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1867 Sonnabend, den L8. September. elletrißische Aeilage zum sächsischen Erzähler. Zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Eine Fechtstunde. Von Adolph Görling. (Schluß.) Die Berathung nahm einen parlamentarischen Gang an. Es war gewiß, Maximilian konnte den Convent nicht belagern lassen, bevor er gesprochen und den Dolchen und Pistolenkugeln der gegen ihn verschworenen Partei, der später sogenannten Ther- midorier, Trotz geboten hätte. Stephanie war inzwischen in der Rue des Belles- Cours angekommen. Unter verzweifelten Projecten und Thränen ging der Morgen hin. Früh acht Uhr fuhr eine Lohnkutsche vor und heraus stieg Robespierre. „Bürgerin Stephanie," sagte er, „du bist tugend haft. St. Just will dich sofort zur Frau nehmen, wenn du willst, und deine Verwandten sind frei.. Stephanie antwortete nicht. „Oder ich selbst, wenn ich die Hydra besiegt haben werde, ich selbst... Würdest du dein Geschick mit dem meinigen vereinigen wollen? . . . Beim ewigen Weltgeiste, ich spreche feierliche Wahrheit... ' Gebiete über mich!" „Gnade!" schluchzte Stephanie zu seinen Füßen — „aber es ist unmöglich . . ." Robespierre drehte sich auf dem Absätze und griff zur Thür. In diesem Augenblicke ward diese Thür rasch aufgerissen und ein sehr schöner, braungelockter Mann mit einem Heldengesicht voll Feuer und Kraft, mit gewaltigen Schultern und Armen, stand in der Iacobinerjacke auf der Schwelle. »Uordieu!" rief er heiter. „Bürger Robespierre, sucht Ihr mich etwa? Der Teufel freue sich über einen solchen Besuch. Wo ist Cato der Gerechte? — O weh, der war doch kein Ex-Mensch? Und die beiden interessanten Pferdehändler . . . Ach, Robes pierre, ich sehe, Ihr macht alle Leute zu Ex-Menschen. Ein Wunder, daß Ihr mich noch nicht am Kragen genommen habt! Wer ist denn dies hübsche Mädchen, Amande? Laug Vien! Die ist gestern erst gekommen. . . . Bin ich denn blind gewesen? Weinen Sie nicht, Mademoiselle, der Bürger-Präsident wird doch end lich vom Blute satt werden . . . Erzählt mir doch, was ist vorgegangen?" „Saint-Georges!" sagte Robespierre finster „Hütet Euren Kopf. Frankreich will kein Verräther- blut, seine Furchen würden denn mit demselben ge düngt ... Du weißt, was hier vorgegangen ist; du kennst Pourliac, den Marquis de Nelles-Bohain, de Conches und dieses Mädchen." »?aro1e ä'twaneur! Du lügst, RobeSpierre> „Du bist ein Aristokrat." „Noch eine Lüge. Ich bin der Fechtmeister, den ganz Europa kennt. Kein Tambourmajor, kein Offizier der ganzen Armee existirt, der nicht von mir oder meinen Schülern gelernt hat, die Feinde Frankreichs kunstgerecht auszuspießen." „Ich werde mich deiner erinnern!" „Sehr gut, Bürger-Repräsentant; ich werde mich auch deiner erinnern, denn mein Kopf sitzt fester als der deinige. Uebrigens," fügte der Athlet sanftmüthig hinzu, indeß er Robespierre die Hand reichte, „du bist im Grunde ein braver Mann, obschon es mit deiner Tugend nicht weit her ist." Robespierre sann einen Augenblick. „Willst du Bürgers-Repräsentant werden, Saint- Georges?" fragte er hastig. „Um dich zu beschützen? Du weißt? Vertheidigen thue ich Jeden, der's nothwendig hat, aber du hast eine sonderbare Manier, mit deinen Kameraden um zugehen — Danton und so weiter. . ." Saint-Georges machte die Pantomime des Köpfens. Robespierre verschwand. Die beiden Frauen zimmer klammerten sich an den vormaligen Chevalier Saint-Georges an und beschworen ihn, die drei Ge fangenen zu retten. Saint-Georges besaß eine weltberühmt gewordene Geschicklichkeit in der Führung jeder Waffe; er war im Stande, acht Mann, die im Kreise um ihn standen, durch seine Degenklinge zu verhindern, daß sie ihn nur berührten. Er schoß emporgeworfene Kirschen aus der Luft mit der Pistolkugel, und besaß eine un-