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gesprengten Brunnenschächte vieler Burgen; wie Stolpen, Königstein, Augustusburg usw. Zisternen, wie auf dem Oybin, dem Hinteren Raubschloß und anderen Felsen, die das Regenwaffer sammelten, waren nicht immer zuverlässige Wafferoersorger. Unsere großen Industriedö fer haben wohl fast alle eine Wasserleitung, die den Bauherrn der ersten Sorge mühelos enthebt und einfach zu einem Kulturbedürfnis geworden ist. Wo aber ist der Brunnen vor dem Tore mit seinem Linden baume, von dem Franz Schubert singt? Wohl rauscht es noch geheimnisvoll in den Zweigen, aber umgestürzt oder gar zerschlagen liegt der steinerne Trog am Wegrande, und du mußt in kleinere abgelegene Dörfer wandern oder wieder mit mir aus den krummen stillen Gassen gehen, wo noch so viel Heimatkunst und Heimatliebe wohnt, wo allersgraue Holzgiebel sich unter moosigen Strohdächern ducken, dort plätschern . och die klaren Brunnen. In diesem nimmer müden Wanderer, der aus blumigen Wiesen oder kühlem Waldesdunkel kommt, zeigt sich auch die Eigenart der Land schaft. In der Ebene, den Heidedörfern, ist das Wasser nur im tiefen Brunnenschächte wie ein ruhiger, klarer Spiegel sichtbar und wird durch Winden, mehr aber ^urch Ziehbaum heraufgezogen, und überall sieht man hinter den Gehöften die hohe Brunnenstange, an der die Kette mit dem Eimer hängt, in die Lust ragen. Mit unseren klaren Brunnen läßt sich allerdings dieses Wasser, das in den Küstenorten sogar bedenkllcy gelb ist, nicht vergleichen. In Süddeutschland und Oesterreich ist oft ein halber Stamm eines Waldriesen aus gehöhlt und aus einer Holzrinne, die in dem Wiesengrund steckt, rinnt das eiskalte Wasser in den Trog, der in Sumpf dotterblumen und weißes Wollgras eingebettet ist. In un fern Dörfern ist der Granitblock in harter Arbeit zu einem viereckigen Tröge ausgemeißelt worden, an dessen Stirnseite Jahreszahl und Anfangsbuchstaben des Namens verraten, wie hoch unsere Großeltern und Urgroßeltern das belebende Naß schätzten. In Thüringen wird im Herbst ein Brunnen fest gefeiert; alle Brunnen sind an dem Tage mit Blumen gewinden geschmückt. In diesem Feste kommt die Hochach tung vor dem lebenspendenden Quell zur Geltung, vielleicht liegt sein Ursprung gar schon in grauer Borzeit. Wir da gegen drehen mit Selbstverständlichkeit den blitzenden Was serhahn auf, ohne uns Gedanken darüber zu machen, welche Katastrophe eintreten würde, wollte die Leitung einmal für immer versiegen. Auf den Marktplätzen der Städte stände.-, früher große Brunnentröge, in deren Mitte das Steinbild eines Heiligen stand. Die Wappen an den geschweiften Brun nendecken, vie steinernen Blumenranken und die kunstvollen Rohre mit den speienden Löwenköpfen verrieten die Wohl habenheit der Bürgerschaft. Doch die Zeit, da die Mädchen sich am Brunnen die neuesten Stadtereignisse erzählten, war vorbei, als Berkehrshindernisse sind die meisten beseitigt worden. Doch als nach nüchterner Zeit die Menschen sahen, wie leer und heimatfremd es um sie geworden war und er kannten, wie viel Schönes verschwunden war, da sah man mit Neid nach den Städten, — und ost waren es gerade die kleinsten —, die ihren Marktbrunnen noch besaßen, wie Zit tau mit dem Samariterin-Brunnen (1679) und dem Herku lesbrunnen (1708), Pirna, Bautzen und verschiedene andere Orte. Größere Städte haben nicht die Mittel gescheut, diese Fehler wieder gutzumachen durch Errichtung neuer Brunnen aus Plätzen und in Anlagen. Die Dorfbrunnen, die ost ein viel höheres Alter besitzen, sind aber nur bescheiden. Der hölzerne Trog ist vermorscht, und ein steinerner, der oft sehr beträchtliche Größe hat, ist an feine Stelle gekommen. Aus dem Boden steigt ein hölzernes Brunnenrohr auf, das aus einem Mundloch den klaren Strahl ergießt. Die geringe Haltbarkeit der Hohrohre hat dazu geführt, daß man oft ein dünnes Eisenroh. über den Trog gebogen hat, was leider sehr geschmacklos wirkt und mit dem massigen Steinblocke schlecht harmoniert. Da der Lorn auch im Winter seine Dienste tun muß, ist er meist mit einem spitzen Dache überdeckt, und im Erzgebirge trifft man ost richüge Brunnenstuben. Es ist kein gutes Zeichen für unsere Kit, daß sogar diese »Bornhäusel" verschlossen wer- de»; dam früher kühlten die Schüsseln mit R^hm hier und schwammen die „Butterweck!" im Wasser, und es war kein Schloß am Tünche». Aber der Bauer brauchte nicht zu zäh len; dem» es stimmte olles noch, »nenn ers wieder holte, um die Ware auf den Markt zu bringe«. Wenn der müde Wanderer plötzlich bei einer Wegbie gung das muntere Plätschern eines Bornes vernimmt, dann erfüllt schon neue Kraft die matten Glieder. Der beste Wein schmeckt nicht so wie das Wasser, was hier aus moosbewach senem Felsen quillt, und wenn er sich auf die alte Steinbank davor zür kurzen Rast niederläßt, dann empfindet er, was für hohe Himmelsgabe das Wasser ist, daher mahnt an sol chen Quellen jenseits der Grenze oft ein Marienbild den Wanderer, für diese Gabe Gott zu danken. Brunnen sind alt, haben viele Geschlechter kommen und gehen sehen und plaudern immer noch in jugendfrischem Uebermute. Ich sah in Thüringen einen Born, der rieselte, ehe Menschen dort wohnten. Dann kamen sie, faßten ihn in Stein und bauten ein Dors. Frauen und Mädchen holten täglich in irdenen Krügen von ihm das Wasser in die Häuser. Und jetzt? Das Dorf ist längst verschwunden, nur Sagen berichten noch von ihm. Hoher Buchenwald hat die letzten Spuren menschlicher Niederlassungen in seinem Laubgrunde verwischt, aber der Born rieselt wie vor Hunderten von Jahren, und wer in Hel len Mondnächten leise hinzutritt, wenn der klare Strahl wie flüssiges Silber aus dem Felsen in das bemooste Becken springt, der vernimmt aus dem Plätschern und Murmeln Stimmen, die ihm von alter längst vergangener Zeit erzäh- len. Leise wie im Traums wiegt das Farnkraut am Sieine mit seinen zarten Wedeln, und aus dem Wasser klingt's wie längst verhallter Glockenton. Die Kirche zu Waltirsche. Bon Fr. Beruh. Störzner. Wer von den freundlichen Lesern einmal die Strecke von Bodenbach bis Aussig mit dem Dampfschiff zurückgelegt hat, der wird sich gewiß an dem herrlichen Landschaftsbilde erfreut haben, das Waltirsche mit seiner auf der Höhe thro nenden Kirche bietet. Wieder und immer wieder wird ers angeschaut haben, bis es zuletzt vor seinen Blicken ent schwand. Die Kirche wird von der Sage lieblich umrankt. Ueber ihre Entstehung erzählt sie uns folgendes: Der Ritter Heinrich v. Salhausen, Herr auf Großpriesen und Schwaden, war mit seinem jüngeren Bruder Friedrich, Herr in Tetschen, wegen einer Erbschaft verfeindet. Ein Zweikampf sollte entscheiden, und so wurden Tag und Stunde hierzu festgesetzt. Der Tag der Entscheidung kam. Frühzeitig sand sich der Ritter Heinrich dort ein. Friedrich, dessen Weg ein wei terer war, l»eß freilich lange auf sich warten. Stunden ver gingen. Heiß brannte die Sonne nieder. Eine drückende Schwüle lag über dem Elbtals. Heinrich ließ sich im Schat ten eines Baumes nieder. Bald übermannte ihn die Müdig keit, und er schlief ein. Unterdessen kam Friedrich von Tet schen. Er steigt vom Roß und bindet es an einen Baum. Nun begibt er sich nach dem Kampfplatz. Da erblickt er sei nen schlafenden Bruder, der ihn so furchtbar haßt. Wie, wenn er ihn jetzt mit dem Schwert durchbohrte? Doch das wäre ja feig und nicht edel, einen Wehrlosen zu töten. Er schleicht sich aber an seinen Bruder mit leisen Schritten heran, nimmt dessen Lanze und Schwert an sich. Dann weckt er ihn. Erschrocken springt Heinrich auf und sieht, wie er völlig wehrlos seinem Bruder gegenübersteht. Friedrich aber blickt ihn freundlich an und mahnt zum Frieden. Durch solchen Edelmut Friedrichs beschämt und tief gerührt, reicht er ihm zur Versöhnung die Hand. Die Bruderliebe ist plötz lich neu erwacht. Sie umarmen sich und geloben, hier an dieser Stätte zur bleibenden Erinnerung und als Dankes- zeichen ein Kirchlein zu erbauen. Ihr Gelübde brachten sie auch alsbald zur Ausführung. Auf der zum Kampfplatze gewählten Stätte erhob sich nach kurzer Zeit ein schmuckes Gotteshaus, das weit ins Elbtal grüßt. Die Lanzen, mit denen die Brüder den Kampf führen wollten, wurden zum Andenken in der Kirche aufbewahrt. Eine von ihnen ist noch heute erhalten und zählt mit zu den Denkwürdigkeiten der Waltirscher Kirche. Die andere ist im Laufe der Jahre ver lorengegangen. Druck und Berlag von Friedrich May, m. b. verantwortlich für die Schriftleitou- Max Fiederer. täattlich tn Bisthofrwerda.