechts und die Befolduwgsveform. Alle Anzeichen sprechen also daMr, daß das Ergebnis des ganzen DqgungsaLschnittes recht mager ausfallen wird. In erster Linie wäre natürlich der langsame Gang der Etatsberatung dafür verantwortlich zu machen. Nach dem Abgeordneten Wassermann liegt das vor allem an den Stoffanhäufungen in allen Etats. Er verlangt deshalb, daß di« erste Etatslesung spätestens Mitte November statt finden solle. Außerdem will der nationalliberal« Führer die Länge und di« Zahl der Reden eingeschränkt wissen. Textierungen auf äer Bühne. Plauderst von Bruno Köhler. (Nachdruck »«rdoten.) In gleicher Weise wie «in teuflischer Druckfehler in einer ernsten Abhandlung ganz unvermittelt die Tragik zur Poste werden lasten kann, löst auf der Bühn« oft schon eine kleine fatale Wortverdrehung, «in unglückliches Ver sprechen d »selbe überraschende Wirkung aus. Man steht das Publikum plötzlich aus allen Himmeln fallen; ein Lach erfolg stellt sich ein, wo vom Dichter Ergriffenheit und Rührung erstrebt wurde. Umgekehrt verpufft dto er wartete komische Pointe und die bereits hochgespannte Laune des Publ bums sinkt im Handumdrehen auf den Ge frierpunkt herab. — So unwahrscheinlich es klingen mag, so sind doch auf der Bühne Fälle M verzeichnen, da- ein sinnentstellendes Versprochen die Wirkung, einer ganzen Szene, eines ganzen Aktes, ja, selbst eines abendfüllenden Werkes zu gefährden vermochte. Mus diesem Grunde wird das Sichversprechen — in erster Linie bei jungen Bühnen künstlern — zu einer Art Schreckgespenst, da» «och beson ders drohende Formen annimmt, wenn sich die Schauspieler — aus irgendwelchen Gründen — mit dem Charakter und dem Text ihrer Rollen aus «Mas gespanntem Fuße be finden. Sogar der Aberglaube, der bei dem Bühnenvölb- chen — wie eine noch kürzlich veranstaltete Rundfrage be stätigte — immer noch stark verbreitet ist, beschäftigte sich mit der Furcht vor dem Sichversprechen. Schon aus Ur großvaters Zeiten «weiß mm davon zu berichten. Dal mals wurden den Schauspielern abend» in der Garderobe zum Schminken je eine oder zwei Unschlittkerzen geliefert; aber keiner duldet«, daß an seinem Licht eii, ander« an gezündet wurde. Ein Steckenblriben, -um mindesten aber ein ärgerliches Versprühen sollt» die unausbleibliche Folge davon fein. Ss galt auch al« feststehend, daß, wenn bet einer Aufführung 'schon in der ersten Szene — -et der Oper schon in der Ouvertüre —- irgendein Versehen vor kam, der gange Abend unter dem Zeichen de» Unglück» verblieb. Gewandten und erfahrenen Schauspielern r— sogenannten Routiniers — glückt es ost, eine Text-Irrung derart zu kaschieren, daß Vas Publikum von dem Versprechen nichts merkt. Durch rusches Wseitergehen «mV «in beson ders starkes Hevvorhsben des folgenden Satze», lassen ste den Zuhörer erst gar nicht darüber zur Besinnung komme«, daß ihnen eins Entgleisung widerfuhr. Aus diesem Grunde gilt es in solchen Fällen als goldene Riegel, sich nicht ver blüffen zu lasten und um keinen Preis eine Wiederholung und Verbesserung des verunglückten Satzes vorzunehmen. Das Hebel würde dadurch nur doppelt groß werden. Man kennt am Theater wahre UnglücksstOso und lln- glückspattien bezüglich textlicher Versehe,:. Zu diesen zählen bekanntermaßen alle sogenannten Melderollen, na, mentltch solche, die in großen Dramen, Lei besonders erregten Vorgängen wichtige Mitteilungen zu bringen haben. Hier steht der unselige Okelly in Maria Stuart an erster Stelle. An kleinen Bühnen, in unzulänglicher Besetzung wird er zumeist recht störend in die Handlung «ingreifön. — Es ließe sich eine ganze Reihe derartiger gefürchteter Rollen autzählen, denen sich als besonders charcckterfftisches Bei- spiel der Offizier im letzten Akt de» Don Carlos zugesellt. Ein Anfänger brachte es in völliger Geistesverwirrung fertig, statt: Gang Madrid in Waffen! — Gang Madrid unter Master! zu setzen. Im gleichen Drama beförderte auch im Leipziger Stadttheater unter Dr. August Förster, ein« später lange Jahve in Berlin tätige schöne Darstellerin in holder Gedankenlosigkeit, als Page meldend den In- quisttor-Kardinal zum Inquisitor-Admiral! Welche nieder, schmetternde Wirkung schon eine unwillkürliche Wott-Ver- drehung hevvorbringen kann, bewies am Hoftheater in Neu- strelttz ein jugendlicher Held al» Etter Phöbus in dem ehemals sehr ost gespielten Mrch-Pfeiffer-Drama: Der Glöckner von Not« Dame. Er hatte im ersten Aufzug di« reizende Zigeunerin Esmeralda zu schützen und dabet aus- zuvusen; Der Erste, der sich mir naht, dem fährt mein Schwert durch die Kühle. Seine aber offenbar nicht ge nügend überwachte stammende Begeisterung verstteg sich zu der etwa» komplizierteren Androhung: Der Erstq, der sich mir naht, den schwärt mein Feld durch die Kehle? Ein biederer, nicht mehr sonderlich taktfester Päterspieler ließ al» Waffenschmied in Kleists Kätchen von Heilbronn sein Töchterchen nicht mit aufgehobenen Händen auf das Pflaster der Straße niedevstüpzen, sondern mit aufgehobenen Pflastern. Der gesetzte HeÄ> einer ersten Berliner Bühn» verstteg sich als Professor 'in dem ehemals !fo beliebten Auerbach-Birch-Pfeifferschon Schauspiel Dorf und Stadt zu dem Ausruf: Warum denn in die Cchwerne pfeifen?, während er doch nur nicht in die Ferne zu schweifen be absichtigte. Eine neckische Raid« ließ in einem Kohebueschen Rührstück auf di» Frage» wo der Lmkek geblieben fei, diesen — infolge eines grausamen Versprechens im Nebenzimmer feine Seife rauchen! statt feine Pfeife. Des wetteren brachte es ein bekannter Bonvivant fettig, in einem Rosdnschen Lustspiel auf dem Etipsel zu gehen! statt auf dem Gipses zu stehen. Und einer komischem Alttn — der Darstellerin der Frau Seekatz im Dutzkowschsn Köntgsleutmrnt gelang sogar «ine fast gemeingefährliche Wortumstellung. Sie hatte im dritten Akte zu sagen: Meines Männe» Stil ist tugend haft I Sie beteuerte statt dessen ober mtt Emphase: Meines Mannes Stuhl ist tigerhast! Welche Sinnwidrigkeit schon ein einzige, falsches Wört chen in einer Rede herbeizuMhren vermag, bchoies die Dar stellerin der blinden Escher in Uriel Acosta von Gutzkow. Der Dichter läßt sie ihres 'Sohnes Bedenken wegen einer drohenden Ueberstedlung durch folgende Wort« zerstreuen: Mas tut mir das? Ich denke im Hdog, ich bin in Amster dam! Habe ich doch hier so ost mich an den Togo wieder heimgeträumt. Sie sagte aber in der Vorstellung: Ich denke doch Üm Haag, und bin in Amsterdam! Diese Mutter mußte also jedenfalls noch über Linen zweiten, so genannten Astralleib verMgon. Anscheinend Hatte st« aber nur beim Sprechen — geträumt. Gin geradezu verblüffen de, versprechen ereignete sich «inst auf dem «urgtheater in Wien. Man gab Heinrich Laube» Schauspiel Graf Gsstr. Mn« blutige Anfängerin rvie « im Dheaterfan-M heißt, «in junge», schön«» Mädchen, das sich nachmalig zu «wer berühmten Künstlerin auswuch», gästi«vta auf Engagement