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Druck und Verlag von Frtedrich May, G. m. b. H< verantwortlich für die Schriftleitung Max Fl «derer- sämtlich in Bischofswerda. i vors Gesicht. „Rede! Eins — zwei —" „Gegen Freiheit!" rief der erste wieder schnell. Da wandte sich Losbern mit so wilder Gebärde zu ihm, daß er wußte, jetzt hatte er keinen Augenblick mehr zu ver lieren, und rief: „Er ist ja da!" „Wo ist er? Wo? Willst du herausrücken?" fuhr ihn der Bootsmann an, da Losbem, vor Freude oder im Zweifel, weglief. Er hob die Speiche, und sein Gesicht verzerrte sich. ,Lu, kennst du mich? Ich bin von der ,Srrow", und von mir erwarte nichts Angenehmes! Ich schlage den Haien Bisten aus dir, wenn du nicht sofort angibst —" „In der Gig!" „Er liegt ja im Boot!" riefen beide zu- g^Losbern hatte die Leute wieder ins Zwischendeck geschickt und wollte eben noch einmal in die Kajüte gehen, als der Bootsmann ihm die Auskunft weitergab. Nun liefen sie nach beiden Seiten des Achterschiffs. Aber sie sahen kein Boot. Daß sie das Fehlen der Boote nicht sogleich bemerkt hatten! Sie liefen nach vorn. „Verfluchte Halunken! Jetzt sollt ihr büßen!" drohte der Bootsmann und kehrte um, da er auch hier weder Jolle, .noch Schaluppe entdecken konnte. Da vernahm er aber Losberns heisere Stimme: .Hier! Hier! Großer Gott!" Er eilte hinüber. Losbern warf aus der Gig, die am Heck hing, Segel leinenstücke und Putzlappen und beugte sich über eine Gestalt, die er mit beiden Armen zu heben versuchte. Die Aufregung und Anstrengung der letzten Viertelstunde und der neue Schreck hatten ihn aber seiner Kräfte beraubt, so daß es ihm erst mit Hilfe des Bootsmannes gelang, die schwere, mit Tauen gebundene Mannesgestalt aus der Gig zu heben. Sie zerschnitten die Taue. ,Hnkel Urban! Onkel Urban!" rief Losbern den armen Menschen an, der aber die Worte wohl nicht aufnahm und' auch, als ihm die Putzlappen aus dem Munde genommen waren, nicht zu sprechen vermochte. Peter faßte die Hände des Unglücklichen. „Onkel Urban! Was ist dir geschehen? — Heda, bringt Wasser!" rief er den Matrosen zu, die aus dem Zwischendeck kamen und melden wollten, daß sie niemanden gefunden hatten. „Und Kognak!" rief der Bootsmann nach. Der Kapitän trug am Halse, im Gesicht und an dett Händen die Spuren eines Kampfes ums Leben: Blutflecke und Beulen. Die Taue hatten tief eingeschnitten. Das Ge sicht war seltsam aufgedunsen, die Augen rot unterlaufen. Er schluckte und wollte reden, aber er war zu schwach. Als sie ihm ein paar Schluck Wasser eingeflößt hatten — in der Kombüse war Wasser, in der Kajüte Kognak gefunden wor den — erholte er sich soweit, daß er flüstern konnte: „Dankt — Seid bedankt!" Nun wollte er sich aber nicht wieder nie derlegen, sondern in die Kajüte geführt werden. Zwei Matrosen richteten ihn ganz auf, während der Bootsmann in die Kajüte lief, um das Lager zurechtzu machen. Als der bärtige Mann jetzt stand, strich er sich mit der Hand über die Stirn, als ob ihn eine Schwäche befalle oder als ob er sich besinnen wollte. „Ja, sagtet Ihr nicht Ich weiß nicht, ich verstand nicht " Peter Losbem erfaßte wieder seine Hände und drückte sie und sagte mit froher Rührung: „Ihr lebt, Onkel Urban! Ihr lebt! Und ich habe Euch endlich gefunden! Seit ich wußte, daß Ihr zu Schiffe fahrt, suche ich Euch, und endlich, endlich hat mich ein gütiges Geschick Euch finden lassen!" „Wie denn? — Verzeiht, meine Herren! —" Er sah die Matrosen an und verwunderte sich. ,Zhr seid Fremde auf der „Ulo"! Wer hat Euch denn gerufen? Wie seid Ikr denn hergekommen?" fragte er langsam und mit schwacher Stimme. „Nein, ich bin kein Fremder!" sagte Peter. „Onkel Urban« ich kenne Euch, wenn ich Euch auch nie sah! Ja, ja, jch es ist so: ich bin Eures Bruders David Sohn . . ." (Schluß folgt.) La erkannten auch die anderen die widrigen Gesichter. ' Losbern befand sich aber in so ungeheurer Spannung, ,Ha, die Schurken! Schlagt sie tot!" riefen sie. Und Losbern daß er nicht warten konnte. Er zog den Revolver und hielt konnte kaum verhindern, daß die Räuber erschlagen wurden, ihn dem Halunken „Halt! Binden!" befahl er. Aus der Kombüse brachte einer Bindfäden, ein anderer schnitt kurzerhand Leinen aus dem Segelwerk. Die beiden Burschen wurden zusammenaeschnürt, daß kein Befreiungs versuch möglich war. Auch der Verwundete wurde fest ge bunden. Es war keine Zeit, sich mit ihm äbzugeben. Man mußte das Schiff durchsuchen, ob sich noch Räuber versteckt kielten, und nach der Besatzung forschen. Schwer trennten sich die Matrosen von den Räubern, denen sie furchtbare Rache schwuren. „Haha, daß ihr uns in die Hände geraten seid! Aber ihr schwimmt uns das zweitemal nicht fort!" Damit kehrten sie ihnen den Rücken und folgten Losberns Befehl: „In die Kajüten!" Als sie die erste Tür öffneten, waren sie erstaunt, den Raum in bester Ordnung zu finden. Nichts deutete auf einen Kampf, ja, es schien auch nicht das geringste zu fehlen. Kleidungsstücke des Kapitäns, Uhr, Glas, Karten, einige Bil der und Bücher schienen nicht angerührt worden zu sein. Doch kein Bewohner wurde entdeckt. Losbern suchte sofort die Schiffspapiere, während seine Leute in die Kojen gin gen. Ein schöner Schrank aus Mahagoni barg sicherlich die Papiere. Aber wo war der Schlüssel? Losbern Holle sich aus der Kombüse ein Beil, dann brach er den Schrank auf, und gleich im ersten Fach fand er, was er jetzt brauchte. Er schlug eine Mappe auf und las . . . Da war es ihm, als würde das Schiff von den Wogen emporgehoben und sänke wieder. Er griff sich nach der Stirn, sprang auf, beugte sich sogleich noch einmal über das Papier. „Mein Gott!" stieß er heiser hervor. Dann ließ er alles lie gen und rannte den Leuten nach. Die Kojentüren standen alle geöffnet, man hatte also niemand gefunden, und die Matrosen hatten die Rekognoszierung von allein fortgesetzt. Er eilte die Treppen hinab, durch einen Gang. Rufen konnte er nicht, es war ihm, als schnüre es ihm die Kehle zu. Da trat der Bootsmann, mit einer Speiche bewaffnet, aus einer Tür. „Der Kasten ist menschenleer. Keine Spur von der Besatzung. Das heißt, ihr Zeug liegt noch in den Kojen. — Aber, ist Ihnen was geschehen?" fragte er; denn er bemerkte in dem Augenblicke, daß Losbern blaß war und zitterte und schnaufte wie in schrecklicher Angst. „Haben sich die Kerls etwa losgemacht?" Er hob die Speiche und wollte hinaufstürzen. Losbem hob die Hand. „Er ist noch da! Er muß noch an Bord sein! Ihr müßt ihn finden!" „Wen meinen Sie denn?" „Den Kapitän. — Alle Räume durchsuchen!" Und er ging voran. „Hier steckt kein Teufel mehr drin!" rief ihm einer ent gegen. „Er muß noch da sein! Wir müssen ihn finden! — We Räume durchsuchen!" wiederholte Losbern. Sie fühlten alle, daß Angst und Entsetzen ihn peinigten, wagten aber nicht, nach der Ursache zu fragen, rillen weiter, treppab und trepp auf, einige geschloffene Türen wurden eingedrückt, Kästen und Schränke geöffnet. Ueberall sah es aus, als hätte die Besatzung nur zu einem kurzen Besuch an Land das Schiff verlassen. Losbem war zu den Gebundenen geeilt. Sie allein konnten ihm Auskunft geben, und sie mußten es tun. „Wo ist der Kapitän der „Ulo"?", fragte er sie. Sie rührten sich nicht. „Versteht ihr mich? Wo ist der Kapitän?" schrie er, daß sich ihm die Stimme überschlug. Da sah ihn der eine mit frechem Lächeln an, antwortete aber nichts. Das reizte Losbern, daß er ihm einen Fußtritt versetzte. „Red', Schurke, sag' ick dir. Was habt ihr mit dem Kapitän gemacht? Wo ist er? Die beiden Gesellen warfen sich Blicke zu, und der eine sagte: „Gegen Freiheit!" Der Bootsmann, der gerade in die Nähe kam, hörte es. „Schuft, infamer!" drang er auf den Gebundenen ein. Losbem hielt ihn zurück. Dann bückte er sich, packte den, der noch kein Wort gesprochen hatte: „Ist der Kapitän im Schiffs Keine Antwort.