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Der Sächsische ErMer 2 -» R««»rr 2V4. SeuMlands Hrie-emKtteWafl 1S17. Staalsfekretär Mühlmaua spricht. Dor dem Untersuchungsausschuß des Reichstages für die Friedensmöglichkeiten, der am Mittwoch erneut zusam mentrat, waren Reichskanzler a. D. Dr. Michaeli» und Staatssekretär a. D. von Kahlmann als Zeugen erschienen. Letzterer äußerte sich zunächst über dieselben Fragen, die am Dienstaa Dr. Michaelis vorgelegt wurden. Da Kühlmann darüber bereits vor einem anderen Unter- suchunasauschuß ausführlich ausgesagt hat, traten wenig neue Momente hervor, von Küylmann erklärte u. a.: Legenden haben sich um die Papstnote vom Jahre 1917 ge rankt aber die Diskussion der damaligen Vorgänge in vol ler Oesfentlichkeit stoße noch aus diplomatische Schwierig keiten. Infolgedessen sei auch die Bewegungsfreiheit der damaligen Staatsmänner nur beschränkt. Die Friedens aussichten im Jahre 1917, die der heilige Stuhl durch seine Note bis. zu einer Berhandlungsmöglichkeit zu verdichten hoffte, haben am 26. August 1S17 endgültig ihr Ende ge funden. Nach der ganzen Situation D.u:s.l,Ia::ds habe er es für unbedingt notwendig gehalten, schnellstens zu einem ehren vollen und tragbaren Frieden zu kommen. Die politischen Vc.hältnisse Deutschlands seien schwierig gewesen. Es sei beschlossen worden, durch eine geeignete neutrale Per son l i ch k e i t, die insbesondere am englischen Hofe und bei der englischen Regierung eine besonders geachtete und ein flußreiche Stellung besessen habe, festzustellen, ob bei Eng land irgendwelche Friedensgeneigtheit bestünde. Dieser habe England verantwortlich sagen sollen, daß wir unter Umständen bereit seien, über Belgien zu verbandeln und die Souveränität und Integrität Belgien» bindend zuzusagen, wenn gewl": a-.dere Vorbedingungen auf der Gegenseite erfüllt werden würden. Nun seien aber wesentliche Teile der öffentlichen Meinung, die Marine ganz und die Oberste Heeresleituna im wesentlichen Maße Belgien gegenüber a.^ektionistisch eingestellt gewesen. Infolge der Machtfülle der Obersten Heeresleitung, mit der die Marineleitung im großen und ganzen konform gegangen sei, seien Kanzler und politische Leitung praktisch als eine Art Konkurrenz aufge- faßt worden. Der Kaiser habe gleichsam als Schiedsrichter im Sinne der politischen Leitung entschieden. Der Antrag der Reichsregierung im Kronrat habe gelautet: Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes möge bevollmächtigt werden, auf diskretem, aber sicherem .Wege sich darüber zu vergewissern, welche die Minimal forderungen der Westmächte in bezug auf Belgien sind und ob eine vorläufig von Regierung zu Regierung ver traulich gegebene oder bindende Erklärung über die zu künftige Gestaltung der Dinge in Belgien die Eröffnung der Friedensverhandlungen unmittelbar zur Folge haben würde. In einem Schriftwechsel habe der Feldmarschall die Be dingtheit der Zusage unterstrichen. Die Oberste Heereslei tung habe sich auch später absolut abweichend von den Be- Reichskanzler a. D. Dr. Michaelis. hlüssen des Krr. rates wieder auf annektionistische Pläne i'ge^llt. , Die Schritte de» neutralen Vertrauensmannes hät ten da» Fehlen feder Friedensbereitschaft aus der Gegenseite bestätigt. Er, Kühlmann, habe all« Pläne, deOReichstaa nach Hause zu jagen, und diktatorisch zu regieren, für Wahn sinn gehalten. Das Parlament habe damals schon einen ganz überragenden Einfluß besessen, als die Oberste Heeres leitung noch vorhanden war.- Auf Anregung des Zeugen gab der Vertreter des Aus wärtigen Amtes an, daß es einem diplomatischen Brauch entspreche, Dokumente, die während eines Krieges mit Neu tralen ausgetauscht worden seien, nur mit ihrer Tenehmi- gu zu veröffentlichen. Das Auswärtige Amt bittet, den ' Staatssekretär Dr. von Sühlmaan. Sommbe»d, den 18. Dezemder 1V2« Schriftwechsel mit der neutralen Macht auch weiterhin ver- traulich zu behandeln. von Kahlmann erklärt weiter, daß staatsrechtlich der Kanzler der Verantwortliche war. Vor der Ge- schichte sei er gern bereit, die volle Verantwortung für die gesamte Tätigkeit des Auswärtigen Amtes in jener Zeit zu übernehmen. England wußte, so erklärte von Kuhl mann, daß wir bereit waren, mit ihm über Belgien zu kon ferieren. Auch der Vatikan wußte das. Trotzdem nahm die englische Negierung unter dem Druck der französischen eine vollkommen ablehnende Stellung ein. Der Zeuge be tont die Notwendigkeit, gewisse Vorgänge geheim zu halten, audem Ausschuß gegenüber. Der Auftrag des neutralen Mittelmannes sei ganz präzise gewesen, die volle Souverä nität und Integrität Belgiens amtlich zuzusagen, wenn die Crgenseite erkläre, daß die Zusage Fnedensverhandlungen zur Folge habe, deren Voraussetzungen wiederum die Inte grität des deutschen Territoriums und des deutschen Han dels nach dem Kriege gewesen wäre.. Der Zentrumsabgeordnete Joos bedauerte, daß amb Erzberger von Kühlmann nicht informiert worden sei. Dazu erklärt von Kühlmann, daß es sehr merkwürdig wä -, wenn ein politisch so hochbegabter mit einem Infor- mationsapparat, der fast dem Auswärtigen Amt aleichkam, versehener Mann nicht früher um die Zusammenhänge ge- r ßt haben sollte. Damit war die Vernehmung von Kühlmanns beendet. Der Ausschuß wird Freitag seine Beratungen fortsetzen. Neues aus aller Wett. — Ein Henker gesucht. Dor einem Jahr wurde dl Ha milton in Kanada ein gewisser Joe Barty zum Tode verur teilt, weil er in brutaler Weise eine Frau ermordet hatte. Das Todesurteil konnte jedoch bisher nicht vollstreckt wer den, da sich im ganzen Lande kein Henker fand. Wohl stellte sich in letzter Zeit eine Frau als Henkerin, die aber von dem Sheriff abgelehnt wurde mit der Begründung, daß da» Henken kein Geschäft für Frauen sei. Schließlich wurde nun aber doch die Frau zugelassen, da sich niemand anders fand, der dem Verbrecher die Schlinge um den Hals werfen wollte. Also kann der Frauenmörder nun endgültig sein Testament machen. — lieber eine gestörte Trauung wird von der böhmi schen Grenze folgende tragikomische Geschichte gemeldet. Als in dem Orte Zettlitz bet Reichenbach ein junges Braut paar sich zur Trauung begab, erwartete vor der Kirche be reits eine frühere Geliebte des Bräutigams mit einem Kin derwagen, worin sich das Kindlein befand, das Paar. Die verlassene Geliebte und deren Mutter begrüßten den Bräu tigam durchaus nicht mit Schmeichelworten. Weiteren Ex zessen entzog sich das Paar durch schleunigen Eintritt in die Kirche. Beim Verlassen der Kirche benutzte das Paar' einen Seitenausgang der Kirche, doch auch hier hatte die Verlas sene Posten gefaßt und ging unter erneutem Schimpfen tät lich gegen da» Brautpaar vor, dem sie Salz in die Augen zu streuen versuchte. Infolgedessen mußte das Brautpaar die Flucht nach einem nahegelegenen Hause ergreifen, wohin die Verlassene ebenfalls folgte. Es kam zu einem Hand gemenge, dem erst fremde Leute durch energisches Eingrei fen ein Ende bereiteten. /V^edulb, du ungeheure- Wort! Wer dich erlebt, wer dich begrelst. Erlebt hinfort, begrelst hinfort. Die Gottheit schafft, wie Gottheit leist. Morgenstern. Die drei Brüder von Korff. Roman von O. von Haustein. Copyright 1925 by Karl Köhler L Co., Berlin-Zehlendorf. (8. Fortieftung.) «Nachdruck verboten.» Sie streckte ihm die Hand hin. „Machen Sie mein Kind glücklich. Wenn Harding ein verstanden ist —" „Frau Professor!" Elisabeth schüttelte den Kopf. „Mutter! Jetzt mußt du Mutter sagen!" Aber di« alte Dame überhob ihn der Verlegenheit. „Da muß ich gleich nach dem Essen sehen und eine Büchse Kompott aufmachen." „Du — Charlotte —" Der Professor eilte hinter seiner Frau her und da» Brautpaar war wieder allein. „Liebling — bin ich auch kein Verbrecher?" Sie zog ihn in den Sessel und setzte sich auf fein gesun des Knie. „Wieder die Torheit? Wäre es nicht besser, du gäbst mir endlich «inen Kuß?" Er preßte sie an sich. „Du! Du Liebe! Du einzig« du! Die ist es möglich, daß ich noch so glücklich werden soll!" Ein Rausch unendlicher Clücklichkeit überkam ihn und er küßt« sie — küßte sie in seiner jungen, überströmenden Liebe, in dem aufquellenden Jubel erfüllter Sehnsucht, und doch, wieder war es ihm so seierlich, so heilig ums Herz. „Wie soll ich dir je vergelten!" „Indem du mich lieb hast und nie wieder törichte Dinge sprichst. Und setzt wollen wir als gute Kameraden zusam menfitzen. Nun sage mir, wie wir unser Leben als gute Ka meraden ausbauen wollen." Hand in Hand faßen st« beieinander und al» die Mutter zum Essen rief — der Professor hatte merkwürdigerweise die ganze Zeit ober im Hau, und Garten umherzuhantieren ge habt — da fanden st» zwei junge Menschen, auf deren Ge sichtern das Glück lag und die Hoffnung, deren bleiche San- e«N von MSr Freude gerötet waren. Wicheenüüeßen saß in einem eleganten Zimmer der ' n Etage d« Hotel, Adlon der Senator DSHlermann K n: bürg in einem Klubsessel, während sei« Tochter - . -'m, mit sorgfältiger Vornehmheit gekleidete schlanke Brünette, vor dem Schreibtisch saß und nervös mit dem Federmesser spielte. „Also, Kind, ich war eben auf dem Oberbergamt. Wer ner wird diesen Vormittag seine Anstellung erholten." Sie runzelte die Stirn „Aks ' doch! Und du hast deinen Einfluß nicht aufge wendet?" „Nein, Kind. Ich habe auch erst daran gedacht. Werner in die Firma zu nehmen, aber das wäre töricht. Werner war Offizier und —" „Es sind mehr Offiziere jetzt froh, wenn sic Kaufleute werden können." „Aber Werner nicht." Sie schmollte ein wenig. „Ich denke, er liebt mich." „Der Kaufmann »nd zumal der Großkaufmann in dec jetzigen Zeit muß anders denken, als er es gewohnt ist, zum wenigsten, wenn er Geschäfte macht, wie ich. Geschäfte, die im Ausland fußen." „Nun, und?" Um des Herrn Senators behagliches Vollmondgesicht mit den kleinen, gutmütig scheinenden Augen, die bisweilen so seltsam hart anfkeuchten konnten, lag ein sarkastisches Lächeln. „Es kömtten Augenblicke kommen, in denen die etwas in Vorurteilen befangenen Anschauungen des Herrn Kapi tänleutnant a. 2. mir unbequem werden könnten." „Er wird sich deinen Anschauungen fügen. Ich denke, das Opfer dürste ich ihm wert sein." „Rein. — Das wird er nicht und das soll er auch nicht. Ganz offen, es ist besser, viel besser so. Ich dachte auch eine Zest daran, daß er mit seinem Namen und seinen Verbin dungen mir im Geschäft stützen könnte, aber ich bin jetzt an derer Meinung. Man will ihm auch in den heutigen Regie rungskreisen sehr wohl. Sowohl wegen seines Könnens, wie wegen seiner tadellosen Gesinnung. Ich bin überzeugt, daß die Stellung, die man ihm zunächst bietet, nur ein Ueber- gang ist, und daß man ihn sehr bald in das Wohlfahrts- Ministerium oder an einen anderen Posten berufen wird. Zunächst wird er im Sicherheitsdienst des Bergwesen» wei ter« Erfahrungen machen." „Und — wo?" „Soviel ich hörte, bei den Gruben in Waldenburg in Schlesien." „Pfui Teufelk" „Saldenburg soll sehr nett liegen." „Jedenfalls ein elendes Nest." -Ich sagte dir, es wird ein Sprungbrett fein." Marianne stand auf und ging auf und ab. „Run gut, dann werden wir mit der Hochzeit warten, bis diese» Sprungbrett überwunden ist." „Damit wird Werner wohl wenig einverstanden fein." „Ich denke, da habe ich wohl zu bestimmen." „Ich glaubte, du liebst deinen Bräutigam?" Marianne zuckte die Achseln „Gewiß, aber das schließt nicht die Notwendigkeit in sich, in ein elendes Nest zu ziehen und dort zu versimpeln." Der Senator lächelte noch immer überlegen. „Sehr richtig. Du hast dich in den zukünftigen Admiral verliebt. Er hätte auch vorzüglich ausgesehen als solcher und du hättest trefflich repräsentiert." „Es braucht nicht gerade ein Admiral zu sein, auch ein Großkaufmann —" „Du brauchst mir nichts mehr zu sagen, da ich das Ver gnügen habe, meine schöne Tochter Marianne nun seit drei- undzwanzig Jahren — nein, — verzeih, du bist erst zwei undzwanzigeinhalb — zu kennen. Du willst eine Stellung in der Welt haben und wirst sie bekommen. Daneben aber liebst du deinen Verlobten." Sie zuckte wieder die Achseln. „Nein, Kind, du liebst ihn! Das weiß ich vielleicht ßesier als du selbst, und du hast recht! Werner ist in jeder Faser ein Ehrenmann. Offen gesagt, er Ist sogar eigentlich viel zu schade für dich und deine etwas oberflächlichen Anschau ungen." „Erlaube, Pa!"^ „Wirklich! Er ist eigentlich auch zu schade für mich, aber er liebt dich. Liebt dich ehrlich und mit der treuen Zu verlässigkeit, die sein Charakter ist. Das ist mir sehr wertvoll, denn in der jetzigen Zeit, die täglich die Welt auf den Kopf stellt, ist es mir eine Beruhigung, mein einziges Kind an der Seite eines solchen Mannes zu wissen, denn — wenn du daran zweifeln solltest, ich habe dich auch lieb." „Pa!" „Klingt dir wohl komisch? Ist aber so. Und übrigens — er geht also nach Waldenburg und ihr heiratet. Kannst dich ruhig meiner Führung überlassen. Ist auch nicht schlimm. Wir kaufen Euch eine schöne Villa oder bauen «ine, und da läßt es sich leben. Ich habe in deinem Alter drei Sabre km argentinischen Gran Chaco unter den Thorotis-Jndianern gelebt, die sehr viel schmutziger und sehr viel weniger nett sind als die fleißigen Bewohner der gar nicht so üblen Stadt Waldenburg. Währenddessen werde ich im Hintergrund« meine Verbindungen ausnützen und dafür sorgen, daß er weiter kommt. Es schadet dem Renommee meine» Geschäft» durchaus nicht», wenn mein Schwiegersohn «in höherer Staatsbeamter ist. Im Gegenteil, und je w«nig«r er an meinem Geschäft beteiligt ist, je weniger er überbaust eine Ahnung von demselben und auch davon, daß ich ihn au» der Entfernung protegier», hat, um so besser für uns beide. So nützt er mir, ohne es zu ahnen. Also verlaß dich auf mich und gehe ruhig nach Waldenburg. Natürlich, wenn er kommt — wir wissen von nichts und find sehr überrascht. Run ein vergnügtes Gesicht! Du liebst ihn ja dochk" (Fortsetzung foigt.) .