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Sxtta«. .KI I "WP Der SSchsilche ErMlrr. es durch di« Alliierten von dem Dölkerbündsakt« bi» Locarno reich, ob der Abrüstungsgedanke zum Gespött Europas wird, gerisches Spiel. Eine verhängnisvolle Illusion, daran P> wenn es nur seinen Zweck erreicht! Außerdem will Frank- glauben, die andern Mächte zu derselben Abrüstung bringen reich die Abrüstung mit der Garantiesrage und Artikel Ivlzu können, die sie uns auferlegt haben. Es wird deshalb »»»binden, somit von dem Umfang der müttttrifchar HtHi abhängig machen, die ein Land beim nnpwvvztartm AngM erwarten darf. Nachdem die Abrüstungsfrage also zunächst auf da» Gleis theoretischer Erwägungen geschoben worden ist, wird sie in Genf gewiß nach allen Richtungen gründlich erörtert werden, historisch, philosophisch, politisch, technisch, sivangiatz. geographisch, strategisch. Mer herauskommen wird dabei doch nur, daß schließlich Recht behält, wer die meisten Kano nen und Soldaten hat. Das Abrüstungsproblmn ist «ine Gleichung mit zu vielen Unbekannten, und der einzig« Schlüssel zur Lösung des Exempels ist die reale polttnche Macht. Der alte Fritz behält noch immer mit seiner AnstM Recht, daß Politik treiben zu wollen ohne Soldaten, sio viel heißt, wie ein Konzert zu geben ohne Instrumente. Auch aus der Washingtoner Abrüstungskonferenz hat man für das Verhältnis der Flottenstärken zueinander nichts weiter al» das Maß von Macht berücksichtigt, die jeder Staat in di» Wagfchale zn legen vermochte. Ebenso wird es in Genf sein. Nur völlige politisch« Blindheit kann sich darüber täuschen, daß die Alliierten a» eine allgemeine Abrüstung nicht denken, und auch in Zue kunft um so weniger daran denken werden, al» ihr« Welt politik sie jeden Tag in neue kriegerische Abenteuer stürzen kann. Bei der uns auferlegten Abrüstung hatte die Enterst» nicht nur die Desarmierung der deutschen Wehrmacht, stm- dern auch die der deutschen Wirtschaft im Auge, und außer- bem wo- d'r M^litärkontrolle, wie die Behandlung der Kölner Zone zeigt, ein prächtiges Mittel zur Erreichung Po litischer Zwecke. Dieses Druckmittel wird sie auch in Zukuwst nicht aus den Händen geben wollen, und das erste poststve Ergebnis in Genf dürfte die Verewigung der AbrüstimM- kontrolle durch die Schnüffelkommissionen des Völkerbund«« . sein. Außerdem hat man mit freundlicher Hilfe des uäver- meidlichen Herrn Benesch aus der Tschechoslowakei bereit» , damit begonnen, aus der Abrüstung ein System von E«- > rantien und Bündnissen der schwer gerüsteten Staate« zu i machen, und alles wird schon im Prinzip fertig sein, wem» , der deutsche Michel mit schönen Hoffnungen in Genf auf- taucht. Ob Frankreich hunderttausend Mann mehr oder weniger in der aktiven Armee hält, ist für uns büanAw, denn das Entscheidende bleibt, daß Frankreich eine tige Kriegsmaschinerie darstellt, die sich sofort über Deutsch land wälzt, wenn in Paris auf den Knopf gedrückt wird. Da Frankreich und die anderen Militärmächte auch nach Locarno nicht daran denken, ihre militärische Machtentfal tung, abgesehen von kleinen Täuschungsmanövern, im ge ringsten zu vermindern, sollte man bei uns nun endlich stü rmt aufhören, so zu tun, als ob ihr Abrüstungsgereb« ernst zu nehmen wäre, denn dabei fördern wir ja nur ihr betrü- In atemloser Spannung lauschte der Arzt. Die Alte ' hustete röchelnd und fuhr mit der Hand nach dem Hergm; , dann flüsterte sie weiter: „Ihr Vater war Bankier — mein , Mann damals Kassenbote, und er galt viel bei dem Hern». Einmal wurde die Bank bestohlen. Ihrem ältesten Bruder, der ein Leichtfuß und Schuldenmacher war, umrste es zugetraut — er war auch fort nach Amerika und die Sache wurde vertuscht. Ihre Mutter starb daran, — man sagte am gebrochenen Herzen." — Sie machte eine Pause und wischte sich mit dem großen weißen Tuch die Augen. Der Professor hatte sich in seinen Schreibstuhl gesetzt, Frau Meves holte tief Atem und sagte dann mit heiserer Stimme: „Mein Mann war der Dieb. — in einer schweren Stunde hat er es mir gestanden und wir haben dann beide daran getragen. Das Geld hatte er, aus Angst vor Ent deckung, in den Fluß geworfen." Der Professor hatte seinen Brieföffner ergriffen und wippte damit mit den Fingern; er war blaß geworden und nagte die Unterlippe. Wieder holte Frau Meves tief Atem. „Wir hatten einen Sohn, der war unser Glück und un sere Freude; mit ihm ging ich eines Tages im Herbst an dem Flußufer spazieren, — ein Knabe fiel ins Wasser und schrie um Hilfe. Der Jochen hatte schon seinen Rock aus — ich yals ihm dabei und rief: „Rett' ihn, Du kannst ja schwimmen!" Gerade als der Junge das dritte Mal untergehen wollte, konnte er ihn fassen; mit Lebensgefahr brachte er ihn «n» Land. Acht Tage danach haben wir ihn begraben. Eine schwere Lungenentzündung raffte ihn dahin. Eine Woche darauf folgte mein Mann. Er redete irre in den letzten Ta gen und nannte sich den Mörder seines Jungen. Sein« Schuld hatte das Kind gemordet; denn Gott ist grausam, -- so sagte er — Blut will wieder Blut und?der Fluß, in dem das Geld lag, wollte auch ihn haben." — Wieder macht« die Alte eine Pause; der Profe'sor saß still zurückgelehnt und s«h vor sich nieder. „Durch einen Aufruf in der Zeitung erfuhr ich, wer der Knabe war, den mein Jochen gerettet hatte. Da staunt« ich über die wunderbaren Wege, die das Leben uns führt Lange Habs ich mit Cott gehadert, — dann wurde ich ruyia Seit Jahren stehe ich oft hier vor der Tür und beschaue d« Leute, die ein- und ausgehen, und jedes Wort, da« Ar«» Lob gilt, tut inir wohl. Ich bin so stolz aus Sie, al» wär«« Sie mein Sohn." Der Arzt hatte sein Haupt in beide Hände gestützt; «r unterbrach sie nicht. Frau Meves stand auf: „Seit ein paar Nächten träume ich von meinem Monn und von Jochen, — st« beide weisen mich, Ihnen do» zu sagen. Jetzt kann ich ruhig sterben -- unsere Schulden stütz bezahlt!" Sie wandt« sich und wollte gehen; schwer stieß ihr Stock auf den Ltnoleumboden auf. Da« brachte den Mann zu stch, er sprang «mpor und vertrat ihr den Weg „Nicht so — nicht so — lassen Sie mich jetzt wenigsten« etwas von dem Dank abtragen, — den " Mit einer stolzen Handbewegung wie» sie ihn zurück: „Ich will nichts von Ihnen. Beim Andenken Ihres Lebens retters lassen Sie mich ruhig sterben; ich weiß es — der Tod kommt bald. Ich mochte frei und leicht zu den Meinen da oben treten, — lassen Sie mir das Glückt Sie schob sich hinaus und der Professor folgte ihr nicht; nur vom Fenster aus sah er ihr nach, wie sie bald tu der Meng« verschwand. Der Geburtstag. Erzählung von Hilde Brand-Stettin. Hüstelnd blieb das alte Mütterchen an der vornehmen, ^ohen Glastür stehen. Ihr war beim Steigen der Treppe "er Atem ausgegangen. Sie las noch einmal da» blanke Ressingschild, das den Namen des berühmten Arztes trug und darunter die geschriebene Tafel: „Heute von drei bis vier Ühr Sprechstunde für Minderbemittelte." Sie trat ein; ein junges Mädchen erhob sich in der Diele, reichte ihr «ine Nummer und öffnete freundlich die Tür züm Warteraum. Alle Stühle waren dort schon besetzt, aber zwei Frauen, die auf einem Korbsofa säßen, rückten zusammen und wink en ihr. Gerade öffnete sich die Tür, eine weiß gekleidete Schwester trat heraus und sagte: „Bitte Nummer sechzehn." Trotzdem sie wohl alle ihre Zahl kannten, sah jeher der War tenden auf seine Karte. Auch Frau Meves versuchte es jetzt, ihre Zahl zu entziffern. Ihren altersblinden Augen fiel dies gber schwer. „Sio haben noch lange Zeit," flüsterte die Frau neben ihr. „Sie haben Nummer sechsundzwanzig." „Ja, der Professor wird ordentlich überlaufen — vor mittags ist es »och schlimmer," meinte die andere, und, in dem sio die Hand vor den Mund legte, sügte sie leiser hinzu: er ist zu gutmütig; viels machen sich das zunutze " Ihr Mick glitt dabei zu zwei Damen hinüber, die, mit etwas verschlissener Eleganz gekleidet, eifrig in ein paar Zeitschrif ten blätterten. „Dis da drüben — die sind vielleicht ärmer wie Sie, und ck>r Vater war Kommerzienrat —", flüsterte die erste. Wieder öffnete sich bis Tür, ein neuer Patient betrat das Sprechzimmer. Frau Meves hatte sich jetzt in ihrer Sofaecke zurecht ge rückt und besah sich, nachdem sic ein« Brille der alten, schwar zen Tasche entnommen hatte, ihre Umgebung. Aus das Ge spräch ihrer Nachbarin»^! Hörle sie nicht mehr. Es waren fast alles alte Leute, die einst besser« Tage gesehen hatten und nun arm geworden waren. Sie nickte aus ihren Ge danken heraus mit dem Kops. Plötzlich fesselte ihre Augen ein Bild; wie gebannt blieb ihr Blick daran hängen. E, war ein Oelgemälde und stellte eine Flußlandschaft der Dorstadt dar. Eine Bogenbrück« führte über das Wasser, — die Ufer waren steil —, ein paar Kähne lagen angepflockt; über allem breitete sich eins schwermütige Herbststimmung aus. Das Bild hing Frau Meves gerade gegenüber und sie versenkte sich ganz hinein, ihre Umgebung so vergessend, daß sie erst durch eine leis« Berührung erschreckt zusnmMenfuhr. Vor ihr stand die Schwester. „Sie sind dran. Mütterchen," sagte sie freundlich. Ver- «Irrt schaute Frau Meves um sich. „Ich — jetzt " stammelte st«, und als sie gewahrte, daß noch zwei Patienten, die anscheinend nach ihr «kommen waren, harrten, sagte sie: ,Ach, lassen Sie »sich vis zuletzt warten " > » „Wenn der Herr Professor dann nur noch Zeit hat, es ist längst nach vier Uhr, und er muß ins Krankenhaus." „Für mich wird er schon Zeit haben," flüsterte die Alte lächelnd vor sich hin, und ihr Blick glitt noch einmal zu dem Bild hinüber. Dann rückte sie ihre Kleider'zuHcht und '.»"ile ein bißchen unruhig an ihxer.Tafche. .? - Die beiden Patienten wäre«, schnell befriedigt. — Als vmn Meve da» große Sprech-stNMr betrat, stand d«r Pro- Di« Abrüskmgskomödte. Bon W«rner ». Alven»l«b«n. Jetzt wird es mit der Abrüstung aber wirklich ernst! In Genf wird gegenwärtig trotz französischer B»rtaguna»wün- sche fieberhaft gearbeitet, denn am 15. FeSrt^r Mell die Sitzungen der Kommission zur „Vorbereitung" der Abrü stungskonferenz beginnen, zu denen auch Deutschland ein geladen wurde. Und diese eifrig«! Vorbereitungen für die Vorbereitungen haben den Zweck, uns glich hier wieder vor vollendete Tatsachen zu stelle,!. Da Frankreich bisher immer behauptete, daß nur das Fehlen Deutschlands im Völkerbund die allgMcinc Abrü stung verhindert habe, antwortete die deutsche Regierung mit der grundsätzlichen Feststellung, „daß die Alliierten für den Fall der Zugehörigkeit Deutschlands zum Völkerbund die Frage der allgemeinen Abrüstung als nunmehr aktuelle Aus gabe des Völkerbundes anerkennen." Herr Briand hat jedoch nicht gezögert, das gern zu bestätigen, lind warum auch nicht? Hat man nicht schon vor dem Kriege im Haag wacker in Abrüstung und Pazifismus gemacht und doch sein militä risches Ziel so herrlich erreichen können? Warum nicht auch jetzt? Trotz der Abrüstungsforderung des Versailler Dik tats hat Frankreich ein Kriegsinstrument von unerhörter Wucht ausgcbaut und die ganze Nation unter Vorspiegelung einer Herabminderung der Rüstungen in ein Heerlager ver wandelt. Weshalb sollte man dieses Spiel nicht fortsetzen können? Für uns kommt deshalb alles darauf an, uns über das Wesen der Abrüstungskomödic, die in Genf begonnen hat, keinen Täuschungen hinzugeben. Bei den seierlichen Abrüstungsbekenntnijsen, die be sonders aus England und Amerika herübertönen, dürfen wär zunächst nicht übersehen, daß die Staatsmänner, die unsere Pazifisten immer wieder in Helle Begeisterung ver- ietzen, unter Abrüstung nicht die Beseitigung dessen ver stehen, was im eigenen Land überflüssig ist, sic betrifft bei ihnen immer nur das, was die anderen zu viel haben. Ame rika und England haben in erster Linie ihre Seestreitkräfte im Auge und denken nicht im geringsten daran, etwas von der Stütze ihrer Weltmacht preiszugeben. Unter Abrüstung verstehen sie vor allem die Verkleinerung der Landheere, wobei sie zugleich bezwecken, von ihren Kriegsschuldnern die Anleihen zurückzuerhalten. Aber Frankreich und seine Tra banten, sowie Italien nnd Japan, sind sich darin einig, daß die Abrüstung zur See von der zn Lande und in der Luft nicht getrennt werden kann. Es wäre freilich verfehlt, an die Rüstungsrioaiitäl zwi lchen den angelsächsischen Mächten und Frankreich allzu große Erwartungen zu knüpfen. Gewiß möchte Amerika lein Geld zurück haben, und England fühlt sich in der Nach barschaft französischer Luftgeschwader, U-Boote und Kano nen am Kanal keineswegs wohl. Es hat denn auch, um auf Frankreich einen Druck auszuüben, in Gens eine Denkschrift 18 mit allen ^Versprechungen einer, allgemeinen Abrüstung l übergeben. Aber Frankreich erwiderte mit seinem bskann- > ten famose» Fragebogen. Ärchs Jahre, nachdem uns in der Präambel zu Teil V des Versailler Diktats die Entwaffnung , auferlegt wurde, „um di« Einleitung elüer allgemeinen Ab- l rüstung zu ermöglichen," stellte Frankreich in Genf als Nr. 1 die wahrhaft klassische Frage: Was ist unter Rüstungen zu verstehen? Und uni von vornherein gegen alle Ueberra- schungen gedeckt zu sein, baute sich der französische Delegierte Boncour eine sturmsichere Bastion, die Theorie vom „poten tiellen Rüstungsstand der Staaten". lieber diesen Begriff führte der „Petit Parisien" in einem offiziösen Aufsatz aus: „Die Rüstungen eines Landes bestehe» nicht nur aus der Anzahl von Truppen, die dieses Land bei der Fahne hat, oder aus dem Kriegsgorät, das es in feinen Magazinen auf bewahrt. Hinter dem Worte Rüstungen verbirgt sich eine genauere Formel, die der potentiellen Kriegsstärke. Diese , setzt sich ans vielfältigen Elementen zusammen: Heer, Waf- fenvorrätc, Bevöikerungszisfer, Ernährungsmöglichkeiten, industrielle Erzeugungsfähigkeit, Getdkrast, geographische Lage, Mobilisationsmöglichkcii« n nach Schnelligkeit und Um fang, Möglichkeiten für Waffenherstellung usw. Die Rüstun gen verringern heißt nickt, die militärische Dienstzeit oder die Miliiärausgaben verringern. Es bedeutet das zwar auch, aber sowohl in seiner Gesamtheit wie in den Einzelheiten ist das Problem sehr viel verwickelter. Die Rüstungen verrin gern heißt bestimmte Berhältniszissern zwischen den poten tiellen Kriegsstärken zu verschiedenen Staaten aufstellen." Plötzlich macht Frankreich in Genf gegen die Abrüstung ähnliche Einwände geltend, wie Deutschland aus der Haager Friedenskonferenz von 18S8 durch den Mund des Generals von Schwarzhoff. Wer während damals der „preußische Militarismus" verdammt wurde, weil er behauptete, daß di« Rüstung eines Landes nicht nur auf dem Mannschafts- bestande und dem Kriegsmaterial beruhe, ist das jetzt lau terste pazifistische Weisheit. Nun gut! Macht man sich diese Gedanken zu eigen, so muß man uns bei unserer besonders ungünstigen geographischen und militärischen Lage mit lan gen gefährdeten Grenzen inmitten Europas, auf die wir seit jeher hingewiesen haben, schon gestatten, mindestens ebenso stark wie unsere Nachbarn zu rüsten. Aber davon will Frank reich eben nichts wissen. Es treibt mit dem Begriff der po tentiellen Kriegsstärke eitel Spiegelfechterei, indem es sich mit der Gleichbesetzung von latenter Volkskraft und Kriegs rüstung den theoretischen Vorwand dafür verschaffen will, feilte miltärische Hegemonie zu verewigen. Nach seiner be zwingenden Logik müßte sich Dänemark dann freilich die etwa zehnfache und Portugal gleich die zwanzigfache Rü stung Frankreichs zulegen. Aber was kümmert es Frank- fcsfor schon etwas nervös an seinem Schreibtisch. Unwill kürlich glitt sein Blick aus die Uhr, die die Linke aus der Westentasche zog, doch sagte er freundlich: „Nun, Frauchen, wo fehlt es?" Er setzte sich wieder uni» eine Handbewegung bot auch Frau Meves einen Stuhl an. Sie aber wehrte ab, — sie sah dem berühmten Arzt einen Augenblick durch ihre Brillengläser prüfend ins Gesicht und sagte dann, als dieser, von solchem seltsamen Benehmen beirrt, ärgerlich aufstand: „Ich will nichts von Ihnen, Herr Professor — mein Hausarzt ist der Tod, der mich auch bald heilen wird. Aber ich wollte Ihnen heute zum Geburtstag gratulieren." — Der Professor wußte nicht, was er von diesen sonderbaren Reden halten sollte. Er knöpfte seinen weihen Mantel auf. „Sie irren sich — ich habe heute nicht Geburtstag," sagte er, sich mühsam zur Freundlichkeit zwingsud. „Doch, — doch —" nickte da Frau Meves. „Ihren zwei ten, nicht den, an dem Sie Ihre Mutter geboren hat " Es zuckte in dem alten, faltigen Gesicht und die Stimme klang trocken. — „Den zweiten denken Sie an das Bild drüben!" — Und die wclkc Hand wies nach dem Warte zimmer. Der Professor stützte. Erinnerung schien in ihm auszu wachen — seine Augen suchten den Kalender — dann schau ten sie fragend zu der Alten nieder. — Dies« hatte sich ge setzt, die Erregung hatte ihre schwachen Füße schwankend gemacht. Sich schwer mit beiden Händen auf die Krücke ihres Handstocks stützend, sah sie unverwandt zu dem großen Manne auf und sagte dann: „Jetzt wissen Sie's! Ich bin seine Mutter —" Der Professor fuhr zurück — sie aber lächelte, daß es wie Sonne aus all den Fältchen und Runzeln brach, und fuhr fort: „Nicht das zu sagen kam ich her; ich wollte mich nicht groß tun. Das stände mir wohl auch schleckt an." Sie lachte ein wenig meckernd vor sich hin- „Aber gefreut habe ich mich, daß sein Tod nicht vergebens war. Wir haben unsere Rechnung mit gutem Golde abgezahlt, — aber es reut mich nicht, seit ich weiß, daß Sie ein Wohltäter der Men- chen sind." Fast beschäint stand der berühmte Arzt vor der kleinen Frau: „Alles Forschen meine» Vaters nach dem Namen mei nes Lebensretter» war damals vergebens. Warum haben Sie sich nicht früher an mich gewandt?. Sie haben vielleicht Rot gelitten — und ich —" Sein Blick glitt an ihrer ver tragenen Kleidung herab. Sie wehrte aber ab. „Die Leibesnot war nicht schlimm, mir geht es nicht chlechter als anderen alten Frauen. Wir sind zu neunzig m Armenhaus. Wer das Herz, — das Herz, das hat's viele Jahr« lang schwer gehabt Es war mein Einziger —", fügte sie leise hinzu. Mit gesenktem Kopf, die Hände aüf düm Rücken, schritt der Arzt im Zimmer auf und ab. Als hi« Schwester die Tür Sffnete, winkt« er ab sie schloß leise zu; dann blieb < cr vor der Alten stehen, die die Stirn auf lhre Hand gesenkt hatte: , „Noch etwas muß ich sagen — e» hört uns doch nie- , inand —" sie hob den Kopf und sah sich um. Der Professor , schloß leise auch die Polstertür. , „Ich wollte es als Geheimnis mit ins Grab nehmen — aber sie wollen «e, — beide wollen es — daß ich es Ihnen i sage " '