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Beiblatt zx Rxxnxer LV0 Der Sächsische Erzähler. Dtexatag, den 15 Dezember 1VLL Aus Sachsen. Belohnungen für die Entdeckung von Brandstiftern. Di« Allgemeinwirtschaft leidet bei der jetzigen gespann ten Lage unter den Folgen von Brandstiftungen schwerer denn se. Es muh deshalb mit allen Mitteln ver sucht werden, solchem verbrecherischen Treiben auf die Spur zu kommen und die Täter der verdienten Bestrafung zuzu führen. Es sei darauf hingewiesen, daß für die erste Ent deckung und wirksame Anzeige vorsätzlicher Brandstifter Be lohnungen von 50—600 Mark je zur Hälfte aus der Staats kasse und der Kasse der Landesbrandversicherungsanstalt ge währt werden. Dresden, 14. Dez. Das Unwesen des Leichenschänders. Die Leichenschändung in der Totenhalle des Friedrichstadter äußeren evangelischen Friedhofes, von der vor zwei Wochen b-tichtet wurde, konnte, wie auch das schwere Verbrechen in dH« Löbauer Totenhalle, bisher noch nicht aufgeklärt werden. Vor der Löbauer Leichenschändung war ein Unbekannter in die Görlitzer und kurz darauf in die Totenhalle zu Pleißa eingedrungen. Inzwischen kommt eine weitere Meldung aus Plauen, nach der ein Unbekannter in der Nacht zum 5. Dezember in den Leichenaufbewahrungsraum der Feuer bestattungsanstalt auf dem Plauener Hauptsriedhofe einge- drungen ist- Nach dem Befund sind die darin ausgebahrten Leichen unberührt geblieben, auch hat der Täter verschiedene Wertsachen, die sich in einem unverschlossenen Räume be fanden, liegen gelassen. Ob es sich in allen den vorgenann ten Fällen um ein und dieselbe Person handelt, lieh sich bis her noch nicht seststellen, doch dürfte als Täter eine Person in Frage kommen, die sicherlich ganz abnorm veranlagt ist und in diesem Zustande die fünf Verdrecken begangen hat. Seitens der zuständigen Polizeiorgane werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um diese bedauerlichen Fälle aufzuklüren. Eibenstock, 14 Dez. Streikende Sladlväler. Die bür gerlichen Stadtväter sind seit längerer Zeit den Stadtverord- neten-Sitzungen ferngeblieben. Es war Antrag auf Bestra fung gestellt. Der Kreisausschuß lehnte in der letzten Sitzung indes eine Bestrafung ab, weil die Obstruktion ein erlaubtes parlamentarisches Kampfmittel sei. Das Stadtverordneten kollegium ist zur Zeit noch arbeitsfähig. Scheibenberg, 14. Dez. Wiederbeginn des Bergbaues? Der Landwirt Hänel in Unterscheide hat sein Grundstück. nachdem ein Wünschelrutengänger dort drei Erzadern an zeigte, nach erteilter Genehmigung zum ausüben des Berg rechtes gucrschlägig aufschneiden lassen. Man hat bereits einen Stollen von 1K Meter Länoe in das Innere getrieben. Als Erfolg hat man bisher imprägnierten Schiefer, Schwe fel, Arsenkies und Spuren von Silber entdeckt. HandelsnachrichLen. Kurzer MochenverLcht der MreLe- herichtsftette beim Deutschen Künd- mirtschufrsrat vom 7. bis 13. Dezember 1825. Die Biuncnmässer sind in Deutschland ziigefrorcii und sür die Schiffahrt schon seit einiger Zeit unbrauchbar. Ziemlich ansehn liche Mengen van Getreide liegen überall unterwegs fest und be sonders fühlbar macht cs sich, das; erhebliche Quantitäten mittel deutschen Weizens, die zum Export über .Hamburg bestimmt sind, auf der Elbe nicht weitcrbesordert werden konnten. Sehr betracht iiche Kapitalien sind in diesen schwimmenden Mengen angelegt und bei der heutigen Kapitalknappheit sind dadurch die Nachteile für die betroffenen Besitzer umso sichtbarer, als sic, falls nicht die Ware bald wieder in Gang zu bringen ist, Ersatz für ihre Export verpflichtungen schassen müssen. Nach Eintritt des Tauwettcrs rechnet man indessen, das; bis zum Beginn der nächsten Woche die Stockungen aus der Elbe beseitigt oder doch gemindert sein werden 'Nach Stettin war das Gros des Materials für die dortigen starken Abladungen aus dm näheren Produktionsdistriktcn schon vor dem Frost per Bahn bezogen morden, so das; sich die Abladungen von der Ostsee auch weiterhin ziemlich glatt vollzogen. Bisher sind be reits von Weizen, der in seiner größeren Menge nach England acht, aber auch in Noggcn erhebliche Mengen seit Beginn des Okto bers exportiert wurden. Die amtlichen Angaben hierfür fehlen noch. Indessen glaubt man, die bis jetzt abgeladenen Ausfuhr mengen an Weizen, Roggen und Hafer über 300 000 To. schätzen zu dürfen. Für den Oktober werden allerdings amtlich an Weizen und Roggen nur etwa 80 000 Tonnen verzeichnet, doch ist der Hauptexport erst nachher stärker in Gang gekommen. Bemerkens wert hierbei ist, daß bei den neuen Aussuhrverkäuscn von Roggen nach dem Norden eigentlich von Brotgetreide nicht gesprochen wer den kann, da es sich überwiegend um die Bestimmung des Rog gens zu Futterzweckcn handelt. Was den Geschäftsgang am Berliner Markt betrifft, so ist zum Schluß der Woche die bemerkenswerte Erscheinung zu verzeichnen, das; infolge der unterbrochenen Schiffahrt für 'Abladung ab solchen Stationen, die günstig nach Stettin hin lagen, sowohl in Weizen wie in Roggen höhere Preise erzielt wurden als in Berlin und Umgegend. Die vielfachen Preisschwankungen haben allmählich zu einer Abschwächung der Notierungen geführt und die zum Schluß der vorigen Berichtswoche eingetretcuen starken Preiserhöhungen sind schließlich sllr prompte Weizenabladung ab märkischen Statio nen von 256 — 260, aus 251—258 Mark gekürzt und dl, gleich«' Roggmuoticrnngen* von 1t>1—165 aus 150—156 Mark zurkichtt- gangen. Dagegen war die Abschwächung im Lieferungsgeschaft beim Weizen stärker als beim Roggen, sodaß Weizen auf handel»- rechtliche Lieferung um ca. 9 Mark, Roggen um 5 Mark zurück- gingen. G-lccidenolierungen in Mark se Tonne. Weltmarktpreis« um gerechnet in Goldmark. Chicago, den 1^ Dez.: Welzen Hard Winter loco 11 278,4V, per Dez. 266,50, pr Mai 257,80, per Juli 226,20. Roggen loco N l 78,50, per Dez. 80, per Mai 181,80, per Juli 179P0. Mais per Dez. 130,20, . Mai 110,70, per Juli 143,80, Hafer per D«z. 121,60, per Mai , .,50, per Juli 133,20. Berlin, den 1l. Dez. Weizen märk. 251—256, Pomm. 254 dir 250, Roggen märk. 150—156, Pomm. 155—160, Sommergerste 184 bis 210, Futtcrgcrste 156—170, Hafer mark. 165—175. HandelsrechlUches Lieferungsgeschäst. Weizen per Dez. 268 bis 261per Mürz 267—269, per Mai 270—271; Roggen per Mürz 182lil—183, per Dez. 167, per Mai 18914—190. Hafer per Mürz 183, per Mai 187. Schis'in Mark je Zentner Lebendgewicht. Berlin 12. 12. 25. Hamburg 10. u. 11. 12. 25. Stuttgart 10.12.28. Ochzrn . . 3 50-54 50-54 45« . b 44-47 41-46 45-« t c 33-42 33-40 34-44 . cl 32-35 25-32 Bullen . 3 48-51 45-51 4S-51 . b 44-46 40-46 48-51 . c 40-42 33-40 40« . c! - 25-32 - Kühe n. Fers . . 3 50-52 45-50 30-41 . b 40-45 35-40 30-41 . c 30-37 21-32 18-28 24-28 - 13-21 13-17 . e 20-22 - Kcilber . , . 3 - - . K 72-82 70-73 . e 60-70 82-88 . ci 48-55 «-so Schafe . 3 43-47 46-50 S3-SS . b 32-40 40-45 40.« . c 25-30 - 23-34 - Schweine . 3 - 87-88 8S-S1 . d -85 85-86 8V-S1 . c 82-84 8>-84 86-88 . 6 77-81 72-80 84-85 . e 75-76 72-82 80« . k 75-78 - 64-75 Hilf I klkllll ünlel WM klMkkl in «KIMM M8M LMM!, WA N8k MlSi W iledlimg »ui den kiomea u. Ile geld-role ksckuag. i/^ niMgö fseMÜlM runi MfMsi M WNU VSPksiMN E? «sMIP M 8UM-1 UNÜ M8N NII8I' k?l. ZA MSMWMklMeitchMe All-Bremer Roman. Von Emmy von Winkerseld-Warnow. (9. Fortsetzung.) (Nachdruck verbolcu.1 Aber da war das Bild wieder, das sie ängstigte. Und zusammenschauernd warf sie den roten Weinkranz an die Erde, daß die Blätter sich lösten und wie rote Blutstropfen den weißgescheuerten Fußboden, den Stolz der Muhme, be deckten. Renette schüttelte sich. Unsinn! Sie war erregt. War's denn ein Wunder? Und da kam die Muhme mit einer Tasse Fliedertee. Steckte sie ins Bett. Zwang sie den Tee zu trinken, auf daß sie sich nicht erkältet habe bei dem „Vergnügen" und deckte sie. sorglich zu. Sie war doch gut die Muhme! Wenn sie auch rauh und hart schien! Und sie liebte ihr Rcnettchcn. War's doch das einzige auf der Welt, was sie liebte, und lieben konnte. VI. Monate sind vergangen. Stille einsame Monate für Renette. Der Abschied von Knipphausen war kurz und förmlich im Beisein des Vaters verlaufen. Kein Wort mehr von Herz zu Herzen wurde gewechselt. Und wenn Renette jetzt auch nicht anders dachte wie damals, so hätte sie ihm doch gern gesagt: „Ich bin dir ja gut, Ohm Dodo! Und ich vergesse dich nie! Und sei mir nicht bös! Ich konnte nicht anders!" Ein wenig wunderte sich der Vater wohl über den förmlichen Abschied. Aber die Renette war nun schließlich doch älter geworden. Die Kindereien mußten ein Ende haben. Und dann hatte er den Kops voll von Sorgen bei Handel und Schiffahrt. Die Engländer ließen die Schisse nicht herein n die Weser. Ihre Orlogsckiffe dielten die Mündung unter trrnger Kontrolle. Was aber sollte dann aus Handel und Wandel werden? So ging auch ihm der Abschied von dem Freunde nicht so zu Herzen, wie dos wohl unter anderen Umständen der Foll gewesen wäre. Mit wie wehem Her zen Knipphausen sich losriß, das ahnte er nicht. Und das wußte selbst Renette in ihrem Jungmädchcngesühl noch nicht. Zu einem Herumtollcn mit den Gespielinnen hatte sie wenig Lust. Ihr kam cs vor. als sei sie viel oster als diese. Und er fehlte bei ihnen auch nicht an kleinen hämischen Bemer kungen, daß man wohl seicht als Schönste könnte ausgcru- fen werden, wenn man einen Bürgermeister zum Großvater Hot. Also da war der Neid, den Margarete Bodcnsiek vor ausgesagt hatte, lind er machte sich wie überall im Leben in kleinen Nadelstichen kund, die doch aber wehe taten. Auch das Hcrumstrolchen, wie cs die Muhme nannte, das sie früher so gern getan hatte, wollte ihr nicht mehr so behagen. Höchstens zu ihren alten Weiblein im Iokobsstist ging sic öfter, immer jubelnd begrüßt von ihnen allen. Wenn sic dann einsam durch den schmalen Gang heimwärts schritt, dann blieb sie oft herzpochend stehen. Wie wäre es geworden, wenn sie sich damals hätte küssen lassen? Wenn sie die Arme um seinen Hals geschlungen hätte und die Seine geworden wäre? Ob sie dann wohl jetzt mit ihm nach dein fernen Prag gefahren wäre? Mit ihm in Gefahr und Krieg! Ein warmes Gefühl stieg in ihr auf für den Mann, dem sie so vieles dankte, was sie über Welt und Leben ge lernt hatte. Und doch, es blieb dasselbe. Vielleicht wenn er sic in Zucht und Ehren von ihrem Vater gefordert hätte . . . Nicht mit Gewalt und Ungestüm!... Und doch auch dann nicht! So saß sic also viel zu Haus. Besonders als nun der Winter ins Land kam. Und ihr Slicktuch machte große Fortschritte. In Erinnerung an Dodo von Knipphausen stickte sic eine Eichcnlaubborte hinein. Auf daß er möchte ruhmbekränzt heimkehren! Ein treuer Gefährte war ihr das Aeffchen. Und sie lachte herzlich über seine drolligen Manieren, seine possier lichen Sprünge und Zärtlichkeiten. Denn die kleine Nein war beileibe nicht auf einmal eine Tränensuse geworden. Der Muhme war sie immer noch zu rasch und impulsiv in ihrem Tun und ihrem Denken. Immer noch halb das träu merische Kind und halb das flinke und lebhafte Mädchen. So saß sic eines Tages wieder beim Sticken. Da auf ein mal — draußen herrschte schärfstes Glatteis, die Eiszäpfchen hingen so lang wie eine Elle vom Dach herab und die Bäume standen wie mit Zuckerkant bestreut — kam die Muhme schreckensbleich in Renettes Zimmer gestürzt. „Ein Unglück Renette! Ein schreckliches Unglück!" „Um Gott Muhme! Der Vater !" „Nein, nein, der nicht! Aber der Packmeister. . ." „Was ist mit Ehrischan? So rede doch!" Das Aefflein, das auf ihrem Schoß gesessen, flog zur Erde, das Sticktuch hinterdrein. Im Nu stand Renette aus den Füßen und griff nach im Sprechen zu Tuch und Mütz chen. „Was willste denn? Wo millste hin? So bleib doch!" „Helfen will ich! Aber erst sag du mir jetzt, was nut meinem ölten Freund ist!" „Aus der Luke gestürzt ist er. Und liegt unten für tot!" Da wankte Renette doch trotz allen Mutes, mußte sich niedersetzcn und ihre Hände ans das Nülstischchen stützen. Und nun erzählte die Muhme. „Das Gkdtteis ist schuld!" Das ist all wie ein Spiegel gewesen an dem Umkreis der Luke. Und große Eiszapfen baben hcruntcrgehangen. Voagcnsteel beugt sich herüber, um nach dem Wagen H-'N, der miien steht. Da gleitet er aus und stürzt . . Renette bedeckt scMu 'iid die Augen mit der Hand. Aber nichl lange, da crn' iste sic fick Ihr alter Freund in Not, vielleicht sterbend! 8 sein Rene, Ehen nicht bei ihm! Nein, sie mußte zu ihm. „Wo liegt er?" „Noch wo er abgestürzt ist. Sie suchen den Vater im Schütting, aber er ist fortgcgangen!" „Mein Gott, da kann er nicht liegen bleiben! Gib Mir mein Mäntelchen, rasch!" „Und ich duld's nicht, daß du gehst! Bei der Glätte! Wär' das nicht, ging ich ja selbst!" „Nein, bleib, Muhme du bist alt und möchtest fallen. Ich falle nicht. Laß mich und halte mich nicht aus! Schick mir die Rieke nach mit einer Flasche Wein! Aber vom besten! Hörst du? Und Johann soll Kissen mitbringen und eine Decke!" Mein Gott, woran das Kind gleich alles dachte! Di« Muhme hatte bisher nur jammern können. Aber gewiß, das Kind hatte recht. Und jetzt wollte sie sich rühren und alles besorgen. Renette war schon hinausgeeilt. Gar so rasch, wie sie möchte, geht's wirklich nicht bei der Glätte. Auch sie muß vorsichtig gehen. Aber lange dauert's nicht, da steht sie an der Schlachte vor dem Packhaus ihres Vaters. Jammernde Weiber! Unnütze Jungen! Da ein paar Arbeiter. Alle stehen um einen Menschen herum, der auf den eiskalten Steinen liegt. Regungslos. „Hat man zum Bader geschickt? Oder zum Doktor Bal- drian? Nein? So gehst du gleich, Fritz, und holst wen du finden kannst. Habt ihr keine Trage?" Nun erst beugte sie sich über ihren guten, alten Freund. Tot? Nein! Tot ist er nicht! Sie sieht ein leises He ben und senken der breiten Brust. Sie fühlt ein Zucken seiner Hand, die sie gefaßt hält. Er lebt! Gott sei Dank! Und nun sieht sic auch, daß er nicht ganz ohne Schutz auf den harten Steinen liegt, wie sie zuerst dachte. „Habt ihr ihm das Stroh untergelegt?" „Nee,nee, wie hebbcn em gor nich upbört!" So hatte das Strohbund dort wohl noch von der Ver packung der Kisten her gelegen und hatte den Sturz gemil dert. Renette atmete auf. So war vielleicht noch Hoffnung. Und da kam muh der Doktor Baldrian. Ein sehr gewichtiger Mann, der sich gewaltig klug dünkte. Sein Spazterstock mit dem goldenen Knopf verließ ihn nie. Ebensowenig wie da» dreieckige Darctt mit dem schon recht schäbig« Petzrand. das er auch im Sommer trug. Auch sein« stet» «tederk«^ rende Bewegung, den Knauf des Stocke» flunaNd «i di» breite, rote, weinfröhlichc Nase zu halten, di» Ren*«r M oft zum Lachen gereizt hatte, war wieder da. Ad«r heut» lachte Renette nicht darüber. Die AngV fEr idrv» all«, guten Poagcnsteel war zu groß. Als der Doktor Baldrian lange genug mit dem Stock an der Nase gestanden hatte, wurde Renette ungeduldig. Seine verschiedenen bedenklichen Hm — Hm — machten sie auch nicht geduldiger. (Fortsetzung folgt! <