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trauen scher in Neuwalde, Steinigtwolmsdorf und Wiefa and ver kehrte wie der rechtschaffenste Bürger mit den Leuten aller Ständer er begab sich, bald allein, bald mit Spießgesellen, auf Märkte und Schießen, in Wirtshäuser und auf Lanzsäle. Jeder kannte ihn, feder wußte, was er neben seinem bürger- üchen Gewerbe trieb, doch solange man sich vor ihm sicher wußte, schwieg man gern. Die Einbruch« in die Häuser der Fabrikanten, reichen Müller und Geizhälse berührten die Leute nicht. Sie lachten wohl, wenn sie erfuhren, daß der Lande Hunderte von Dukaten und Tatern, große Mengen von Mehl, Zucker, Fleisch, Wurst, gebackenem Obst, Web waren in di« Hände gefallen waren. Sie glaubten wohl auch, daß er Krieg führe gegen, den ungerechten Reichtum. Und wo nicht die Sympathie sie schweigen hieß, da die Alrcht. Erfuhr die Bande den Angeber, so übte sie gewiß schlimme Rache. Erst als Karraseck keine Ordnung mehr halten konnte, al» Mitglieder seiner Bande sich Roheitsakte zuschulden kommen ließen, als Ueberfallene verletzt oder gar getötet wurden, verabscheute man ihn und seine Gesellen. Nun vergaß mau wohl, daß man mit den Paschern sym pathisiert hatte, die sich in Räuber und Mörder wandelten l Nun unterstützt« man auch die Behörden, die bisher vergeb lich auf di« Verbrecher gefahndet hatten. Dennoch verhielt man sich neuen Paschern gegenüber wieder duldsam, bis sie ebenfalls auf die Bahn der schlimmsten Verbrechen gerieten und ihre Existenz aus Raub und Mord stellten. So konnte eine Bande die andere ablösen und das Pascher- und Räuberunwesen blühenl Schließlich durste man in Srenzorten keinem Menschen mehr völliges Ver trauen schenken. „Das Dorf I. hat sechzehn Einwohner und siebzehn Spitzbuben, und der Bürgermeister maust sür zwei!" Ein bHses Wort, das noch 1866 von einem Orte in der Nähe Zittaus gesagt wurde! Es charakterisiert die Zustände, die noch kurz vorher geherrscht hatten. Noch in anderer Weise war die Bevölkerung mit schuldig: sie ließ es an den nötigen Sicherheitsmatzregeln fehlen. Heute erscheint uns die damalige Sorglosigkeit ge radezu unglaublich. Ich erinnere an einen Brauch, der in unseren Lausitzer Dörfern noch vor dem letzten Kriege üblich war: an das Schlüffetlegen Ging jemand abends aus, so nahm er nicht den Schlüssel mit, sondern die Da heimgebliebenen legten ihn unter das draußen an der Wand oder auf der Bank lehnende Aufwaschfaß oder in das Wasserauslaufloch des Flurs oder auf das innere Brett des .Hausfensters" (Flurfensters), das man in diesem Falle na türlich nickst versiegelte. Diese „Fleckel" für den Hausschlüssel kannte jedermann, und wer einbrechen wollte, konnte sich ohne weiteres des Schlüssels bedienen. Oft genug kam es vor, daß man vergaß, die Türen zu verschließen. Ich ent sinne mich, daß wir früh, wenn wir aus der Schlaskammer herunterkamen, mehrfach sowohl die Haustür wie auch die Ladentür unverschlossen fanden. Früher hatten aber manche Haustüren gar keine SOösser. Man schob einen HAzernen Riegel vor. Der schützte das Haus, wenn nicht die Tür Spalten aufwies, durch die man dm lockeren Riegel zurückbewegen konnte Wer damals in ein Haus eindrang, fand stets auch bares Geld. Man bewahrte es ja im Hause auf, überall am gleichen Orte: in der Kleiderlade. Zuunterst lag der Strumpf oder der Geldbeutel mit Silber und Gold, auch das Spar kassenbuch, in.Tücher eingewickelt. Zu Anfang des Jahr hunderts gab es nur wemge Banken, und die wurden von den meisten Leuten nicht benutzt, well es zu unbequem war. Höchstens wenn man M Markte fuhr oder aus besonderen Gründen in die Stadt mußte, nahm man das Geld mit. Das Wissen um diese Bargeldanhäufung in der Lade reizte die Spitzbuben: Gelegenheit macht Diebe. Die Einbrüche lohnten sich also fast immer. In der Engelsmühle bei Schönborn erbeutete die Palmesche Bande „alles in allem in barer Münze über 2300 Gulden." Bei der letzten und zum Verderben führenden Raubtat der Karvaseckschen Bande bei dem Rittergutsbesitzer Glathe in Oberleutersdorf fiel den Einbrechern noch mehr Geld in die Hände. Lassen wir uns diese letzte herrliche Tat von E. Röntsch „nach historischen Quellen und mündlichen Ueber- lieferungen" erzählen: „Der oorausgegangene Keller wartete bereits am Hof eingange auf die Ankunft der Bande. In aller Stills folg te die mit dicken wollenen Strümpfen an den Füßen be kleidete Schar dem vorausgehenden Führer über -en Ho,. Nachdem man die nur gevmgen Widerstand leistende Tür des sogenannten Herrenhauses fast geräuschlos geöffnet hatte, glng's lautlos bis nach dem vom Nachtwächter be zeichneten Gelaß, in welchem Glathe die Truhen und Kästen mit dem Geld« aufbewahrt hatte. Gleichzeitig wandte sich der Hauptmann mit einigen anderen dem Echlasgemach des Hausherrn zu, dessen Tür unverschlossen gesunden wurde. Der Schein der Blendlaterne ermunterte den Mann, und ehe er sich noch völlig seiner Lage bewußt wurde, war er auch schon an Händen und Füßen gefesselt und ihm ein Tuch vor den Mund gebunden, außerdem noch einige Betten über ihn geworfen. Mn Gleiches geschah mit seiner Tochter. Bevor der Hauptmann sich selbst zu den mit Lusleeren der Truhen beschästigten Räubern begab, überzeugte er sich nochmals, ob bei oen Gefesselten alles in Ordnung und keine Gefahr des Ersticken» vorhmüen sei. Dann erst schloß er sich semen gewandt und geschickt die Geldkästen «ms- räumenden Leuten an. Alles bare Geld, mehrere tausend Taler in Silber und Gold, wurde in mitgebvachte lederne und leinene Beut« - gepackt, welche jedoch die reiche Leute nicht zu fassen ver mochten, daher der Rest noch in zwei leinene Tücher ge schüttet und darin eingebunden zum Transport Hergerichtei weiden mußt«. Obschon irgendein« Störung der Räuber in ihrer Arbeit oen günstigen Umständen zufolge durchaus nicht zu befürch ten stand, geschah doch da« Einpacken der Leute mit so un gewöhnlicher Haft, als wenn sozusagen mit den Minuten gegeizt werden müßte Die ungeahnt großen Summen, deren Betrag dar Drei-und Vierfache überftteg, war man oorzufinden schosst hatte, machte die sonst keineswegs ge nügsamen Räuber gleichgültig gegen dar edle Gut; denn beim Rachschauen in dem bereit» entleerten Kasten fand sich in einer Ecke noch ein Kistchen, gefüllt mit funkelnden Du katen, das sogar von dem an dieser Tnche tätig gewesenen allen Erzgauner Sreibich übersehen worden war und vom Hauptmann hervorgehott, noch einem bereits gefüllten und verschnüren Lederbeutel hinzugefügt wurde." Es kam vor, auch in dem erzässtten Falle, daß die Gell>- beutel noch im Hause oder dann während des Transports auf dem Wege platzten. „Das Geld liegt auf der Straße!" Auch dies ist schon dagewesen. Begünstigt wurde das Treiben der Räuberbanden end lich sogar durch die Zustände bei den Justizbehörden. Bor der Dorfjustiz brauchte man nicht allzu große Angst zu haben. Ein aller, erfahrener Genosse des Hauptmann Palme belehrt den Anfänger Aarraseck: ,Iu mußt nicht gar so ängstlich sein, es ist mancher unter der Gesellschaft, der es nicht mehr nötig hatte, in der Nacht auf Arbeit zu gehen, aber es ist be quemer als die Arbeit am Tage, und hier im böhmischen Dörfel, wo eigentlich gar keine Obrigkeit etwas zu sagen hat, läßt sich ein solches Gewerbe am allerbesten ausführen . . ." „Aber es ist doch immer Gefahr dabei, es kann einmal schief gehen, und dann ist die Herrlichkeit für immer vorbei, wandte Karraseck ein. ,L nu ja, vorkommen kann es schon, aber bei ein wenig Vorsicht und etwas Courage steht nicht gleich der Galgen Hinterm Hause, und wenn jeder Spitzbube in der Welt gefangen würde, wäre bald nicht mehr Platz für alle im Strafhause." Diese Ruhe begreift man, wenn man von der Ruhe auf feiten des Ortsrichters erfährt. Als ein Beiersdorfer Faktor den Verkäufer der bei ihm gestohlenen Waren — es war Karraseck — festgestellt hat und vom Rich ter verlangt, daß er den Hausierer verfolge, erklärt der Rich ter, daß der Verdacht ihm nicht genüge, es sei auch nicht seines Amtes, mit Unbekannten auf die Spitzbubensuche zu gehen. Nachher, als der Hausierer längst über alle Berge ist, gesteht der Richter noch: „Im Grunde ist mir's auch lieb, daß es so gekommen ist; unsereins hat mit solchen Geschichten auch nur Lauferei und Schererei." Hatte der Richter, oder eitz. Gr- richtsältester als Hehler mitgetan, so wurde selbstverständlich alles unterlassen, was zur Feststellung und Festnahme der Spitzbuben führen konnte. Hatte ein Ortsrichter doch einen Verdächtigen festge nommen, so war es doch noch fraglich, ob er ihn auch an das zuständige Amt abliefern konnte: am Morgen hatte der Arre stant das Weite gesucht. Das Gewahrsam war nicht sicher. Bei schadhaften Wänden machte es keine Schwierigkeit, sich zu befreien. Oder Genossen konnten dem Arrestierten