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Nr. 2SS. Mer Tageblatt o»^/n a«sp^t»nV»»kru/z'IVoL«!ic«r« NsZZ- nnMger stir oas Erzaeorrae WW- Ulk., monaMch t» pfz. durch »«« ^5 / M t» Pf,. S.I ,k»r«k«i, ^ischlllq«, 0rIeNk«,«r frei >n. Hou. »«»rt,l» »ntsorichin»«, Nada». ynnakm, ?8«LsM:Z mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsblatt. :»K'«UWW jelertogen. Unser» Srltungsaua» . Gewähr nlcht aelelstet «er-en, träger und -wsgabefteuen, sowie Eprechstun-e -rr Nr-aktton mit Ausnahme -er Eonntagr nachmittags 4—5 Uhr. — Trlegramm-fl-resse r Tageblatt -tueer-gebirge. Zerrrfprrcher öS. «ENN öle Nusgabe -,o Sn/erate» u"hm.°o"°Äst"üü,>g-n für unverlangt »ingrfanStr Manuskript, kann Gewähr nicht o-Iristrt werSrn. münuW'V Donnerstag» 20. November 1N3. s. Jahrgang. Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Der Kaiser besichtigte in Kiel das LazarettWik und die Torpedowerkstätke in Friedrichsort. * Die französische Deputiertenkammer beschloß eine Verminderung der Mandate von 597 aus 520. * «Ein russische Abordnung hat sich nach Sina ja begeben und wird d..i vom König von Rumä nien empfangen we-den. ch Der b u l g a r i s che M i n i st e r d e s A e i ß e r r G e diew ist nach W i e n gefahren, um KönigFerdi nand Berichtzu erstatten. e In Natal haben sämtliche .Indier die Arbeit n i ede r g e l eg t, um auf diese Weise eine Aufhebung der P r oh ib i t iv - M a ß r e ge ln 'gegen die indische Einwanderung zu erzwingen?) * . Der mex i'ta Nische «Kongreß soll in der nächsten Mache zusammentreten und von Huerta eröffnet werden. »> >ito«u-n-- Ukbi- NI> nnlu-rl-r.<<>11». Deutsch-Nusstsches. Der Besuch des russischen Ministerpräsidenten Ko» f o n> z a «v in Berlin beansprucht in dem gegenwärtigen Mo. men e eine besondere Bedeutung. Vor Kokowzow war der nssische Minister des Aeußcre-n -S s a 's o n o w in Berlin. Die be den russischen leitenden Staatsmänner kamen aus Paris. c<err Ssnsonow gestand offen ein, daß er dort in Geschä'ten weilte, um eine Uebereinstimmung der russischen und fran- stssischcn Diplomatie Uber armenische Bahnfragen zu Wege zu bringen. Und er kam nach Berlin mit dem Wunsche, zwi schen Deutschland und Rußland ein.Hebereinkommen Über dieVerwaltungArmeniens herbeizüfllhren. Herr Kokowzow war, wenn man russischen Offiziösen glauben will, nur als Pergiiügungsreisender 'in der Lichtstadt. Man wird einigen Zweifel daran haben können, ob der russische Mini» sterpräsident wirklich nur zu seinem,Vergnügen nach der Seine pilgerte. Nach Berlin ist er sicherlich nicht zu seinem Vergnügen gekommen. Das Programm seines dortigen Aufenthaltes ist derart non Besprechungen, Empfängen und Zwcckesstn ausgefüllt, daß für das Vergnügen nicht mehr wiel übrigen bleiben wird. Von offiziöser Seite gibt man sich denn auch diesmal, wie es sonst mit mehr oder weniger Ge schick gemacht wurde, gar keine Mühe, den hochpolitischen Charakter des «Besuches zu bestreiten. Jin Mittelpunkt der Besprechungen zwischen Herrn von Bethmann Holl weg — der Staatssekretär des Aus wärtigen, von Zagow, befindet sich noch auf «Urlaub -- und dem russischen Gaste wi"d wiederum wie auch bei Ssaso- nows Besuch die armenische «Frage stehen. Von Be ginn der neuen Orientkrise an hat das Schicksal Armeniens ernsthafte Aufmerksamkeit auch in Deutschland erregen müs sen. Rußland versucht seit .vielen ZJsthren, in Armenien schrit'weise vorzudstngen. In Politisch-militärischer Bezieh- .ing ist ibm dies bisher ,<ur in sehr bescheidenem Maße ge- alückt. Der größte Teil,des.von Armenien bewohnten Gv- b--6-s "ebörtaucb heute noch zum Osmancn e-che. Mehr Er es d'<r b d >' *"'iaiö>e >« der armeni- -' e. d<e der griechisch-orthodoxen also auch russischen raotsti che nicht gar so ferne stehl, und deren religiöser - ' 'e'pnnkt, das Kloste- Et'chmicdsin, auf russischem Ge biet 'iegt. Angeblich zum Schutze der christlichen Armeiti hat denn auch das Zarenreich wiederholt versuch«, auch i !sch in Tii kisch-Armenien sich einen geiv sien Einfluß zu sichern. Jetzt, da die Ovmauen an den W n des Balkan krieges schwer darniederliegen, wollte -Rußio «d zur Durch- lführung und lleberwachung von.Refornien, die die christ lichen Armenier.vor den Gewalttaten der Mohammedaner 'schützen sollten, einen Generalinspektor eingesetzt wissen, der von der Zentralregterung in «Konstantinopel zie «lich unab hängig gewesen wäre. Deutschland hat die ruß scl>e.Regie rung dann für einen anderen Vorschlag gewonnen, der went- ger Gefahren in sich barg, daß das Gen-erallnspektionspekto- rat Armenienssich eines Tages vom Türkenreiche loslöste und dann dem mächtigen russischen Nachbarn zur Beute anheim- fiele. Nach diesem deutsch-russischen Neformprogramm soll das gesamte Kleinasien sieben Generalinspokteuren Vater- stellt werden, die unter der Kont-olle der Großmächte in ganz Anatolien, also nicht allein in Armeien, die sicher dringend nötigen Reformen durchführen sollen. Dadurch ist eine Son- -derorganisation Armenien vermieden worden und damit auch die Gefahr einer Absonderung, die doch letzten Endes allein dem Zarenreiche zugute gekommen wäre. Die Pforte hat bisher diesen Vorschlägen gegenüber sich ablehnend ver halten. Es wird in Berkin jetzt zweifellos über Mittel.und «Wege beraten werden, die osmanische ^Regierung für das Re formprogramm zu gewinnen, ohne irgendwelche Gewaltmit tel anwenden zu müssen. Denn daß ein schroffes Vorgehen gegen die «Türkei durchaus nicht im «Interesse der deutschen Diplomatie liegt, ist unzweifelhaft. Eben darum weilt ja auch der türkische Finanzminister Dschawid Dey in Berlin, um dort über anatolische Bahn'fragen zu verhandeln. Auch er ist von Paris gekommen, wo er mit französischen Finanz leuten über eben die Eisenbahnen «verhandelt hat, die Frank reich sicher nicht ohne des russischen «Verbündeten Zustimmung, vielleicht sogar auf dessen Wunsch, in Armenien bauen will. Auch zu diesen Bahnbauten, welche die Interessensphäre der Bagdadbahn berühren, ist die «Zustimmung der deutschen Diplomatie nötig. Sie bilden ein Glied in den Versuchen der russischen Diplomatie in Armenien, «wenn sie auch dort nicht selbst festen Fuß fassen kann, doch auch keine andere Macht zuzulassen. So verquicken sich also die deutsch-türki schen, Leziehung-weise deutsch-französischen Verhandlungen unmittelbar mit den deutsch-russischen und Herr von Beth- mann Hollweg wird sicherlich nicht aus dem Auge lassen können, daß Rußland, was es auf rein politischem Gebiete nicht erreichen kann, durch «Bahnbauten, sei es auf eigene Rechnung, sei es auf die des französischen Verbündeten, zu erreichen sucht. «Und er wird hoffentlich auch die gute Ge legenheit, da Rußland unst-e Dienste braucht, nicht vorübcr- "ten «ois'ii -sch-'" letzt di-' rne n r '< n ' s H an bei s v e r t r a g c s zwischen Deu schlattd und Ruß and eine Grundlage «zu schaffen, die unsere Unterhändler in den be- orstehenden Verhandlungen kräftigt und stützt. Zum NrbeitswMgenschuh. -5 Zur Frage des Arbeitswilligenschutzes haben jüngst wieder einige nationalliberale Organisationen «Stellung ge nommen. Der Geschäftsführende Ausschuß und der Vorstand des Nationalliberalen Landesveröins für dasKönigreich Sachsen hielten am 16. November in Dresden Sitzungen ab, die aus dem ganzen Lands sehr stark besucht waren. In der Vorstandssitzung wurde zum Arbeits willigenschutz nach eingehenden Aussprachen mit allen gegen eine Stimme nachstehende Resolution angenommen: Der Vorstand des Nationalliberalen Landesverein» für das Königreich.Sachsen hält eine Verstärkung des Schutzes der Arbeitswilligen für dringend nötig. Diese» Ziel wird zwar in erster Linie auf dem Wege der Selbst» Hilfe, besonders durch Ausbau der Arbeitgeber« und der nationalen Arbeitnehmevverbände «nzustrcben sein. Aber auch eine tatkräftige und rasche Anwendung der den öffentlichen Behörden zur Verfügung stehenden Machtmittel muß gefordert werden. Namentlich ist zu verlangen, daß die Polizeibehörden den Zuwiderhand lungen der Streikposten gegen Sicherheit, Ruhe und Be quemlichkeit des Straßenverkehrs (8 366 Ziffer 10 des .Reichsstrafgesetzbuches) mit Entschiedenheit entgegentre ten und daß nicht allein eine fortgesetzte Belehrung der ausführenden Polizeiorgane über ihre Rechte und Pflich ten, sondern auch eine besondere Ausbildung geeigneter Beamten für Bekämpfung von Streikausschreitungen «statt findet. Die örtlichen und landesrechtlichen Polizeivor- schriften über die Sicherung des Verkehrs auf öffentlichen Straßen und Wegen sind zu. überprüfen und, soweit er forderlich, zu ergänzen. Weiter ist auch eine Aende- rung des be st eh enden Reichsrechtes anzustre- Lawrence Sterne. Zu seinem 2VV. Geburtstag. Machb.uik vkrkolen. In der Entwickclnngsgeschichte des Romans nimmt Law rence Sterne eine besondere jvtelle ein. <Er ist der Begrün der des modernen humoristischen Romans. Aber die beiden Werke, durch die er berühmt würde, sein Tristram Shandy u. seine Sentimentale Reise, bezeichnen auch den Ausgangs punkt der sentimentalen Bewegung, die in den sechziger und siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts das westliche Europa durchzog und in Goethes Werther ihren Höhepunkt erreichte. Goethe bezeugt selbst daß er Sterne viel verdankte, und er sagte, jeder Gebildete sollte ihn lesen. Sterne hat ebenso wie I. I. Rousseau dazu Leigetragen, daß seit der Mitte des 18. Jahrhunderts das Gefühl im Kampf «gegen die ein seitige Herrschaft des Verstandes den Sieg errang. Der sen timentale Humor von Sternes Jch-Nomanen beeinflußte na mentlich Jean Paul und Tieck. Sternes Lebensschicksale wa ren ziemlich einfach. Er wurde am 24. November 1713 zu Clonmel im südlichen Irland geboren. Sein Vater war Offizier und mußte den damaligen Zeitverhältnissen ge mäß ein unstätes Leben führen, wobei seine Frau und seine Kinder ihn meist begleiteten. Er starb im Jahre 1731; ein Oheim nahm sich de» verwaisten «Knaben an und ließ ihn auf der Universität Cambridge studieren. Hier wurde der junge Sterne 1740 Master of arts. Don seinem Oheim erhielt er die Pfarrei «zu Sutton und eine Pfründe zu Potk. Durch seine Heirat wurde ihm noch die Pfarrei zu Skillington zu teil. In Sutton brachte er fast zwanzig Jahre seine» Lebens zu, und hier schrieb er auch die ersten Bände jene» sonder« baren Romans, der eine neu« Gattung in der Literatur be gründete. Im Jahre 1759 gab er in London die zwei ersten Bände von The life and opinion» of Tristram Shando her aus, denen .bis >1767 noch sieben «weitere Bände-folgten. Das Werk erregte Aussehen und fand deshalb sofort zahlreiche Leser. Es macht« den bescheidenen Landpastor mit einem Schlage zu einem Liebling der Londoner und trug seinen Na- men in alle Welv Tristram Shandy ist ein ünvollendetes Werk. Eigentlich besteht es nur aus lose aneinandcrgereihten Episoden und selbständigen Skizzen mit zahlreichen Abschwei fungen, aber die Menge komischer, mit rührenden Zügen un termischter Schilderungen von Auftritten aus dem häuslichen Leben und meisterhaften Zeichnungen der Charaktere ma chen es zu einem bewunderungswürdigem Werke. Sterne ist nichts Menschliches fremd, und er verschmäht nichts Menschliches. Seine tausend Abschweifungen führen immer wieder zu dem einen, dem menschlichen Herzen zu rück. Die -eigentliche Geschichte dient ihm nur als Faden, an den er alle seine Betrachtungen anknüpfcn kann. Daher ge langt man in den neun Bänden nicht weit über des Helden Geburt hinaus, und bis zu dessen Tode hätte der Verfasser vielleicht den zehnfachen Raum gebraucht. Der neuere Ro man hatte das bürgerliche Leben der Gegenwart schon nach allen Seiten hin dargcstellt, als Sterne den Humor darin ein führte. Der Dichter knüpfte an Vödhandenes, Alltägliches an, um ganz ungezwungen seine Randglossen daizu zu machen. Er gleicht einem Spaziergänger, der seiner Laune -volle Herr schaft läßt, bald einen Kreuzweg einschlägt und bei jedem Steinchen, jeder Blume sinnig verweilt, bald wieder mit ra schen Schritten zur Landstraße zullckkehrt, um sich hier wieder vom Wege ablocken zu lassen, weil eine dunkle -Schlucht seine Neugier reizt oder ein Hügel in- der Nähe eine schöne Fern sicht zu versprechen scheint. Das Wichtigste läßt er ost un beachtet. während er sich von dem Geringfügigen fesseln läßt. Es ist ihm gleichgültig, wann er sein Ziel erreicht, da es ihm nicht an Leit fehlt und er «vor allem ungestört lust- wandeln will. Die Willkür seiner Seiiensp"Unge vermag uns aber die Sympathie für ihn nicht zu rauben, denn er ver söhnt uns immer wieder durch seine gutmütige Menschen liebe, die selbst aus den schelmischen Zügen hervorleuchtet, so wie durch die Fülle des Geistes und die feine Tharakterzeich- nung. Wie vortrefflich sind z. B. die beiden Brüder und Gegensätze, Shandy der Vater und der Onkel Toby gell - dert, wie meisterhaft auch der Korporal Trim, der Dr. Slop, der lebhafte, sorglose Pfarrer, die Witin Wadmann und Susanns durchgeführt und um jene gruppiert. Diese Ge stalten sind so zierlich gezeichnet, wiestdie hübschen Bildchen von Ghodowiecki. Es fehlt auch nicht an rührenden Episo den, w. « B. der Geschichte des Le Fevre oder der Szene, wo der Korpe l in der -Küche den Tod von Tristrams älterem Bruder erzählt. Von komischen Szenen sei nur die erwähnt, wo Toby des älteren Shandy Zitat aus dem« Trostbriefe des Sulpicius an Cicero für einen -wirklichen Bericht von sei nes Bruder Reise nach dem Orient hält. Eine große Sorg« falt verwendet Sterne auf die Darstellung des Nebensäch lichen. Mit welcher Liebe wird -Lei ihm auch das kleinste erfaßt und in gründliche Betrachtung gezogen! Da soll die Hebamme kommen: der Autor vergißt aber seine Geschichte und erzählt lang und breit alles, was die Hebamme betrifft, was sie betroffen hat und noch betreffen kann. So inter essant auch das Schicksal all der einzelnen Menschen ist, so findet der Leser doch in dem Gewühl von Personen eine 'Hauptperson nicht heraus. In einer der vielen Episoden sagt Sterne selbst einmal: Warum ich dies erwähne? — Fragt meine FederI Sie beherrscht mich, nicht ich sie. Spä ter ließ Sterne sich in Port nieder und machte dann, als er an einem Brustleiden zu kränkeln an'fing, längere Rei sen, 1762 nach Südfrankreich, 1764 nach Italien. In den letzten Jahren war er krank und vereinsamt; seine Frau lebte mit der Tochter in EUdfran-kreich. Das Ergebnis seiner Reisen nach Frankreich und Ita lien ist sein: Sentimental journey through France and Jtaly by Mr. Porick. Dieses Werk, das erst im Todesjahr de» Verfassers erschien, sand ebenfalls außerordentlichen Bei fall. Es spiegelt die Eindrücke wider, die Sterne auf sei nen Reisen empfangen hat. Was er gesehen, erfahren wir weniger, als vielmehr, was er sich bei dem Gesehenen ge dacht hat. Der Landgeistliche Porick, der schon im Tristrasir Shandy auftritt, ein Nachkomme des Narren Porick, über dessen Schädel Hamler die bekannten Betrachtungen an- stellt, ist Sterne selbst. Das Werk ist insofern etwas ein heitlicher, als es wenigstens durch die Person seines empstnd» samen Helden zusammengehalten ist. Der Porick Sterne» sagt Goethe, war der schönste Geist, der je gewirkt hat. Wer ihn liest, fühlr sich zugleich frei und schön. Sein Humor ist