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Der sächsische Erzähler : 24.04.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-04-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192604241
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19260424
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19260424
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-04
- Tag 1926-04-24
-
Monat
1926-04
-
Jahr
1926
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 24.04.1926
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drei Sic Neues aus aller Welt. — Line halbe Million Amerikaner wollen Europa be suchen. Schon in den letzten Jahren hat man. wenn der Sommer ins Land zog, von einer Invasion der Amerikaner gesprochen, die in unzähligen Mengen den alten Kontinent besuchten. Dieses Jahr scheint aber doch der bisherige Re kord gebrochen zu werden. Die Plätze auf den transatlanti schen Dampfern, die von Amerika aus ihren Weg noch Europa antreten, sind schon lange vor der Abfahrt des Dampfers ausverkauft und die amcrikanisclicn Dampfergc- sellschasten rechnen damit, daß im ganzen wohl eine hacke Million Amerikaner während dieser Saison den Kontinent besuchen dürsten. In Amerika gibt es eben noch viele Leute, deren Geldbeutel einen solchen „Katzensprung" als Som- merreise erlaubt, und außerdem lebt es sich ja für die Dollar leute noch immer in Europa spottbillig, einmal um des nied rigen Balutastandes verschiedener Länder willen, dann aber auch, weil das Niveau der Lebenshaltungskosten in Aus dem Gerichtsfaal. * Klavierspiel ohne Noten. Eine Anklagesache wegen unlau teren Wettbewerbes, die weite Kreise des Musiklebens, insbeson dere aber jeden Klavierspieler, aus das lebhafteste interessieren dürfte, kam in einer vielstündigcn Sitzung por dem Gemeinsamen Schöffengericht Dresden zur Verhandlung. Seit längerer Zeit er scheinen in weit über hundert Zeitungen Deutschlands in gewissen Abständen Inserate verschiedener Abfassung, wie „Klavierspiel ohne Noten", Weltsystem F. A. Fey, nach denen Erwachsene bis zu sechzig Jahren das Klavierspiel ohne Noten in 12 Stunden erlernen können. In den Ankündigungen, deren Text oft wechselt, wird u. a. gesagt, nach zwei Stunden spiele jeder schon Lieder. Tänze, nach 10—12 Stunden Stücke aus Opern, Operetten, Salonstücke usw. Es handelt sich hier um das System eines Musikverlegers Fey-Frankfurt, wo an Stelle der No- Keuerwehr-Run-schau. Der Landesausschuh sächsischer Feuerwehren hält am morgigen Sonnabend, nachm. 3 Uhr, eine Sitzung in Meerane im Hotel Härtel ab, bei welcher 7 Punkte zur Beratung kommen. Der große Landesausschnß tagt am Sonnabend, den 1. Mai, vorm. 11 Uhr, in der Landesversichcrungskammer in Dresden. Die Tagesord nung ist folgende: 1. Mitteilungen des Vorsitzenden. 2. Statistik und Neuaufnahmen. 3. Krcisvertreterwahlen: a) Bautzen-Kamenz, d) Freiberg und Marienberg. 4. Kassenangelegenhciten betr., a) Kassenberichte, b) Staatszuschüsse. 5. Erweiterung der Unfall versicherung betr. 6. Richtlinien für Motorspritzen und Ueberland- löschhilfe betr. 7. Revisionen der Pflichtfeuerwehren betr. 8. Wei tere Eingänge. Zur ersten Sitzung tagen nur die Kreisvcrtrctcr, während bei der zweiten Sitzung sämtliche Verbandsvorsitzcnde mit zugezogcn sind. — Neuaufnahmen im Bautzner Feuerwchrver- band finden statt am 2. Mai Freiw. Feuerwehr Spittwitz nachm. 3 Uhr, am 0. Mai nachm. 2 Uhr Freiwillige Feuerwehr Saritsch und am 13. -Mai voraussichtlich Großhänchen. Im Bischofs werdaer Feuerwehr-Bezirk findet am 16. Mai ein Uebungsmarsch nach Bischofswerda, verbunden mit dem 60jährigen Jubiläum, statt. — Neue Spritzen haben die Gemeinden Gröditz und Brösa, erhalten, welche in den nächsten Tagen durch den Kreisvcrtrctcr abgenommen werden sollen. — Am Sonntag, den 18. April, hiel ten die Feuerwehrsamariter im ersten Bezirk in der „Guten Quelle" in Bischofswerda unter Leitung ihres Obersamariters Kitt- ncr-Burkau eine gutbesuchtc Uebung ab. Die Samarilcr-Scktion im 1. Bezirk des Feuerwehrverbandes der Amtshauptmannschaft Bautzen hielt am letzten Sonnta, nachm. ^-4 Uhr, in Bischofswerda, Restaurant „Gute Quelle", eine Uebungsvcrsammlung ab, die vom Bczirksobersnmariter Kcttncr mit einer Begrüßung der erschienenen 23 Kameraden eröffnet wurde. Besonderer Gruß wurde Herrn Branddirektor König aus Bclmsdorf zuteil. Verschiedene Neuaufnahmen konnten erfolgen. Es wurden verschiedene Wundvcrbändc praktisch ausgeführt. Die nächste Uebungsversammlung wurde auf den 2. Mai, „Gute Quelle", Bischofswerda, scstgelcgt. Um ^6 Uhr schloß Obcrsama- ritcr Kettner die Uebung. Die scharfe Exzellenz. Humoreske von Karl Lütge. Wie überall, so drückte sich auch in der einstigen Resi denz Tstadt das Militär gern beim Nahen des Kommandan ten, der „scharfen Exzellenz", indem es rasch in einem Ge schäft oder einem Hausflur verschwand. Es war kein Ver gnügen, mitten in einer belebten Straße vom Bürgersteig herunterzusprinoen und sich stramm auf dem Fahrdamm aufzustcllen. Der „scharfen Exzellenz" entging — daher der Name — so leicht keiner dieser Drückeberger! Die meisten faßte er dadurch ab, daß er sich vor den Geschäften postierte und un verrückbar hier ausharrte. Die „Drei Tage" von der „schar fen Exzellenz" waren aus diesem Grunde direkt sprichwört lich in Tstadt. Guido Bachmayr, dazumalen schneidvoller Einjähriger, war einige Tage auf Urlaub in Lstadt und wurde bereits am ersten Tage vom Schicksal, in Gestalt der scharfen Exzel lenz, ereilt. Da ihm dgs Erweisen der Ehrenbezeigung durch Frontmachen im Beisein der Braut peinlich war, zog er das Mädchen rasch in den nächstbesten Hausflur und stieg die Treppen zu den oberen Stockwerken hinauf. „Wo willst Du denn hin?" fragte erstaunt die Braut; doch dann verstand das Mädchen. „Ach, die fcharse Exzellenz? Die kriegt Dich doch! Die wartet vor der Tür und merkt sich auch jeden, der kneift!" Zum Glück war man in ein Haus geraten, in dem Be- lannte Bachmayrs wohnten. Denen fiel man zwei geschla gene Stunden zur Last und riskierte dann den Rückweg aus dem gefährdeten Hause. Wirklich hatte die scharfe Exzellenz unterdessen das Feld geräumt. . . Für den Rest seines Urlaubes ging Guido Bachmayr nur in Zivil. Die scharfe Exzellenz begegnete ihm noch öfter, doch auf der anderen Straßenseite, wo der „Zivilrock" nicht beachtet wurde. Aber eines Tages kam die scharfe Exzellenz dem in verbotenem Zivil lustwandelnden Einjäh rigen in einer stillen Allccstraße direkt entgegen. Ein Aus weichen war unmöglich. Der Gestrenge erkannte den Drückeberger von voriger Woche auch sogleich und blieb stehen. „He, der Einjährige!" Guido Bachmayr war ober plötzlich taub geworden. Eilends schritt er die Straße weiter hinab gefolgt von der scharfen Exzellenz, die bedrohlich nahe blieb. Da nahte eine rettende Droschke. „Heda, schnell fort! Geradeaus!" Der Kutscher wendete sich flüchtig, hieb auf den Gau' ein, und das Gefährt stob in achtbarer Eile davon. Die geprellte scharfe Exzellenz gab sich aber nicht ge schlagen. An der nächsten Straßenecke war eine Droschken haltestelle. „Einen Wagen! Rasch!" Einer der Kutscher drängte sich ausfallend vor. „Bitte, hier, Exzellenz!" Der Gestrenge wies auf die Droschke, die noch in der langen Alle» *u sehen war. Aus Sachsen. Dresden. 2S. April. Besuch au» Lhlcaao. Sie das städtisch« Verkehrsamt mittelst, wird eine Reisegesellschaft au» Chicago auf einer Deutschlandreise vom 26. bis 28. Aug. in Dresden Aufenthalt nehmen. vschah. 23. April. wohnuug»bau. Die Stadtverord- neten beschossen, in nächster Zeit 20 städtische Wohnungen mit einem Kostenaufwand von 105 000 Mark zu errichten. Leipzig. 23. April. Schwere Kesselexplosion. Loks- mokivführer und Heizer tot. Donnerstag vormittag ereig nete sich in dem Betriebe der Deutschen Erdöl-A.-G. in .Regesbreitingen bei Leipzig eine folgenschwere Kesselexplo- sion. Eine Lokomotive fuhr mit voller Gewalt gegen einen Bagger. Durch die herumfliegenden Maschinenteile und die ausströmenden heißen Dämpfe wurden der Führer Johann Wybramitz und der Heizer Georg Wilhelm sv schwer verletzt, daß sie kurz nach ihrer Einlieferung in ein hiesiges Krankenhaus verstorben sind. Annaberg. 23. April. Jener entstand in der vergange nen Nacht im Hofgut des Gutsbesitzers Karl Frenzel, dem sogenannten „Reitergut" in Mildenau. Das Feuer ergriff bei starkem Winde sehr schnell den ganzen Dachstock und nn Laufe weniger Stunden brannte das ganze Hauptgebäude bis auf die Grundmauern nieder. Hierbei verbrannten etwa 20 Zentner Hafer und Gerste, eine Anzahl Hühner und ver schiedenes Mobiliar. Das Großvieh konnte gerettet werden Man vermutet Brandstiftung. Lhemnih. 23. Avril. Zusammenstöße bei Erwerbslosen demonstrationen. Auf Veranlassung der Kommunisten de monstrierten am Donnerstag nachmittag um 5 Uhr eine große Menge von Erwerbslosen, die die Bannmeile durch brochen und die Polizei schwer bedrohten. Mehrere Schutz leute wurden überfallen und schwer verprügelt In Lebensgefahr geriet ein berietener Schutzmann, der mit seinem Pferd inmitten der johlenden Menge stürzte. Nachdem beträchtliche Polizeiverstärkungen eingesetzt worden waren, gelang es nach zweistündigen Bemühungen, die Ruhe wieder herzustellen. Oelsnih i. v.» 23. April. Bei einer Schlägerei mit den Wirtsleuten wurde die Frau des 57jährigen Heizers Müller derart vor den Unterleib gestoßen, daß sie nach drei Tagen offenbar an den Folgen dieser Perletzungen gestorben ist Außerdem hatte sie Schläge über den Kopf erhalten. Als Täter wurde ein aus Hartmannsgrün stammender Einwoh ner namens Jahn, der den verhängnisvollen Schlag geführt hatte, in Haft genommen. „Der da nachfahren und einholen! Verstanden?" Mein es war ein müder Gaul vor dem Wagen. Der Gestrenge steckte wiederholt den Kopf aus dem Wagenfen ster. „Zum Teufel, dreschen Sie dem Gaul doch ein paar ordentliche über! So eine ekelhafte Bummelei!" Für wenige Augenblicke ging die Fahrt schneller von- statten; doch sie siel bald in das alte, müde Tempo zurück Da kam eine Eisenbahnschranke in Sicht. Der verfolgte Wagen stob gerade hinüber. Der Verfolger fuhr jetzt noch langsamer. „Himmelkreuzboniben, fahren Sie doch zu! Gleich wird wieder einmal die Schranke niedergenuddelt . . ." Die Schranke wurde wirklich geschlossen. Ein Güter zug fuhr in gemächlicher Fahrt und in endloser Wagenreihe vorüber . . . Wütend zahlte der Gestrenge. Den anderen Wagen nun noch einzuholen, besaß wenig Aussicht auf Erfolg. Der Kutscher grinste: „Diesmal werden cs keine Tage!" Die scharfe Exzellenz wurde grob: „Was verstehen denn davon?" „Ich?! — Ich hab' doch selbst mal drei Tage deshalb aufgebrummt gekriegt!" Fortbewegung von Rettungsbooten. Ein ernstes Hindernis für die volle Ausnutzung der Rcttungsmöglichkeiten bei Schisfskatastrophen bildete das bis vor kurzem nur unvollkommen gelöste Problem der Fortbewegung der bis auf den letzten Platz mit Schiffbrüchi gen besetzten Ruderboote des Schiffes. Das einfache Rudern bereitet hier aus verschiedenen Gründen Schmie rigkeiten. Zunächst sind die Matrosen moderner Kauffahr teischiffe nicht mehr wie früher mit Segeln und Rudern ver traut, überdies bilden sie auf großen Passagicrschiffcn nur einen kleinen Teil der Besatzung. Wertvoll wäre daher eine Einrichtung, die die Teilnahme jeder sich im Rettungsboot befindenden Person an der Arbeit des Ruderns ermöglichen würde. Von verschiedenen Seiten ist eine Lösung der Auf gabe versucht worden, ein großes Boot auch durch ungeübte Personen vorwärts zu bewegen. An Bord des Dampfer-' „Tjerimai" des Rottcrdamschen Lloyd werden zur Zeit er folgreiche Versuche mit dem Rudcrsystem eines Ingenieurs Fleming angestellt. Dieses bietet den Vorteil, daß die Schiffbrüchigen die Rudcrtätigkeit aufnehmen können, so bald das Boot zu Wasser gelassen ist, daß ferner die Ruderer nicht in ihrer Arbeit behindert werden durch tatenlos zu schauende Insassen, und daß es möglich wird, über das Boot in seiner vollen Länge ein Zeltdach zu spannen. Dazu sind an beiden Seiten innerhalb der Bordwand vertikale Hebe stangen angebracht. Die Rolle des „Ruderers" beschränkt sich darauf, die Kraft zur Vor- und Rückwärtsbewegung dieser Hcbestangen zu liefern. Diese Bewegung wird durch einen Apparat aus eine kleine Schiffsschraube übertragen Der Apparat ist so eingerichtet, daß die Ruderer mit Hilfe eines Hebels die Schraube für Fghr» voraus oder achteraus in Umdrehung versetzen können. it«n entsprechend« Zahlen angeführt sind Fey yac m s eu i - . Vertretungen eingerichtet, diesbezügliche Inserate werden dann u, den jeweils all, Orte erscheinenden Zeitungen erlassen. Wer st . nach diesem Slltem ausdilden will, muß ein größeres Werk erwer den, do» zahlreiche Musikstücke für Klavier enthält, und worin an Stelle der üblichen Noten die dafür geltenden Zahlen ringesen, sind. Ein solches Werk wird mit 100—130 Mark abgegeben, der Vertreter muß fünfzig Mark an den Verlag Fey dafür abführen, der seinerseits für Druck und Einband angeblich 24 Mark aufzu- wenden hat. Die Vertretung in Dresden wurde einer Frau Elsa Kunow, Holbeinstraße 4, übertragen. In den in Dresdner Zei. tungen seit Herbst v. I. erfolgten Ankündigungen — zuletzt bei. spielsweise Dresdner Anz. Nr. vom 24. 2. 26 — wurde ein Ver gehen nach 8 4 des Gesetzes betr. Bekämpfung des unlauteren Wett bewerbes erblickt. Der Reichsverband deutscher Tonkünstler und Musiklehrer hatte Strafantrag gestellt, cs war demzufolge gegen die vorgenannte Frau Kunow auch Anklage exhobcn worden. Und mit dieser Angelegenheit Halle sich jetzt das Gericht zu befassen. Der Re chsverband deutscher Tonkllnstler und Musiklehrer hatte sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlosscn. Als Sachverständl- ae waren Hochschulkapellmeister Professor Schneider und Prof. Petzet, als Zeuge der Verleger Fey vorgeladcn. Die Angeklagte bestritt jedes Verschulden, cs liege keine Irreführung vor, es könne auch keine Schädigung der Musikunterricht erteilenden Per sonen und Kreise darin erblickt werden, zumal an Kinder und Ju gendliche-gar kein Unterricht erteilt werde. Es wurden zahlreiche Dankschreiben überreicht und neben vielen Fragen aller Art auch erörtert, weshalb sich Angeklagte den Titel Direktor zugelegt habe, was aber nach deren Angaben auf ganz anderem Gebiete liege und mit einer dem Ehemanns gegenüber früher angewendeten Bezeich nung im Zusammenhänge gestanden hat. Als Zeuge wurde ferner auch Verleger Fey gehört, der sein System erläuterte und der sei- nerseits glaubte, den Titel Musikdirektor sich zulegen und auch füh ren zu können. In einer Gerichtsbeamtenwohnung wurde hierauf das Wellsystem Fey ausprobiert, worauf die Sachverständigen Hochschulkapellmeister Professor Schneider und Professor Petzet ihre Gutachten erstatteten. Was zunächst den Titel Musikdirektor an belangt, so werde damit häufig grober Unfug getrieben, das Sy stem Fey „Klavierspielen ohne Noten" habe sich als unpraktisch er wiesen, cs ist mehr ein Auswendigspielen, in den unter Anklage stehenden Inseraten sei eine Irreführung zu erblicken. Nachdem sich die Sachverständigen über die S einzelnen, von der Staatsanwalt schaft besonders hervorgezogenen Punkte geäußert und insbeson dere den Begriff „Hausmusik" erläutert, der ja je nach den Verhält nissen ein sehr dehnbarer ist, ergriff der Anklagevertreter Staatsan walt Dr. Pfützner das Wort, um nach den Ergebnissen der lang wierigen Beweiserhebung die Bestrafung wegen zweier Punkte zu beantragen. Zeuge Fey habe nie Musik studiert, er führe den Titel ganz zu Unrecht, die Angeklagte konnte insoweit in gutem Glauben sein. In den Inseraten stehe nicht, mit was für Unkosten die Erlernung dieses Systems verknüpft sei, erst wenn der Schüler im Netz gefangen sei, erfolge nähere Aufklärung. Rechtsanwalt Reichenbach als Vertreter des Nebenklägers plädierte ebenfalls für Bestrafung, Hausmusik sei kein Kinderspiel, inan verstehe darunter etwas Schöngeistiges, es sei unerhört, wie sich der Zeuge Fey als Musikdirektor bezeichnen könne, und was praktisch von ihm und der Angeklagten vorgetragen worden sei, habe sehr enttäuscht. — Rechtsanwall Sellnik verwahrte sich gegen die Auffassung, als soll ten Dumme gesucht und ins Netz gelockt werden, es werde den Musiklehrern kein Abbruch getan und kein Schaden zugefügt. Per sonen, die sich mit den Noten nicht zurechtgefnnden, sollten aus an dere Weise musikalische Kenntnisse beigebracht werden. Künstler können nicht beurteilen, was den Laien befriedige, das beweisen gerade die vielen Dankschreiben. Subjektiv sei der Angeklagten der gute Glaube nicht abzusprechen, in objektiver Richtung fehle jeder Nachweis, deshalb könne eine Verurteilung nicht erfolgen. Das Gericht erkannte nach langer Beratung auf Freisprechung mit der Begründung, es sei nur ein Punkt als irreführend für er wiesen angesehen worden, trotzdem erfolgte aber keine Verurtei lung, weil Angeklagte dem angeblichen Musikdirektor glauben konnte. Nach der Ansicht des Gerichts sei unter Hausmusik, die hier ohne Skaten gelernt werden soll, keine Qualitätsmusik zu verstehen. Gegen das Urteil wurde von der Staatsanwaltschaft und dem Ne benkläger Berufung eingelegt. Strafverfolgung stch ander» verhalten hatten al» hier im Landtag. Abg. Dr. Seyferl widersprach dem und betonte, daß, , wenn jemand den Mut hat; einen Dritten in feiner Ehre an- > zugreisen, er dann auch den Mut aufbringen müsse, sich zu verantworten. Aba. Deutler (Deutschnat.) stellte fest, daß seine Partei immer der Genehmigung zur Ermöglichung der Strafver- folgung zugestimmt habe, wenn es sich um üble Nachrede ' handelt oder um Mißbrauch der Immunität durch Abge ordnete als Redakteure, vor allen Dingen ober auch, wenn ' es gilt, schwer angegriffenen Beamten die Gelegenheit zu»' Rechtfertigung zu geben. Auf jeden Fall müsse gegen eme^ solch« Berleumdungssucht, wie sie aus der kommunistischen Presse spräche, vorAegangen werden. Ein Parlament, das auf Anstand und Sitte halte, müsse sich zur Frage der Im munität so einstellen, wie das hier durch die bürgerliche Mehrheit geschehen ist. Es folgte dann die letzte Abstimmung über den Fall Renner, wobei wiederum der Abg. Kühn mit den Bürger lichen für die Genehmigung der Strafverfolgung stimmte, die auch damit ausgesprochen wurde. Weiter handelte es sich um die Genehmigung zur Strafverfolgung gegen den Abg. Voigt (D. Vp.), der das Haus ersuchte, die Genehmi gung zu erteilen, weil ihm sonst jede Möglichkeit genommen sei, eine Privatklags zur Abwehr von Angriffen gegen ihn durchzuführen. Das Haus beschloß darauf, gegen Vie Stim men der Kommunisten, auch in diesem Falle die Strafverfol gung zu genehmigen. Abg. Kastner (Dem.) verlas dann eine Anfrage an die Regierung, die sich mit dem Zusammenbruch der deutschen Zigarettenindustrie befaßt. Er wies darauf hin, daß min destens die Hälfte der deutschen Zigarettenindustrie in Sachsen ihren Sitz hat und daß infolgedessen die Auswir kungen des Zusammenbruches in Sachsen ganz besonders stark fühlbar werden müssen. Deshalb müsse möglichst mit Rückwirkung auf den 1. Oktober 1925 der sofortige Abbau der unsozialen und untragbaren Materiaffteuer erfolgen Die Wiedereinführung der einheitlichen Banderolensteuer und der gesetzliche Schutz der Hersteller sei dringendstes Be dürfnis. Ein Regierungsvertreter erklärte, daß die sächsische Re gierung an einer Herabsetzung der Materialsteuer gemein sam mit der Reichsregierung und der Arbeiterschaft arbeite. Sie werde alles tun, um eine Erleichterung zu erreichen, die dringend notwendig sei. Die bürgerlichen Fraktionen erklärten durch ihre Red ner ihre Uebereinstimmung mit den Forderungen des Abg. Kastner, während die Linksparteien auch diese Gelegenheit wieder zu Agttationsreden benützten. Im Zusammenhang mit der Beratung der Vorlage über die zum Gesamtministerium erlassenen St uerverordnungen wurde ein von den Kommunisten gegen den Ministerpräsi dent Heldt gestellter Mißtrauensantrag beraten, den der Abg. Böttcher in langen Ausführungen begründete. Die Verhandlungen zogen sich wieder bis spät in den Abend hinein. Bei der bekannten Einstellung der Parteien ist anzunehmen, daß die Notverordnungen genehmigt und der Mißtrauensantrag gegen den Ministerpräsidenten gegen die Stimmen der Linkssozialisten und Kommunisten abgs- lehnt wird. Nächste Sitzung Dienstag, den 11. Mai.
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