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Sonnabenä» 17. Januar 1914. 9. Jahrgang. /wer Tageblatt Anzeiger für -as Erzgebirge MD mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Mer Sonntagsblatt. WSZ'TÄ- «LLG«rS Nr. 13. Diel« Kummer umfaßt 12 Seit«». Außerdem Äegt da» achtseitigr IMrstSevte Sonntagsblatt bei. Das Wichtigste vom Tage. Da« Re ch-gericht verurteilte den russischen Kaufmann Gustav Ferdinand Richter we- gen Spionage zugunsten Rußland» zu zwei Jahre« Zuchthaus.*) Der Reichstag und die zweit« sächsische Ständekammer verhandelten über den Antrag Schiffer und Genossen auf Frist. Verlängerung für dt-e Vermögenser- klärüng zum Wehrbeitrmg.*) » * Der Statthalter von Elsaß-Lothr ingen, Graf Wedel, ist in Berlin? etngetrosfen u.rd tvurde vom Kaiser «mpffan^gen. Die ÄontrolllkonrmissionEUnd die holländi- schen Gendarmerieorganisatoren in Al banien haben Aufrufe erlassen wegen der be vorstehenden Räumung Südalbanten» durch die Griechen. Da» englische Unterseeboot A 7 ist bei Plymouth gesunken, es besticht Wenig Hoffnung, die Mannschaft zu retten.*) * Ter Streik in Südafrika ist am Erlöschen. In vielen Orten haben die Arbeiter die Arbeit wieder ausgenommen. -> Näher«« sieh« asi anderer Stelle. Reichstag und Cinzellanätage. Der Rreichstagspräsident Dr. Kaempf hat am Mittwoch an den Anfang der Sitzung eine Protesterklä rung gegen die Ausführungen des Grafen Jork von Wartenburg im Preußischen Herrenhaus« gestellt. Gr hat den Vorwurf, die berufene Vertretung d«S deutschen Voskes habe die nationale Gesinnung vermissen lassen, als Beleidigung des Reichstage» mit aller Ent schiedenheit zurückgävtesen. Die Form, in die Herr Kämpf seinen Protest kleidete, War durchaus sachlich und einwandfrei. Ausdrücklich hat der RetchStagspräsident den Landtagen der einzelnen Bundesstaaten das Recht zugestanden, Kritik an dem Verhalten des Reichstages Mahnung scheint gerade im Augenblick besonder» am Platz« zu sein. Denn allem Anschein« nach schicken sich sämtliche Einzellparlament«, soweit st« gegenwärtig versammelt sind, an, di« letzten Handlungen de» Reichs, tage» eingehend zu kritisieren. In Preußen und Bayern und Sachsen und Slsaß-Lothringen beschäftigten sich di« letzten Lage di« Landboten mit der Stellungnahme de» Reichstage» zu den Vorgängen an der Westgrenz« de» Reiche» und mit seinen Steuerbe- schlüssen de» letzten Sommer». Soweit si« 'dabei ihre Wohlbegründeten einzelstaatlichen Rechte und ihr« Fi nanzen verteidigten, erfüllten ifie nur ihre Pflicht. Wenn st« aber dabet die Grenzen ihrer Zuständigkeit über- schritten, sodaß st« selbst vom preußischen Minister präsidenten zur gebotenen Zurückhaltung gemahnt wer den mutztem so beschworen sie damit eine Scl ädigung des Reichsgedankens herauf, die in unserer ohnedies w:- nig reichsfreundlichen Zeit aufs lebhafteste bedauert werden muß. Da» Deutsche Reich ist nun einmal keine mecha nische Bereinigung von 26 Einzelstaaten, sondern eine durch Gut und Blut p.ller Bundesstaaten gewonnene und erhaltene Gemeinschaft aller Deutschen, die von ein- hetttlichem, deutschem Geiste beseelt ist und nach einheit lichen Grundsätzen verwaltet Wird. ES hat lange Jahre gedauert, bis die durch Mut und Eisen endlich ge schaffen« 'Reichseinheit den ParttkulariSmuS der Ein zelstaaten siegreich überwunden hat. Die verschiedenen Jahrhundertfeiern de» letzten Jahres haben jedermann, auch im Ausland«, deutlich gezeigt, daß das Einheits werk nunmehr vollendet ist und allen äußeren und inneren Feinden, die e» zu erproben versuchen sollten, Trotz bieten wird. Dennoch kann es nicht gleichgiltig sein, wenn jetzt hier und dort im guten Glauben aus vatriotischer Anhänglichkeit an das engere Vaterland Sturm gegen den ReichSgedanken gelaufen wird. Nichts anderes bedeutet es aber, wenn hervorragende Red ner einzelner bundesstaatlicher Parlamente ohne Not die Verhandlungen und Entschließungen des Reichstages vor ihren Rtchterstuhl ziehen. Die Beschäftigung der deutschen Volksvertretung mit den Vorgängen in den Reichslanden — man kann Einzelheiten der erregten Dezember-Debatten kritisieren, soviel man will — war ein gute» Recht, ja eine patriotisch« Pflicht. Kein Ge ringerer al» der Reichskanzler selbst hat das zugestan den, al» er am Schluß der ganzen Verhandlungen er klärte, sie seien der Sorge um den Schutz von Recht und Gerechtigkeit in deutschen Landen entsprungen. Nie mand wird auch den bürgerlichen Parteien absprechen dürfen, daß sie aus Eifer um die innerliche Erhaltung Auskunft darüber fordern, ob nun wirksame Garantien gegen eine Wiederkehr so bedauerlicher Vorgänge getrvss- fen sind, Wie sie gerichtlich festgestellt wurden. Wenn da» von den Mitgliedern der einzelstaatlichen Land tage anerkannt wird — nicht wenige von ihnen sind ja zugleich auch Retch-tagSabgeordnet« — dann kann im einzelnen so viel gemäkelt Werden, Wie man will, «» bleibt doch da» Wohl de» Reiche» oberste Richtschnur, der Reichsgedanke unverletzt, und Beleidigungen der Parlamente unter einander sind ausgeschlossen. Reine Revision unä keine Berufung! Der Fr ifpruch Forstne» und Meuter» recht»krLstig S raßburg, 1«. Januar. Wie von zustitnditze» Stelle, bekannt wird, haben die krivzoger.chtltchm Urteile gegen Obr st v. Reuter und Leutnant Schad sowie gegen Lcunant v. Forstn « r in folge de» Verzichts de» Ee ichtsherrn aus Gin» legung eines Rechtsmittel» nuinimiehr Rechte kraft erlangt. Die Erklärung, die der Staatssekretär Delbrück am Donnerstag im Reichstag nach der Ankündigung der bridrn- neuen Zabernrnterpellationm gab, ließ immerhin di« Frag« offen, ob di« höheren militärischen Instanzen die Urteile würden nachzupriifoir haben. Man muß annehmen, daß Herr Delbrück selbst noch nicht informiert war, wie di« Entscheidung fallen werde, und daher die Form wählt«, der Reichskanzler werde den Interpellanten zur Verfügung stehen, sobald das Verfahren rechtskräftig abge schlossen sei. Obiges Teleg-amm meldet nunmehr den Verzicht auf Revision im Forstner-Prozeß, und den Verzicht auf Berufung an das Oberkriegsgericht im Prozesse gegen Oberst «. Reuter und Leutnant Schad. Bestätigt und er läutert wird diese Meldung in einem Kommentar der Nord deutschen Allgemeinen Zeitung, welcher lautet: Aus Straßburg wird gemeldet, daß der zustän dige Eerichtsherrin dem gegen den Leutnant v. Forstner anhängigen Strafverfahren auf die Ein legung des Rechtsmittels der Revision gegen das frei sprechende U-teil des Oberkriegsgerichts verzichtet hat. Für dies« Entschließung des Gerichtsherrn war ohne Zweifel ausschlaggebend, daß nach den tatsächlichen Feist stellungen des Oberkriegsgerichts der Angeklagte einen drohenden tätlichen Angriff der ans feinen Bot'vhl verhafteten Person abgewehrt und sich dabei innerhalb der erlaubten Grenzen der Notwehr gehalten hat. Da ein? Nachprüfung der Entscheidung des Oberkriegs- zn üben, ebenso Wie der Reichstag dieses Recht gegen- über'Len Landtagen der einzelnen Bundesstaaten auch für sich in Anspruch nimmt. Nur dürfe die Kritik eben nicht irr Beleidigungen ausarten. Diese für jeden gut erzogenen, gebildeten Zeitgenossen selbstverständliche der Reichslande bet dem Reiche gehandelt haben. Soll ten sie wirklich in der Form gefehlt haben: in der Sache haben sie ihre Kompetenzen keineswegs! überschritten. Sie toerden sie auch nicht überscyretten,! wenn sie in den nächsten Tagen abermals vom Kanzler! gerich's in bozug auf die Würdigung desErgeb nisse» der Beweisaufnahme dein Revisionsgericht nach dem Gesetz versagt ist, mußte das Rechtsmittel der Revision als aussichtslos erscheinen, -uns wir weirer hören, wird auch in dem Verfahren gegen den Obersten v. Reuter Der Geläbrief. Humoreske von Hermann wigaer. Nachdr ck -erb-te» Der Architekt Felix Krügel, der schon seit Mer Monaten ohne Stellung war, nahm mit großen, hastigen Sprüngen drei Treppen zu der Wohnung seines Freundes und Kollegen Bruno Krusch. Ohne anzuklopfen, riß er die Zimmettür aus, verschnaufte ein wenig, zog einen Brie" aus de Tasche, über reichte ihn dem Freunde und sagte atemlos: Mensch, ich hab'sl Und damit sank er in den nächsten Stuhl. Druno Krusch entfaltete den Brief, las ihn und atmete in freudiger Ueberraschung auf: Donnerwetter, ich g'-atuliere! Das ist ein feiner Posten, den man dir da anträgt. Ein Posten, den ich außerstande bin, anzutreten! ächzte Felix Krügel. Außerstande? — Statt jeder Antwort erhob sich Felix Krügel und präsentierte sich d«m Freund« tn seinem schä- bigen Aeuheren: Steh mich an! Kann ich mich in diesem Anzugs und in diesen Schuhen in «inem erstklassigen groß- städtischen Baubureau sehen lassen? Bruno Krusch Mtt«lt« den Kopf: Hast du nicht, andere»? — Nein! Ich mußt« nach und nach alle» verkaufen. Und ich habe keinen Pfennig mehr, um mi- etwa. Neue» anzuscha'fen. Du mußt mir zweihundert Mark vorstrecken! Du mußt! Ich -cnüiige unter allen Umständen einen neuen Anzug, «in Paar Schuh« und etwas Wäsche. — Bruno Krusch Wendel« seine beiden l-cren Hosentaschen und sah den Freund mit stummer Ein dringlichkeit an. Hast du gar nicht»? fragte Felix Krügel ve-zweiftlt. Gar nicht«, sagte Bruno Krusch Mr «tn* Ide«. Hirich «ich du zahlen, sobald du Geld bat? — Ich schwöre e» dir! — Gut. so höre! Und er setzte flüsternd dem Freunde seine Jd^l auseinander. * * » Am Morgen de» zweiten Tage» darauf fl-nffte «» erst einmal, dann «in zweit«» «al sehr «chpMoall a» di» Wr P «tz Die Angelegenheit nahm ihren programmäßigen Ver lauf: schon im Laufe der ersten Vormittagsstunden war jener Teil des Ortes, dem Herr Friedrich Zieselhuber die Post zu stellte, darüber informiert, daß der A-chitekt und Bauzeichner ^er Wohnung von Felix K'Ugel. Herein! rief FeUx trüget. Neuigkeit im Ort verbreiten zu können, schloß er hastig Es war Herr Friedrich Zicselhuber, der eintrat, einer der di« Wr hinter sich drei Briefträger, über welche die kleine Stadt verfügte, u::d' zwar von diesen dreien gerade der, der als der geschwätzigste' bekannt war. Ihm auf dem Fuße folgte Frau Pauline Haferkorn, die Wirtin Felix Krügels. Sowohl die Züge ihres Gesichtes wie die des Herrn Friedrich Zieselhuber , ..... „ waren ernst und aufgeregt. Herr Kirügel, sagte Fried-ich i Felix Krügel «ine Erbschaft gemacht habe. Eine Erbschaft? Zieselhuber, nachdem er gegrüßt hatte, sehr feierlich, für Sie' Ein« große Erbschaft, «ine kolossale Erbschaft, «ine Riesen ist «in Geldbrief da! Gin Geldbrief!! -fügte Frau Hafe-- «rbschaft! Und wen hatte Felix Krügel beerbt? Einen körn aufgeregt hinzu. So? machte Felix Krügel gelang-! alten Onkel in Georgenthal, der reich, der lehr reich, der weilt. Ein Geldbrief au» Georgenthal, fuhr Friedrich ' — Zieselhuber Lüster fort, mft 3000 X! Mit 3000 ! rüttelt« Frau Haferkorn ihren Mieter auf. Von meinem Onkel, äußerte Felix Krügel mit einem Gähnen, geben Sie nur her! Friedrich Zieselhuber wehrte mit beiden Händen ab: Wo denken St« hin! So viel Geld bekommen wir nicht mit! Ht«r ist ein Schein, den Sie unterschreiben müssen! Den Geldbrief folgt Ihnen da« Poastmt persönlich au»! Schön, sagt« Felix Krügel. Und er nahm den Schein, tauchte di» Feder «in und unterschrieb, «ährend Herr Friedrich Zies«l- Huber und Frau Pauline Haserkorn hinter feinem Rücken bedeutsame Blicke tauschten. Wohl «ine Erbschaft? fragte Frau Haferkorn Mit ihrem zuckersüßen Lächeln, al» ihr Mieter den Schein mit einer gleichgültigen Gest« zurückgab. Ein« Erbschaft, was?! wiederholte Friedrich Ziesselhuber und zwinkerte listig mit seinem kleinen neugierigen Augen. Felix Krügel aber wehrt« mit «inem seinen Lächeln ab. Ein« Erbschast? Ach nein! Di« beiden lachten ungläubig. Un können St« «» doch sagen! Mini« Frau Haferkorn. Wir verraten kein Wort! bestätigt, Friedrich Zieftlhuber. Felix Krügel zuckt» auf ge-eimnftvolle weis« mit den Achseln: Ich kann vorläufig noch gar nicht» sagen! Nun, rief Frau Pauline Haferkorn au» und ergriff dabet tn übelströmender Lieb« di< Hand ihre» Mieter», wir gratulieren! Ja, wir gratulieren! fügt« auch Friedrich Ztchelhuber mit ernste- imme: reich war und der ganz plötzlich und unerwartet an Herzschlag gestorben war! Alles das wußte man innerhalb der ersten Vormittagsstunden, alles das und noch viel mehr. Um den Mittag herum aber -wußte man ungefähr da» Drei fache. Am Nachmittag gar hatten sich -schon einzeln« Par teien gebildet, die di« zahlreichen, sich vielfach widersprechen den Detail» lebhaft diskutierten. Der Onkel Felix Kr-llgel» sollte nicht an Herzschlag, sondern an Her-blutwassersuLt gestorben sein. Andere wieder wollten wissen, daß Felix »Krügel nicht «inen Onkel, sondern «ine Tante beerbt hab«, und dir sollte nicht an Gallensteinen, sondern an einer Wanderniere zugrunde gegangen sein. Rach der Meinung dritter schließlich waren ebenso der Onkel wie di« Laut« Felix Krügel» noch am Leben, und wer mit dem Tode ab- gegangey war, da» war der Großvater Felix Krügel», und den hatte ein tückische« Fieber meuchlings dahtngerafft . . . Kurz: Felix Krügel war der Held de» Tage»! Ihn selbst freilich sah kein Mensch Seine Wirtin aber, di« man tnter- pelliert«, erklärte mit «inem wichtigtuerischen «chseüzucken, er -ab« sich tn seinem Zimmer eingeschlossen und packe offen bar seine Sachen. Wa» man tn Anbetracht de» Umstande», daß er ja -um Antritt seiner Erbschaft verreisen mußte, durchaus begreiflich fand! Erst gegen den Abend -in zeigte sich Felix K-Ügel «r Amtomioa« Hiller. Und selig darüber, »tu» sa überrafcheride i gtng gemächliche» Schritte» uach dom Postamt, behob lernen