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-VeLL- - Ileukinh und Atmgegend Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadtund Land. Dicht verbreitet in allen Volksschichten. Beilagen: Illustriertes Sonntagsblatt / Heimatkundliche Beilage / Kau und Heim / Landwirtschaftliche Beilage / Iugendpost. Druck und Verlag von Friedrich May, G. m. b. H. in Bischofswerda. — Postscheckkonto Amt Dresden Nr. 1521. 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Für da» Erscheinen vo» Anzeigen in bestimmten Nummern und an bestimmtet» Plötz« keine Gewähr. — Ersüllungsort Bischosswerda. Erscheinungsweise: 3«d»n Werktag abend» für den folgenden Lag. Bezugspreis für dl« Zeit ein«, halben Monat»: Frei in» -au» halbmonatlich Mk. IM, beim Vbholen in der Geschästostell» wöchentlich SV Psg. Einzelnummer tv Psg. (Sonnabend- und Sonntag»numm»r tü Psg.) Nr. 53 Sonntag, den 3. März 1929. 84. Jahrgang Tagesschau. * Di« Bemühungen de» Reichskanzler» Müller, «tue Regie- rang aus der Grundlage der Großen Koalition zu bilden, stad end- gültig gescheitert. * Der Retch»tag überwte» ln seiner Sitzung am Freitag die volkrparteilichen Reformantrüge dem Rechisausschuh und vertagte sich bi» 1). Mürz. * Vie Pariser Presse führ« «luen heftiger» Kampf gegen vr. Schacht wegen besten Haltung im Sachverständigenausschuh. * In Spaniea ist eine neue Ausstand»bewegung ausgebrochen, deren hauptgebiet ln Larrelona «st. * Ein Dors ln Kroatien war infolge der riesigen Schneefälle feil einem Monat von der Außenwelt abgeschnitten. Am Don- uerstag gelang es. bi» zu dem Dorfe vorzudringen. von den völlig erschöpften Dorfbewohnern waren 25 bereit» verhungert. *) Ausführliche» an anderer Stelle. Volk eventuell «»^parlamentarische iager in da» Parlament ent- Reformen dem Unwesen des „Parteiismus" beizukommen, ist dagegen verfehltes Bemühen. Das soll man sich überall im Lager der Parteien sagen, wo man sich aus teilweise nur zu egoistischen Gründen davor scheut, einer durchgreifenden Reichsreform den Nachdruck zu verleihen, der in den näch sten Monaten vielleicht schon zwangsläufig wird. Selbstver ständlich hat die Deutsche Volkspartei in feder Weise recht, wenn sie es dem Reichstag unterbinden will, aus irgend einer Laune heraus eine Regierung zu stürzen. Dennoch ist das nur Flickwerk, wird Krisen niemals beheben, sondern kann — zumal bei dem Dualismus zwischen Reich und Preußen, — nur dazu führen» daß Krisen unter der Ober fläche um so ernsthafter und gefahrdrohender schwelen und daß ein Kabinett in Wirklichkeit schon aus dem Sattel geflo gen ist, was da meint, auf dem Rücken der Duldsamkeit un serer Parlamentarier noch gut zu reiten. Der Gedanke, ein Kabinett nur mit Zweidrittelmehrheit zu stürzen, hat gewiß etwas Bestechendes und ist von dem Augenblicke an richtig, wenn es sich um eine Fachregierung wirklicher staatspoliti- scher Köpfe handelt. Wer aber hat einen Vorteil davon, schwache Kräfte gegen den Willen des Parlaments zu schüt zen? Und welcher Parteiminister wird gegen den ausdrück lichen Willen seiner Fraktion in der Regierung bleiben? Das Parlament hätte also den Zwang der Zweidrittelmehr heit, aber über einen Reichstag hinaus können die Frak tionen von sich aus jede parlamentarische Regierung zur Minute hinwegjagen. Es käme also das, was gerade in die sen Tagen verhindert werden sollte und was auch Strese- mann nicht will: die Uebermacht der Fraktionen! Und schließlich würden bei dem System ausgerechnet die Sozialdemokraten die Allmächtigen. Soll sich soweit bürgerliche Taktik verrennen? Soll diese Korrektur im Kleinen das staatspolitische Leben Deutschlands, bereits un ter den Nullpunkt gesunken, wieder flottmachen? Wenn schon die Notwendigkeit einer Reichsreform erkannt wird, dann ganze Arbeit, ganzer Mut und ganze Verantwortung. Wer unbekümmert ooranschreitet, hat als über die Parteien hinausstrebender Führer das sehnsüchtige deutsche hinter sich! Mahrauns neue Wege. Die „volksnationale Aktion". Berlin. 1. INSrz. Der Jungdeutsche Orden plant eine volksnatiouale Aktion im Sinne einer Reform de» jetzigen politischen Lebens. Um diese in die Wege zu leiten, hat er an eine Reihe von Persönlichkeiten au» Politik. Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft Einladungen gerichtet, um die Grün dung eines Ausschusses zu ermöglichen, der diese volksnalio- aale Aktion eialeiten soll. Der Jungdeulsche Orden will seine Kräfte diesem Ziel dienstbar machen, verlangt wird, daß gewisse Ziele berücksichtigt werden, in denen der Jungdeutsche Orden Zwischenstufen zu seinem Ideal eine» regional gegliederten Staates steht. Die außerhalb des Jungdeulsche», Ordens mitwirkenden Persönlichkeiten und Organe sollen sich lediglich auf diese Zwischenstuse ver pflichten. Line» der wichtigsten I wischenziele ist die Re- sormdesWahlrechts. hier erstrebt der Jungdeutsche Orden den Eiamannwahlkrei». weitere Punkte sind: Entlastung des Reichstages durch Ausbau des Reichswirtschaftvrake». Einschränkung der Partei einflüsse auf den Reichstag, Neugliederung des Reiche, ,um Ztvecke der Ausgabenverminderung. Um zu diesem Z>el zu kommen, will der Jungdeulsche Orden seht — und damit stellt er sich in einen Gegensatz zu seiner frühe ren Haltung — eventuell auch parlamentarische Parteien lm nächsten Wahlkamps unter stützen und seine Anhänger in da» Parlament ent senden. Dem Juagdeutschea Orden schwebt dabei vor allem ein Staat vor. la dem nur die Gemeindevertreter durch direkte Wahl von den Bürgern gewählt werden. Diese Ge- meiadevertreter wählen dann wiederum die übergeordneten Bezirks-, diese wieder die Provlnzvertreter. Die Proviuzvertreter ihrerseits wählen die Landes vertretung. während die Landesverlrelung da» Relchsparlament wählt. Vie volksnalionale Aktion soll im Frühjahr durch große Kundgebungen elngeleitet werden. Diese sogenannten Zwischenziele des Jungdeutschen Or dens stellen eigentlich nichts Neues dar, sie sind ausge musterte Bestandteile des politischen Arsenals. Würde eine Rechtspartei es wagen, sie wieder hervorzuholen, so würde sie als „erzreaktionär" gebrandmarkt werden. Auch im Jungdeutschen Orden selbstliefman bisher, wie die Salzenberg versammlung in Bischofswerda am 6. Februar gezeigt hat, Gefahr, mit Anschauungen, die längst nicht so weit gingen, wie die heutigen Ziele des Jungdeutschen Orden», als knöcbert und in veralteten Vorkriegsanschauungen besold gen" abgelehnt zu werden. Der Einmännerwahlkreis war bekanntlich ein Bestand teil der Bismarckschen Neichsverfassuna und erst Weimar hat uns mit der Listenwahl beglückt. Also zurück zu Bis marck! Die Forderung der Abschaffung der Listenwahl ist heute eine so allgemeine, daß sie am meisten Anklang finden wird. Nun will der Jungdeutsche Orden die direkte Dahl nur für die Gemeindewahlen gelten lassen und für alle über geordneten Parlamente bis zum Reichstag die indirekte Wahl, also die Wahlmännerwahl, so ungefähr wie unsere Großväter schon wählten, wieder einführen. Unbestreitbar eine radikale Lösung der parlamentarischen Fraget Zurück zum bewährten Alten, nur mit dem Unterschied, daß diese Wahlmännerwahlen kein Klassenwahlrecht darstellen, wie das frühere preußische und alte sächsische Wahlrecht. Auch dieses Ziel wird zweifellos viel Freunde finden, Di« Wetter geforderte Neugliederung des Reiches wird schon lange an gestrebt. Zu ihrer Durchführung hat sich bereit« vor Jah resfrist ein großer Bund unter Führung des Reichskanzlers Dr. Luther gegründet. Ein vollständig neues Ziel für die Anhänger des Or dens ist die Teilnahme am Wahlkampf und am parlamenta rischen Leben. Noch vor kurzer Zeit prägte Mahraun das Schlagwort „Wahlprotestantismus" und proklamierte die Wahlenthaltung als das geeignetste Mittel zur Reform des Parlamentarismus. Nun hat man, wie sich zeigt, radikal umgelernt. Man möchte diesen Teil der Meldung fast für unrichtig halten, denn der Orden gibt mit dem Eintritt In den Parteikampf einen seiner bewährtesten Grundsätze agf. Mahraun wird am Montag in einer Versammllmg kn Ber lin öffentlich sprechen. Man wird dann hören, was an der obigen Meldung richtig und was unrichtig ist. Die Große Koalition endgültig gescheitert. Berlin, 1. März. Die gemeinsame Partelführerbeft»re- chnng beim Reichskanzler Müller, die die Bildung der Gro ßen Koalition zum Ziele hatte, ist ergebnislos verlaufen. Der Reichskanzler Halle den Parteiführern einen formulier ten Vorschlag unterbreitet, der im wesentlichen folgendes be- sagt: 1. Die Parteien, die die Regierung unterstützen wolle»», sollen sofort eine koalikionsmähige Bindung eingehea. 2. Ls soll danach sofort eine Verständigung über den Etat und die Veckungsvorlagen herbeigeführt werden, wobei den Parteien weitestgehende Freiheit nament lich hinsichtlich der Steuervorlagen gewährt «erden soll. Z. Es soll ein Politischer Ausschuß zur Besprechung der allgemeinen politischen Fragen eingesetzt werden, der jeweils auf Antrag des Reichskanzlers Zusammentritt. 4. Ls wird ein Finanzpolitischer Ausschuß eingesetzt, der die Steuerfragen behandeln soll und seine Arbeiten sofort aufnimmt. Dieser Vorschlag wurde von dem Führer der Deutschen volkspartei. Abgeordneten Dr. Scholz, abgelehat, der lm Gegensatz dazu eine Einigung über die Deckung des Etat» ohne neue Steuern verlangte, ehe eine feste Regierung»- koalilion gebildet werde. Die Steuersragen selbst wurden 1» der Besprechung nicht berührt. In einem amtlichen Kommunique heißt es daun: Der Reichskanzler mußte am Schluffe der Aussprache sestflelleu. daß der Versuch zur Schaffung der Großen Koalition lm Reich zur Zeit al» gescheitert anzufehen sei. und er nutz wel- tere Schritte nach dieser Richtung nicht mehr unternehmen werde. Die Reichsregierung werde, wie bisher, gegenüber Anträgen der Parteien, die sie nicht verantworte»» könnte, ihre ablehnende Haltung auf alle Konsequenzen hin klar zu« Ausdruck bringen. Der Reichskanzler wird dem Herr» Reichspräsidenten über den Ausgang der Verhandln«»-«» Bericht erstatten. Kein Rücktritt der Ueichsregttrmrs. Das Scheitern der Bemühungen de» Kanzlers wird den Rücktritt der Reichsregierung nicht zur Folge haben. Die jetzige Regierung wird den Etat vor dem Reichstagsplenum vertreten. Gin offener Kriek des Ueichsministers a. D. Aülr. Reichsminister Külz hat einen offenen Brief an den Reichskanzler gerichtet, in dem er ihn auffordert, «in Mini sterium, eventuell unter Heranziehung von Richtparlamen tariern, zu bilden, und mit ihm vor den Reichstag zu treten Krisen und Reformgedanken. Die Betrachtung der innerpolitischen Vorgänge dieser Woche ohne festgefügte Reichsregierung steht im Zeichen des als verpfuscht überall anerkannten Parlamentarismus. Politiker auch der Demokraten können an dem allgemeinen Uebelftande unseres politischen Lebens der Gegenwart nicht Vorbeigehen, ohne die Zustände in scharfer und mitunter sehr zutreffender Weise zu kritisieren. Die Schlagworte zur Kennzeichnung der Uebelständ« tauchen auf, beleuchten wohl, was dem deutschen Volke nicht mehr zu verbergen möglich ist, aber eines vermögen sie nicht, nämlich Wege aus der Wirrnis des „Parteiismus" zu weisen. Kein Ge ringerer als der Reichsaußenminister Stresemann, der Füh rer der Deutschen Volkspartei, hat den Niedergang des Par- lamentarismusses in ausdrucksvoller und nicht nur retho- risch überzeugender Weise geschildert. Daß diese Schilde rung gerade zu einer Zeit zu beeindrucken suchte, da höchste Uneinigkeit im volksparteilichen Laaer herrschte, hat mit der Tatsache nichts zu tun, daß die Schilderung selbst durch aus richtig war. Cs handelt sich also auch hier wieder um die Nutzanwendung aus klaren Erkenntnissen, und man wird die nächste Zeit abwarten müssen, wie es mit dem Tat werden einer endlich anderen und besseren Innenpolitik im Deutschen Reiche sein wird. Eine Innenpolitik, die, so heißt e» schon seit Jahren, einzig und allein in der Samm lung deutscher Kräfte zu gemeinsamem Ziel streben, Rück grat geben kann zur Belebung unserer Außenpolitik, die ebenfalls schon seit Jahren stagniert, wenn nicht gar rück wärts läuft. Eine Außenpolitik hinwiederum, deren letzter Sinn ja nur die Freiheit des Vaterlandes sein kann, wie es in seiner Rede zum Gedenken an die deutschen Helden des Weltkrieges der ehemalige Reichswehrminister Geßler im Reichstage so erhebend als Schlußwort aussprach. Daß die innerpolitischen Krisen, ihren Ursprung habend im Parteiismus, uns niemals national ln Schwung bringen können, daß infolgedessen keine staatsaufbauende Arbeit durch eine von eben diesem Parteiismus abhängige Reichs regierung geleistet werden kann, das ist uns nun auch klar und offen durch Stresemann gesagt worden. Vielleicht auch, daß der Rücktritt des Zentrumsabgeordneten Lammers, bekanntlich der Schwerindustrielle in der zentrümlichen Reichstagsfraktion, vom politischen Leben seinen Ursprung in denselben Verhängnissen hat, die von Stresemann einst weilen nur gegeißelt wurden und hoffentlich gebessert wer- den!? Würde man den Entschluß Lammers' rein partei politisch erfassen, so könnte man sofort eine deftige Klage gegen das Zentrum loslassen, von dem es ja heißt, daß es gerade die Dinge gern eigenpolitlsch nutzt, die man recht» von ihm richtig parlamentarische Verhängnisse nennt. Aber das hat ja schließlich keinen Sinn, solange nicht grund legende Reformen zu einem radikalen Gesundungsprozeß hinführen. Schon das Beispiel des Ausscheidens Lammers', der immerhin „wer" war, wirft ein grelles Schlaglicht auf den Gedanken des Persönlichkeitswertes, den Stresemann bei seiner großen Rede in die politische Debatte warf. Wir haben das persönlichkeits-vernichtende Listensystem, und es geschieht, daß als Nachfolger Lammers' eine Frau ln den Reichstag einzieht, die wir als solche zwar höflich begrüßen, von der aber niemand im weiten Zentrum, noch weniger im großen deutschen Vaterland«, eine Ahnung hat. Ls ist wie der recht still geworden um die Wahlrechtsreform, doch sollte man sie gerade zum Vorteil der politischen Persönlichkeit und der wieder engen Verbundenheit des Politikers mit dem Volke nicht vergessen. Möglich, daß dann ein stärker geprägtes Verantwor tungsgefühl — do die Kontrolle von unten bann wieder un mittelbarer wirksam würde! — manche Krise überflüssig macht, um die sich heute die Parteien quälen. Mit kleinen