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MSSGscheLrMer Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadt und Land. DichtesteVerbreitung inallenVolksschichten Beilagen: Sonntags-Unterhaltungsblatt und Landwirtschaftliche Beilatz« Geschäftsstelle Bischosswerda, Altmarkt 15. — Dtuck und Verlag vvW Friedrich May G.m.b^H. in Bischofswerda. FemsprecherNr.444und 44- ! Mschofswerdaer einzige Tageszeitung im Amtsgerichtsbezirk Bischofswerda und den angrenzenden Gebieten Lies Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupt- Mannschaft, der Schulinspektion und des Hauptzollamts zu Bautzen, des Amtsgerichts, des Finanzamtes und des Stadtrats zu Bischosswerda. Vor der Endscheidung des Reichspräsidenten. Berlin, 11. Dezember. (Drahtber.) Wie die Telegra- phen-Union aus Kreisen des Zentrums und der Demokraten erfährt, entsprechen die Nachrichten, wonach Vertreter dieser Parteien heute vom Reichsvräsidenten empfangen worden sind, nicht den Tatsachen. Auch Einladungen zu einer Be sprechung sind bei diesen Parteien bisher noch nicht einge- gangen und werden auch heute nicht mehr erwartet. Das selbe gilt auch von den Sozialdemokraten, von der Bayeri schen Bolkspartei und der Wirtschaftlichen Bereinigung. Heute wurde, wie die Telegraphen-Union gemeldet hat, bis her nur der Abg. Dr. Scholz (D. D. P.) empfangen. In den Kreisen des Zentrums und der Demokraten verspricht man sich von wettere» Besprechungen de« Reichspräsidenten mit einzelnen Parteiführern keinen Erfolg. Man hält e« kür das Richtige, wenn der Reichspräsident jetzt eine Persönlich keit beauftragen würde, die dann die Berhandlungen mit den Parteien zu führen hätte. Interfraktionelle Besprechun gen sind für heute nicht mehr beabsichtigt. Berlin, 12. Dezember. (Drahtber.) wie d« Berliner Tageblatt von unterrichteter Seite erfahren haben will, ist der Reichspräsident bei feiner gestrigen Besprechung mit vr. Luther dahin übereingekommen, durch den Staatssek retär Dr. Meißner noch beftimte Rückfragen an die einzel nen Fraklionssührer stellen zu lassen. Staatssekretär Dr. Rleihner setzte sich gestern abend mit dem Führer der Zenkrnmspartei Fehrenbach in Verbindung, wie das Ber liner Tageblatt weiter hört, wird Reichspräsident von Hin denburg heute vormittag Reichskanzler Dr. Luther mit -er Kabinettsbildung betrauen. Zu den Forderungen der Sozialdemokratie nach' «per sönlichen Garantien" erfährt der „Tag": In parlamentari schen Kreisen faßt man diese Forderung so auf, daß die So zialdemokratie sich über die Teilnahme an der Großen Koa lition erst entscheiden will, wenn für die Auswahl d«s Reichskanzlers und der Inhaber der wichtigsten Ministerien die Garantie dafür gegeben ist, dah über eventuelle Verein barungen hinaus alle sozialdemokratischen Forderungen zur Wirtschaftspolitik, zur Sozialpolitik und außerdem zur all gemeinen Politik erfüllt werden. Das kann nur bedeuten, dah die Sozialdemokratie in kein Kabinett eintreten will, wenn das Reichswehrministe rium in der Hand von Dr. Gehler bleibt und wenn die Füh rung des Kabinetts dem jetzigen Reichskanzler Dr. Luther zusällk. ermöglichen. Bei unserem Regierungssystem kommt es ja in dieser Hinsicht weniger auf die Politik als auf die Arith- methik an. Die Mittelparteien unter Hinzuziehung der Demokraten verfügen im Reichstage über 191 Stimmen. Ihnen stehen gegenüber 69 Völkische und Kommunisten, die in jedem Falle zur Opposition gehören, 110 Deutschnationale und 131 Sozialdemokraten. Wenn also die Parteien, die außerhab des neuen Kabinetts stehen werden, dieser Stel lung durch Ablehnung des Vertrauens Ausdruck geben soll ten, scheint di« Zukunft des neuen Kabinetts hoffnungslos. Offenbar aber glaubt Herr Luther damit rechnen zu können, daß eine der beiden großen Oppositionsparteien, Deutsch nationale oder Sozialdemokraten, ihm durch Stimmenthal tung oder auf andere Weise die Aufnahme der Regierungs arbeit ermöglichen werden. Die Sozialdemokratie hat ja ge rade in den letzten Wochen durch ihr Verhalten zu solchen Hoffnungen Anlaß gegeben. Nachdem sie mit Leidenschaft erklärt hatte, Locarno werde in diesem Reichstage nur mit den Stimmen der Deutschnationalen Gesetz werden, hat sie sich dann doch zum besseren Teile der Tapferkeit entschlos sen und eine Reichstagsauflösung vermieden. Zweifellos aber wird sie sich auch diesmal eine wohlwollende Haltung gegenüber dem Kabinett Luther mit wichtigen Konzessionen auf innerpolitischem Gebiet bezahlen lassen. Diese Konzessio nen aber, die auf Kosten unserer in schwerer Notlage befind lichen Wirtschaft gehen werden, werden die innerpolitischen und wirtschaftlichen Krisengefahren des bevorstehenden Win ters zweifellos noch erhöhen. Zur Zeit also ist nicht recht zu erkennen, wie Deutschland mit seinem mechanisierten, parlamentarischen System über die nächsten Monate Hin wegkommen soll. Die Gefahr eines Zusammenbruches unse rer Wirtschaft wird immer drohender; Unternehmungen, die als die besten in Deutschland galten, brechen zusammen oder werden nur mühsam durch staatliche Hilfe gehalten. Die Zahl der Arbeitslosen ist infolgedessen ständig im Wachsen begriffen. Weiter aber wird unsere Ausfuhr, aus deren Er trägnis wir die Dawes-Lasten bezahlen sollen, durch die englische und französische Konkurrenz immer schwerer be droht. England wendet gewaltige Summen für Subventio nen seines Bergbaues und seiner Schwerindustrie auf, durch die diese den Weltmarktpreis immer mehr bedrücken können; Frankreich dagegen mit seiner zusammenbrechenden Valuta erscheint ebenfalls auf allen Märkten als schwer zu schlagen der Konkurrent. In Preußen erfreut sich die Sozialdemokratie nach wie vor des sicheren Besitzes der Machtposition und bei der schwankenden Haltung des Zentrums ist vorläufig ein Kurs wechsel in Preußen nicht zu erwarten, selbst wenn man dort weiter solche Dummheiten macht, wie sie sich der demokra tische Kultusminister Becker in der Behandlung des Falles Schillings geleistet hat. Es kommt bei der Beurteilung dieser Frage weniger darauf an, auf welcher Seite formal das größere Maß von Recht oder Unrecht liegt,, als darauf, daß es im Kulturstoate Preußen möglich war, einen Künst ler von Weltruf, wie den Intendanten der preußischen Staatsoper, Herrn v. Schillings, einfach wie einen Haus- knecht oder einen Gelegenheitsarbeiter auf die Straße zu setzen. Das Pikante an dem ganzen Vorfall aber ist, daß diese Entlassung von einem Mitglieds der demokratischen Partei ausging, die für sich in Anspruch nimmt, die Kultur in Erbpacht zu haben. Der Erfolg dieses Vorgehens dürfte unabhängig von dem Ausgang des von Schillings eingelei- teten Prozesses jedenfalls der sein, daß das neue Preußen sich zum Spott der ganzen gebildeten Welt gemacht hat. Wenn solche Ereignisse dazu dienen, dem deutschen Volke über den Wert oder Unwert der neuen Aera die Augen zu öffnen, so können sie schließlich vielleicht doch noch ihr Gutes haben. Politische Wochenschau. Die deutschen Locarno-Unterhändler sind von ihrer Reise zur Ratifizierung der Verträge zurückgekehrt und haben ihrer Ankündigung entsprechend ihr Amt in die Hände des Reichspräsidenten zurückgelegt. Seitdem erfreut sich Deutschland wieder einmal einer Regierungskrise. Aber «an merkt, daß ein Staat sich an alles, also auch an Regie- rmigskrisen, gewöhnen kann. Von irgend einer erheblichen Unruhe, von einem Stocken des parlamentarischen Redebe triebs ist wenig zu merken. Man möchte diese Gleichgültig keit, die in einem auffallenden Mißverhältnis zur Schwere der Entscheidung steht, aus zwei Gründen erklären. Ein mal wendet sich das Interesse der deutschen Oeffentlichkeit m immer steigendem Maße von der Politik ab. Man geht wieder wie in, alten Zeiten seinem Beruf nach und überläßt das Regieren als eine wenig beneidenswerte Beschäftigung mit einem gewissen Fatalismus anderen. Auf die ernsten Gefahren, die in einer solchen Auffassung liegen, ist an die ser Stelle bei früheren Gelegenheiten mehrfach hingewiesen. Sodann aber scheint die Ueoerzeugung allgemein zu sein, es sich nur um eine scheinbare Regierungskrise handelt and daß über dem Schicksal des Kabinetts Luther-Stresemann letzten Endes ebenso wie über seinem Werk, den Locarno- Bcrträgen, die Klausel „no varietur" steht. In der Tat scheint es auch, als ob dies der Abschluß der Regierungskrise sein werde. Reichspräsident von Hindenburg hat geglaubt, korrekt nach dem Buchstaben der Verfassung vorgehen zu sollen, indem er seinerseits zunächst den Parteien die Mög lichkeit zur Bildung einer gemeinsamen Regierung bot, die gemeinsam Locarno angenommen haben. Dieses Vorgehen dos Reichspräsidenten ist an manchen Stellen mißverstanden oder mißbilligt worden. Solche Kritik aber dürfte mehr auf eine gefühlsmäßige, ols auf eine verstandesmäßige Einstellung zurückzuführen sein. Die Stärke der Stellung des Reichspräsidenten liegt darin, daß er es verstanden hat, sich eine Position über den Parteien zu sichern, die ihn gegen den Vorwurf der Ein seitigkeit unbedingt schützt. Die ernsten Aufgaben aber des bevorstehenden Winters werden gerade vom Reichspräsi denten nur dann gelöst werden können, wenn ihm kein Volksteil und keine Partei Voreingenommenheit wird vor werfen können. Es zeigt sich zudem schon jetzt, daß gerade durch dies Verhalten des Reichspräsidenten nachgewiesen wird, wie uneinheitlich die Locarno-Mehrheit des Reichs tages in sich ist. Man ist aus verschiedenen Gründen zu dem Ulrichen Ergebnis, der Annahme der Locarno-Verträge, ge- lammen, ohne daß dadurch die Grundlage für ein gemein sames weiterreichendes Aktionsprogramm geschaffen wor den sei. Es ist damit zu rechnen, daß die Bildung einer ^eichsregierung der großen Koalition sich als unmöglich er weisen wird. Dann aber hat der Reichspräsident wieder in kder Beziehung freie Hand und kann die Aufgabe der Re gierungsbildung dem Manne seines Vertrauens übertragen, und das ist nach wie vor Reichskanzler Luther. Es ist da mit zu rechnen, daß Luther diejenigen Minister auch in seinem neuen Kabinett behalten wird, die mit ihm den Weg nach Locarno bis zu Ende gegangen sind. Eine Erweite rung im parteipolitischen Sinne dürfte das neue Kabinett durch Hinzuziehung von anerkannten Vertretern der demo kratischen Partei erfahren, wofür bereits Namen wie der des Parteivorsitzeuden Koch als Reichsinnenminister und des früheren sächsischen Finanzministers Dr. Reinhold als Neichssinonzm Nister genannt werden. Schwieriger als die Ergänzung des Kabinetts nach der persönlichen Seite hin wird es sein, diesem neuen Kabinett nun auch die Aufnahme der Arbeit durch ein parlamentarische» Vertrauensvotum zu Tagesschau. * Die frauzösifche Jiaanzkrisls scheint sich in einem un lösbaren Stadium zu befinden. Der Rücktritt Loucheurs wird als bevorstehend gemeldet. Der Franken ist weiter stark gesunken. * Der Reichstagsausschuß für Wohnungswesen hat sich für die alsbaldige Vorlage eines Wohnungsheimstätten- Mtzes ausgesprochen und fordert von der Reichsregierung idie Ausarbeitung eines umfassenden Wohnungsplanes. * Der Haushaltausschutz des Reichstages hat der Er höhung der Erwerbslosensätze zugestimmt, isdoch im Gegen satz zu den Beschlüßen des sozialpolitischen Ausschusses nur eine zwanzigprozentige Erhöhung beschlossen. Zu den mit * bezeichneten Meldungen finden die Leser Aus- sührliche» an anderer Stelle. Deutscher Reichstag. Berlin, 12. Dez. Präsident Löbe eröffnet die Sitzung 3.20 Uhr. Die dritte Lesung des Haushaltplanes wird dann wiederum beim Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft fortgesetzt. Abg. Rönneburg (Dem.) hebt hervor, daß es auch in guten Zeiten schwer sei einen Landwirt zu finden, der ge neigt sei, zuzugeben, daß es ihm gut gehe. (Heiterkeit.) Man müsse aber objektiv genug sein, zuzugeben, daß die Lag« dar deutschen Landwirtschaft seit geraumer Zeit sich von Monat zu Monat gefahrdrohender gestaltet hat. Der Redner er sucht um Auskunft, in welchem Umfange öffentliche Mittel zur Stützung der Genossenschaften verloren worden sind. Abg. Serschbaum (Wirtschftl. Vgg.) sieht die Ursachen der Not der Landwirtschaft in der Revolution und der In flation. Der Redner verlangt steuerliche Erleichterungen für die bäuerlichen Wirtschaftsbetriebe. Die Weiterberatüng wird gegen 5 Uhr auf Sonnabend 10 Uhr vertagt. Auf der Tagesordnung stehen die Anträge zur Erwerbslosenfürsorge und der Deutsch-Russische Handels vertrag. Die KeamterrbeihiLfe im Kaushalt- ausfchutz. Vie Regierungsvorschläge als unzureichend abgelehal. Berlin, 11. Dez. (W.-T.-B.) In der Abendsitzung dM Haushaltausschusses des Reichstags schlug Staatssekretär Fischer vom Reichsfinanzministerium dem Ausschuß im In teresse einer schnell zu erledigenden Zuwendung für die Beamten und Angestellten folgende Regelung vor: Es soll den Beamten, Wartegeld- und Ruhegehalts empfängern, Angestellten- und Beamtenhinterbliebenen der Gruppen I bis IV eine einmalige Zuwendung in Höhe von einem Viertel des Monatsgehalts, den Beamten usw. der Gruppen V und VI «ine solche von einem Fünftel eines Monatsbezuges gegeben werden mit der Maßgabe, daß der Mindestbetrag für Ledige auf 30 Mark festgesetzt wird, der sich für jeden Frauen- und Kinderzuschlag um je fünf Prozent erhöht und für die Vollwaisen insgesamt 10 Mark beträgt. Die Kriegsbeschädigten und Krieger hinterbliebenen sollen eine Zuwendung von einem viertel eines Monatsbezuaes erhalten. Staatssekretär Fischer erklärte hierzu, daß dies gegen wärtig das Aeußerste sei, was bei dem Stande der Finan zen auszuführen sei. Man habe auch die Rückwirkungen, die auf die Länder entstehen könnten, berücksichtigen müßen. Dor allem komme es doch darauf an, schnelle Hilfe zu -rsn- gen. Nach längerer Aussprache wurde festgestellt, daß sich di« Mehrheit des Ausschußes nicht auf den Standpunkt der ckrfch i»»«g»wetf«: Jeden Werktag abend» tür den tolgend. Tag. ve,ug,pret« >Lr die Zett «ine» halben Monat»: Frei in» Hau» halbmonatlich Mk. 1.20, beim Abholen in der Geschäftsstelle Wöchentlich SO Pfg. Einzelnummer 15 Pfg. — Alle Postanstalten, öwie unsere ZeitungsaustrSgrr und die GeichLftsstelle nehmen jeder,eil Bestellungen entgegen. Poftscheckl-Kont»: Am» Dresden Ar. 1521. Gemeinde« verbandogtrokaife Bischofswerda Konto Nr. 64. Im Falle höherer Gewalt — Krieg oder sonstiger irgend welcher Störung des Betriebes der Zeitung oder der Beförderungseinrtch- tungen — Hal der Bezieher keinen Aiypruch aus Lieferung oder Nachliefrrun.1 der Zeitung oder aui Rückzahlung des Bezugspreise«. 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