57) II. Die Dolinen. 273 Dieselben Erscheinungen sind auch an den Dolinen und geologi schen Orgeln der nördlichen Kalkgebiete beobachtet. Alle Angaben von Lyell über die brunnen- und trichterförmigen geologischen Orgeln von Norwich stimmen mit diesen in Krain und Istrien gemachten voll ständig überein (S. 42). Jene Zersetzungszone wurde unten und auf den Gehängen der Dolinen constatiert. Die Kreide selbst ist von den geo logischen Orgeln an auf eine Strecke von mehreren Decimeter oft bis anderthalb Meter weich, feucht und von etwas feinem Sande und Thon gefärbt. — Aus den Mittheilungen van den Broecks, der reiche Erfahrungen über Dolinen und geologische Orgeln der nördlichen Kalk gebiete besitzt, entnehmen wir, dass ihre Ausfüllungsproducte weder Kalk noch durch solchen imprägnierte Fossilien enthalten. In der Nähe der selben ist das Gestein »tendre, friable et poreuse; les parois et lefond des puits sont visiblement corrodes, et apparaissent souvent comme desagreges et decomposes.« x ) Die verschiedenen Dolinenformen sind wahrscheinlich durch das verschiedene Umsichgreifen der Zersetzung bedingt. Die kreisrunden Dolinenformen entstehen in jenem Falle, wenn die Zersetzung längs einer oder mehrerer dicht nebeneinander liegenden Absorptionsspalten vor sich geht. Die Auflösung des Kalksteines schreitet dann vom Cen trum zur Peripherie: in der Nähe der Angriffspunkte tritt die größte Volumverminderung ein. Die ovalen Dolinen entstehen dadurch, dass die Auflösung des Kalksteines längs einer Spalte oder von zwei in gewissem Abstande neben einanderliegenden Fugen um sich greift. In der Schreibkreide und in thonigen Kalksteinen findet keine so starke Auflösung statt, wie in reinen Kalksteinen. Die geologischen Orgeln, welche dort an Stelle der Dolinen auftreten, sind kleinere Ge bilde. Bei der Zersetzung der Kreide bleiben unlösbare Lehme und Feuersteine zurück, wodurch die geologischen Orgeln ausgefüllt werden, und weitere Auflösung erschwert wird. Begreiflicherweise ist dieselbe noch mehr durch das fremde hangende Material vermindert. — In den spröden, reinen Kalksteinen finden sich zahlreiche Angriffspunkte, näm lich verschiedenartige Fugen und Klüfte, es findet längs derselben eine starke verticale Erosion oder eine intensive Auflösung des Kalksteines statt und bleiben dabei unbedeutende Lösungsrückstände, durch welche die Erweiterung und Vertiefung der entstandenen Doline nicht wesent lich beschränkt wird. In solchen Kalksteinen werden oft die Absorptions spalten und schmale Köhren zu Ponoren erweitert, durch welche die Zersetzungsproducte ihren Weg in die Tiefe finden, eine Erscheinung, welche in den geologischen Orgeln nicht beobachtet wurde. Von der »Beschaffenheit des Kalksteines ist also die Häufigkeit und die Aus bildung der Dolinen im größten Maße abhängig. Wahrscheinlich bieten hiezu stark dislocierte Gebiete zahlreichere Angriffspunkte für vertikale Erosion, große Diaklasen oder Brüche ermöglichen die Bildung von verschiedenartigen langen Dolinen. Die Dolinen treten in größter Häufigkeit vorzüglich auf ebenen oder wenig geneigten Flächen der Karstgelände auf. Steile Böschungen, welche sich der Karrenentwickelung so günstig erweisen, sind selten von Dolinen besetzt. Dieselben sind in ihrer typischen Ausbildung und größter Zahl auf Plateaus beschränkt, wo das atmosphärische Wasser nicht abfließen kann, sondern in die Fugen des Kalksteines versickern muss, wodurch die vertikale Erosion begünstigt wird. Auf steilen *) Van den Broeck, »Les phenomenes d’alterations p. 129.«