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Menschen entzog. „Mir wär- bas schrecklich, Schatz, wenn jemand merkte, daß wir auf der Hochzeitsreise find." — Er lachte gemütlich. „Mir nicht! Was gehn uns die Leute an!" Sie zuckte schon wieder zurück. Jetzt hatte er sogar den Arm um sie gelegt, hinter ihr war das Gitter der Sitzplätze, aber trotzdem, die Leute konnten doch sicher- alles sehen. Es war ja sehr süß, dieses stumme Fest halten der geliebten Hand, aber Loch auch peinlich. Die beiden Herren da drüben lächelten so seltsam, und die Damen daneben steckten di« Köpfe zusammen und flüsterten. Eine der Damen hatte sie sogar vorhin an gesprochen, als sie aus der Kajüte heraufkam. Man macht so leicht Bekanntschaften unterwegs, und Paul hatte ja auch schon mit den Herren gesprochen. Er wird doch nicht etwa erzählt haben, daß wir uns gestern erst geheiratet haben, fuhr es ihr durch den Sinn. Und sie fragte ängstlich: „Du, Schatz, du hast doch nichts gesagt zu den anderen?" „Was denn?" Er wurde immer verliebter vor den jungen, heißen Augen seiner Frau. „Na . . . daß wir auf unserer Hochzeitsreise sind, Latz wir . . . gestern erst . . Er schüttelte den Kopf vor ihrer Angst. „I wo . . . ich werde mich doch nicht uzen lassen! Da drüben die beiden — das find übrigens Berliner, die mich vorhin ansprachen — denen ist nichts heilig. Eie fragten mich gleich, ob ich Skat spiele, ich habe natürlich abgewinkt. Die beiden Damen find ihr« Frauen, ganz nette Leute, wie mir scheint. Ohne Anschluß kommt man ja doch nicht fort; so mal aus ein Stündchen schadet das auch nichts, was Liebste?" Sie blickt« scheu in seine Augen. Bei jedem Wort strahlte er sie an, wie er es die ganzen letzten VerlobungHahre nicht mehr getan. „Was hast du denn gesagt? Ihr habt doch minde stens 10 Minuten zusammen gesprochen äm Büfett?" Er lachte «och mchr. „Du kannst beruhigt sein, Schatz, ich habe vorgebeugt. Meine ersten grauen Haar« waren Bürgschaft. Ich habe gesagt, wir machen seit zehn Jahren dieselbe Tour, meine Frau und ich." Sie atmete erleichtert auf und lacht« nun auch. „Also so ein alte« Ehepaar schon? Ra, dann fällt das ja gar nicht auf, wenn Lu mal ein bißchen zärtliä. wirst, Schatz? Meinst du, die da drüben glaubten das?" Gr nickte. „Sicher. Nachher erzählte ich noch so nebenbei von unseren sieben Kickern zu Hause, und kein Mensch wird auf die Idee kommen, daß wir erst gestern ..." Er sprach nicht aus. Sie wäre beinahe von ihm fortgegangen. „Sowas . . . nein, sowas mußt du nicht sagen, ich mag sowas nicht, das . . . das ist mir zu heilig ..." Und Plötzlich schwiegen alle beide und wagten sich nicht in die Augen zu sehen. Die Blicke wanderten verträumt über das sonnendurchflutete Wasser, o, was barg di« Welt plötzlich alles an Glück und Wundern! Eine Stucke später hatte man sich regelrecht gegen seitig vorgestellt mit den Berlinern. Die andern hatten ein paar Witze gemacht, Paul und Grete hatten darüber lachen müssen, und man saß schließlich auf Feldstühlen dicht beieinander und bewunderte gemeinsam die Ufer mit den Badeorten. Sie hatten zufällig auch dasselbe Ziel, Saßnitz aus Rügen, und da Paul ja bereits zehn Jahre dieseäe Tour machte, wie er geschwindelt hatte, wurde er nun mit Fragen bestürmt, die er mit Schweiß perlen auf der Stirn, so gut es eben ging, beantwortete. Er sah fortwährend in den Reiseführer dabei, um sich auch nicht zu sehr zu blamieren. Er mußte die billig sten Hotels in Saßnitz angeben, wurde nach Verpfle gung und Wandertouren gefragt, und log schließlich das Blaue vom Himmel herunter. Bei Ankunft des Dampfers verschwinden wir ja doch sofort von der Bildfläche, dachte «r beruhigt, was schadet es also . . . Mit dem Verschwinden ging es aber nicht so leicht, wie sich das der junge Ehemann vorgestellt hatte. Die Berliner, die in ihm den würdigen Familienvater sahen, hefteten sich in rührender Anhänglichkeit an seine Fersen, stempelten den „Ortskundigen" zum Führer, und mieteten schließlich in demselben Hotel Nachtquar tier, in das Paul aufs Geratewohl hineinspazierte. Paul und Grete nahmen ein Zimmer im obersten Stock und die Berliner eine Etage tiefer. Man verabredet« sich nachher wieder auf der Hotel terrasse zum gemeinsamen Abendessen zu treffen, wenn man oben erst mal den Reisestaub von den Füßen ge schüttelt hätte. — Als Paul und Grete allein waren, fiel di« junge Frau ihrem Manne stürmisch um den Hals. „Ein Glück, daß du nichts von unserer Hoch zeitsreffe gesagt hast, Schatz. So fühl' ich mich noch einmal so frei und ungeniert den andern gegenüber. Bloß dein ewiges Schwindeln ist nicht schön, ich habe eine Heidenangst ausgestanden, daß du dich blamierst." Nachdem das junge Paar sich etwas erfrischt und umgekleidet hate, lief Grete zuerst aus dem Zimmer und fand die fidele Reisegesellschaft schon vollzählig an einer langen Tafel unten auf der Terrasse versammelt. Ihre neue, weiße Spitzenbluse, die sie sich angezogen hatte, der weiße Tuchrock und die dunkelroten Lippen machten entschieden Aufsehen. Sie wurde ordentlich verlegen vor den bewundernden Blicken der andern. „Allein, gnädige Frau?" fragten die Herren. „Ja, ja, da sieht man's wieder, daß die Männer viel mehr Zeit zu ihrer Toilette brauchen, wie wir Frauen," bemerkte eine der Damen lachend. Grete wollen ihren Paul verteidigen. „Nein," sagte sie hastig, ganz in der Gewohnheit ihrer acht langen Verlobungsjahre. „Mein Bräutigam ist längst umgezogen, er packt nur noch aus oben in unserm Zimmer, er kommt gleich nach. . . ." Aber was war denn? Sie wußte gar nicht, was sie so Schreckliches gesagt hatte, als sie die Gesichter rings um sah. Die zwei Frauenköpfe waren ja beinah ent setzt zurückgezuckt, und die Herren lächelten... lächel ten, wie nur lose Berlinern lächeln können. Bräutigam . . . aha! Also so sah das Verhältnis aus, was man sich zuerst gar nicht erklären konnte. Darum auch dieses Getue, diese Zärtlichkeit des „seit zehn Jahren verheirateten Paares!" Grete begriff plötzlich, was sie soeben angerichtet hatte. Am liebsten hätte sie geweint vor Scham. Sie besann sich aber noch zur rechten Zeit, machte Kehrt, stammelte etwas von „ich werde mal nachsehen, wo mein Mann so lange steckt," das „Mann" mit ganz be-, sonderer leidenschaftlicher Betonung, und lief wie ge jagt den Weg wieder zurück^ den sie eben gekommen war. . . . Paul wollte gerade die Tür seines Zimmers zu ziehen, als ihn sein« junge Frau daran hindert«. Sie flog ihm so ungestüm entgegen, daß er trotz seiner Gardelänge Mühe hatte, stramm stehen zu bleiben. „Um Eotteswille», bleib' oben, Schatz, ich habe uns eben furchtbar blamiert! Abet das kommt davon, wenn man so unnatürlich lange verlobt ist... ach Gott, Paul, „Bräutigam" hab« ich gesagt, mein „Bräu tigam" packt noch aus in unserm Zimmer . . . ich . . . lasse mich überhaupt nicht mehr unter Menschen sehen!" Er hielt sie fürs erste nur fest. Er mußte ihre holde Schutzbediirftigkeit doch ausnützeu. Und dann lachten sie alle beide, blieben hübsch solide oben, und ließen sich vom Kellner ein Menu auf den Neinen Balkon vor ihrem Zimmer servieren. Und diese Stunde des Versteckens und der Blamage war schließlich noch die allerschönste vom Tage.