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-LtL« und wie ganz nebensächlich erwähnte er, daß die verschiede nen als Ehrengäste geladenen Herren ihr Erscheinen zuge sagt hatten: Rittmeister von Hummelstein in Berlin, Besitzer des nachbarlichen großen Gutes, die Bürgermeister der Kreis- und der Nachbarstädte, Pfarrer Nettinger, Medizinal rat Schinke, der seiner Vaterstadt Ehre machte durch seine weltbekannten wissenschaftlichen Erfolge, und einige andere. Agnes hatte ihn Zufällig bei Nennung seines Amtsvor- gängers angesehen. Kein Wimperzucken, kein Erröten, kein Fragen. Wohl aber ein Verwundern beim nächsten Namen. „Schinke? Kenn' ich gar nicht. Den Namen hab' ich auch nie gehört." Worauf Böhm ihr Bescheid gab: dieser be rühmte Mediziner sei ein alter Herr, der einzige Sohn seiner Eltern, die in den siebziger Jahren verstorben seien, ihre Denkmäler stünden ganz am Westrande des Friedhofes. Zuletzt noch das Anerbieten der Gerberinnung, einen Festwagen zu stellen, aus dem die Loh- und Sämischgerberei, die in Weihenstädt seit alter Zeit geübt worden war, von Vertretern des Handwerks Largestellt werden sollte: Tracht, Szene aus dem Nnnungslcben und so. Das fesselte Agnes sehr, und sie hatte^oiele Fragen dazu. Dann aber war cs für den Pfarrer Zeit, sich in sein Studierzimmer zu begeben. Er war froh: es hatte sich so leicht, so selbstverständlich gemacht. „Natürlich," sagte er zu sich selbst, „sie gehen sich nichts mehr an, was sollte sie also dazu meinen? — Sie ist ja heute auch eine andere als vor einem halben Jahre: sie ist nie mehr allein, das Kom mende ist bei ihr, immer, ein guter Schutzengel gegen Gei ster der Bergangenheit!" Wie er eben die ersten Federstriche tat, — er arbeitete schon an der Festpredigt —, da hörte er sein Weib oben sin ken. „Na also! — Natürlich!" dachte er und schrieb und kam in die richtige Jubelstimmung. Als wollte sie ihm immer aufs neue bestätigen, daß sie keinerlei Furcht habe, gab sie sich heiterer, gesprächiger, sang oster und nur Frohes, ließ sie sich alles Neue von den Fest vorbereitungen erzählen. Was ihr Mann etwa vergaß, das jagte sie ihm; sie wußte es von Klavens. Die Mufiknach- mittage mußten jetzt wegsallen, ober sie sagte: deswegen brauchen wir Frauen nicht auch die Besuche einzustellen. Eie freute sich auf das Fest, erwartete es mit Ungeduld wie «in Kind. «Wie weit btst du mit deiner Prodigt, Herz? — Unsere Kirche ist zu klein bei solchen Gelegenheiten. Die hiesigen »verden Las Haus schon eine Stunde vorher gefüllt haben, und die Gäste finden keine Plätze. Das märe bedauerlich! — Schade, daß kein geeigneter Ort vorhanden ist, sonst müß tet ihr den Festgottesdienst im Freien abhalten! — Wie ich mich sreue, mein Schatz, daß du den Tag „Ei, ei! Ich glaube gar, du wirst eitel!" „Soll ich nicht stolz sein auf meinen Pfarrer Böhni, den alle Leute rühmen als einen feinen Mann? Ja, man hört es, man kann sich doch die Ohren nicht verstopfen!" „Sieh mal an. Ich hätte es den Wcißenstädtcrn nicht zugetraut, daß sie so schmeicheln könnten!" „Nein, du, das meinen sic ehrlich! Leute, die sich aus Schmeicheleien nicht verstehen, reden so Gutes von dir' Muh ich nicht stolz sein, Mann?" „O freilich, genau wie ich cs bin auf meine Frau!" Scherz war es, aber keine Maske, eins wußte es vom andern. (Fortsetzung folgt.) Eine napoleonische Erinnerung. An der Landstraße, die von Bischofswerda nach Dresden führt, liegt der „Dürre Fuchs", ein alter (hasthch. der einst „Zu den drei Linden" geheißen hat — seitwärts voin Dorfe Schmiedefeld. Ein Gasthof, der vor der Erbauung der Eisenbahn lebhaftesten Frachtverkehr gesehen hat. Noch heute lassen das die Gebäude er kennen: Die Scheune ist kürzer wie sonst so oft bei Landgasthösen, dir vielfach einen ganzen ansehnlichen Landbesitz ihr eigen nennen, dafür aber ist das Stallgebäude um so länger. In der Nähe dieses Gasthofes liegt der „Kapellenberg": am 12. Mai des Jahres 1813, das unserem gequälten Vaterland« aus Leipzigs Fluren endlich das reinigende Gewitter bringen sollte, da hatte sich auf diesem Hügel russische Artillerie festgesetzt. Russische Reiter standen in Deckung, -um Eingreifen, zur Unterstützung der kämpfenden Infanterie be reit. .Fnuyosifchc Truppen staub.» ihnen gegenüber. Großgör schen war vorausgezangen, die Schlacht, über deren Erfolg Napo leon ebenso im unklaren war, wie di« verbündeten Preußen und Russen: die preußischen Truppen rückten ja am nächsten Tage zur Sicherung ihrer Hauptstadt ab, die Russen zogen ostwärts in der Richtung auf Dresden zurück; bei Uebigau sind sic dann über di« Elbe gegangen, um ihren Zug nach Bautzen zu sortzusetzen. Ihnen, den ziffernmäßig Stärkeren, folgte Napoleon selbst. Jene russische Abteilung hatte nun die Aufgabe, die Franzosen, das Korps Mac- donald, möglichst lange aufzuhalten. Leider fehlen von diesem Gefecht genaue Angaben über Stellung, Stärke der Truppen usw. Und doch ist der Versuch gemacht worden, von jenen Vorgängen ein anschauliches Bild zu entwerfen. Aber was hat das mit Klio, der Muse der Geschichte, zu tun? Es besteht ein Verein von Zinnfiguren-Sammlern ,K l i o". Zu dessen rührigsten Vertretern gehört wohl Herr Dietz« in Langenwolmsdors bei Stolpen. In bewundernswerter Kleinarbeit, unterstützt von seinem Sohn, hat er das Geseiht bei Schmiedefeld nachgebildet, er hat vorhandenes Material in Form und Farbe zeitgemäß umgeändert, mit möglichster Treue Figuren sich geschaffen, die selbst in scheinbar Nebensächlichen, noch ernster Kritik standhalten: die Farben der „Pompons" auf den Kopfbe- dcckuugen der französischen Infanterie — rot, weiß, gelb, blau der vier Kompagnien — sind ebenso beachtet, wie der Umstand, daß die Franzosen in Mänteln marschierten. Oder daß die Kokken hoch gebaute Sättel, Bocksättel, hotten, im Gegensatz zur französischen Kavallerie. Die Geländegestaltung ist ein kleines Meisterwerk: das brennende Schmiedefeld in der Nähe, die durch Pallisaden wehrhafter gemachten Gebäude des Gasthoses, das ferne Stolpen. Selbst das ist beachtet worden, daß das Gefecht im Mai gewesen ist, in einer Zeit also, wo die Felder nach nicht da» Gelb des reisenden Getreides zeigten. Hofsentlich bleibt die sehenswerte Zusammenstellung noch einig« Zeit den Heimatfreunden zugänglich. Non dem verlorengegangenen, aber wieder anfgefundenen Siegel der Ge meinde Mehrsdorf. Immer und immer konnte man's von den ältesten Einwohnern Wehrsdorss erzählen hören, daß der einstige Gemeindeoorftand, früher trug er den Amtstitel Richter oder Erbrichter, ein ganz besonders charakteristischen Gemeindcsiegcl geführt habe. Der Stempel sei aber in. der Zeit der Freiheitskriege verschwunden. 'Manche wollten wissen, daß das Siegel bei den Kriegsunruhen im Oktober 1813 von plündernden feindlichen Horden aus dem Hause des Richters entwendet worden sei. Wie weit diese Behauptung richtig ist, konnte noch nicht festgestellt werden. Weder im Gemeindeamt zu Wehrsdorf, muh im Archiv de» Amtsgerichts Schirgiswalde, noch im Lehnhos zu Bautzen finde« sich Akten mit einem Siegel aus dein 18. Jahrhundert. Das aus- gcsundcne Stück, das ans einem Aktenstück von 1812 stammt, liegt im Sächsischen Hauptstaats-Archiv zu Dresden, das ich mehrnwls ausgesucht habe. Ich habe das Siegel photographieren lassen. Wir schauen die mit fünf Zinnen versehene Mauer, die als Wahrzeichen des Markgraftums Oberlausitz anzusprechen ist. In dem Tor bogen der Mauer steh, als redendes Symbol ein Schwertträa«, ein „Wchrinann" (Wehrsdorss. Heraldisch rechts erblicken wir Bi- schojsstab mit Bischofsmütze, heraldisch links das Lamm mit der Fahne, die einstigen und auch heutigen Hoheitszeichen der Diözese des Bistums Meißen. Das Siegel trägt dir Umschrift: «Ätzers- doricr Gcricht»sigel!^742". Ein kleines Kreuz inmit ten eines Eichendlatt Kränzleins dient als Trennungszeichen der Schrift. Die Gerichtsbarkeit übt» damals das Domstist St. Petri zu Budissin au.-, das unter drin Dekan und Prälat Johann Joseph Ignatius Freischlag von Schmicdentahal (k 2. März 1743) im Jahre 1738 das Rittergut Wehrsdors von Johann Hartwig Gott hard von Nostitz und Iänkendors für 40000 Taler kaufte. Da» Domstist St. Petri zu Bautzen ist heute noch Besitzer des Ritter gutes von Wchrsdors. Daher läßt es sich erklären, daß aus dem da maligen Gerichtssiegel die Meißner Bistums-Hoheitszeichen im Verein mit dem Wahrzeichen des Markgraftums Oberlausitz sich vorsindrn. Hoffentlich gelingt es der Gemeind« Wehrsdorf, das Mini sterium dafür zu gewinnen, daß bei der Anfertigung eines Eiegel- stempelentwurfs der über 180 Jahre alle, historisch gewordene Stempel möglichst Berücksichtigung sindetl Als Beizeichen ein« bildlich« Darstellung der heute hier vertretenen Erwerbszweige einzusügen, eracht« ich nicht für notwendig. Es dürfte kaun, anzu nehmen sein, daß dadurch ein gutes hrraldisch richtiges Bild ent stehen würde. Selbstverständlich müßte die Jahreszahl 182<i oor- schristsgcmäß bei der Umschrift als Umrahmung mit angebracht wcrden, um sestzuhalten, wann der neue Stempel eingeführt wor den ist. Dies ist gegebrnecholls von Wichtigkeit sür die Feststel lung der Echtheit von Schriftstücken. Ausweisen und berg«. Hof« jentlich kann rech« bald dieser aufgesunden« Siegel in seiner neue» Präg»,st, dienfttich verwendet werdenl Paul Sohai»»,«» Flocht«,^