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m»«-l Freitag» 23. Zanuar 1914. 9. Zahrgang. Nr. 18. /luer Tageblatt EMM Anzeiger M das Erzgebirge S mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Mer Sonntagsbla«. epttchstua», »n Ne0akN»n »It Ausnahme See Esnntage nachmittag» 4—S Uhr. — r,ligramm.^dnss», Lagiblatt stuemMtleg,. ft»«s>»eh«, «. W«,-MW L'W »ar ««»«langt ttngefan-t. Manuskript, kann vmüh» nicht geleistet «»tLea. »LWWLM-tMk Dies« Nummer umfaß» 8 Seiten. S0>MMMMWWW«W»^SS»S«eSSSSSH»SS>MM^WS!SSSSWWMWMMGM>M Das Wichtigste vom Tage. Der Sentorenkonvent de« Reichstage» beschloß, di« Zaberninterpellation am heutt-snyrei- tag aus die Tagesordnung zu setzen.*) * Der deutsch« Reichsausschutz sür Olympische Spiele richtete wegen der Ablehnung de» RetchSbettrageS durch den Reichstag «ine Eingabe an den Reichskanzler. * Der Oberpräsident der Provinz Branden, bürg, Wirklicher Geheimer Rat Alfred von Conrad, ist, 61 Jahre alt, in Ostedaletti an der Riv'.era g stor b. n. * Die Einigung der Prinzessin Luise von Ko bürg mit ihren Gläubigern wird nunm.hr of fiziell bestätigt. * Aus Anlaß des Jahrestages der Demonstrationen von 1905 traten in Petersburg und Riga fast sämtliche Fabrikarbeiter in den Aus. stand. Prinz Carol von Rumänien wurde gestern in Berlin als Oberleutnant im 1. Gardere- gim ent zu Fuß eingestellt. »t NLHrre« st,h« an anderer Mell«. WeltkreMt unä Weltarbeit Schulden^ machen ist im Allgemeinen keine feine Sache. Aber in unserer Zeit der Krediiwirischaft ists trotz dem zu einer Alltäglichkeit geworden!. Und an ma^chcr Stelle ist di« Grenze zwischen solidem und unsoliden' Schuldenmachen recht schwer zu ziehen. Wer sich über sein-. Schulden Sorgen macht, der kann sich schließlich mit der ganzen Well t osten. Denn Schulden, gibt» überall. Die Gemeinden machen Schulden, die Staaten machen Schulden, die a l t« n Erdteile, die neuen Erdteil«, sie all« tuns um die Wette. Das Bureau für Wöllstalistik in Ani- werpen veröffentlich soeben recht interessant« Zahlen zu diesem Thema. Danach lasten allein an Staatsschulden aut unserem kleinen Planeten rund 215 Milliarden. Um wie viel würde diese Summe noch wachsen, wenn man auch die Gemeinde- und die Primaten Schulden noch hinzurechnen könnte! Früher pflegte man nur von der Schuldenlast der Sünden zu reden, die aus der Menschheit liege. Es ent spricht ganA dem besonderen^ Charakter unseres wirtschaftlich gerichteten Zeitalters, daß man die statistisch nicht zu er. fassende Sündenlast jetzt durch di« genau zu berechnende Ftnanzschuldenlast ersetzt. Europa ist unter allen Erd teilen dabei seinem Alter entsprechend der schuldigste Teil, d«nn es trägt von der Schuldenlast der Erde trotz seiner Kleinheit für sich allein ISO Milliarden Staat schuld«». Europa ist freilich auch in der Kultur am wei testen voraus, und, wie «s scheint, gehört — wenigsten» für die Staaten — neben der vielgenannten Seife auch da» Schuldenmachen zu den Gradmessern für di« Höhe der Ml- tur. Don diesem Gesichtspunkt aus hätte man Grund zu der optimistischen Betrachtung, daß Erd« und Menschheit im Laufe des letzten Jahrhundert» an Kultur gewaltig -uge- nommen haben, denn vor hundert Jahren betrugen die Staatsschulden der ganzen Erde nur erst 3p Milliarden. Tin anständiger Zuwachs, tn der für historische Maßstäbe so kurzen Zeit! Glücklichemoers« prägt sich da» Wachstum der Kultur auch noch in anderen Zahlen al« denen dar Staatsschulden au». So hoben sich die Eisenbahnen, die noch nicht einmal ein Jahrhundert alt sind, über eine Million Kilo meter ausgedehnt. Hier steht nun Europa trotz seines Alters schon nicht mehr an der Spitze. Das junge, eifrige Amerika hat es mit seinen 550000 kw überflügelt, Europa kann nur 357 00— tcw dagegensetzen. Wieviel an Kulturarbeit in den übrigen Koninonten noch zu leisten ist, wie wenig erschlossen für moderne Ausbeutung Asien, Afrika und Australien noch sind, zeigen die Zahlen von 90000 und j« SO OVÜ lern Eisenbahnlänge für diese Kontinente. Ergänzt werd«» diese eisernen Verkehrslinien aus dem Lande durch die feuchten Bohnen der Schiffe. Ss fahren zur Zeit 55000 Se^er und 48000 Dampfschiffe auf den Wagen der Otzeane umher, wobei freilich der Raum gehalt der Dampfschiff« sechsmal so groß ist als der der Segler. Beide Verkehrsmittel, Bahnen wie Schisse, dienen dem Welthandel, der inzwischen di« Höhe von über 200 Milliarden erreicht hat. Er hat im Laus« nur eines Jahres um 16 Milliarden zugenommen. Alle diese Zahlen zeigen die fortschreitende Kultur der Menschheit von der positiven Seite. Sie sind ein Ausdruck sür die rastlose Arbeit, für das emsige Hin und Her der Menschen auf der Oberfläche unseres Planeten, der immer lückenloser mit einer dichten iKultuvschicht überzogen werden soll. Diese Zjahlen derArb« it rücken denn auch di« Zahlen der Schulden in eine etwa» freundlicher« Beleuchtung. Eie machen aus den Schulden wirklich nur Kredit. Wid da» ist «in gesunder Kredit, hinter dem so tatkräftige und «rfolg-eiche Arbei' steht. Mögen drum di« Pessimisten aus die Welt schelten: Wir wollen st« doch lieber gölten lassen. Dies nurg a>r- liißlich der neuen 350 Milliaiden-Anleihe, die der preußische Staat soeben aufnimmt, und anläßlich der vielen anderen gleichzeitig aiMenommenrn oder vorbereiteten großen An leihen deutscher Bundcsstarten und Sta^Drrwa!tun,grn be sonder» ausgesprochen werdsn. Bedeutet doch der Kredit, den st« tn Anspruch nehmen, nur den guten Willen, rastlos weiter zu schaffen, um durch immer neue Kulturwert«, durch immer »seiter« Ausbreitung d„ Kultur di« Mittel für die Abiragung jener Verpflichtungen zu gewinnen. Und wachsen dabei nach Erledigung der alten wieder neue Vers Pflichtungen auf, so ist das eben da» ewig« Wechselspiel, da» Fortschreiten bedeutet. E» gibt keine Aufgabe, bet der die Welt stehen bleibew will. Sie löst die einen nur, um sich anderen, höheren, -»wenden zu können. Der Petttionssturm äer Beamten. Don einemParlamentarierwirddemAuerTagv» blatt geschrieben: Die Verhandlung der UudgetkommWon über die generelle Behandlung von Beamtenpetitionen im Reichstag verdient aufmerksamste Beachtung aller Beamten. Es wurde dort von einem Zentrumsmitglied sestgestellt, daß der Petitionssturm der Beamten auf die einzelnen Abge ordneten und das Parlament «ine Stärke angenommen habe, die nachtzrade unerträglich geworden fei. Nicht nur di« schwer» Arbeitsbelastung, die dadurch den einzelnen Volksvertretern -Ufalle, sondern auch die Unmöglichkeit ruhigen sachlicher Nachprüfung aller der Hunderte von Bitt schriften mache «in« Aenderung de» jetzt üblichen System» notwendig. Entweder solle man verlangen, datz all« Peti tionen zunächst den Instanzenweg der Behörden erschöpft hätten, «he ste den Reichstag ernsthaft beschäftigten, oder man solle sich grundsätzlich darauf beschränken, die Peti tionen dem Reich^anzler lediglich als Material -u überweisen. In der lebhaften Aussprache über diese An, vsgung wurden di« Klagen über Ueberlastung durch Beamten petitionen von Abgeordneten aller Parteien und von den Rossortchöfs der Reichsämter bestätigt. E» gab auch «tn luftige, gegenseitiges Beschuldigen zwischen Reichstag und Liohöchon über di« Ursachen des bedauerlichen An schwellens der Bittschriften, von den liberalen und sozial demokratischen Abgeordneten wurde die ost wenig rücksichts voll« Behandlung von Beamtenwünschen im behördlichen Instanzenweg! äks Urgrund der massenhaften Petitionen an den Reichstag hingestellt. Der Staatssekretär der Reichs- postveiwaltung dagegen sah die Ursache der vorgebrachten Klag« in dem allzu entgegenkommenden Verhalten der Bud- getkor.Misston und einzelner Abgeordneten gegenüber Be» amtenwünschen und befahl das württembergische Verhalten zur Nachahmung, erst die Entscheidung der Behörden abzu warten, «he man Stellung zu den einzelnen Petitionen nehne. Es wurden dann auch noch Vorschläge erörtert, nach denen alle Beamten- und Staatsarbeiterpetitionen «irr fach der Petit-iomsöomMWon Überwiesen oder durch be sondere Beamtenausschüsse überprüft werden nöchten, öhe der Reichstag Entscheidungen treffe. Allein regen alle Vorschläge echoLsn sich so r:tisHafte Bedenken, v»>U<UM«!Wk!I! >!! I I»IMM»M»MMMWM»MWMMWM»WWWWWWWWWWL« » MU- .MI Don äer Schminke. Nachdiuit »»erbo « . Dor Rindfleisch ohne Sens, einem eingebildeten Diener und einem Weibe, das sich schminkt, behüte uns in, Gnaden, du lieber Himmelsvater! Dieser Stohseufze'' wurde wäh rend der Regierung Karl» II. in England viel gehört. Bo kanntlich ist es der B- -us des Weibes schön zu sein. Leider versagt die Natur zuweilen hierbei, dann muß di« Kunst rettend einspringon. So zählt die Schminke zu den unent behrlichsten Toiletterequisiten der eleganten Damen, die mit ihren körperlichen Reizen den Mann zu fesseln wünschen. Schon imgrauqnAltertum bediente sich das -arte Ge schlecht der verschönenden Pasten. Europa, eine Toch er Agenors, stahl nach der Sage der Juno di« Schminkbllch'e da ste in Erfahrung gebracht hatte, datz die Göttin Mit dem Inhalte des Gefäßes da« bezaubernde Rot ihrer Wan gen aufzufrischen pflegte. Im alten Ninive war ein Schmink- vetahren gebräuchlich, da» dem Emaillieren sehr nahe kommt. Aufgefundene Rezept« verrieten, daß zunächst di« Haut sorgfältig mit Bimsstein obgerirben und geglättet wu-de, bevor man ste gleichmäßig mit einer dicken Schicht weißer Farbe bedeckte. Daß di« Vegqptrrinnen gleichfalls da« Gesicht schminkten, offenbart« «in interessante- Fund den dänisch« Forscher in Theben machten. Bei einer Aus grabung stießen st« auf ein Totlettenkästchen, da» eine ganz« Anzahl Fläschchen mit PaMmerien und anderen Schön- hettsmtttelchen enthielt. — Auch in der Bibel wird die sltte de» Schminken» mehrfach erwähnt, so Jeremias i, 30, nnd Hesekiel 23, 4V. Ferne- heißt «s 2. Röntge S, 30: Da Jesu «en Israel kam, und Jesabek das erfuhr, schmückte st« in Angesich» und schminkte ihr Haupt. . . Obgleich die vornehmen Römerinnen ihre -aut ängst lich vor den Strahlen der Sonne schützten, konnten st, es doch nicht verhindern, daß ihr Teint eine dunkler«, bräunliche Färbung annahm, wie di« schaffenden Sklavinnen wollten aber di« stolzen Frauen nicht aussehen, deshalb griffen st« »"m Vleiwettz, um sich die «»wünschte Bläss» anzuschminken. Lidl« zeitgenössisch, SchvifWll« Wdsln sroimüti« dich. Praxis, besonders erzürnt scheint Lvid gewesen zu sein, ver- steigt er sich doch einmal sogar zu dem Ausbruch, daß Weiber, die ihr wahre» Angesicht verbergen, streng bestraft weiden sollten. — Plinius ve-hält sich wohlwollender. Er schreibt in einem seiner Brief«, daß die Frauen in Riom nachts «inen Umschlag aus einer Mischung von Gerstenmehl, Eiern«, Wein hef« und Narcissenzwiebekn tragen, um sich die Frische der 5>aut reckt lange zu erhalten, mit Zinnober ab-n betupen sie vorsichtig Lippen und Mangen. Poppäa Sabina, die hochmütige Gemahlin des thoat alischen Kaisers Nero, die in steter Furcht lebte, daß ihr Gebieter sie einmal beseitigen würde, wenn er «ine Schönere fände, stellte eine Gesichts salbe Mammen (bekannt unter dem Namen Poppaeanum), die «in ewigjuge-rdliches Aussehen garantieren sollte. Unter den Lebedamen, die sich am Hof« Hadrians herumtrieben hat « Divina Pulcheria die meisten Ve «ihrer aufzuweisen Nr Haar, berichtet Manilius, gleicht den goldenen Strahlen der Sonn«, ihre Augen sind dunkel wie di« Tiefe eines ge heimnisvollen Kratersees, ihre Lippen küß'« die Schönheits göttin selbst und verlieh ihnen damit den Glanz lodernder Opfetflammen. Minder poetisch ließ« sich dies« Lobeshymne ve deutschen mit: Divina bestreute ihre gebleichten und ge- b-annte,. Locke.» mit Doldstaub, behandelte ihre Augen mi Atropin, Belladonna ufw. und pinselt« ihre Lippen mit einem stark Mrkendrn roten Farbstoff. Dem Satiriker Ju- venal wär« es «inmal fast schlecht ergangen, al» die vo-- nehmen Damen erfuhren, was «r über st« gesagt habe. De- Spö ter hatte nämlich bchauptet, daß dir unglückliche Ehe männer an der Schmink« festklebten, wenn sie ihre Gattinnen küßten. Dich« boshaft« Aeußrrung vrvursacht« «in« unge heure Erregung, di« sich erst «legt«, als Juoenal reumütig wider-ich. Auch im Mttt«lalt«r ^schminkte man sich ausgiebig Zwar heißt «» noch tm Nibelungenlied«, daß sich unter den Frauen <rn Rüdiger» -of nur wenige befänden, die ihr« Wangen färbten: doch wissen wir, datz schon hundert Jahr« später die Zahl der SchöhnheitchMen aus ungefähr 800 an- wuchs. Ein Gedicht mit humoristischem Einschlag spottet über dis Lorchsil des Schminkens und «Mit gloichzeft'^ ' folgendes: Die frommen Fratres, di« in den Klöstern di« Bildnisse der Heiligen anfertigten, sahen zu ihrem Entsetzen, baß die Modedamen die Malkunst noch besser verstanden,. Deshalb schickten sie an den liebem Gott eine Deputation mit d Bitte, den Frauen das Schminken ganz u.Ä> gar zu vc-bieten. Das weiblich« Geschlecht wie» jedoch nach datz das Malrecht der Damen weit älter sei, al» da» Privileg der Mönche, Heiligenbilder zu pinseln. Der Streit endet« mit einem Vergleich: die Frauen erhielten die Erlaubnis, sich bis zu ihrem 40. Lebensjahr zu schminken. Hieran knüpft der Dichter di« bissige Bemerkung, daß es seit diesem Schieds spruch gar keine Weiber mehr zu geben schein«, die «in höheres Alter erreichten. Katharina Eornaro verwendete wunderliche Ingredienzien für die Schönheitsfalben, di« sie in eichs-em Maße benutzte. Sie besoldete über «in Dutzend Studierte, di« direkt Spezialisten der Kosmetik ge nannt werden können. Der «ine bereitete Staub aus einer ro'en syrichen Wurzel, ein anderer feilte Grünspan, ein dritter -ästete Eierschalen und verrieb den Saft van Feigen mit frischer Eselsmilch ufw. Nebenbei sei gesagt, daß es schon damals Maui- und Pediküren gÄ, di« sowohl massierten, als auch die Wangen und den Hals ihrer Kundschaft mit pulverisiertem Glas abrieben, viele Schminken waren außerordentlich empfindlich gegen Sonnen licht: «» gehörte bah«" keineswegs zu dm Seltenheiten, daß französisch« Edeldamm um di« Mitt« des IS. Jahrhun dert» mit kleinen -albmasken au» schwarzem Samt auf dm Straßen erschienen. Begegnete ihnen der König, ko ent hülltem st« sich schleunigst da» Gesicht, «tn« Prodezur, die Noch den Berichten der Chronisten dem malizösen Heinrich IV. stet» «tn unbändig«» vergntlgen bereitet Haden soll, zumal bet dem hastigen Herunterreißen der Larven die oerwrn- deten Farbpasten sich oft unangenehm verwischten. — Hein- rtch III. von Frankreich, der sehr für alle« Wtibtsch« schwä-mte (er trug sogar Ohrring« und bediente sich gern eine» kunstvoll gearbeiteten kleinen Fächer»), schminkte sich täglich mehrmals eigenhändig. — Ninon d« Lenelo», jenes wunderbar« Fvauenwesen, wendete auch Eomnetioa an. es gelang ad« Leiv-m Mensch«» «der mit Bitte»», »»och durch