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Der sächsische Erzähler : 29.05.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-05-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192605291
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19260529
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19260529
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-05
- Tag 1926-05-29
-
Monat
1926-05
-
Jahr
1926
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 29.05.1926
- Autor
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Unterstützung und die Einführung der Kurzarbeiterunter stützung wirtschaftlich ousgewirkt hat. Die Handelskammer Plauen hat aus Grund angestelltec Erörterungen berichtet, daß im allgemeinen die Kurzarbei- terunterstützung günstig beurteilt werde, weil sie denjenigen Industriezweigen, die auf Spezialarbeitskräfte angewiesen sind und bei der augenblicklichen Wirtschaftslage zu Be- triebseinschriinkungn gezwungen sind, die Beibehaltung eines Stammes wertvoller Arbeitskräfte ermöglichen. Zur Er höhung -er Erwerbslosenunterstützung haben sich die Han delskammern folgendermaßen geäußert: Da die augenblicklichen Sätze vielfach einen Anreiz bie ten, die Annahme von Kurzarbeit abzulehncn, entsteht ein Mißverhältnis, das noch dadurch gesteigert wird, daß seitens einzelner Ortsoermaltungen immer noch Notunterstützungen und Naturalien den Erwerbslosen zugcwiesen werden, ob wohl dies nicht mehr statthaft ist. Da die Mittel für die Er werbslosenunterstützung von der Allgemeinheit, insbesondere von der Wirtschaft, aufgebracht werden müssen, so stelle sie eine schwere Belastung der Wirtschaft dar. Die Lage der Krankenkassen. Die noch immer ungcschwächt andauernde Wirtschafts krise hat die Krankenkassen mehr und mehr in ihrer Finanz kraft beeinflußt. Die Beitragsrückstände haben, namentlich bei größeren Kassen, eine erhebliche Höhe erreicht. Auf der anderen Seite ist der Ausgabeetat nach wie vor stark erhöht. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn die Krankenkassen von sich aus verschärft die Mittel anwenden, die geeignet sind, in dieser Beziehung eine Besserung anzubahncn Der in letzter Zeit außerordentlich gestiegene Krankenstand hat sich nach und nach wieder etwas gesenkt. Es ist zu hoffen, daß mit dem Borrücken der wärmeren Jahreszeit eine wei tere Besserung eintrcten wird. Dadurch kann eine gewisse Entlastung cintretcn. In der Hauptsache hängt jedoch die weitere Entwicklung von den Wirtschaftsnerhältnisscn ab. Bei der sich immer noch vermehrenden Arbeitslosigkeit sieht es aber gerade nicht so aus, als ob die Lage der Krankenkas sen in absehbarer Zeit eine andere werden wird. Dresden, 28. Mai. Der Fall Mora. Ein Schreiben des Generalintendanten des Sächsischen Staatstheaters, Reucker, zum Fall Mora erklärt, daß Mora in einem ent scheidenden Augenblick sein Arbeit nicdergclcgt und eine den Interessen des Instituts durchaus schädliche Haltung eingenommen habe. Man habe Herrn Mora die Anerken nung für seine künstlerische Arbeit nie verweigert, solange er diese Arbeit geleistet habe. Dresden, 28. Mai. Einweihung des Arnholdbadcs. Das vom Geh. Kommerzienrat Georg Arnhold zur Er gänzung der Dresdner Stadionsanlage gestiftete, in unmit telbarer Nähe des Großen Gartens neuerbautc Schwimm bad wurde Donnerstag nachm. in Gegenwart einer überaus zahlreichen Zuschaucrmenge feierlich eingeweiht und nach den üblichen Ansprachen durch Stadtrat Enger in die städti sche Verwaltung übernommen. Der bekannte Schwimm meister Erich Rademacher aus Magdeburg nahm die Schwimmerweihe vor. Er wurde beim Betreten der Bahn von der vieltausendköpfigen Menge mit Jubel begrüßt. Ob wohl das Wasser äußerst kalt war (15 Gr. Celsius) trugen im Anschluß hieran die Dresdner Volks» und höheren Schu len Wettkämpfe aus, während der bekannte Springer Bau mann vom Dresdner Schwimmverein elegante Sprünge vom 10-Meter-Brett zeigte. Dresden, 28. Mai. Seiner Muller die Wohnung abge brannt. Ein 23jähriger Arbeiter, der bisher bei seiner Mut ter in der OpPelstraße wohnte, die Wohnung aber zwangs weise räumen sollte, übergoß aus Aerger die gesamte Woh nungseinrichtung der Mutter mit Petroleum und setzte dann alles in Brand. Nach vollbrachter Tat stellte er sich frei willig der Polizei. Hohnstein, 28. Mai Hochbetrieb in der Jugendburg. Der Psingstverkehr war hier ein recht reger, besonders am zweiten Feiertage. Auf dem Marktplatz und den Durch- gangsstraßen war der Verkehr infolge der vielen Autos und anderer Gefährte in den Nachmittagsstunden direkt beäng stigend. Die Jugeudburg war das Ziel vieler Ausslikgler. Durchschnittlich nahmen dort ab Sonnabend jede Nacht reich lich 1000 Jugendliche Quartier. Hohnstein, 28. Mai. Tot ausgesunden wurde unterhalb des Bcgangsteiges, der an den Polenztalwänden hinführt, eine männliche Person. Nach der weit vorgeschrittenen Ver wesung muß angenommen werden, daß der Betreffende schon monatelang dort gelegen hat. Uebcr Name usw. der Person konnte bisher nichts fcstgestellt werden: auch ist noch nicht zu sagen, ob Unglücksfall oder Selbstmord vor liegt. köhschenbroda, 28. Mai Die ersten Kirschen. Auf den sogenannten Scherzen südlich der Kötitzer Straße wurden gestern die ersten ausgereiflen Kirschen geerntet. Auch aus Zitschewig werden die ersten roten Kirschen gemeldet. Schlettau, 28. Mai. Eine Pelztierfarm. Im nahen Walthersdorf wird eine Pelztierfarm größten Umfanges an gelegt. Sayda, 28. Mai. Bisamratten. Nachdem bereits vor wenigen Tagen in Sautciche eine Bisamratte geschossen wor den mar, wurde dort am Dienstag wieder ein großes Exem plar dieses Schädlings erlegt . Lhemnih, 28. Mai. Furchtbare Tat eines Irrsinnigen. Mittwoch morgen überfiel in Dorfchemnitz der 39 Jahre alte verheiratete Strumpfwirker Sieber, der schon vor Jahren Zeichen geistiger Umnachtung gezeigt hatte, den in demsel ben Hause wohnenden Postschaffner und bedrohte ihn mit einem Dolch. Gegen die zu Hilfe eilenden Hausbewohner ging der Tobsüchtige gleichfalls mit Holzhacke und Dolch vor. In dem blutigen Ringen wurden dicr Personen verletzt, davon drei schwer. Schließlich gelang cs, Sieber zu über wältigen und in eine Irrenanstalt zu überführen. Auerbach, 28. Mai. während des Ausfluges das Wohn haus abgebrannt. In der Nacht zum Mittwoch brannte das dem Stickmaschinenbesitzer Franz Riemer gehörige Wohn haus nieder. Als die auf einem Pfingstausflugc befindliche Familie zurückkehrte, fand sic von ihrem Anwesen nur eine Trümmerstätte wieder. Zwickau, 28. Mai. Das Bürgertum schläft! In der letzten rechtzeitig angcsctzten Gemeinderntssitzung in Ober- hcrmcrsdorf, in der nach der Tagesordnung die Wahl des stellvertretenden Bürgermeisters zu erfolgten hatte, gelang cs den Kommunisten, ihren Kandidaten dadurch zum stell vertretenden Bürgermeister zu machen, daß einige bürger liche Gcineindevcrtretcr nicht zur Sitzung erschienen waren! AuS dem Gerichtssaql. * vlr »«nlgmverbrennuu-e» tm Freitaler Stadtkrankeuhau» vor Gericht. Am 10. Mürz vergängenen Jahres fand vor dem Gemeinsamen Schöffengericht Dresden ein größerer Strafprozeß statt, der sich mit bedauerlichen Röntgenverbrennungen in oer Staatlichen Frauenklinik zu befassen hatte, die in der Oeffentlich. leit und in der Fachwelt großes Aufsehen erregte». Zu gleicher Zeit, als der erste Termin Mitte März wegen der Vorkommnisse in der Staatlichen Frauenklinik stattfand, wurden andere ähnliche Verbrennungen bekannt, die bei Röntgendurchleuchtungen im Frei- taler Stadtkrankenhaus verursacht worden sind. Diese Verbren nungen führten bald zu allen möglichen und unwahren Gcküchten. Soweit die behördlichen Ermittlungen ein Verschulden oder Fahr- lässigkeit ergeben haben, wurden die hier in Betracht kommenden Personen zur Verantwortung gezogen und Anklage erhoben. Am Donnerstag vormittag begann in dieser Freitaler Angelegenheit ein größerer Termin vor dem Gemeinsamen Schöffengericht Dres den. Den Vorsitz führt Amtsgerichtsdircktor Wohlrab, der bereits den ersten Termin in Sachen der Staatlichen Frauenklinik leitete, ebenso vertritt wiederum Staatsanwalt Hartmann die neue An klage. Die Anklage richtet sich gegen den Stadt- und Medizinal rat Dr. med. Hermann Friedrich Wolf, den Chefarzt des Stadt krankenhauses Freital, Dr. med. Paul Otto Brade, den Hilssarzt Dr. med. Hermann Julius Ulrich Wolfs und gegen den früheren Krankenhausvcrwalter Otto Arno Hoffmann, sämtlich in Freital wohnhaft. Nach dem ergangenen Eröffnungsbeschlus; werden be schuldigt, zu Freital a) Dr. med. Friedrich Wolf, Dr. med. Brade, Hoffmann und Dr. med. Ulrich Wolff: 1. am 7. Januar 1925 den Rentner Göhler, 2. am 23. Januar 1925 den Lageristen Johannes Börner, b) Dr. med. Friedrich Wolf, Dr. med. Bradge und Hoff mann: 3. im Februar 1925 durch die am 10. und 24. erfolgten Röntgendurchleuchtungen die Maschinenarbeitersehefrau Alma Fischer geborene Schwarze, 4. am 24. Februar 1925 den Bergar beiter Felix Brjcsan und 5. durch die am 20., 21., 23. und 25. Feb ruar 1925 erfolgten Röntgendurchleuchtungen die Bcamtenswitwe Ida Bischoff geborene Hasenclever „infolge Außerachtlassung der von ihnen zu fordernden, ihnen möglichen Sorgfalt und Vorsicht durch Verbrennung bei Vornahme der Röntgendurchleuchtungen je an ihrer Gesundheit beschädigt und hierbei die Aufmerksamkeit, zu der sie vermöge ihres Amtes und Berufes besonders verpflichtet waren, au» denMigen gesetzt zu haben, zu 1 bis 5 je Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach den 88 223, 230 Absatz 1 und 2 in Verbindung mit 8 74 StGB." Zur Aufklärung des Sachverhal tes sind die vorgenannten verletzten Personen und eine Anzahl weiterer Zeugen und Sachverständige vorgcladen, darunter befin den sich Verwaltungsdirektor Richter, Stadt-Obermedizinaldirektor Geh. Rat Professor Dr. med. Schmorl, Sanitätsrat Dr. med. Ol- dag, Knappschaftsarzt Sanitätsrat Dr. med. Krasting, Stadt- Obcrmedizinalrat Professor Dr. med. Weiser, Oberregierungs- Mediziualrat Dr. med. Otto Strauß (Berlin), Professor Dr. med. Kraft, Dr. med. Quaas, Dr. med. Gärtner. Dr. med. Krebs, Vcr- waltungssekretär Gasch, Stadtschwester Nicolmann und Bürger meister Klimpel. Die Verhandlung, für deren Dauer zwei Tage vorgesehen waren, konnte noch am Donnerstag abend zu Ende geführt wer den. Von den drei angcklagten Aerztcn besaß keiner die er- orderlichen Kenntnisse in der Röntgenbestrahlung. M i t der Apparatur nicht vertraut, bediente der Angeklagte Hoffmann den neu beschafften Röntgenapparat. Dieser 39 Jahre alte ehemalige Krankenpfleger war in der Zeit vom 27. 8. 1908 bis Anfang Oktober 1909 als Röntgenwärter im Stadtkrankenhaus Dresden-Friedrichstadt tätig, lernte dabei den Betrieb kennen und will schließlich auch selbständige Arbeiten ausgeführt haben. Dann kam er zum Militär, fand später im Krankenhaus Löbau eine Anstellung, aber keine Gelegenheit zur Betätigung in der Röntgen bestrahlung, bis er schließlich als Hausinspektor beim Stadtkran- kcnhnus Freital angestellt und nach Beschaffung eines Apparates mit dessen Bedienung betraut wurde. Ein volles Jahr — zum Teil wurde auch noch ahne Filter geröntgt, ging dieser Betrieb ohne Zwischenfälle vor sich. Hoffmann erklärte in der Verhand- Wahnsinn an Bord. Skizze von Karl Götz. Die „Maryland", die alljährlich Tausende aus der Hast und dem Getöse nordamerikanischer Riesenstädte unter den ewig heiteren Himmel und in die Blütenpracht Floridas brachte, hatte Baltimore und die Chasepeakebay hinter sich. Pitt, der erste Heizer, warf seine Schaufel mürrisch in die Ecke, als er die ablöscnde Wache die weitfprossige Eisenleiter herunterklettern hörte. Diese Eisenleitcr bildete den einzi gen Zugang zu den tief unten liegenden Feuern. Links und rechts vor dem engen Raum waren mächtige Falltüren, durch deren Ocnnung die Kohlen aus den Bunkern gezogen werden mußten. Man Hane nie narbiges Geücht ve: Schmerzes verr"'.-..- stiere Ausdruck jahraus, jahrein ' sonst. Und wie er er plötzlich inne, ibn mit wuwerzerr: mutig nach u lächter auszubrech' Kroll, der junge, n zusammen, denn cs gesehen, daß Pitts mürrisches, pocken- 'raendeincm Zug der Freude oder des worden wäre. Doch heute schien der - ne egeöisnclen Augen, mit dem er : - s/t .er narrte, noch unheimlicher als - : -ck.m:len Leiter hochklettertc, hielt e -- ?-r Holzschuhc vom Fuß, warf r -re nach unten, stierte ihm weh- - - - unr-imlichcs,-höhnisches Ge- . das ".L-- stgleich wieder abbrach. Kohlentrimmer, schrak war aas daß er den Heizer hatte lachen hören. Während in dem engen, 'chn ur-iiarrendcn, verrußten Raum neben den Kosen b ' pr " nae Mahlzeit aus einem gemeinsamen, verbeulten blechernen Topie eingenommen wurde, benahm sich Pin nich: anders als an allen andern Togen. Als aber Kroll die durch'chmchren schwarzen Lap pen noch am Leibe, schon geraume Zen in der Koje aus dem zerrissenen, von eindringendem Waner durchweichten Strohsock träumte, da glaubie er plötzlich wieder dasselbe markerschütternde Lachen gehört zu haben wie im Heiz raum. Und am Abend hörte er von einem alten Trimmer: Man wisse gar nichts Genaues von Pitt: doch sei früher ein mal das Gerücht umgegangcn, er wäre einstens Deckossizier gewesen. Kroll hatte Tage und Nächte, in denen er cs in den Kohlenbunkern, wo einem die Gluthitze den letzten Lappen vom Leibe nötigte, nicht mehr aus,zuhollen glaubte. Wenn er noch oben kam. schmeißtricsend und todmüde, legte er in dem schmutzigen Winkel, der als Schlasraum diente, seine besten Kleider an und schlich sich an gefährlichen Türen, an Wachosiiziercn und an Stewards vorbei, über schmale Trep pen und durch allerlei Räume nach dem obersten Deck der ersten Klasse. Das hätte ihn jedesmal seine ganze Monats heuer kosten können. Aber cs zog ihn unwiderstehlich nach oben, unter Menschen, wo aus hcllcrlcuchtctcn Prunk räumen Musik, Gläscrktingcn und leises, kicherndes Lachen drang. Er träumte in einem der vielen Liegestühle über das weite, rauschende Meer hin. Eines Abends traute cr-scincn Ohren nicht. Ein deut scher Laut? Auf diesem Schiss? . . . Ein deutsches Volks ¬ lied drang leise über das Meer. Da war es ihm, als sprängen tausend Quellen Blutes aus seinem Herzen, und als hörte er Pitts hohnvolles Gelächter . . . An der Reeling stand eine Mädchcngestalt, einsam, denn die Salons boten zu viel an abendlicher Unterhaltung. Bei dem leisen Singen stieg in ihm schmerzvoll die Erinne rung auf an efcuumrankte Häuschen und schiefe Garten zäune, über die der Flieder duftend hing. In einer Stunde mußte er wieder im Bunker sein. Er war zu ihr getreten und sprach von ihren Liedern und deutschem Dichten und Singen. Und da saß ein junges Menschenkind neben ihm und hörte erfreut und staunenden Sinns, wie der Kohlentrimmer Kroll in den Lauten ihrer Heimat von den tiefsten Dingen des Lebens sprach . . . Er lag auf dem Rücken zwischen den Kesseln, klopfte, schraubte und feilte, ein leckes Rohr zu dichten. Siedheißc Tropfen zischten auf dem nackten Oberkörper auf. Und als er in plötzlichem Schreck zusammenzuckte, brannte er sich an dem glühenden Rohr einen breiten Striemen ins Fleisch. Die Sinne drohten ihm zu schwinden. Als das Rohr ge dichtet war, streckte er sich auf den Kohlenhaufen hin, nur einen Augenblick. Da sanken ihm die Augenlider zu . . . Sie war reicher Eltern Kind, das in weiter Fahrt Vergessen suchte von herbem Leid. Und er. . . Die äußere Ver worrenheit der Verhältnisse hatte ihm alle Mittel zur Fort setzung seiner Studien genommen und, angewidert von der inneren Unwahrhaftigkeit der Zeit, war er über die Gren zen gegangen. Arbeitsmangel in amerikanischen Riesen städten und graue Not hatten ihn auf die „Maryland" ge trieben . . . Plötzlich schreckte er aus seinen wachen Träumen jäh auf. Ein kantiges Kohlenstück war ihm in die Seite ge flogen, daß das warme Blut in die schmutzigen Kleider sickerte. Der Heizer schrie heiser vor Wut nach Kohlen und Kroll schaufelte, daß seine Glieder vor Ermattung zitterten. In einer der vornehmsten Kabinen der ersten Klasse ober konme Hildegard Meinrad nicht den Schlaf finden Wie viele Saiten waren bei seinem Anschlag in ihr ange klungen, die sie längst verstummt glaubte! Er gehörte aufs Schiff. Ob er Offizier war? Oder gar Steward? Am nächsten Abend standen sie lange beieinander, be vor Kroll wieder nach unten stieg. Lauge hielt er die Hand in der seinen, und wie er sich über die Reeling schwang und außenbords über dem rauschenden Meer nach unten klet terte, sah sic ihm pochenden Herzens nach. Als er an diesem Abend als Erster auf der schmalen Eiseulciter in den Hcizraum stieg, wunderte er sich, daß noch keiner von der vorherigen Wache oben war. Auf dem untersten, schmalen Steg, der in etwa sechs Meter Höhe den Heizraum rings umlief, schrak er hestig zusammen. Die letzte Leiter nach unten mar abgeschraubt. Unklar durch- zuckie ein Gedanke seinen Kopf. Er vermeinte, Pitts wahn sinniges Gelächter zu hören. Und schon im nächsten Augen blick bot sich ihm ein entsetzliches Bild. Drunten vor den Feuern stand Pitt und warf in wahnsinniger Hast Kohlen in unsinnigen Mengen in die Heizrohre. Aus seinen Augen funkelte tierische Gier und teuflische Freude. Da hatte er Kroll auf dem unteren Rundgang entdeckt und mit wutver zerrten Zügen und unbeschreiblichem Geheul warf er mit Kohlenstücken nach ihm. Kein Zweifel, Pitt war wahnsinnig geworden! Er hatte die andern aus seiner Wache in einen der Kohlen bunker zu locken verstanden, und hatte die schwere eiserne Falltür hinter ihnen geschlossen. Kroll hörte jemand die eiserne Leiter herunterklettern. Da krachte von drunten ein Schuß, und einer der Heizer stürzte, an ihm vorbei, kopf über vor die Feuer. Pitt erhob ein teuflisches Gelächter. Oben hörte man erregte Stimmen. Die Sicherheitsventile waren gewaltsam verschlossen. Werkzeuge und Zeit waren nötig, sie zu öffnen. Unten aber glühten schon die Kessel wände. Und immer noch warf der Irre den Feuerbrand in den Bunker! Die Hitze drohte Kroll die Sinne zu nehmen. Er hörte die Schreie der Erregung und Verzweiflung von oben. Der Kessel mußte explodieren, das Schiff in kurzer Zeit in Flammen stehen. Ein Gedanke durchzuckte plötzlich seinen Kopf: Wie sie in weißem Linnen von deutschen Gär ten und mondübexglänzten Giebeln träumen mochte . . . Ein Ingenieur hatte ihm eine Pistole nach unten ge reicht. Nach vier Schüssen brach Pitt mit einem marker schütternden Aufschrei zusammen. Aber der Kessel mußte jeden Augenblick explodieren. Der Passtzgiere hatte sich eine ungeheure Panik bemächtigt. So sehr man sich auch bemüht hatte, die Vorgänge hatten sich nicht verheimlichen lassen, zumal die Flammen schon an einer Schisfsseite herausleckten. Kroll ließ sich an einem Seile in den Heizraum her unter, unbeachtet der Warnungen der anderen. Zwei Hei zer kamen ihn; nach. Der Irre hatte alle Treppen entfernt, die zu den Ventilen führten. Kroll kletterte mit Hilfe der beiden anderen zu einem der Dampfhähnc. Das Fleisch löste sich ihm von den Fingern, als er den Hahn drehte. Ohn mächtig siel er auf den erhitzten Kohlenhaufen vor den Feuern. Man zog ihn nach oben. Unter furchtbarem Fau chen drückte der Dampf endlich durch die Oeffnung! Des Feuers ward man Herr. Und nachdem cs gelun gen war, auch die Notvcntile zu öffnen, war die Gefahr für die Kessel vorüber. Die Verheerungen erforderten zur In standsetzung alle Kräfte, aber das Schiss war gerettet. Man hatte alle Mühe, die Passagiere von der nunmehr gesonder ten Kabine Krolls fernzuhaltcn, bis der Zustand des Retters sich gebessert hatte. Aber einem jungen Mädchen war es gelungen, zu ihm geführt zu werden. Nur einen Augen blick öffnete er die Augen. Dann spielte ein unvergleichlich glückliches Lächeln um seinen Mund. Sie legte ihm die Hand auf seine fieberheiße Stirn, beugte sich nieder zu ihm und küßte ihn lange auf die zitternden Lippen. Als sic viele Wochen später als jung verlobtes Paar der Heimat Zufuhren, erzählte er ihr alles, von dem Augenblick an, als e^ den Heizer Vitt batte zum erstenmal lachen hören.
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