Volltext Seite (XML)
glaubliche Stärke. Ganz Paris kannte diesen Meister der Waffen und seine Harmlosigkeit hätten ihm eine Sicherheit gegeben, wie sie kein König, kein Edelmann, kein General, kein Deputirter in Frankreich besaß. Saint-Georges war damals gegen dreißig Jahre alt. Als er die Frauenzimmer angehört hatte, besann er sich kurz, ging nach seiner Mansarde und ging angekleidet, einen Degen unter dem Arme, zum Hause hinaus. Er wandte sich nach des Gewaltigen Wohnung. Die Leibgarde empfing ihn mit Beifallsgemurmel, verlangte aber die Waffe. „Kein Handwerker ohne sein Handwerkszeug!" lachte Saint-Georges und trat bei Robespierre ein. „Guten Morgen, unbestechlicher Maximilian!" sagte Saint-Georges. Ich will dir und dem Vater lande einen Dienst leisten." Saint-Just war außer dem Dictator der einzige Anwesende. „Was willst du?" „Robespierre muß fechten lernen und Pistolen schießen, par Vien! Zeig' deinen Arm! Etwas schwach! Aber thut nichts! Willst du mit Dragonern in den Convent? Hüte dich! Aber Niemand ver wehrt es dir, deine dolchbewaffneten Feinde mit der Klinge — ein einziger Mann — anzugreifen und sie dir vom Halse zu halten, bis die Sectionen kommen . . . Welcher Triumph! Oder bist du auf der Tribüne noch sicher, Maximilian? Saint-Just sah düster drein. „Meine Waffe ist das Wort," murmelte er, „aber das wird wenig mehr helfen." Er ging aufgeregt fort. „Kannst du mich fechten lehren ? So wie du fichtst?" „Frag' Hunderte meiner Schüler, sie werden mit „Ja!" antworten." „Tallien erdolcht mich!" sagte der zitternde Dictator. „Ich weiß es. Aber ich werde mich wehren können gegen ihn und gegen mehrere Angreifer ? Sagst du so ?" „Daß wirst du! Laß doch deine Leute einmal kommen. Sie führen scharfe Säbel." Etwa sechs Mann traten in's Gemach, und Saint- Georges zog seinen Degen und ließ sich auf ein Knie nieder. „Angegriffen!" commandirte er. „Zugehauen, brav gestoßen! aber nehmt eure Arme in Acht, denn mein Degen ist geschliffen." Eine wilde Scene begann. Saint-Georges ward von allen Seiten mit Lebhaftigkeit angegriffen . . . Sein Degen flog wie der Blitz über seinem Haupte, und nach mehreren Minuten waren fast alle An greifer verwundet, während der Fechter unberührt geblieben war. „Entfernt euch!" befahl RobeSpierre seinem zer lumpten Trabanten. „O!" rief er dann, „du machtest den ganzen Convent zum Fenster hinausspringen." „Lerne es selbst, du bedarfst dieser Kunst!" war die Antwort. Robespierre nahm einen Degen, und machte sich bereit, eine Lection zu empfangen. „Die Degen sind geschliffen," sagte Robespierre. „Desto besser! Du triffst mich nicht; genire dich nicht, und ich will dich nicht treffen." - Der Unterricht begann und Robespierre schien immer verwirrter zu werden. Auf das Degengeklirr traten einige Sansculotten ein. „Hinaus, Hunde!" schrie der Dictator und schloß die Thür ab. „Er müßte tausend Arme haben," sagten die Leute, „um seine Feinde zu besiegen." Saint-Georges aber schlug Robespierre's Degen fort, faßte ihn bei der Gurgel und setzte ihm die Spitze der Waffe auf die Brust. „Ah, Maximilian, du zitterst?" flüsterte Georges. „Soll ich Frankreich durch einen einzigen Ausruf erzählen, daß du ein Feiger bist?" ,,Du verläßt dies Zimmer, dies Haus nicht lebendig!" stöhnte der Gewaltige. „O, ganz im Gegentheil; ich werde dich noch öfter besuchen; aber zuvor schreibe mir hier die Freilassung des Marquis von Nelles-Bohain, des Marquis de Conches, des alten Cato Pourliac . . . Hier, so . . . Schnell ... Und schwöre mir, daß du, bei deinem Glücke, bei deinem Stern! dich nicht rächen willst. Wo nicht, so fährt mein Stahl dir durch das Herz!" Robespierre schrieb und leistete den Schwur, den einzigen, an den dieser abergläubische Blutmensch glaubte. Saint-Georges ließ den Dictator halbtodt vor Angst zurück unv ging fort. In einer Stunde waren die Gefangenen frei und mit Pässen nach Deutschland versehen. Robespierre selbst erschien in der Rue des Belles- Cours. Er hatte ein Papier in der Hand. „Ich hätte dich, Stephanie, zurückbehalten können," sagte er, aber, bei meinem Stern, ich bin tugendhaft. Hier ist dein Paß!" Die Geretteten reisten ab. — Saint-GeorgeS aber sagte, als RobeSpierre am 9. Thermidor sich im Convent verzweifelnd statt den Kopf die Kinn lade mit einem Pistolenschüsse zersprengte: „Ich habe es stets gedacht, seit ich den Arm dieses Mannes berührte, daß er nicht einmal im