Volltext Seite (XML)
Nr. 33. Dienstag» 10. Februar 1914. 9. Jahrgang. Dies« Numm-r umfaßt 8 Setten. Das Wichtigste vom Tage. Der Kaiser ernannt« den Direktor in» Preußischen Justizministerium wirk!. Geh. Oberjusttzrat Dr. Frenken zum Unterstaatssekretär für Elsa ß-Lothrin gen.*) Eine in Bochum abgehalten« vertreterversamm- lung d«r katholischen Arbeiter West« deutschland» protestierte in einer scharfen Resolution gegen die Angriff« auf die christ lichen Gewerkschaften. Ver Flieger Karl Ingold hat mit einem Flug von sechzehn Stunden zwanzig Minuten «inen neuen Weltrekord aufgestellt. Ver Künig von Schweden, der infolge der letzten Aufregungen ernstlich erkrankt se<n soll, b:- gab sich auf ein Schloß in der Nähe vor Stockholm. ver russisch« Außenminister Ssasonow erklärte in der vmna, daß die russisch« R«gt«run; gegen d e Ernennung de» General» Li nan von Sander» zum Kommandeur de» Kor>» in Kon stantinopel mit Erfolg protestiert hab«. «1 st«h, an and«« »Ull«. Der Streit um äie Tuberkulosebekän pfung. In den letzten Jahren sind die Hei ls: ätten für Tuberkulose an Zahl und Umfang bedeutend gewachsen. Wo man «S irgend mit der Bekämpfung der i Tuberkulose ernst meint«, gründete man solche Anstalten, und auch die Krankenkassen gewöhnten sich mehr und mehr daran, ihren Patienten «ine Kur in ihnen zu verschaffen. Man hörte von den Erfolgen die erfreulich sten Tinge. Di« Arbeitsfähigkeit Wurde in den Heilstät ten bet vielen Kranken Wieder hergestellt, di« Bazillen bei einem Prozentsatz völlig zum Verschwinden gebracht, vte Zahl der Todesfälle herabgedrückt. Trotz alledem uceldet sich jetzt der Pessimismus, der den Wert der Heilstättenbehandlung bezweifelt. Statistik wird ge gen Statistik gestellt und von den Ersätzen der Heilstät ten wird behauptet, daß st« sich auf anderem Wege bes ser Erreichen ließen. Man denkt dabei an di« Anwen dung des Tuberkulin », di« auf Robert Koch» maß- )rau Tiläes Bekehrung. Humoreske von Fr. Lehn«. ! sch u .) N-chdi >« -er»«tn< Mit heimlichem Ingrimm hörte das die hübsche junge Frau, di« bisher so stolz auf ihre mädchenhafte Echlankhei gewesen war — und die Dame, von der R«n:tt> schwärmte, wog mindestens zwei Zentner I Jetzt w-urde l ie knusp-ig gebraten« Gans hereingebracht, die Doktor M iyr ges-'. ck. tranchierte. Mein Gott, was hat der Mensä fü einen Appetit, dachte Tilde entsetzt, als sie sah, wiest«; und welche Drücke er sich auf den Teller packt«. Und wie er dann aß — wie «in Landstreicher, der acht Tage nichts Warmes in den Leib bekommen hatte s— so wahllos schling er die Bissen hinein, den Kopf tief auf den Teller lrenetzt, di« Ellenbogen weit abgespreizt. Man sprach vom lHeater. An den Kollegen ließ Renard nicht» Gute» — nur er er strahlte — di« anderen waren nicht»! Tilde meinte, Be geisterung müsse ihn doch erfüllen, wenn er auf der Bühn« stehe und er gleichsam dem Alltag «ntrückt sei. verblM sah er sie an. Dann lacht« er — ein blöde» Lachen, wie sie bei sich feststellt« — Ne«, Gnädigste! Di« Hauptsache M hier — Pinke, Pinke — er macht» di« Gebete de» Geld zählen» und welchen Eindruck man auf» Publikum schindet, ob man gut bei Stimme ist, ob di« Perücke und di« Trikot« gut sitzen. Man muß gerade genug auf den Dirigenten und den Souffleur achten >— da hat man nicht noch Zett, an «'was andere» zu denken — da» ist Geschäft wie jede» ander«. Da» sollt« man aber nicht glauben, Denn man St« mit so vt«l Gefühl singen hört! Nicht währ, Si« machen un» nachher di« Freude und fingen — vielleicht Mnter stürme odn da« Preislich au» den Meistersingern. Al» Walter Stolzing hab' ich Sie noch nicht gehört —, schüchtern, fast zaghaft kam si« mit dieser Bitte heraus. Mit einem impertinenten Auchvuck sah er fi« an, lehnt« sich in seinen Stuhl zurück und fuhr mit dem Handrücken über seinen fett glänzenden Mund: Ich bedaure sehn meine Gnädig», diesen begreiflichen Wunsch nicht «Millen zu können; doch ich gebende Entdeckung zurückgeht, urck> an die Behandlung der Kranken in ihrer gewohnten Umgebung. Auf den ersten Blick dürft« man Wohl genetgt sein, diese» Verfah ren skeptischer zu beurteilen. Ist doch die Umgebung de» Kramen häufig zerad« Sie Ursache f«-ne» Leiden». Un- gesund« Wohnungen, kranke Angehörige oder Nachbarn, schlechte Mrbeitsverhältnisse, dar find ja vielfach di« Quellen der Schwindsucht. St« sind es, die den Kampf gegen di« schrecklich« BoWkrankheit so schwer und fast aussichtslos machen. Da scheint «» denn gerade der vor> teil der Heilstätten, daß sie den Patienten aus einer sol- chen verhängnisvollen Umgebung entfernen, um ihn ganz nach den Grundsätzen einer Modernen Hygiene pfle gen zu können. Aber ganz so einfach ist di« Sache doch nicht. Man muß daran erinnern, daß zunächst die Heil, stätten trotz ihrer wachsenden Zahl immer erst einen kleinen Teil der tuberkulösen Lungenkranken erfas sen. Ungefähr 1ü Mal so viel al» in den Heilstätten Raum finden, bleiben sowieso der häuslichen Pflege überlassen. Damit ist von vornherein gesagt, daß die Heil- stätten auf keinen Fall der allein entscheidend« Faktor in der Tuberkulosebekämpfung sein können. Und selbst, wenn man 1ü Mal so viel Heilstätten bauen könnte, als heute tzxistieren, würden Hre Leistungen nicht ganz durch greifen. Können sie doch den Patienten nur für «in« beschränkt« Zeit — meist find «» nur einig« Wochen — beherbergen. In dies« Zeit ab« wird ein den Organismus so tief angreifende» Uebel, wie di« Tu berkulose, keinesfalls überwunden. Und kehrt der Kranke nach sein« Hetlstättenzeit Wied« in di« alte Umgebung zurück, so verfliegt auch meisten» der «zielt« Heilerfolg sehr schnell. Auch nehmen die Heilstätten von vornherein nur solche Kranke auf, bei denen die Möglichkeit einer Besserung Wahrscheinlich ist. Sie ha- bmk sogar 1» sirrt schreitendem Maße die Zahl der leichte ren Fäll« gegenüber den schwereren bei der Aufnahme «Ile diese Tatsachen »Nüssen allerdings gegen den wert der Heilstätten kritisch stimmen. ES soll damit noch nicht gesagt Werden, daß st« etwa zwecklos und üb«flüssig wären. Vielmehr bleibt bestehen, daß sie für eine große Zahl leicht«« Krankheitsfälle tatsäch lich Gute» leisten. Und Man darf auch da» noch anerken nen, daß sich ihre Wirkung nicht bloß auf die Zeit er streckt, wo der Patient in Gnen lebt, vielmehr wird « in ihnen Wichtige Dinge lernen und Gewohnheiten an nehmen, di« er nachher auch in da» Alltagsleben mit nimmt. Bor allem Reinlichkeit, sodann auch Vorsicht im Essen und Trticken, namentlich dem Alkohol und Nikotin gegenüber, regelmäßige Lebensweise und so man- che» ander« Wird ihm in der Welt der Heilstätte «st im vollen wert erkennbar und durch Uebung betzebracht. muß meine Stimme schonen. Außerdem ist es ganz gegen -meinem Prinzip (jawohl, so sagte er gegen meinem Prinzip), so al» vratenbarde auszutteten — selbst gegen die Bitten der Prinzessin Anita bin ich standhaft geblieben Um so weniger brauchen Sie mir Beachtung zu -ollen. Gr tut mir leid, Sie mit meiner Ditte belästigt zu haben! ent gegnet« sie herb. Tränen brannten in ihren Augen. Mar das denn möglich, daß man ihr da» zu bieten gewagt hatte — in ihrem Hause, an ihrem Tisch! Und unbegreiflich er schien ihr, daß ihr Ga te die Taktlosigkeiten di^-es Men schen gar nicht bemerkte, sondern angeregt unb liebens würdig mit ihm plauderte. Und da war das Wort Skat ga'allen. Wer es zuerst ausgesprochen, wußte st« nicht; genug, man war sich dariLK.-, einig nach Tisch einen solennen Skat zu kloppen. Der Sänger rieb sich vor Vergnügen die Hände: Famo» >— da können wir wohl bald anfangen? Soforr erhob sich Tilde: Ich will di« Herren nicht länger aufhalten und in ihrem Vergnügen stören. Amtsrichter Schumann küßte ihr die Hand: Meinen Dank, lieb«, gnädige Frau, und zugleich mein Kompliment — e» war alle», wie ja gewöhnt, tadel- lo». Di« gnädigste Frau ist Nämlich selbst ihre Köchin, wandte «» fich an Nenard. Die Hände in den Hosentaschen, breitbeinig, stand «da. Go? sagte er gleichgültig, Vie Hauptsache ist, daß «» gut geschmeckt hat, und da» war der Füll, ich bin wie genudelt — nun noch 'n paar Schnäpse drauf — der Doktor sprach doch von einem famosen alten Kirschwasser — Nimmersatt! dachte Tilde erbittert, und ziemlich unvermittelt drehte fie ihm den Rücken. Ihr Gatte küßte sie auf die Stirn: Na, langweile dich nicht ohne uns, Mau». Sie tat ihm aufrichtig leid in ihrer Verstörtheit; doch Litt«« Tränk, find auch di« heilsamsten, und ein Arzt muß seinem Patienten oft wehe tun. Al» Frau Vkd« da» Abdecker, beaufsichtigt hatte, ging sie nach dem kleinen Empfangszimmer, da» fich neben dem Herrenzinrm« bs- ! fand. Sie spähte durch den Vorhang — da saßen Vie drei, in »in« dichte, bläulich« Rauchwolke gehüllt, die Karten in der Hank eifrig in» Spiel vertieft. Nenard hatte die Zigarre tm Mundvinkol hängen und qualmte wie «in Gewiß hat nur «in Dell der Patienten di« Energie, diese gesunden Grundsätze auch au» eigener Kraft nach her dauernd wetterzuführen, wenn « Wied« heströ- konrmt. Ab« auch di« Rettung «ine» solchen Teil» ist ja schon der Mühe wert. Hierzu kommt noch die segens reiche Wirkung, die überhaupt jede» Ausspannen für dm menschlichen Organismus bedeutet. Daß di« Heilstät ten ihr« Patienten überhaupt für estrige Woche« einmal au» dem alltäglichen aufreibenden Betrieb« ihr« Arbeit hevausholen, daß sie ihnen Ruhe, Natur und freund liche Anregung geben, daß sie sie einmal zur Besinnung kommen lassen, ist schon ein Gewinn, der nachwirkt. Nur dürfen über dieser Anerkennung der Heilstätten al. lerdtng» die Schranken ihrer Wirksamkeit nicht verkannt werden. Da- Problem der Tuberkulosebekämpfung in seiner Ganzheit umfaßt entschieden die häusliche all tägliche Existenz mit. Kontrolle der Wohnung, der Reinlichkeit und der Lebensweise, dauernde ärztliche Behandlung und nötigenfalls auch Tuberkulinanwen dung, da» alle» zusammen genommen kann erst wirk lich durchgreifend« Erfolg« zeitigen. Di« Heil stätten sollen als Heilfaktor nicht unterschätzt Werden, dürfen aber auch jnicht narkotisierend auf da» sozial« junft ärztliche Gewissen wirken! Die TanganMabahn. Deutschland» größte» kql-Uiale» Kultwwett. D,e Vollendung de» Schienenwege» der deuisch-oistasri, konischen Zentralbahn, der in diesen Lagen Udjidji am Ost ufer de» Tanganjikasee» und damit seinen Endpunkt er reicht hat, ist mit Recht al» ein bedeutsames Ereignis in unserer Kolonialgoschicht« bezeichnet worden. Deutschland hat damit zum ersten Male eine jener großen Pionierar beiten zur Erschließung des dunklen Erteil» glücklich vol lendet, die bisher im Afrika da» Borrecht der Engländer ge wesen find. Denn so viel auch beispielsweise Frankreich für di« kulturelle Durchdringung von Algerien und Tunis getan hat, «ine ununterbrochene Bahnlinie von dieser Länge, di- noch dazu bis in» Herz de» schwarzen Erdteil» führt, ist bisher von unseren westlichen Nachbarn nicht ge schaffen vorder». Die Danganjikabahn ist nur zu ver gleichen mit der — Witzen» noch nicht vollendeten — Kap- Kairo-Rout« und mit der britischen Uganda-Bahn, die im Norden von Deutsch-Ostafrika zum Viktoriasee führt und die al» bisher einzige direkte Kchienenverbindung von d« Küste des Indischen Ozeans nach dem Gebiet der großen Seen den weitaus größten Teil de» Güteraustausche» zwischen d?r Küste und den an Naturschätzen über n»» reichen Landschaft >r Jnnerafrilas an fich gezogen hat. »öobald der regelmäßig« Betrieb auf der Tanganfikabahn «Egenommei» sein wird, vird diese mit der Uganda-Bphn in schatzsen Schornstein; da dachte er nicht daran, seins S timme zu schonen. iLer gibt? rief er jetzt, Sie, Doktorchen, find an der Reihe — natürlich! Ich habe doch eben gegeben; ich bin doch n iöjt der olle Pot — — so, so ist'» recht, mehr von der Sorte. Ich spiele Grand. Tilde hatte genug beobachtet. Eie warf fich auf den Diwan ur d drückte ihr Gesicht in die seidenen Kissen, Nm nicht laut aufzuschreien. Sie war gedemüttgt, beleidigt bi« in» Innerste. Was war das für «in Mensch! Und Mr den hätte sie schwärmen können. Nie wieder würde fie in» Theater g chen, wenn er auftratl Am besten war «», fie ging in« Bett. Wozu sollte fie noch aufbleiben! Man würde fie gar nicht vermissen. -Kurz entschlösse r ging st« kinLLcr z: den Herren: Ich möchte mich emp ehlen und Gut« Nach.- sagen. Da« ist «in- vernünftiger Gedanke, lieb« Kind, sagt: er hold, e» wird sicher spät werden l Nlso schlafe schön! Li.chevoll strich er über ihr heiße» Geficstchm und küßte sie. Die beiden anderen Herren hatten fich «hoben. Er steht wirklich aus. dachte fi« -- so viel MWcht hatte st, gar nicht mehr erwartet. Gnädig« Frau, e» war mir ein Vergnügen! sagte er, übrigen» — Ihr Herr Gemahl ist «in famoser Skatspieler — ich werde mir erlauben, recht LaG einmal wieder vorzusprechen — Denn e» Ihnen an genehm ist, vielleicht heute in acht Tagen — Da» fehlt« noch! Nein, dieser Mensch durfte ihre Schwelle nicht «wieder betteten. Merklich zurückhaltend entgegnete fie: Heute in acht Tagen, Herr Nenard, muß ich sehr bedauern; über diesen Tag kann ich nicht mehr verfügen. Mit einem ttefen Sercher betrat si« ihr Schlafzimmer. Langsam streifte fi« da» zartblau« Kleid ab — und mit rvelchen Erwartungen hatte fie e» angelegt! Si« brach in ein wild:» Schluchzen au«. Wie «echt hüte doch ihr Mann gehabt! Si« lag im Bette, fand ab« keinen Schlaf. — Spät erst verabschiedeten fich die Herren. Assessor Auch» beteuert« vielmal», wie leid e» ihm geran hab«, daß er die so überaus liebenswürdige gnädig« Frau auf höheren Besohl -ab« täuschen müssen — schwer genug sei e» Hm geworden. Der Doktor drückte ihm di« Hand: Aber trotz, dem hohen Sie Ms« Noll« «^gezeichnet gchpielt, Vte