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» r il « u t. >, Nr. 23. Donnerstag» 29. Januar 1914. 9. Zahrgang. * Dies« Nummer umfaßt 8 Setten. Das Wichtigste vom Tage. Der Kaiser empfing gestern den Retchskan-ler von Bethmann Hollweg -um Vortrag«. »taatSsekvetär Zorn van «»lach gab die ErN-rung ab, Vie retchblLnvtsche Gesamtre-ternn- habe «tS den Taben»« B-rfitlln» khre K-nseqn««» -en gezogen, Vach fei Vie Entscheidung noch nicht «folgt.*) O Die Leitung der hannoverschen Welsenpartei beschloß «ine bedeutsam« Ausdehnung ihr« Organisation und Agitation») * Im Zusammenhang mit der Erklärung des Kar dinal-Fürstbt schoss Kopp hat der fürst, bischöfliche Konststvrialrat, Geh. Justizrat Dr. Posch, sein Amt niedergelegt. * Beim französischen Krieg-Ministerium ist ein höherer Rat für da- Flugwesen einge richtet, der ebenfalls dem Kriegsminister unter steht. * Der Schiedsgericht-Vertrag -Wischen England und Spanien ist auf fünf Jahr« verlängert worden. 1 UI»««» fl«y« a, -ndrrrr Stell«. Neue Wirren in Portugal. *0? In der Nacht MM Dienstag ist, wie Wir bereits telegraphisch meldeten, in Lissabon wieder einmal eine jener schweren Krisen akut geworden, die seit der Abwandlung dieses temperamentvollen Staatsgebildes «in eine Republik in häufiger Folge die Entwicklung de» portugiesischen Bolles so sehr gehemmt und unterbunden haben. Blut ist ge flossen, neue Unruhen stehen bevor, der Belagerungszustand wird erklärt werden müssen. Sieht man der Entwicklung der Dinge aus den Grund, so muß man zugeben, daß auf der einen Seite zu weitgehende syichllallstische Bewegungen, aus der anderen Seite sitz gewisses Widerstreben dis radi kalen Versprechungen, die man beim Eintritt ins neue Regiment gegeben hatte, zu erfüllen, die neueste Phase heraufbeschworen haben. Was man von der Verfassung und ihren Ausführungsgesetzen in Portugal zu halten hat, wußte man ja eigentlich schon lang« nicht mehr, da die fortwähren den staatsuMwätzewden Umtriebe der verschiedensten Rlich- tungen in diesem unglücklichen Lande immer wieder dikta torische Maßnahmen, w ie sie in der ostmaligen Verkündigung de» Belagerungszustandes in die Erscheinung getreten« find, notwendig machten. Im übrigen hat ja die ausgedehnt« Nachrtchten-ensur der politischen Behörden Portugal» dazu beigetragen, daß da» Ausland eine ziemlich verwirrte Vor stellung von den Vorgängen dortselbst bekam. Da» schwie rigste Moment Vürst« nach der Demission E ast o» darin zu suchen sein, daß e» in Portugal zur Seit an Mpmnern fehlt, di« sich übe r da» Part etget riebe erheben und so die beinahe an den Bürgerkrieg grenzenden Gegensätze zwischen der augenblicklichen Regierungspartei und der starken Oppo sition hemmen könnten. Bedenkt mam, daß fortwährend« monarchistisch« Putsche, für die immer wieder neue Geldmittel vorhanden zu sein scheinen, einerseits, nich die ebenso planmäßig in» Merck gefetzten Arbeite rkämpfe anderseits, die Politik « wer mittleren Linie fast -ur Un möglichkeit machen, und daß terroristische Ueberwvchung, di« die einzelnen Gruppen gegeneinander üben, da» Vertrauen zu einer stabilisierenden Gewalt erschüttert halben, iso sieht man wohl ein, daß man Mr die nächste Zunkunft, falls nicht im letzten Augenblick der starke Mann Mr das Etaatrruder gefunden wich, keine Vorhersage machen kann. Da Portugal durch seinen ziemlich vollständigen außerpokttilfchen Anschluß an England keinem Anreiz zum inneren Zusammenschluß gegen auswärtige Gefahren erhalten dürfte, wird wohl der Parteizwist, der die Wohlfahrt Portugal» schon bi» aufs äußerste gefährdet hat, wie «in unheilvoller Brand aus- toben müssen. Es soll nicht wundern, wenn bei den unge klärten Verhältnissen der Republik nun auch wiieder die An hänger de» Exkönigs Manuel durch einen großzügig ver- suchten Putsch die Lage völlig ausnutzen. Das Eine läßt sich sagen, politisch werden, soweit Nicht eine Stärkung der Oppofitionseüoment« im Spanien in Betracht kommt, di« Vorgänge in Portugal kaum irgendwelche Bedeutung Mr die europäische Politik haben, nicht einmal wirtschaft lich, denn wie die Dinge liegen weih man seit langem, daß mit ruhigen Entwicklungszuftänden dort ähnlich wie im Mexiko, wo man ja auch nicht minder heißblütig ist, nicht mehr zu rechnen ist. Die wirtschaftliche Organisation aer Gegenwart. (Don unserem Berliner Mitarbeiter). Wenn nicht alle Zeichen trügen!, sind wir gegenwärtig an einem kritischen Punkt in der Entwicklung unserer wirt schaftlichen Organisationen angcLommen. Es scheint Näm- lich, als ob ein gewisser Höhepunkt in der Ausdehnung so wohl bei den Arbeiterorganisationen wie auch Unternehmer- orgamisationen bald erreicht würde. Die Arbeiters«. werkfchaften Hadem nämlich ähnlich wie die sozial« demokratische Partei den Stillstand ihrer WerbeckrNst mit der schlechten Wirtschaftslage vor sich und anderen zu ent schuldigen versucht. Diese Entschuldigung dürfte ober beim Eintritt besserer Zeiten sich nicht al» stichhaltig erweisen. Denn man w rd auch dann noch mit einem -ieMlichen Still stand der Gewerkschaftsbewegung rechnen dürfen. Der Grund Mr dies« liegt nämlich tiefer. Wte die Sozialdemo kratie, so haben auch die Gewerkschaften durch ihr« inten» fve Agitation allmählich die Zahl aller deren erreicht, di« fü- sie in Betracht kommen. Da» sind solch» Arbeiter, - starkes SolidaritätsgeMhl mit Opferwilligkeit ver binden. Auch solche gehören hierher, deren besondere» Inte« r sie mir d.-r allgemeinen Lag« der Arbeiterschaft völlig zusammenfällt, oder die deren leidenschaftlich« Tempera« ment Verlangen nach großen Aktionen gegenüber dem Unter- n hmertum in sich trägt. Freilich sind di« letzteren auch schon wieder vielfach mit der gewerkschaftlichen Taktik un-u- irieden, weil sie ihnen nicht kampfilustfig genug ist. Sie bröckelln deshalb ebenso nach links hin ah, wie nach rechts hin andere Gruppen abbröckeln oder gar nicht zu ge winnen sind, denen teils das SolidaritätsgeMhl, teil» di« Opferwilligkeit fehlt, wozu dann noch zahlreiche Arbeiter kommen, di« besonderer Vorteile wegen sich auf keinen Kampf gegen das Unternehmertum einlassen wollen. So bleibt für de Agitationsarbeit der Gerwerkschafften kein neuer fruchtbarer Boden mehr übrig. Sie haben, wie all« politischen Organismen, eine natürliche Grenze ihre» Wachs tum», und die schckirt annähernd jetzt erreicht zu fein. Lei den Unternehmerorganisationen si«ht e» aber auch nicht viel anders aus. Womöglich noch gründlicher al» auf der Arbeitevseite ist da alles in Syndikate und Kartelle hereingäholt, was nur irgend Mr sie in Betracht komnck. Noch härter, wie die Arbeiter, haben diese llnternehmerver- Lände Mit den Sonderimteressen der Einzelnen zu schaffen gehabt. Aber auch Lei ihnen hat es schließlich da» gemein same Interesse an der allgemeinen Marktlage soweit durch- gefetzt, daß nur noch geringere Gruppen außerhalb der Organisationen geblieben find, van deren Erfolgen sie trotz dem Nutzen Mr sich selbst Lehen. Die nächste Folge dieser fast vollendeten Durchorgani sierung der Leiden feindlichen Jnteressenparteten ist «in wachsender Terrorismus«. E» ist kein Zufall, daß die Klagen über ihn sich eben jetzt zu häufen beginnen. Weil man auf dem schlechteren Boden, den die Agitation nunmehr erreicht hat, schlechter vorwärts kommt und teil, wäise mit mehr Kosten als Gewinn arbeitet, reißt vielfach di« Geduld; da sollen dann Gewaltmittel bewirken, was die UeberzeugungSkraft nicht mehr zu leisten vermag. Die Unternehmerverbände unterbinden nach MögllchkÄt den Außenseitern den Bezug von Rohmaterial und suchen über haupt den ganzen Geschäftsverkehr in ihren Syndikaten zu der > Ge- Nitter Schachzabel. Eine heitere Geschichte von Alwin Römer. tNacb^' rl erd« Das waren zwei alte Hähne, die gern rin großes kräh von sich machten und sich wichtig taten als Höhenmen» schen mit «eiten Horizonten und schimmernden Idealen. Der Apotheker Meinhard Schachzabel nämlich, und stein Freund, der Baumeister Anton Mierlisch In Wirklichkeit waren sie Köpfe, d'e den Schein nahmen und Mr ihr liebes Ich und dessen Beweihräucherung jederzeit in rühr-nder Sorgfalt bedacht waren. Der Apotheker litt leit einiger Zeit an Kreuzschmerzen. Aber si« waren leider nicht von j«n«r Art, die man ntt Einreibungen von Franzbranntwein oder Kanchherspiritu» zu mildern vermag. Sie hatten ihr«n Sitz im Rockkragen, und -war vorn link» im Knopfloch Seit der Sanitätsrat Meyer Mr sine zufällige Hilfe b?i einem Auto. mobtl-UEall durchreisender Fürstlichleiten da» Qffizierkreuz vom grünen Specht ergat'ert hatte, bohrt« in de» Apoth kers ehrsüchtiger Seele «in Wurm, der ihm auch nacht» nicht Ruhe ließ. Und er sann und sann, was er wohl ontstellem könne, den Meyerschen Grünspecht durch einen blauen Falken oder roten Kranich zu übertrumpfen. Jedesmal wenn der Sanitäter« in seiner Offizin aufiaucht«, um irgendeine An weisung zu geben, und er au» dessen »Knopfloch da» dezent angebrachte grün-gelbe Oidenebändchrn herauekuqen >h. bekam er einen richtigen Schwächmnfiall vor Neid, und es MeL ihm, auch wenn er wegsah, »noch eine ganze Weil? grün und gelb vor den Augen. Du mußt etwas erfinden, was unseres allergniidigsten Lande«h"rrn Aufmerksamkeit «r-«pit. was ihm Fr«ude macht, was ?r selbst anwenden kann! r'e ihm sein Freuvd Mersch, der vom Redne'- und Dichter, toller besessen war. Da» ist l sicht gesagt! Mer ich b'n nicht du! Dir fällt alle Augenblicke etwas «in. Mir nicht! klagte der Apotheker. Alles Uebung, lieber Freund! b. merkte schmeichelt der Baumeister, dem e» schon lang nicht mehr «inftei, sich etwa» einfallen zu lassen. Gr hatte auf seinem Bureau einem alten Schreiber, von dessen Gehirn er schon seit manchem Jahr sorglos profitierte, ohne sich da« für groß« Enffchädigungslosten aufzuerlogow. Zudem hatte er das SchreiLevlein in der Hand. Lange nach seiner An stellung im Bureau war es ihm zugetragen worden, daß der Arme einmal eine Strafe verbüßt hatte. Er brauchte diesen wunden Puykt seiiner Vergangenheit nur zu berühren, und der Ausdruck einer drückenden Angst glitt Über des Schreiber lein» Züge, um nachher freilich, wenn er sich unbeobachtet wußte der Miene drohenden Hasses Platz zu machen. Dieses alte Arbeitstier verfaßte in säi-nen Mußestunden nicht nur die Reden ^seines Chefs, die er zu hatten Pflegte, er feilte ihm auch seine ungelenkigen und oft unklugen Reimereien zurecht, so daß aus den närrischen Bruchstücken zuletzt ganz vernünftig«, auf glatten Versfüßen dahinwandelnde All täglichkeiten wurde. Denn ein Genia, das aus Schlacken Gold M hämmern gewußt hätte, war Andre» Mfebein auch nicht I Wie wär'», setzte der Baumeister nach kuvzer Usber« legung sein Gespräch mit dem Freunde fort, wenn du «in neues Mundwasser brautest und auf den Namen einer un serer Prim-eGirnen tauftest? Kein Geschäft! entgegnete flau der andere, da» kostet u viel RMamel — So mische »'nen meuen Likör! — So k la. Kurfürstlichen Magenbitter? — Gan- recht! — Hm. .ich weide es mir überlegen! . ., Richtig, auf dem Geburtstagstisch Ihrer Durchbaucht, der Schwester des ragierenden Herzogs von Traumburg. Sägeknast, der böse Zungen eine Nein? Vorliebe Mr aller, lei stärkende Kräu^r-Extrakte nechfagten, fand sich auch ein prächtig-r Korb, au» dem, in ein duftig"» Bl'imenlager ge bettet, lech» fein etikettiert" wohlgeform e F'äMein b nk. ten Eine goldfarben« FWsigko ' gluckst« vrrb« ßung-voll dinin und auf den Etiketten stand in zievl.chem Go'ddvuck ?u l<f n: geruhte sie gnädig, di« gutgemeinte Gabe entgegenzunehmen und auch gegen die etwas eigenmächtige Namensgebung de» neuen Lebsnvelixiers Echt» einzuwenden. Auch der Herr Hofmarschall, der in dieser Art nicht ungern mcdizierte, er hielt zur Prüfung einen hübschen Vorrat. Und dann lam der große Tag, an dem Schachzabel» leeres, blinde», tote» Knopfloch geschmückt und der erste Anfall seiner Kreugschmer- zen dadurch gehoben wurde. Me Erfahrung zuverlässiger Beobachter lehrt, daß bei dieser Krankheit allerdings Rück fälle mit totstchever Gewißheit stattfinden und meist schlimm«« auftreten als der erste Anfall. Zunächst aber schwamm Meinhard Schachzabel in Wonne, und seine heimlich ge hegte Absicht, die ebenso schöne wie begütert« Stiefschwester seines Freundes Mersch durch eiinen Heiratsantrag zu über rumpeln, schoß heftig in» Kraut. Konnte er doch der jungen Wtiwe Hoffnung machen, sie dadurch alsbald -ur Fratz -«ist rättn zu erheben, da der Hofmarschall, durch da» neue Leben». Elixier wunderbar angeregt, ihm seine gewich-sge Befür wortung zugesagt hatte! Baumeister Mersch beschäftigte allerdings einen jungen, gescheiten und l«ben»lusttzen Archi tekten, den nur sein« Armut bisher verhindert hatt< ein« gleiche Attacke zu wagen. Auch fand er leider Gotte» nur höchst selten Gelegenhett, sich der hübschen jungen Frau zu näheren, da sein Brotherr Vie Erweiterung de» Familien kreises durch unbegüterte Zettgenossen nicht Mr ratsam hielt, einer Ehe Annelöre» mit seinem Freunde Schachgabel da- g'gon unter Berücksichtigung künftiger Erbmögltchlckken überaus sympathisch gegenüberstand. Poller Mißmut kgm der Architekt «Ine» Morgen» in, Bureau, um sich van An drea -Nebeln, dem Schreiber, Vd Kopi« einer Vorflag« «in- Mfoidern. ver brave Andre» mit der dunklen Vergangen heit verbarg bei seinam Nahm irgendein Geschreibsel unter dem großen Löschblatt, so daß er aufmerksam wurde Wau treibe-, Sie denn da, Htlsebein? forschte «r ungchalten und zog ihm da« Blatt unter dem LSschpapier hervor, wie,? Verse? Jetzt, während der Dienstftunden? St« find ja wohl ganz von Gott verlassen? Der Schreiber guckte di« Achseln, wodurch sein pfiffiger Kopf nach viel tiefer zwischen die Schultern sank. Er hatte soeben «in drohend« Donner- wett« d« Baumeister« Üb« sich ergchen lassen Müsstn und Thorgard-Tbau Apoth-ker Schachtbo's Lebenselixier mlavm eng stellt ave betlkräft'gcn Kräuter - Essenzen Herzoglich Traumburg. Säqekwastschen Waldungen. GesHl ch geschützt. Durchlaucht Prtngcksstn Thorgaid hatte zwar etwas -wie- kpälttge Empfindungen beim ersten Anblick dieser -ul- digung. Aber da der Herzog, der den Thovgard-Thau -Nr eine Art Medizin hielt, sich keinerlei Anspielungen erlaubte,