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Sonnabenä» 4. April i9i4. 9. Jahrgang. Nr. rs. /luer Tageblatt KM Mnzeiser für öas Erzgebirge WZD^ZM mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Auer Sonntagsblatt. LKWM Apmchstmtt« Se» «e-attl»» mU Mnenahm, S»r Semitag» nachmittag» S-» Uh». — r»l,gramm-fl»r,ss», Lag,bla« ftu—rzgeblrg». -»mlhrech»» -S. Wm»o.st,umi,,a äiM». Iü» uavnlangt «lng»fanbt» Manuskript« kann S««äh» nicht g»i»tst,t w«rb«n. m^stA"etch»»«Mqn« Diese Nummer umfaßt 14 Setten. Auße dem liegt da» achtteilig« illustriert« Sonntag»blatt bst. Das Wichtigste vom Tage. Tas Präsidium des Hansabunde» hat beschlos« fen, am 10. Mai in Dortmund ein« Mittel« standstagung abzustalten. Das bayerische Zentrum wird in der Abgeordne tenkammer eine Interpellation über den Kai« serbries an die Landgräsin von Hassen einbringen. * Der schweizerische Bundes rat hat zwei deut sche Retchsangehörige aus der Schweiz aus- gewtesen, weil sie in Verdacht standen, Spio nage gegen einen Nachbarstaat betrieben zu haben.*) * Die russische NetchSduma nahm in geheimer Satz ung acht als dringlich anerkannte Gesetzes vorlagen des KrtegSmintstertumS ohne Debattean. » Vie englische Marineverwaltung bestellte 30 Flugzeuge bet deutschen Slugzeugfabriken. Der neue italienische Ministerpräsident Sa« londra hielt in der Deputtertenkammer seine An trittsrede. Nüh«r« st«hi an audirer Reformen in äen ersten Nammern? bo? Die verschiedenen Wahlordnungen des Reichstages und der einzelstaatlichen Parlamente halben fett langem Bestrebungen zu ihrer Ausgleichung hervorgeruifen. Insbe sondere handelt? es sich um Versuche, das Wahlrecht für die Meile, Kammern dem für den Reichstag geltenden anzu paffen oder anzunähern. In Süddeutschland ist das im vorigrn Jahrzehnt meist erfolgreich durchgchllhtt worden. Bayern, Württemberg und Baden haben ihr Wählers' fahren demokratisiert — dah die Sozialdemokratie nicht voll befriedigt ist, war selbstverständlich. Natürlich könnte die Verähnlichung der Systeme auch in der Weise geschehen, dah umgekehrt das Reichstags-Wahlrecht dem irgend eines Landtags angepaßt .würde; doch haben sich derartige tat sächlich vielfach gehegte Miesche bis jetzt noch niemals zu förmlichen Anträgen mit festumgrenzten Zielen verdichtet. Ehe nun aber jene Entwicklung «^geschlossen sist — in Preußen steckt die Reformibewegung sogar noch ganz in ihren Anfängen — ist man in -manchen Landtagen auch schon -um Angriff« auf di« Verfassung des Herrenhauses vorgeschritten. Die vor einem Halbjahrhunderte mit großer Leidenschaft umstrittene Frage, ob solche ständisch zu- fammengesttzten Ersten Kammern, ob ihre Einrichtung überhaupt daseinsberechtigt sei, ist gegenwärtig völlig in den Hintergrund getreten, wenigstens bei den bürgerlichen Parteien. Di« NeforMftoüNsche beschränken stch auf zwei Richtungen, einesteils wird eine gleichmäßige Berück sichtigung der Industrie und der anderen .Eywerbsstände mit der Landwirtschaft für Lillig erachtet, und dann will man ein« Erwählung durch die einzelnen ständischen Gruppen statt der willkürlichen Ernennung durch den König nur der Form nach soll diese Ernennung bestehen bleiLrn. Württemberg und Baden haben mit solchen Re formen einen Anfang gemacht, ebenso Hessen. Bei Gelegen heit der Schaffung einer Verfassung für Elsaß^Lothringen ist auch die Erst« Kammer von vornherein auf eine Wähler schaft von breiter Grundlage gestellt. Nun treten auch in Bayern und Sachsen entsprechende Forderungen hervor. In München ist soeben ein solcher Antrag zur Erörterung gelangt. Aber ergebnisloser könnt» er wohl kaum oer. lausen. Es stellte stch nämlich heraus, daß grundsätzliche Gegnerschaft aus keiner Seite vorhanden war, und doch wurde der Antrag abgeleihnt und alles Mrd zunächst beim Alten bleiben. Die Regierung hat ihre grundsätzliche Geneigt heit bet einer früheren Gelegenheit bereits bekundet, schwieg aber jetzt mit der merkwürdigen Begründung: Neues wisse sie noch nicht zu sagen. Und das Zentrum erklärte, es werde erst daun Stellung nehmen, wenn ein formeller Regierungsantrag oorlägel Die Sozialdemo kratie stimmte natürlich gegen den Antrag, weil sie die Erste.Kammer überhaupt abschaffen wollen. In Sachsen stehen dir Dinge ziemlich auf dem nämlichen Mecke. Dort har sogar da» Ministerium Graf Hohenthal vor acht Jahren bereit» einmal einen gesetzgeberischen Anlauf zu einer solchen Reform gemacht; der aber scheiterte, weil er die Standesherren der Ersten Kammer selbst ein Aeygernis dünkt« und di« Liberalen der Zweiten al» ein zu geringes Angebot sine Torheit. In Preußen hat man die Frage noch nicht einmal angeschnitten; und doch stehen gerade in Preußen solche Reformbestrebungen aus dem festen Rechts- Loden, dem Wortlaute der VerfassunysurHunde vom S1. Januar 1850. Es bedurfte erst einer Beseitigung der Der- faffungsartikel, um im Jahre 1884 in seiner heut gen Zu sammensetzung das Herrenhaus zu bilden. DeutschlanäunääerenglischeStreik (Don unserem Berliner - Mitarbeiter.) Jenseits des Kanals will es nicht Mr Ruhe kommen. Die pM schon Schwierigkeiten, welche di« Ulster- angelegenheit heraufb.schworen hat, sind es nicht mehr allein, welche dort die Gemüter bewegen. Er droht viel mehr noch eine schwere wirtschaftliche Gefahr, der Ausbruch nationalen Streik» in verschiedenen Gewerbs-weigen» was bei der Verknüpfung des gewerkschaftlichen und Politischen Lebens m England von unabsehbaren Erfolgen begleitet sein kann. Die Gärung in der Bergarbeitechhalft, welche neuerdings immer nachdrücklicher mit ihren Lohnfor derungen auftritt und im Gebiete der StetnLchlenminen von Porkshtre eine umfassende Streikbewegung hat er stehen lassen, greift immer weiter um stch Bis jetzt sollen ISO- bis 200 000 Arbeiter feiern. Neuerdings beginnen auch die EleLttizitätswrbeitov, ein Umstand, welcher der Re gierung ebenfalls große Sorge macht. Die Bauarbeiter in Londor drohen mit einmütiger Niederlegung der Arbeit, nachdem schon jetzt ein beträchtlicher Teil der Arbeiterschaft streikt, und auch in den Reihen der E smbahnarbeiter der ! Great Eastern-Eisenbahn macht stch eine bedenkliche Ver stimmung bemerkbar, welche bei der vorzüglichen gewerk schaftlichen Organisation der englischen E senbahnarbeiter gleichfalls zu einem Streik von großer Ausdehnung führen kann. Für uns Deutsche ist der Streik, von dem jetzt Groß britannien bedroht ist, aus verschiedenen Gründen von außerordentlicher Bedeutung. Durch das Steigen der eng lischen Kohlenpreis«, die jetzt schon infolge des Streiks eine ungewöhnliche Höhe er'eicht haben, lohnt sich die Einfuhr englischer Kohle, die an den bedeutenden Haifenplätzsn Deutschlands und in Berlin Mr stark verbraucht wird, nicht mehr. Die deutschen Städte, insbesondere -. B. Berlin, Stettin, Kiel werden während des Streiks immer mehr deutsche Kohle in Anspruch nehmen können, was nicht Mr für die Rheinisch-Westfälische Kohlsnindustrie^ sondern auch für die in Norddeutschland noch immer recht stiefmütterlich behandelte oberschlsstschs Kohlenindustrio von großem Nutzen ist. Aber nicht Mr durch die Steigerung de» In landsbedarfs an deutscher Kohle wird diesem, für uns so wichtigen Industriezweig sehr gedient, auch dem Expott er öffnen stch mindesten» vorübergehend neue Möglichkeiten. Sollte ln England durch plötzlichen Streik der Kahlenar beiter und der Eisenbahnangestellten die Lage stch sehr ver- Mimmern, so dürfte die deutsche Kohle, ähnlich wie letzter Zeit die deutsche Stahl- und Eisenindustrie, ihre Konkur« rönzkrast auch auf den Auslandmärkten stärker zur Geltung bringen. Nicht unbekannt ist es, daß sogar Londoner Gas gesellschaften kürzlich große Lieferungsaufträge für Kohle nach Deutschland gegeben haben. Das hat drüben große» Aufsehen erregt und beweist, dah wir aus diesem Gebiete England durchaus ebenbürtig find. Das denkbar Verfehlteste wäre es, wollte etwa di« deutsche Arbeiterschaft aus dieser Verwicklung Kapital schlagen. So begreiflich es ist, wenn die Lohnforderungen in einem Augenblick geltend gemacht werden, wenn und wo sie die Pläne der deutschen Arbeiter nicht durchkreuzet, kann, so darf doch im gegenwärtigen Augenblick eins nicht vergessen werden. Sollt« der Streik drüben in dem be fürchteten Umfange losbrechen, so 'läßt stch das Feld des Konkurrenzkampfes zwischen deutscher und englischer Kohle Zrühlingsgesühle. Erzählung von Ernst Georgy. (Nachdruck »«rdolrn.) Die Leiden Pferde trabten nebeneinander durch den noch blätterlosen Park, durch den das allererste Lenzrsahnen ging. In angemessener Entfernung folgte der Stallmeister. Er wunderte sich, daß die verwöhnte Millionärin die be haglich durchwärmt« Bahn verlassen hatte, um mit diesem Eelegenhettsreitet in muh- Morgenluft hinauszuräiten. Ob sie ihn gern mochte? Ob er versuchte, da» hübsche Goldfischlein «inzufangen? E» sah ganz danach au» von hinten wenigsten»! Ich würde keine Konzessionen machen. Meine Frau hätte stch nach Mir zu richten, und da ich nicht auf ein« groß» Mitgift seh«, sondern Mr auf mir zusagenden Charakter und Aeutzeres, bann ich ein Ein gehen auf meine Wünsche wohl verlangen! erklärte der Reiter. Wenn Ihre Zukünftige aber keine solche Natur schwärmerin ist, kann sie doch nicht heucheln, meinte di« Reiterin gere,1. Dann paßt ste eben nicht zu mir und soll mich nicht Heu raten, entgegnete er kühl, ich rette nicht in geschlossenem Raum, und ich bttibe in den Feiertagen nicht in der Stadt. Ich mutz in meinen Mußestunden Wald und Wasser und Bäume haben, um mich von den Anstreng ungen de» Geschäfte» und der schlechten Luft zu erholen! Und ich brauche Theater und Geselligkeit, um Feiertags stimmung zu haben, behauptete ste trotzig 'und warf dm Kopf in den Nacken. Mit kühler Verabschiedung hatten stch Fräulein Ritt Langen und Herr Werner Sim» später getrennt. Sie. fuhr in ihrem Auto in die Billa der Gütern zurück. Gr benutzte die Straßenbahn, um in sein« chemische Fabrik zu gelangen. Sie erwog innerlich datz er War b.idhübsch und sehr unterhaltend, aber ein unamftth- ltcher Tyrann sei. Und «sr faßte seine« Wchttaen Er- «Sgungm in da» kurze Fazit: veywiHntt Großstadt« pflanze trotz allem zusammen. — Die geschäftlichen Kal kulationen und die UmsMftung mit Aufträgen, für deren prompte Erledigung er haftbar war, beschäftigten ihn zur Genüge Osterfest stand vor der Tür, und es hieß mit Vollkraft arbeiten, wenn er die Tage von Gründonnerstag abend bi« Osterdienstag früh für seine alljährliche Früh- lingsfrchrt erübrigen wollt«. In der Karwoche schlug das lenzoerheißende Wetter plötzlich um. Schwere böige Winde brachten Regenfftvöme oder Graupelschauer in schöner Abwechslung. Der Himmel war bedeckt, di« Straßen naß und schmutzig. Sims war au» den Fabriksräumen in sein Bureau gegangen, setzte stch an den Schreibtisch und konferierte mit seinem' Chemiker. Plötzlich — rrr — klingelte da» Telephon. Mährend er Mit der Rechten Notizen machte, hob er mit der Linken da» Höhr- und Sprachrohr an» Ohr. Laboratorium Sims u. Go., wer dort? Eine weiblich« Stimme antwortete, nach dem er sein« persönliche Anwesenheit bestätigt und nach dem Namen gefragt, schnippisch: Nomina sunt oälosa! Pardon; aber -um RätfeWsen und ähnlichen Unsinn fehlt mir di« Zeit, entgegnete er ungeduldig und hängte ab. Die geschäftliche Unterredung nahm ihren Fortgangs als di« scharfe Glocke wieder erklang. Lahovatottum Sinai u. Go. — ja. — Selbst am Apparat. Wie? Was? — Da» ist mein» Sach«! — Vedaur«; aber interessiert mich gar nicht. Ich such« Ruhe, Schluß! Herr Sim» hängte zornig ab. Heillos« Frechheit sagte er zu seinem Geschäft», führer, wieder diese weibliche Unbekannte. Eine solche Auf dringlichkeit! — was will sie denn, Herr Sim«? — Aben teuer suchen. Anknüpfungen finden oder sonst was. Em pfiehlt mir dringend, ich solle die Feiertage im S« erschloß am Silbers« verleben, wo metine Natmschmärmerei auf ihr-Kosten käme. — Ich danke! Ach will mich erholen. Die Einwände, dH bet diesem Matschwetter gerade dieser Muv- flugsort durch die unmittelbare Nähe einer Uttnsn SW' deng mit Theater und Kino seist« Vorzüge habe, und datz ein kleine» Lstmäbestdteuer mit Mitt an den langen Abendm nicht zu verachten wären, fanden keift Gehör. Sie gingen «Ser dem Naturfreund doch durch den «Kopf. Um «l» «r h»t strömende» Guss» und pfttftndem Winde im wetterfesten Ulster auf dem Bahnhofe landete, trat er un. gewiß vor den B.llettschalter, der heute nicht umlagert war wie sonst. Würden Sie mir irgendein Stvandnest oder den Silbersee mehr empfehlen? fragte er den Beamten un entschlossen, und als dieser üiberzeut für den See, der Stadt nähe wegen, «irrtrat, löste er die Fahrkarte nach dort. Im Kupee ärgerte er sich über stch selbst. Er rauchte ungehalten und erwog, datz ein Mter von dreißig Jahre und ermüdet« Nerven nicht vor Torheiten schützten. AH seine Depesche hin erwartete ihn am Bahnhofe ein Hotelomnibus, und unterwegs erzählte ihm der Hausknecht naiv, daß ein Teil der Gäste nicht «ingetroffen, ein Teil schon wieder vlbge- reist ser, und der Rest im Hause Hemmsitz«, sich langweil«, huste, niese und Glühwein trinke. Aber abends bei Acht, wenn die Herrschaften erst beim Skat säßen, wäre es trotz- dem sehr gemütlich. Trotzdem! Na, ich danke! Sim» lacht» ärgerlich, hielt da» Wetter für eine persönliche Beleidigung und nahm e» dem lieben Gott übel. Aber es goß wett«, und sein geliebter Wald, der Lleigvaue, windgepeitschte Se«, an dessen kalten Usern er stundenlang promenierte, miß fielen ihm heute. Die Zeitungen und Zeitschriften waren auf den Zimmern. Die geschlossenen Kreisq, di« Karten spielten und musizierten, kümmerten stch nicht um ihn, son dern erwiderten ablehnend seinen höflichen Gruß. Er ent nahm aus ihren Gesprächen nur, daß die Frau Kommerzien rat doch an Influenza festläge und von ihrer Tochter und Jungfer gepflegt würde. Wer da» hübsch« Mädchen hätte auch bereits fiebrige Augen und heiße Hände. Sicher wäre auch ste schon angesteckt! -Werner Sim» überlegte in seiner Langweile, ob diese Angesteckt« die Tochter oder Vie Zof fet nnd ging nach einem tüchtigen steifen Grog in» Bett. Enttäuscht streckte er stch in den etwa» klammen Feder kissen ustd Decken. Wo blieb da* Abenteuer? Hatte die Unbekannte stch am Fernsprecher durch seine rauhe AnWort abschrecken lassen? Begreiflich wäre es. Am Ostersonnabend tobt« ein wahrer Höllengrau» in der Natur. Sim» kämpft« sich durch Stumm und Regen ta Gummimantel uud -schütz« durch dm achgttveichtm