Suche löschen...
Der sächsische Erzähler : 12.12.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-12-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192512127
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19251212
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19251212
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-12
- Tag 1925-12-12
-
Monat
1925-12
-
Jahr
1925
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 12.12.1925
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
2. Beiblatt z» Slmmaer 288. Der Sächsisch- Erzähler. Lomlabrad, den 12. Dezember 1V28 . Wohnungs- und Ausweriungsfragen im Sächfischen Landtag. Dresden, 10. Dezember. Die ö ersten Punkte der Ta» gesordnung betrafen Wohnungsfragen, die infolgedessen zu- I jammen beraten wurden. Bon deutschnationaler Seite lag ein Antrag Bültmann vor, für die Vermietung möblierter jMume und für die Vermietung leerer Teile einer Wob- l,ung die Zwangswirtschaft aufzuheben, insbesondere dafür Idie Bestimmungen des Reichsmietengesetzes und das Mie- icrschutzgesetz außer Wirkung zu setzen, und die Neubelegung jaon Räumen mit Zivileinquartierung durch Landesoerord- nung auszuschließen. Bom Haushaltausschuß über dessen Beratung Frau Abg. Dr. Hertwlg-Vünger berichtete, war der Antrag abgelehnt worden und dafür ein Minderheitsan- ,rag aufrecht erhalten worden, die Verordnung vom 12. Juni 1925 dahin abzuändern, daß 8 3 fortfällt, weiter den- scnigen Gemeinden, bei denen das Abgebot die Nachfrage versteigt, zu gestatten, daß bei Untermieträumen und gro ßen Wohnungen die Zwangswirtschaft aufgehoben oder ge lockert werden darf und daß von der Belegung von Woh nungen mit neuer Zivileinquartierung abgesehen werden soll. Weiter werden mit beraten ein Antrag der Kommu nisten auf Rückgängigmachung der ab 1. Mai 1925 durchge- sührten Mietpreiserhöhung, ein zweiter Antrag derselben Partei betreffend den Mieterschutz, ein Antrag der Deutsch nationalen auf Nachprüfung der Wohnungslisten und ein Antrag der Sozialdemokraten betreffend Mietzinssteuerge- sch, Kleinwohnungsbau usw. Nach längerer Aussprache, in s>or sich der Abg. Dlüher (Dt. Vp,) besonders gegen den An trag auf Nachprüfung der Wohnungslisten aussprach und dcr Abg. Schminke (Kom.) durch eine auf die vollbesetzte Tribüne zugeschnittene Agitationsrede zeitweise lebhafte Tu multe hervorrief, wurde der Minderheitsantrag bezüglich do-t möblierten Räume mit den Stimmen der Linksparteien, zu denen sich auch der Abg. Dr. Seyfert gesellte, abgelehnt. Die anderen Anträge wurden dem Rechtsausschuß überwie- sm. Dasselbe geschah mit dem Antrag des Abg. Sunhsch lDtnl.) wegen Anwendung der Kosten- und Stempelfreiheit auf die Handwerkerbaugenossenschaften und mit dem An trag der Demokraten auf gebühren- und stempelfreie Ein tragung von Hypotheken, die zur Instandsetzung und Er haltung von Wohnhäusern aus öffentlichen Mitteln gegeben werden. Sodann begründete Abg. Dörner (Dtnl.) den Antrag seiner Fraktion, die Regierung zu ersuchen, 1. von den ihr nach ß 58 des Reichsgesetzes über die Aufwertung von Hypo theken usw. vom 16. April 1925 zustehenden Ermächtigungen Gebrauch zu machen und u) für die Aufwertung der Spar kassenguthaben einen Mindestsatz, der nicht unter 20 Proz. liegt, vorzuschreiben, b) die Leistung eines entsprechenden Betrages zur Teiluugsmasse aus dem sonstigen Vermögen !>cs Schuldners zu bestimmen, o) weiter anzuordnen, daß Tparkassenguthaben, die nach dem 15. Juni 1922 ausgezahlt find, trotz Auszahlung aufgewertet werden, ä) zum Zwecke der Ermöglichung schnellerer Zahlung zu gestatten, daß den Schuldnern aufgewerteter Rechte der Sparkassen und den Eigentümern zur Sicherung dieser Rechte belasteter Grund stücke für den Fall vorzeitiger Leistung zur Teilungsmasse -ine Kürzung der Schuld oder andere Vergünstigungen ge währt werden: 2. nach 8 30, 2 und 8 40, 2 des Gesetze-- über die Ablösung öffentlicher Anleihen vom 16. Juli 1925 auf dem Wege der Gesetzgebung zu bestimmen, daß bei allen Staats- und Gemeindeanleihen »ine Mindestaufwertung von 25 Proz. Platz greift. Der Abg. Börner wie» zur Begrün- düng seines Antrages darauf hin, daß die Staaten andere Vermögenswe.le als das Reich und infolgedessen die Mög lichkeit hätten, in der Aufwertung nun doch noch ihrerseits weitere Schritte zu gehen. Staaten und Gemeinden hätten ihre Vermögen am besten über di« Inflation hinwegge bracht. Es liege nicht im Interesse des Gesamtwohles, wenn die Staaten immer reicher und die Staatsbürger, immer ärmer würden. Gleichzeitig mit dem obenangeführten Anträge wurde eine durch die Zeit überholte Anfrage der Demokraten wegen der seinerzeitigen Stellungnahme Sachsens im Reichsrate zu den die Aufwertung betreffenden Gesetzentwürfen der Reichsregierung und ein Antrag der Volkspartei betreffend gebühren- und stempelfreie Eintragung der Grundschuld nach 8 7 des Aufwertungsgesetzes beraten. Es entspann sich eine längere Erörterung, die zu heftigen Zusammenstößen zwischen Deutschnationalen und Demokraten führte. Im Laufe der Debatte erklärte Finanzminister Dr. Reinhold, daß alte Anleihen in Sachsen bis auf den kleinen Rest von 100 000 überhaupt nicht mehr vorhanden seien, wo durch der deutschnationale Antrag gegenstandslos werde. Auf die demokratische Anfrage wegen der Stellung nahme Sachsens in, Reichsrate antwortete Finanzminister Dr. Reinhold, die sächsische Regierung hätte ihrem Ge sandten Dr. Gradnauer am 16. Juli d. I. den Auftrag gege ben, die Aufwertungsgesetze des Reichstages als für die sächsische Regierung ungenügend und unbefriedigend abzu lehnen. Die Aufwertungsgesetze in der jetzigen Form seien nicht dazu angetan eine dauernde Beruhigung herbeizufüh ren. Gegen den deutschnationalen Antrag als unerträgliche Mehrbelastung der Staats- und Gemeindefinanzen sprechen die Abg. Dr. Hübfchmann (D. Volksp.), Aünther (Dem.), Seyfert (Dem.) und Fetisch (Sog.) Der deutschnationale Antrag wurde darauf gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt, während der volks parteiliche Antrag betr. gebühren- und stempelfreie Eintra gung der Grundschuld dem Rechtsausschuß überwiesen wurde. Darauf vertagte sich das Haus um 514 Uhr nachm. auf Dienstag, den 15. Dezember nachm. 1 Uhr. Auf der Tagesordnung stehen u. a. Antrag auf Schaffung eines Reichsberggesetzes, auf Zurückziehung der Zollvorlage, Auf wertung der Versicherungsansprüche gegen die Altersrenten bank, Unterstützung der Rentenempfänger, usw. Dresden, 10. Dezemer. Dem Landtag ist ein deutschvolkspar- teilicher Antrag zugegangen, der dahin geht, daß die Länder reichs eitig mit der Verwaltung und dem Betriebe der Reichswasserstra- zcn beauftragt werde und daß das Reich demzufolge von der Schaf- ung eigener Wasserstraßenbehörden in Orts- und Länderinstanzen abzieht. — Ein kommunistischer Antrag fordert ein Reichsgesetz über die entschädigungslose Enteignung sämtlicher ehemaligen deut schen Fürstenhäuser. — Ein weiterer kommunistischer Antrag ver langt eine Erhöhung der Grundgehälter der Reichs- und Staat», arbeitet und unteren Besoldungsgruppen mit Wirkung vom 1. No vember 1925 ab, sowie die Gewährung einer ehemaligen außer ordentlichen Wirtschaftsbeihilfe. Aus Sachsen. Landessynode. Die neue» sächsischen Bezlrkskirchenämter. In der Mittwoch-Sitzung der Synode handelte es sich zunächst um die Frage, ob für die neuen Bezirkskirchen- Smter hauptamtliche oder nebenamtliche juristische Kirchen- amtsräte angestellt werden sollen. Mit 47 gegen 28 Stim men wurde «in Antrag des Fürsten von Schönburg-Wal denburg angenommen, es dem Konsistorium zu überlasten, ob es für das an dem Sitz jeder Superintenoentur zu er richtende Kirchenamt einen hauptamtlichen oder nebenamt lichen juristischen Rat einstellen wolle. Weiter beschäftigt« sich die Synode mit der Frage nach Wohnungen für di« pen sionierten geistlichen Beamten und Angestellten, damit die Nachfolger in der Kirchgemeinde Platz bekommen. Da» Kirchenregiment wurde ersucht, im künftigen Haushaltplan landeskirchliche Mittel für den genannten Zweck einzustellen. Im Hinblick aus den wachsenden Theologenmangel, der schon jetzt bei Besetzung der Pfarrerstellen für di« Gemeinden sehr fühlbar wird, beschloß die Synode, durch das Kirchenregi ment sich an das Volksbildungsministerium zu wenden, da mit auch bei 29 Anmeldungen (nicht erst bei 30) für «inen Lateinzug an den Gymnasien die Genehmigung erteilt und unter allen Umständen der Unterricht im Griechischen sicher gestellt wird. * In der Donnerstagsitzung wurde das Kirchengesetz über die Rechtsverhältnisse der landeskirchlichen Beamten in erster Lesung verabschiedet. Das Gesetz ist ebenfalls im Hinblick auf die bevorstehende Trennung von Staat und Kirche notwendig und tritt zugleich mit der neuen Kirchenverfassung in Kraft. Die Bestimmun gen entsprechen den für die Reichs- und Staatsbeamten gel tenden Grundsätzen. Das Dienststrasrecht der landeskirch lichen Beamten einschließlich des Verfahrens soll durch «in besonderes Kirchengesetz geregelt werden. Nach Erledigung einiger Petitionen, die innerkirchliche Fragen betreffen, inter pellierten Stadtrat Krumbiegel (Dresden) und Gen. da« Kirchenregiment, wann es der Synode den Entwurf «ine« Pfarrbesetzungsgesetzes vorzulegen beabsichtigt, und ob es vor Einbringung desselben Vertreter der Beteiligten (Patro ne, Stadträte usw.) dazu zu hören gedenke. DerPräsident de« Landeskonsistoriums Dr. Böhme erklärte, daß «in Entwurf zwar in Arbeit sei, aber noch nicht gesagt werden könne, ob er schon in der Februartagung oder erst nach Einführung der Kirchenverfassung der Synode vorgelegt werden könne; jedenfalls beschädige er sich aber nicht mit Patronatsfragen. Die nächste Sitzung findet Freitag vormittag 9 Uhr statt. Neuer Sächsischer Lehrerverein. Vom Neuen Sächsischen Lehrerverein wird uns ge schrieben: Am 5. und 6. Dezember fand in Dresden die vierte Sitzung des Landesvorstandes mit den Gaugruppenoor sitzenden statt. Oberlehrer Leupolt gab zunächst einen kur zen Ueberblick über die schulpolitische Lage. Im Mittelpunkte der Verhandlungen stand die Bera tung über die von Dir. Werner (Schwarzenberg) überarbei teten Richtlinien für einen Landeslehrplan. Aus den allgemeinen Grundsätzen seien folgende viederge- geben: 1) Der Neue Sächsische Lehrerverein tritt ein für ver bindliche Stoffpläne und Lehrziele (8 2 seines Programms). 2) Ein Lehrplan auf dem Grunde deutsch-christ lichen Kulturbewußtfeins fordert. a. umfassende Berücksichtigung deutscher Heimat, deutschen Glaubens und deutscher Sitte, deutscher Sprache und deut schen Schrifttums, deutscher Geschichte und deutscher Kunst, deutschen Gewerbes und deutscher Technik und aller kör- Was der Reichspräsident für Briefe bekommt. Im Verlag für Kulturpolitik zu Berlin erscheint soeben ein Buch, in dem unter dem Titel „Ein Tag aus dem Leben dos Reichspräsidenten" von einem Regierungsrat Wohnung und Arbeit, Rechte und Pflichten, Wesen und Lebensweise des Reichspräsidenten geschildert werden. Die große Be- ücbtheit Hindenburgs tritt wohl am deutlichsten aus dem Inhalte der allmorgendlichen Post entgegen, in der sich zahl te Bitten um Hilfe, Bewerbungen um Stellen, Gnaden gesuche, Beschwerden usw. befinden. Sehr groß ist auch die fahl der wohlmeinenden Leute, die dem ersten Mann im Staate mit allerlei Ratschlägen zu Hilfe kommen wollen. Da gibt es Briefschreiber, die zehn und noch mehr Bogen mit ihren Ergüssen ansüllen. Am eindrucksvollsten aber sind die Schreiben ganz einfacher Leute oder von Kindern. Einige bezeichnende Beispiele seien aus den angeführten Briefen mitgeteilt. So schreibt z. B. ein bayrischer Bauer: „Ich erlaube mir, an Euer Gnaden einen Bries zu richten, um an Sie eine Frage zu stellen, ob's nicht mög lich wäre, während der Ferienzeit meiner Wenigkeit als schlichter Landwirt einen Besuch abstatten zu wollen, um Brifatbesprechung geistlicher und leiblicher Anliegen. Viel leicht ging es per Auto dem Volk unerkannt durchzukommen. Ich bin persönlich in vollster Verschwiegenheit und bin be reit, Euch auszunähmen zu übernachten, 4—5 übrige Bet ten, 1—2 Zimmer zu reserfüren .... Auf Rückkehr in die Heimat auf etwas unbestimmte Zeit abmelden. Meine Landschaft liegt zwei Stunden vom Chiemsee entfernt, meine Familie besteht aus Weib und Kindern, haben sonst niemand im Haus. Also, haben Sie die Güte und weisen Sie meinen Antrag nicht zurück." Zwei Mädchen vom Lande wenden sich mit folgendem Anliegen an den Präsidenten: „Da Sie doch der Landesvater sind, so sind Sie doch auch unser lieber Vater, darum bitten wir Sie, Majestät, uns ein bißchen zu helfen. Nämlich wir möchten gerne etwas lernen. Ich hätte Lust als Buchhändlerin, auch Goldarbeiten» tät mir gefallen. Meine Freundin hätte zur Modistin Lust. Entschuldigen Sie gütigst auch wegen der schlechten Schrift und daß es mit Bleistift geschrieben ist. Nämlich wir haben es aus der Wiese beim Gänsehüten geschrieben. Bitte sen- den Sie uns ein kleines Bildchen von Ihnen. Wir halten es in Ehren, als wenn cs von unseren lieben Eltern märe." Eine kleine Lieselotte aus Berlin ist schon gewand ter ..Ein herzliches Grüß Gott zuvor meinem he^-erehr- ten Herrn Reichslagspräsidenten von Hindenburg!" sch-eibt sie. „Da lause ich nun tage-, nein wochenlang sebniüchtig an Ihrem Polais in der Wilhelmstraße vorüber mit dem heißen Wunsch, einmal, auch nur einmal Ew. Exzellenz zu sehen. Doch nie ward mir dies vergönnt. Ja, und damit das endlich einmal wahr wird, bitte ich um Erfüllung mei nes Herzenswunsches: Darf ich Ew. Exzellenz eine kleine Freude machen und sie Ihnen auch persönlich überreich m, o bitte, bitte?" Ein Knabe aus Kiel schreibt: „Lieber Hindenburg. Wie kann man Generalfeldmarschall werden? Kommst Du zu uns nach Kiel?" Einige Schüler von der Wasserkante: „Wir Kinder^ grüßen Dich als Reichspräsident. Wir wollen mal anfragen, ob Sie uns als Soldaten bei der Riesengarde annehmen wollen. Wir haben eine große Kompagnie von 6 Mann. Wenn es noch einmal gegen den Erbfeind geht, wollen wir gern helfen, denn vir haben eine schwere Artillerie." Ein dreizehnjähri ges Mädchen: „Ich hoffe, Sie bleiben als Reichspräsi dent tapfer und gesund. Hoffentlich kommen Sie bald ein mal zu uns zu Besuch. Ich habe von Ihnen viel ;chört." Auch aus fernen Ländern kommen zahlreiche Schreiben. So empfiehlt sich ein Mädchen aus Amerika folgendermaßen für eine Stellung: „Mister President. — Hindenburg — ich gra tuliere dir und ich könnte ein Pussmädchen bei euch sein, ich kann alles gut pucen. Bitte um Antwort." Ein zwölf jähriges Mädchen aus Afrika äußert sich also: „Lieber Herr Präsident! Wie gefällt cs Ihnen als Reichs präsident von Deutschland? Es gibt hier eine deutsche Schule, auch eine englische, aber ich gehe in die deutsche Schule. Wir sind hier in Afrika. Ach, es ist hier nicht schön! Ich möchte so gern in Deutschland sein. Ich war noch keinmal in Deutschland." Wie die alte „Deutschland" sank. Eine Erinnerung an den Untergang de» Schisse» vor SO Jahren. Am 6. Dezember 1875, also vor rund 50 Jahren, erfolgte der Untergang des Lloyddampfers „Deutschland", bei dem 64 Personen den Tod in den Wellen fanden. Das Schiff hatte am 4. Dezember 1875 Bremerhaven verlassen, um über Southampton nach New Uork zu gehen. An Bord befanden sich 109 Passagiere und 99 Mann Besatzung. Im Nebel und Schneetreiben ging der 3000 To. große, im Jahre 1868 erbaute Dampfer auf der Außenweser vor Anter und setzte am Sonntag vormittag seine Reise fort. In der Nacht zum Montag geriet die „Deutschland" bei Kentish Knock (eine Sandbank vor der Themse-Mündung) auf Grund. Bei dem Stoßen auf Grund — die Schraube war beim Rückwärtsarbeiten gebrochen — brach das Schiff durch. Der Havarist gab ununter brochen Notsignale, die aber, trotzdem sich das Unglück an belebter Stelle ereignete, nicht beachtet wurden. Als die Wellen über das Schiff gingen, begaben sich die Schiffbrüchigen in die MasKn, wöl sie eine schreckliche Nacht verbrachten. Schon hier stürzten mehrere Personen, die sich nicht zu halten vermochten, ab und ertranken. Erst nach etwa 30 bangen Stunden kam der Schleppdampfer „Li ¬ verpool" aus Harwich und rettete die Ueberlebenden. Von den Passagieren hatten 44, von der Mannschaft 20 Personen den Tod gesunden. Ern englischer Forscher am Amazonen strom verschollen. Der kühne englische Forschungsreisende Dr. William McGovern, der sich zuerst durch seine wagemutige Fahrt in der Verkleidung eines Kulis durch das unbekannte Tibet bekannt ge macht hat und dieses abenteuerreiche Wagnis in einem auch ins Deutsche übersetzten Buch beschrieb, hatte ini Mai dieses Jahres den Versuch unternommen, in die unbekannten Gebiete der Quell wasser des Amazoncnstroines einzudringen. Die letzte Nachricht, die vor etwa zwei Monaten London erreichte, und schon vier Mo nate zurückliegt, stammte aus Jaurrete in Nordwestbrasilien, und da man seitdem nichts mehr von ihm gehört hat, so wird jetzt, wie englische Blätter berichten, eine Hilfsexpedition ausgerüstet, die nach ihm suchen und sein Schicksal aufklären soll. Die ersten Monate seiner Forschungsreise waren, soweit man bisher unter richtet ist, von Erfolg begleitet, aber auch mit großen Gefahren ver bunden. Mc Govern, der erst 28 Jahre alt ist, unternahm diese Reise mitten unter wilde Völkerschaften und in unbekannte Gegen den nur von seinem Photographen begleitet: im übrigen bediente er sich einheimischer Träger, die ja stets unsicher sind. Er hatte mit ausständischen Eingeborenen zu kämpfen, wurde, vom Sumpsfieber ergriffen, war den Angriffen der Vampyrfledermäuse ausgesetzt und eine zeitlang gezwungen, sich von den merkwürdigsten Dingen, darunter von eßbaren Raupen, zu nähren. In dem letzten Bericht erzählt er davon, daß sie nun in dem Gebiet.der primitiven Eingeborenen angelangt seien. „Die Männer gehen, mit Ausnahme eines wiiizigen Lendenschurzes, ganz nackend, und die Frauen ver zichten selbst auf diesen Schmuck. Bisher sind wir mit den Einge- bc reuen so ziemlich ausgekommen, obwohl viele von ihnen noch nie einen Weißen gesehen hatten. Glücklicherweise gelang es mir, die Freundschaft eines Oberhäuptlings zu erringen, und dieser veran-. stcltete für uns ein.großes Kaschiri fest, so daß Mannling (der Photograph) Gelegenheit hatte, die Tänze und Zeremonien aufzu- nehmen. Morgen wollen wir den Uapessluß, den wir bisher ent- langgezogen sind, verlassen und in das Gebiet des Taporyslusses eindringen: von hier müssen wir bis zu dem Apaporisfluß vordrin gen, der ein Nebenfluß des Iapura ist. Damit kommen wir in Ge genden, die von sehr gefürchteten Indianern bewohnt sind. Di« Ein geborenen sollen den Weißen den Krieg erklärt haben und e» geht ein Gerücht, daß sie vor einem Monat eine Gesellschaft von Kaut- schuksammlern töteten. Ich persönlich glaube nicht an die große Gefahr» aber meine brasilianischen Diener sind so ängstlich, daß st« ovn hier nach Manaosezurückkehren wollen. Zwei konnten wir überreden, bei uns zu bleiben, der dritte aber reist heute in seinem Kanu ab, und ich benutze die Gelegenheit, ihm einen Brief mitzu geben. Mc Govern beabsichtigte, das Land des Carijonestam- m « s zu durchziehen, der im Ruf der Menschenfresserei steht, und dann die Huambisa zu besuchen, die auf Menschenköpfe jagen, sie zur Größe einer Apfelsine zusammeyschrumpfen lassen »nd dann als Trophäen am Gürtel tragen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)