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2. Vettlcktt z« Svmmrer 188 Der Sächsische Erzähl«. Neues aus aller Welt. Schwere Grvlostorrskalastrophe der Küdapest. Budapest. IS, August. (Drahtb.) Am Donnerstagabend ereignete sich in der auf der Donauinsel Czepel bei Budapest liegenden Munitionsfabrik von Manfred Weiß ein folgen schweres Explosionsunglück. In den Gebäuden der Fabrik, die sich nach dem Kriege mit der Herstellung von Pulver, Munition sowie von Textilwaren beschäftigte, lagerten große Vorräte an Pulver, Granaten, Schrapnells usw. Gegen 7 Uhr ertönte plötzlich eine außerordentlich heftige Detona tion, der in Abständen von etwa einer halben Stunde vier weitere folgten. Au» bisher unbekannten Gründen sind die Munition»- und Pulverbestände la Brand geraten und explo diert. Die Folgen der Explosion waren furchtbar. Die in der Nähe der Lagergebäude liegenden Bauten stürzten wie diese selbst zusammen. Selbst im weiteren Umkreis wurden zahlreiche Gebäude beschädig». Zn Czepel wie auch in den weiter entfernt liegenden Dörfern blieb keine Fensterscheibe ganz. Das Gemeindekrankenhau» von Czepel geriet in Ge fahr, so daß die kranken abtransportiert werden mußten. Die ganze Insel bietet ein Bild furchtbarer Zerstörungen. Das Infolge der Explosion» ausbrechende Feuer konnte nur mit Mühe aus seinen Herd beschränkt werden. Soweit bisher feststeht, find 14 Tote und 28 verletzte gemeldet. Beide Zif- fern dürften jedoch noch eine Erhöhung erfahren. Militär und Polizei wurden an die Unglücksflelle kommandiert, um den Rettungsmannschaften und der Feuerwehr Hilfe zu lei sten. Die Insel ist wegen der Möglichkeit weiterer Explosio nen polizeilich abgesperrt. Nach einer weiteren Meldung ist die erste Explosion in einer Patronenwerkstätte erfolgt und griff auf die drei nächstliegenden Pulvermagazine über. Mehrere Straßen züge sind schwer beschädigt. Der Brand ist im Zunehmen be griffen. Telephon- und Telegraphenlinien sind zum Teil unterbrochen. Berlin, 13. August. (Drahtb.) Zu der Explosion des Munitonslagers auf der Donauinsel Csepel bei Budapest meldet die Vossische Zeitung ergänzend, daß sich zur Zeit der Katastrophe mehrere tausend Menschen in der Fabrik und den dazu gehörigen Arbeiterkolonien aushielten, für die man das Schlimmst- befürchtet. Vollkommen zerstört ist nur der Teil der Fabrik, in dem sich die Ex plosion ereignete. Wie bisher festgestcllt werden konnte, sind vier unterirdische Pulverlager in die Luft ge flogen. 24 Polizeifoldaten, die dort Wache hielten, sind zwei fellos tot. Dagegen konnten sich die Bewohner der Arbeiter und Beamtenhäuser zum größten Teil retten. Viele von ihnen werden noch vermißt, doch besteht die Hofsnug, daß die Mehrzahl nur durch den Luftdruck das Bewußtsein ver loren hat und noch gerettet werden kann. Zahlreiche Per sonen wurden durch den Luftdruck weit fortgeschleuderr, konnten aber geborgen werden. Die Zahl der geborgenen Verletzten beträgt bisher 250. Das Arbeiterkrankenhaus ist zum Teil eingestürzt, doch konnten die Kranken gerettet wer den. Fast die ganze Arbeiterkolonie der Insel mußte ge räumt werden. In der Nähe des in die Luft geflogenen Mu nitionslagers befindet sich ein unterirdisches Ecrasit-Lager. Von hier droht noch die größte Gefahr, weil man zu diesem Lager wegen der noch immer bestehenden Explosionsgefahr nicht Vordringen konnte. Die TragSdie von Damaskus. Die Time» berichten Einzelheiten über da» Bombarde ment der von den syrischen Freiheitskämpfern besetzten Oase Shuta, dos den Höhepunkt der Tragödie von Damaskus dar stellt. Die Artillerievorbereitung der Franzosen setzte Mitte Juli ein; am 19. Juli begannen dann di« konzentrierten An griffe. Die Oase von Ghuta ist ungefähr 16 Meilen breit und 20 Meilen lang und von einer solchen Ueppigkeit, daß Mohammed nach einer alten Legende sich geweigert haben soll, sie zu besuchen, da man nicht zweimal in das Paradies kommen könne. Die Oase liefert den größten Teil der frischen Nahrungsmittel für Damaskus. Durch die äußerst heftig« Beschießung wurden mehrere tausend wertvolle Bäume zerstört. Di« meisten Dörfer in der Oase wurden nach Plünderung dlstch die tscherkessischen Und armenischen Koloniältruppen von den Franzosen in Brand gesteckt. Die Dreistigkeit, mit der das geraubte Viel,'i>nd"anderes Eigen tum auf dem öffentlichen Markt in Damaskus von den Kolonialtruppen verkauft wurde, bestätigt die Annahme, daß die Truppen von den Franzosen die Genehmigung zur Plün derung erhalten haben. Die Verluste auf beiden Seiten waren beträchtlich. Die Freiheitskämpfer griffen die Stadt Damaskus an verschiede nen Punkten an; ihre Lage wurde eine Zeitlang sehr ernst, da Munitionsmangel eintrat. Ihr Führer und zwei für die Munitionsversorgung verantwortliche Offizier« wurden zur Verantwortung vor den revolutionären Gerichtshof in Dschebel-Drus gerufen. Rechtzeitig traf jedoch Verstärkung von den Drusen unter Sultan Mathew Ättrasch ein, wodurch die Situation sich besserte. Die Freiheitskämpfer sind jetzt von ihren Hilfsquellen abgeschnitten und stehen vor der Alter native, entweder Frieden zu schließen oder sich in ein anderes Gebiet zu begeben. Wildweststückchen in der Tschecho slowakei. Maskierte Räuber überfallen einen Zug. In der Nacht zum Mittwoch ist auf der Strecke Sillcin— Wrutky in der Slowakei ein frecher Raubmordversuch unter nommen worden, dem ein Menschenleben. zum Opfer fiel. Eine organisierte, acht Mann starke Räuberbande wollte während der Fahrt einen Ueberfall auf die Passagiere unter nehmen. Einer der Mitreisenden, der 31jährige Alois Kafka aus Sillein beobachtete die Räuber, wie sie die Türen des Durchganges verschlossen und dann schwarze Masken über das Gesicht zogen. Er sprang auf, um die schlafenden Mit reisenden zu alarmieren, wurde aber von den Männern ver folgt und niedergeschossen. Die Räuber hielten dann die anderen Reisenden mit vorgehaltenen Waffen in Schach, zogen selbst die Notleine und sprangen ab, als der Zug seine Fahrgeschwindigkeit verminderte. Die Gendarmerie ver folgte die Banditen, doch konnten bis jetzt keine Spuren von ihnen gesunden werden. Die Erhebungen sind sehr erschwert, weil keine genauen Beschreibungen über die Täter vorliegen und sich die Mitreisenden inzwischen nach den verschiedensten Richtungen zerstreut haben. Weiter wird hierzu gemeldet: Der getötete Reisende hatte die Räuber beobachtet Er sprang auf, um über dem Trittbrett in den nächsten Waggon zu springen und das Zug personal zu benachrichtigen. Er wurde aber von den mas kierten Männern durch mehrere Reoolverschüsse niedergc- streckt und stürzte, tödlich getroffen, aus dem Zuge. Er wurde später als Leiche am Bahndamm gefunden. Ihm sollen 240 000 tchcchische Kronen geraubt worden sein. Als die Banditen sahen, daß ihr Plan, di« Reisenden zu berauben, vereitelt war — dieser Zug wird hauptsächlich von slowaki schen Heimkehrern aus Amerika benutzt —, zogen sie die Not bremse und sprangen, als der Zug seine Geschwindigkeit ver langsamt hatte, ab und verschwanden in der Finsternis, obm bisher gefunden werden zu können. Der Ueberfall soll da rauf zurückzuführen sein, daß aus Ersparnisgründen der Zug nicht mehr von bewaffneten Detektiven begleitet ist. — Der fliegende Schlafwagen. Wie di« deutsche Luft hansa mitteslt, wird sie am 14. August als regelmäßige» Kursslugzsug auf der Strecke Berlin-London die neue zweimotorige Albatros-Maschine in den Dienst stellen, die unter der Bezeichnung „fliegender Schlafwagen" das all gemeine Interesse erweckt hat. — Das Ende der alten Pofibalterei in Weimar. Ein merkwürdiges Geschick verbindet sich mit der alten Poschal terei in Weimar, die jetzt, nachdem eine Versteigerung der alten Fahrzeuge vorausgegangen war, abgebrochen wurde, um einem modernen Lichtspielhaus Platz zu machen. Ge rade in den Tagen, als die Mauern der alten Poschalterei fielen, beging die Witwe des verstorbenen Posthalters Wel cher, Frau Helma Werther, ihren SO. Geburtstag in voller körperlicher und geistiger Frische. Damals, als Vie Greisin den Posthalter freite, bedeutete es y^ch eine Weltreise, als sie aus dem sondershäuserschen in das weimarifche Land kam, die, mit der Thurn und Taxisschen Postkutsche ausgeführt wurde. Merkwürdig ist aber auch der Abbruch der asten Posthalteret insofern, als in diesem Jahre die deutsche Fahr post ihr einhundertjähriges Bestehen feiert, soweit zwei- und vierspännige Postwagen, Diligencen und Extrareisekutfchen in Frage kamen. Auch von der Weimarer Poschalterei wurden Hunderte von Reisenden nach allen Richtungen hin gebracht, wobei die ehemaligen Postillone lustig ihre Lieder auf dem Posthorn ertönen ließen. So verschwindet ein Stück alte Postromantik nach dem anderen. Die abgehaltene Versteigerung der alten Fahrzeuge, man sprach von „alten Schlitten", die auf dem Hofe der alten Poschalterei stattfand und wozu sich zahlreiche Käufer eingefunden hatten, war das Ende. „Lio transit xloria munäi!" — 30 Kraftwagen durch Feuer vernichtet. In St. Asoph in Wales brach ein Großfeuer aus, bei dem 30 neue Auw mobile und drei große Rundfahrtautos vernichtet wurden. Das Gebäude, in dem die Kraftwagen untergebracht waren, brannte bis auf die Grundmauern nieder. Der Schaden wird auf rund 40 000 Pfund geschätzt. — Ein schweres Autounglück ereignete sich in der Ge gend von Fallersleben. Eine braunschweigische Autotaxe versuchte den durch keine Schranken gesicherten Bahnüber gang zwischen Ehmen und Fallersleben noch kurz vor dem hcranbrausenden Zuge zu überqueren. Der Wagen wurde jedoch von den Rädern der Lokomotive erfaßt, zur Seite ge schleudert und vollständig zertrümmert. Von den Insassen wurde einer sofort getötet, während die beiden anderen schwer verletzt wurden. Der Aütoführer dagegen blieb unver letzt. — Drückeneinsturz in Japan. — 60 Tote. „Times" be richtet aus Tokio: Infolge des Einsturzes einer anläßlich einer nächtlichen Feier dichtbesetzten Brücke bei Nodschirimalhk in Nordjapan wurden 60 Personen getötet. Ebensoviele wer den vermißt. Nach heftigen Rögenfällen war der Fluß an geschwollen und riß die hineingestürzten Männer, Frauen und Kinder in der Dunkelheit mit, bevor es möglich war, sie zu retten. Lustige Geschichten von Taubmann, dem Spaßmacher. Von Kurt Arnold Findeisen. Einer der originellsten Spaßmacher, die je in der Nach folge der bezahlten Hof-Narren und Hof-Taschenspieler im Gefolge eines deutschen Fürsten ihr Wesen getrieben haben, hieß Taubmann. Von den Umständen seines äußeren Lebens wissen wir folgendes: Taubmann hatte irgendwo in Niederbayern das Licht der Welt erblickt. Dann war er auf der Schule zu Kulmbach Kurrendeschüler. In seinem sechsundzwanzigsten Jahre be zog er, unterstützt vom Markgrafen von Brandenburg, die Universität Wittenberg (1592). Hier zeichnete er sich als Ver fasser lateinischer Verse derart aus, daß er schon 1595 Pro fessor der Poesie wurde. Dazu machten ihn seine witzigen Reden und kuriosen Einfälle allenthalben beliebt, nicht zuletzt am kursächsischen Hofe. So zog ihn Kurfürst Christian ll. ost zur Tafel. Bei dieser Gelegenheit verlor er nun aller dings nicht selten sein poetisch-wissenschaftliches* Gleichgewicht, lärmte, trank über den Durst, stopfte sich die Taschen voll Backwerk u. Braten und kehrte, wie die alten Berichte sagen, „als ein Küchenwagen bepackt" nach Hause. Auch waren feine Späße zuzeiten nichts weniger als delikat. Immerhin war die Achtung vor seinem schnellen Geiste und seinem poetischen Ingenium groß, heißt es doch in einem kurfürstlichen Reskript von 1595: „Wie man vernommen, daß ein junger Mann, welcher ein fürtrefflicher Lateinus u. guter Poet, mit Namen Taubmannus, in Wittenberg vorhanden sei, daß man Acht haben möge, dergleichen Leute, so der Jugend sehr nütz lich, bei der Universität zu erhalten" usw. Gottsched freilich, der reichlich hundert Jahre später zu Leipzig und allent halben auf leine Spuren stieß, war weniger gut auf ihn zu sprechen. Er proklamierte ihn nachträglich als den Groß vater aller Pritschenmeister und poetischen Narren in Deutschland, den nur der Trieb, um groß« Herren zu sein und entweder ein fettes Maul oder sonst etwas zu erschnappen, zu der schimpflichen Hantierung «ine» Lustigmachers verleitet habe. Den guten Laubmann würde das, falls er's noch ge hört hätte, nicht sehr angefochten haben. Er besaß schon zu Lebzeiten eine unnachahmliche Art, Schmähungen und An rempelungen seiner zahlreichen Neider u. Feinde unbeachtet zu lassen. So ließ es ihn, nun er in einem zinnernen Sarg unter verschnörkelten Epitaphen ruhte, erst recht kalt. Und so lebt er denn fort, trotz Gottsched, als einer, bei dem das deutsche Lachen eine Weile nicht Übel aufgehoben war; und wenn auch seine lateinischen Verse vergessen sind, so sind doch viele seiner Spüf noch munter. Einige der besten Toub- mann-Geschichten zollen nun folgen, und zwar im wesent ¬ lichen in der Form, die ihnen eine volkstümliche Kalender überlieferung verliehen hat: Einmal war Taubmann beim Kurfürsten dermaßen in Ungnade gefallen, daß er auf der Stelle den Hof verlassen mußte, und zwar mit der Drohung, von Hunden fortgehetzt zu werden, falls er sich noch einmal blicken lasse. Taubmann aber machte sich trotzdem gen Dresden wieder auf, nachdem er sich vorher drei lebendige Hasen verschafft hatte, die er unter seinem Mantel verborgen trug. Kaum hatte er den Schloßhof betreten, so stürzten auch schon einige Hunde auf ihn los. Da gab er dem ersten Hasen die Freiheit, und sofort jagten die Hunde hinter dem her. So gelangte Taubmann an die Treppe zu den kurfürstlichen Gemächern. Wieder heulten und kläfften ihm die Hunde entgegen. Nun ließ er den zweiten Hasen fahren, und die Meute fuhr wie besessen auf den Armen los. Endlich betrat er den Saal, drin er den Kurfürsten auf und ab gehen hörte. Dieser htztzte sofort einen Rüden auf ihn. In demselben Augenblick ließ Taubmann seinen dritten Hasen laufen, worauf im Saal ein so tolles Treiben begann, daß der Kurfürst sich vor Lachen krümmte und den kurzweiligen Rat in Gnaden wieder aufnahm. Der Sohn eines in der Residenz sehr unbeliebten Mannes bat Taubmann um einen Rat für seinen kranken Vater, da dieser weder, wie er sagte, liegen, noch sitzen, noch stehen könne. „Dann weiß ich nur ein Mittel," erklärt« der Gefragte, „Euer Vater soll sich Hängen." Am Hofe des Kurfürsten Christian H. erschien auch ein mal in besonderer Mission ein französischer Edelmann, und bei der Tafel leitete sich die Unterhaltung auf die deutsche Sprache über. Der Franzose fand sie schwerfällig und be sonders schwierig dadurch, daß sic überflüssige Wörter habe. Taubmann bestritt das entschieden und verlangte Beweise. „Sehet," sprach der Gesandte, „Ihr speiset und Ihr esset, was doch dasselbe ist, Ihr sendet und Ihr schickt, was wieder das selbe ist/ „Nein," versetzte Taubmann, „darin ist ein großer Unterschied. Wir speisen in Wittenberg durch die Gnade der kurfürstlichen Durchlaucht 150 arme Studierende, aber wir essen sie nicht. Ihr seid ein Gesandter aber kein Ge schickter." Einst wollte ein von Adelsstolz aufgeblasener Land junker seinen Witz an Taubmann zeigen, indem er ihm die Hand reichte und dabei mit selbstgefälliger Freude über sei nen Einfall ausrief: „Ci, ei, Herr Professor, was macht Ähr denn zu Hause, daß Ihr so grobe und harte Hände habt ' Man könnte Euch wahrhaftig für einen Drescher halten? „Da hätte man so unrecht nicht," entgegnete Taubmann trocken, indem er ihm die Hand drückte, „halt' ich ja soeben den Flegel in der Handl" Hedwig, Kurfürst Christians" U. Gemahlin, wünschte Taubmanns Gattin kennenzulernen und forderte ihn des halb auf, sie demnächst mit an den Hof zu bringen. Taub mann sagte, seine Frau sei stocktaub und eine Unterhaltung mit ihr sei kein"Dergnügen. Allein die Kurfürstin bestand auf ihrem Willen. Da gab er seiner Frau den Willen der Landesmutter kund und sagte ihr: „Schreie nur aus Leibes kräften, wenn du ihr antwortest, denn sie ist stocktaub." Als nun beide Frauen in voller Hofgesellschaft zusammenkamen und sich in der fürchterlichsten Weise und unter den tollsten Grimassen anschrien, vermochte sich niemand des heftigsten Gelächters zu envehren, um so weniger, als der Kurfürst von seinem lustigen Rate vorher verständigt, der Gesellschaft ein Zeichen gab, das die Täuschung verriet. Endlich ging auch beiden Frauen ein Licht auf, was sie ebenfalls in dis allge meine Heiterkeit einstimmen ließ. Die Kurfürstin, sagte man, wurde fast krank vor Lachen. „Siehste". (Nachdruck verboten.) Ich habe da eine Tante, die sagt nichts so gerne wie „Siehste". Wenn ihr kleiner Neffe auf der Straße ausgleitet, wenn ihr Mann nichts in der Lotterie gewonnen, wenn ihre Freundin den Zug versäumt hat, wenn offenbar wird, daß ihre Tochter anderswo um ein paar Pfennige billiger hätte einkaufen können, wenn ihr Bruder den Schirin hat stehen lassen: immer begleitet sie solche kleine Malheure des Lebens mit ihrem „Stehste". Wäre sie nicht meine Tante, sondern wäre sie die Napoleons gewesen, nach der Schlacht bei Leipzig würde sie gesagt haben: „Siehste". Man sollte meinen, daß diesem „Siehste" ein Ratschlag voran- gegangen wäre, etwas nicht so, sondern anders zu machen und daß dieses „Siehste" die Rolle einer Vermahnung spielte, in Zukunft Ihre Belehrungen besser zu respektieren. Aber solche Belehrungen sind nie erteilt worden. Das „Siehste" ist keine Festnagelung des Rechtgehabt-habens, sondern die Vorspiegelung des Dorausgewußt- babens. Es betrifft überhaupt nicht so sehr den Einzelfall, als viel mehr die gesamte geistige Einstellung zu den Dingen der Welt. Im Rahmen dieser Einstellung ist es ausgeschlossen, daß man auf der Straße ausgleitet, daß man Schirme stehen läßt, daß man den Zug versäumt und daß man die Schlacht bei Leipzig verliert. O, wie hasse ich dieses „Siehste", diesen grätigen Mißton der Selbstgerechtigkeit, diese nichts beweisende und alles behauptende Interjektion des Dünkels, diesen zweisilbigen Irrglauben an eine mögliche menschliche Vollkommenheit. Millionenfach schwirren di« „Siehstes" hemm. Meine Tante ist wahrlich nicht allein die Hörige dieses abscheulichen Worte», das eines der Dummheit ist. Wir pflanzen dagegen da» farbenfrohe Banner des heiligen Rechtes auf Dummheiten auf, di« ihre Korrek tur in sich selber tragen und wir lassen uns diese» Recht durch kein „Siehst«" der Welt verkürzen. Siehste, du „Siehst«", ° >»> >!>,