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Nummer 1. Lin neuer Zubiläumstor» im Hnrz. Unser Bild zeigt den Iubiläumsturm auf der Hanskühnenburg im Harz, welcher anläßlich der Hundertjahrfeier der Befreiung Deutschlands von den Bewohnern des Harze» errichtet wurde. er sich jemals herbeigelassen hätte, einem Angeber zu lauschen oder gar selbst zu spionieren. Und doch ließ er sich heute sogar verleiten, irr fremden Briefschaften nachzu forschen. Mit seltsam hartem und ver schlossenem Gesicht war er von sei nem gewohnten Spaziergang heim gekehrt und ohne Zögern hatte er ' sich in das Zimmer seiner Nichte begeben, die ihm seit einem hal ben Jahre zugleich Haustöchterchen und Wirtschafterin war. Es war ein einfaches, anspruchsloses Mäd chenstübchen ohne einen anderen Schmuck, als den der peinlichsten Oümung und Sauberkeit. Aber dem Professor wurde es doch ganz eigen zu Sinn, als er jetzt inmit ten des Zimmers stand und darin Umschau hielt. Ihn grüßten die alten, wunderlich geformten Ma hagonimöbel ja wie liebe, ver traute, alte Freunde. Hatten die doch dereinst schon genau so in dem Stübchen der Frau gestanden, deren Tochter er heute in seinem Hause beherbergte. Aber es war ein gefährlicher Zauber, den sie auf ihn übten, und heute am wenigsten durfte er sich ihm hin geben. Sein Gesicht nahm wieder einen strengeren, härteren Aus druck an, als er sich einen Stuhl vor den zierlichen Schreibtisch am Fenster rückte und die einzige, nicht verschlossene Schublade öff nete. — Erzählung von Lothar Brenkendorf- o sehr der Eymnasialdirektor Ludwig Berthold wegen Draußen lag der Hausgarten in der kahlen Öde des be- seiner rücksichtslosen Strenge von seinen Schülern ge- ginnenden Winters. Eine gewaltige Eiche streckte ihre cnt- fiirchtet wurde, niemand hätte ihm doch nachsagen können, daß laubten Äste bis zum Fenstersims empor und minutenlang ruhten Ludwig Bertholds Augen auf den entblätterten Zweigen. So war ja auch von dem Baume seines Lebens alles abgefallen, was sein Dasein geschmückt hatte, alles, was er geliebt und was ihm Glück und Freude gewesen war. Sie alle waren dahingegangen, wie die welken Blätter, die da drunten schon der erste Schnee be deckte: Freunde wie Feinde und gar viele von den Lieblingsschü lern, auf die er einst seine sü»l- zesten Hoffnungen gesetzt. Er war nichts mehr, als ein armer, kahler Stamm, und nie war ihm die Schmucklosigkeit seines zur Rüste gehenden Ledens so schmerzlich zum Bewußtsein gekommen, wie in dieser Stunde, da sich auch das letzte bißchen herbstlichen Sonnen scheins hinter düstere Winterwol ken verkriechen zu wollen schien. Tief, und scharf schnitttn sich die Falten in seine Stirn, al« er nun das Schubfach zu durchsuchen begann und als ihm endlich, .« den hinHerAn Winkel versteM, eine AnMl ,,^i»n Briefen in die Hande fiel, die mit einem rohen Seidenbändchen umwunden waren. Er dachte zurück an die Szene, deren Zeuge er heute auf feinM Spaziergang Moorden war. Sein Weg hatte ihn in eiux^nGxute« Gegend geführt und tz^Oar er der Beiden ansichtig geworden, die, sich xn« u mschlungeu haltend, oor ihm her gegangen wgren- Er hatte " - ? Jahrgang lStl»