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Der sächsische Erzähler : 06.11.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-11-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-192511061
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19251106
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19251106
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-11
- Tag 1925-11-06
-
Monat
1925-11
-
Jahr
1925
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 06.11.1925
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schrlst „Die Sächsisch« Polizei-, Organ de» verband«» Sächsischer Polizeibeamter (E. v ), wegen de» beleidigenden Lrtikel, „G«. nug! , der sich gegen den Polizeioberstwachtmeister Keyßelitz rich tet, beschlagnahint worden. Diese Entscheidung in zweiter 2 nstanz ist ergangen auf di« Beschwerde der hiesigen Staat», anwaltschaft gegen einen Beschluß de» diesigen Amtsgericht», durch den die Beschlagnahme abgelehnt worden war. Dieser Beschluß de, Amtsgericht» erging an dem Tage, an dem noch Exemplar« der fraglichen Zeitschrift zur Verteilung an die Mitglieder de» Verbandes im Polizeigebäude bereit lagen. Da mit einer Be schlagnahme schon seitens des Amtsgerichts zu rechnen war, wurde die weitere Verteilung der Zeitschrift bl» zum Eingang der er warteten Entscheidung lediglich kurze Zeit sistiert. Wenn eine hiesige Tageszeitung behauptet, Funktionäre des Verbandes hätten vom Polizeipräsidium den Auftrag erhalten» die schon an Mitglie der verausgabten Zeitungen wieder einzuziehen, so ist diese Be hauptung unwahr." Die amtliche Darstellung berichtigt auch gleichzeitig eine nicht zutreffende Meldung der sozialdemokratischen Presse, daß der An trag auf Beschlagnahme von der Staatsanwaltschaft abgelehnt worden sei. Es bleibt also dabei, daß sich das Dresdner Polizei präsidium gegen die Uebergrisse der Polizeibeamtengewerkschaft nur noch mit Hilfe des Staatsanwaltes retten kann! Dresden, 5. Nov. Zu dem Schiedssprüche des Reich»- arbeilsminisleriums für die deutsche Weitzhohlglnvindustrle wird noch mitgetoilt, daß die Arbeitszeit der in den Glas hütten beschäftigten Arbeitnehmer 8 Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten darf, daß jedoch der § 2 die Bestimmungen der Möglichkeiten einer Über arbeit enthält. Es heißt darin: Während der Dauer der gegenwärtigen schwierigen Wirtschaftsverhällnisse und bis zum Inkrafttreten einer etwaigen anderweitigen gesetzlichen Regelung, längstens aber bis zum 30. April 1026, darf in den Glashütten nach Anhörung der Bctriebsvertretung a) für die mit der Verarbeitung der Glasmasse vor dem Ofen beschäftigten Arbeitnehmer eine Ueberarbeit von Stunde, b) für die übrigen Arbeitnehmer eine Ueber arbeit von 1 Stunde stattfinden. Für die Zeit nach dem 31. August 1926 verkürzt sich die nach Satz 1 zulässige Ueber arbeit für die oben unter a.) genannten Arbeitnehmer auf K Stunde. Für die Ueberarbeit ist ein Lohnzuschlag von 80 Prozent zu gewähren. Diese Arbeitsregelung kann mit vierwöchiger Frist, spätestens bis zum 1. September 1926 gekündigt werden. Wie wir hören, haben sich die Arbeit geber für die Annahme dieses Sckicdsspruckes erklärt. Die Stellungnahme der Arbeitnehmer steht noch aus. Dresden, 5. Nov. Seine Wiederherstellung der Preuß. Gesandtschaft ln Dresden. Der Preuß. Landtag hat den An trag auf Wiederherstellung der Preuß. Gesandtschaft in Dresden abgelehnt. Döbeln, 5. Nov. Verkehrsregelung. Der Fährverkehr wurde hier neu geregelt. Durch Polizeiverordnung ist wegen der Ueberhandnahme des Verkehrs in der inneren Stadt das sogenannte Einbahnsystem eingeführt worden. Die engen Straßen, die dem Durchgangsverkehr dienen, dürfen nur noch nach einer Richtung befahren werden. Leipzig, 5. Nov. Die Gesamtzahl der Kraftfahrzeuge in Leipzig betrug am 1. Oktccher d. I. 7266. Davon waren 2230 Krafträder und 5036 Kraftwagen. Die sogenannten Kleinkrafträder sind in diesen Zahlen nicht enthalten. Ge genüber dem 1. April 1925 bedeutet das eine Steigerung von 528 Krafträdern und 763 Kraftwagen Sayda, 5. Nov. Der Brandstifter sesigenommen. We gen Verdachts der Brandstiftung an dem dem Tischler Her klotz gehörigen Hause wurde der Mieter Seb. fcstgenommen. Er hat eingestandcn, das Feuer vorsätzlich angelegt zu haben. Clausthal, 4. November. Jubiläum der Bergakademie. Die Bergakademie Clausthal feierte am Dienstag ihr 150jähriges Bestehen. Die Grüße der preußischen Staats regierung überbrachte Staatsministcr Dr. Schreiber. Laisaig. S. Nov. Verhaftung eines Aabrikaulea. Der Lnhsber der Spielwarenmafsenortikelsabrik Arno Schmidt wurde verhaftet. Die Verhaftung steht im Zusammenhänge mit dem am 30. Oktober eröffneten Konkurs der Firma. E» geht nach dem Leisniger Tageblatt da» Gerücht, datz die Firma von der Städtischen Girokasie einen Kredit von etwa 160000 Mark in Anspruch genommen habe, wofür jedoch nur zu einem geringen Teile Deckung vorhanden sei. Mylau, 5. Nov. Von einem Dullen überfallen. Als dieser Tage der Schweizer auf Rittergut Ober-Mylau einer? Bullen über den Hof führte, wurde das Tier unruhig und riß sich los. Der Rittergutspächter Scheibe, der den Bullen aufhalten wollte, wurde von diesem mit den Hörnern er faßt und im Hofe herumgetragen. Einige Knechte befreiten Scheibe von dem wütenden Tiere. Scheibe hat schwere, je doch nicht lebensgefährliche Verletzungen erlitten. Falkenstein, 4. November. Vollständig uledergebrannt ist im benachbarten Poppengrün die dem Gutsbesitzer Ro- bert Thoß gehörige Feldscheune mit der gesamten Ernte, Dresch- und Reinigungsmaschinen, sowie Ackergerätschaften und Wagen. Werdau, 5. Nov. Blutige Schlägerei. In einem hiesi gen Vergnügungslokal kam es in der Nacht zum 1. Novem ber zu einer großen Schlägerei, bei der auch Has Messer eine Rolle spielte. Drei Personen mußten schwerverletzt in das Krankenhaus eingeliefcrt werden. Eine hat das Auge ver loren. Glauchau, 5. Nov. Siegfried Wagner gibt hier ein Konzert. Auf seiner Konzertreise berührt Siegfried Wag ner Glauchau und wird am 21. November hier einwroßes Konzert dirigieren. Zwickau, 5. Nov. Eine liebevolle Mutter. Im benach barten Frankenhausen geriet eine Mutter mit ihrem 21jähr. Sohne in einen Wortwechsel. Dabei kam sie so in Wut, daß sie die auf dem Tische liegenden Messer ergriff und sie dem Sohne in das Gesicht warf. Eins der Messer traf das rechte Auge des Sohnes, so daß dieses sofort auslief und vom Arzt entfernt werden mußt». Zwickau. 5. Nov. Des Bergmanns Tod. Tödlich.ver letzt wurde hier bei der Ausübung seines Berufes der auf dem Brückenbergschacht I beschäftigte Bergarbeiter Pfau durch hereinbrechendes Gestein. Aus dem Gerichtssaal. * Ei» bemerkenswertes Urteil über den Begriff bezw. über das Delikt ,,'ltz i Ü « r st a n d gegen die Staatsge walt" fällte die 5. Strafkammer des Dresdner Landgerichts an läßlich enier größeren Berufungsverhandlung. Zu den Delikten, mit deneir sich die Polizeibehörden und Gerichte am meisten mit zu befassen Haven, gehören, wie die Statistiken lehren, neben den all täglichen Ueberirelungen der Verkehrsordnung usw. insbesondere auch die sogenannten Widerstandshandlungen. In zahlreichen Fäl len gehen die aus irgend einem Grunde sistierten Personen nicht freiwillig mit zur Polizeiwache. Fast immer wird gegen eine der artige Maßregel protestiert, die angeordnete Sistierung als un nötig erachtet, als eine Schikane oder dergleichen empfunden — und in der Meinung, der betreffende Polizeibeamte, begehe eine rechtswidrige Handlung, wird dann Widerstand geleistet. Aus ganz nichtigen Ursachen entstehen hieraus sehr oft komplizierte Strafsachen, ersolgen im Anschluß daran vielfach empfindliche Ver urteilungen. In der Nacht zum 7. Mai wurde in der Prager Straße eine vorüberfahrende Kraftdroschke angehalten und zu einer Fahrt gemietet. Der Chauffeur war der Meinung, es seien fünf Fahrgäste, er schaltete die Taxe ein, weigerte sich aber, die Fahrt auszusuhren, als sich herausstcllte, daß insgesamt sechs Per sonen darin Platz nehmen wollten. Nach der Verkehrsordnung für die Stadt Dresden durfte der Kraftdroschkenfllhrer soviel Perso nen garmcht befördern, er forderte aber die Bezahlung der Grund taxe von 0,75 Mark, worüber dann ein nächtlicher Streit entstand, ob" die erhobene Forderung zu Recht bestand oder nicht. In we nigen Augenblicken hatte sich deshalb eine Menschenmenge ange- sammeü, Polizeibeamte eilten herbei und schließlich kam «» p> Ruhestörung. Unter jenen sech» nächtlichen Fahrgästen befanden sich ein Berficherungsmathematlker Wolter» und ein Polizei- leutnant Schimm, sie wurden beschuldigt, daß sie sich hierbei de, Widerstand» gegen die Staatsgewalt schuldig gemacht haben soll ten, indem sich der eine beispielsweise von einem Polizeibeamten losgerissen, oer andere Beschuldigte mit dem Ellbogen tätlich g,. worden sei. Am SV. Juli hatte sich das Schöffengericht zu Dre»den mit dieser Angelegenheit zu befassen. Soweit gegen beide Ange- klagt« auch da» Delikt der Ruhestörung mit angezogen worden war, erfolgt« ohne weiteres deren Freisprechung, bei dem Durch, einander in jener Nacht hat sich garnicht einwandfrei ermitteln lassen, wer denn eigentlich die wirklichen Ruhestörer gewesen sind. Bezüglich de» Widerstandes gegen die Staatsgewalt erfolgte aber deren Verurteilung zu 80 bzw. 100 Mark Geldstrafe, insoweit war der Schuldbeweis als erbracht angesehen worden. Hiergegen Hai- ten die Angeklagten und aus gegenteiligen Gründen auch di« Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. In der neuen Berhand, lung vor der S. (großen) Strafkammer bestritten die beiden Verur- teilten, im Gegenteil sei der Polizeiwachtmeister Mildner weit über seine Befugnisse hinaus gegangen, er habe unvorschriftsmäßiz gehandelt, es hätte keinerlei Grund vorgelegen, eine Sistierung nach der Polizeiwache vorzunehmen. Das Berufungsgericht trat erneut, wie/n. erster Instanz, in eine umfangreiche Beweiset- Hebung ein, die Verhandlung konnte erst am zweiten Sitzungstage zu Ende geführt werden. Im Verlauf der Zeugenvernehmungen zog der Staatsanwalt seine Berufung zurück, der Verteidiger der Angeklagten und diese selbst forderten am Schluß der Verhandlung ihre restlose Freisprechung. — Das Berufungsgericht kam nach längerer Beratung zu einer anderen rechtlichen Auffassung wie die Vorinstanz, deren Urteil aufgehoben und beide Angeklagte frei gesprochen wurden: die entstandenen Kosten fallen der Staatskasse zur Last. Der Vorsitzende der Strafkammer führte in der Begründung u. a. aus: Das Gericht sei bei der Beurteilung der Schuldfrage von einer mittleren Linie ausgegangen. Objektiv gel ten die Widerstandshandlungen als erwiesen, der eine habe sich losgerissen, der andere mit dem Ellbogen um sich gestoßen. Nicht erwiesen gelte aber, daß der Polizeibeamte von den Angeklagten an die Wand geschleudert worden ist. Den beiden Angeschuldigtcn siehe aber folgender Strafausschließungsgrund zur Seite: Es han telte sich um eine ganz belanglose private Angelegenheit» um Er- stattung eines kleinen Geldbetrages. Die Zahlungspflichtigen wa- ren bekannt, sie besaßen entsprechende Ausweise und hatten sich auch genügend ausgewiesen. Die Zuführung nach der Wache war ganz unnötig. Die Polizeibcamten mußten sich überlegen, ob eine Sistierung nach der Wache notwendig war oder nicht, es sei hier ein direkt ordnungswidriges und ungerechtfertigtes Vorgehen ge wesen. Die Dienstvorschrift sei mißbräuchlich in Anwendung ge bracht worden, ein schwerer Eingriff in die bürgerliche und Person- liehe Freiheit liege vor. Eine Sistierung, ganz gleich, wer davon betroffen wird, habe imme'r etwas blamables an sich und deshalb solle von einer derartigen Maßregel auch nur in wirklich dringen den Fällen Gebrauch gemacht werden. Wenn auf der einen Seite objektiv Widerstandshandlungcn als erwiesen zu gelten haben, so sei aber ku subjektiver Richtung eine strafbare Handlung nach 8 113 des R.-St.-G.-B. nicht zu erblicken. Man könne es niemand verdenken, sich gegen eine Sistierung, wie sie im vorliegenden Falle angeordnet und auch durchgeführt worden sei, zu wenden, noch dazu, wenn man bekannt ist und sich auch sonst genügend ausweisen kann und wo es sich überdies noch um eine belanglose zivilrechtliche Angelegenheit handelte. Neues aus aller Wett. — Stürmischer Luftverkehr. Trotz des in ganz Mittel europa herrschenden schweren Sturmes hielt der Aerolloyd gestern Mittwoch den Luftverkehr auf seinen Strecken auf recht. Dem Piloten Rother gelang es, mit einer Flugzeit von 2 Stunden 40 Min. von Amsterdam stach Berlin eine neue Höchstgeschwindigkeit auszustellen. Das zweite auf. dieser Strecke eingesetzte Flugzeug des Aerolloyd unter Führung des Piloten Kommet! erreichte die ebenfalls sehr günstige Zeit von 3 Stunden, während im Flugplane eine Flugdauer von 4 Stunden 45 Min. festgesetzt ist mrd die Eisenbahn 12 Stunden für die 600 Kilometer lange^Strecke braucht . Ebenso schnell flog der Pilot Gutschmidt vom Aerolloyd von Berlin nach Danzig. Für diese Strecke ist Die BeotsuPP- d«r Fra« Assessor. Humoreske von C. H. H o e r m a n n - Charlottenburg. „Bitte, Dolphi, laß uns doch lieber zwei Zimmer mit Küchenbenutzung nehmen: Erstens koche ich gern, und zwei tens . . „Ja, kannst Du denn überhaupt kochen, Schätzt? Hast Du Talent dazu? Hast Du es gelernt?" unterbrach der Assessor seine, ihm seit gestern angetrante junge Frau. „Gelernt? Talent? Seit wann gehört zum Kochen Talent? Das Kochen ist eine der Frau angeborene Gabe und liegt gleichsam in der Naiur der Sache", antwortete sic ihm herablassend und drehte ihm den Rücken zu. Die Ge legenheit wabrnehmend, drückte er ihr erst einen Kuß aus den entzückenden Haaransatz, dann sagte er: „Also ich bin überzeugt, Du kannst kochen. Aber ich will nicht, daß Du kochst. Du sollst Dich für mich nur schmücken und schön sein, darum essen wir im Restaurant." Und dabei blieb cs. 'Aber Frau Annis praktischer Sinn und wirtschaftlicher Tatei'drw'" ' cbc' 'ericn iedesmal. wenn ihr Mann die Rechnung bezahlte. „Das hätte man doch zu Hause alles viel billiger haben können. Und vor ollem könnte man die Reste verwenden. Was sollte zum Beispiel aus den vielen trockenen Brötchen werden, die bereits in ihrer Brotdose lagen. Wenn das ihr Mann müßte. Als sic diesem eines Abends wieder ihr Leid über die trockenen Brötchen klagte, sagte er: „Weißt Du, meine Mutter machte aus trockenen Semmeln für uns Jungens immer eine Brot suppe, die vorzüglich schmeckte." — „Broi'uvpe" jubel'e Frau Anni, „morgen ebend bekommst Du Brotsuppe. Schatz." Glücklich, daß ein Ausweg für die alten Brötchen ge funden war, machte der Herr Assessor es sich bequem, nahm seine Zeitung zur Hand und fing an zu lesen: Die gestrigen Szenen in der französischen Kammer . . . „Dolphi, weißt Du was? Wir gehen gleich einen Tops kaufen", unterbrach ihn seine junge Frau. Sofort legte er seine Zeitung zusammen, wechselte den Rock und stieg, von seinem Einsall nicht mehr so ganz begeistert, mit jciiier Frau die vier Treppen hinunter. Im dritten Geschäft fand sie bereit» das Richtige; stolz klemmte sie ihrem Mann die neue Errungenschaft nebst einem Spirituskocher unter den rech- ten Arm und hing sich sreudestrahtend an seine linke Seite. Zu Hause angekommen, steckte er sich eine neue Ziaarre an und setzte die unterbrochene Lektüre fort: Die gestrigen Szenen in der fran „Gag mal, Liebling, was machte denn Deine Mutter noch alle» in die Brotsuppe?" „Ich glaube, Eier, Milch und Butter", antwortete er nachdenklich und fing noch einmal an: Die gestrigen Sze nen — „Dolphi!" „Was denn?" „Glaubst Du, daß alle zweiundzmonzig Brötchen in den Topf gehen?" „Aber ja, die werden doch weich und fallen zusammen," und seine Zeitung zusammcnlegcnd, fragte er: „Also was willst Dv nun noch wissen?" „Ich? Nichts Schatz! Bon mir aus kannst Du ruhig weiter lesen. Ich störe Dick doch nicht!" Aber er hütete sich. Das Wort „Szenen" tanzte bereits wie ein rotes Tuch vor seinen Augen. Als der Assessor am anderen Morgen um acht Uhr das Haus neriassen balte, setzte Frau Anni den Topf mit Milch auf die S"'r tnsflamme nick lech-, r-'elmclr baute die zwei undzwanzig Brötchen darin aust daß sie pyramidenartig über den Rand ragten. Um zwei Uhr rührte sie ein Pfund Mehl an die Suppe und bat ihren Mann telephonisch, alleine zu Tisch zu gehen. Gegen vier quirlte sie fünf Eier an ihr Gericht und warf eine Hand voll Sultaninen hinein: Dolphi aß so gerne SultanGen. „Schon fertig", jubelte sic ihm entgegen, als er um sechs Uhr nach Hause kam. Etwas mißtrou'stb betrachtete er erst die zähe, arane Masic mli den dunklen Punkten, dann rief er ans: „Sieh doch Schatz, mie k'ng Du bist! Speck! Natü"ck, «-n-st stl'rcin.'" „S''"ck? W eso ch-e^? ^os sind dach Sultaninen'" , S'ilwni. en? Wieso Snllan'.i en?" entgegnete er ganz entgeistert. „Nun ja, ist» ist' dock gern Sultaninen, und da wollte ich D ck ickcncsckcn." „Na! — ran an d e SnUzni-en!" lackte er, indem er den Lösjel in die Schüssel si c), der sich mül'sam aus den Grund bohrte. Ais er s"stu i st ecke' geleert hotte, beschlich ihn e n Ccsübl, als seien in seine " I'' crn sämtlicke Weich teile zusammengeklcistert. Fre u A ini las die Enttäuschung in se'nen Mienen u-ck kämpfte mit den Tränen: aber er tröstete sie mit dem H.nmcis: „Siebst Du. Schatz, hättest Du nun wirklich Svcck sciwmmcn, könntest Du aus dem übrig gebliebenen Teig — Verzeihung der übriggeblicbenen Suppe — gcbeckcne Spcckklöße machen." Aber für Frau Annis Kochkunst gab es keine Hinder nisse. Als ibr Monn sich am anderen Abend zu Tisch setzte, fragte er --m>z '-'-'ausend Anni, gibt cs heute etwa ocbeckene Suitanlnenllößc?" „Sulmnincn? Aiclt eine ist mehr drin. Ich habe sie alle fein säuberlich mit der Pinzette wieder herau»gefischt. Das ist nyn xvirklich Speck, Schatz!" versicherte sie ihm zärt lich. Er aß, mit Todesverachtung und dem Vorsatz, künftig mit den alten Brötchen lieber Fensterscheiben einzuwerfen, gebackene Lehmklöße, wie er innerlich feststellte. Frau Anni frohlockte über ihre Kochkunst, segnete den Appetit ihres Mannes und freute sich, daß ihr Vorrat noch nicht zu Ende war. Sie wollte ihm schon beweisen, um wieviel billiger und besser man zu Hause lebte. Und als der Assessor am dritten Abend ahnungslos sein Heim betrat, überreichte sic ihm ans einer runden Schüssel ihre dritte Ueberraschung. Im Begriff, sich die zart lila schimmernde Kugel näher zu betrachten, siel sie herunter und rollte unter das Sosa. Als er mir einem Regenschirm be waffnet gleichfalls unter das Möbel kroch, um ihrer wieder habhaft zu werden, hörte er seine Frau: „Aber Dolphi, was o-achsr st u denn da?" — „Ich suche Deine Ueberraschung! Sag mal, Anni was stellt denn das Ding eigentlich vor?" „Meinen Sgmmelpndding" schrie sie auf und ließ da bei die Sauciere fallen, so daß ihr Inhalt trübselig zu sei ner ursprünglichen Bestimmung ebenfalls unter dos Sofa floß. „Aster Anni, das hättest Du mir doch gleich sagen sollen. Weine doch nicht. Ich hab ihn ja schon!" Damit rutschte er dem Pudding in die Ofenecke nach, wo er ihn auch glücklich zu fassen bekam. „Nun können wir ihn nicht mehr essen. All die schönen Zuiatcn! Die Sultaninen sind auch wieder drin", schluchzte sie aus. „Ja, schade um Deine Kunst," stimmte er ihr betrübt bei; dann packte er schnell entschlossen das gebatikte Unge tüm in ein Zeitungspapier und warf es in den Müllkasten. Als er wieder ins Zimmer trat, schluchzte Frau Anni aus: „Aber Du mußt mir doch zuqeben, Dolphi, daß man zu Hause bedeutend billiger lebt. Ich habe zu den zweiund- zwanzig Brötchen nur nock cm Pfund Mehl, fünf Eier, drei viertel Psund Speck, ein halbes Pfund Butler, ein Viertel Sultaninen und drei Liter Milch gebraucht und daraus drei Gerichte gemacht. Dafür hätten wir im Restaurant mindc stens zehn Mart ausgegeben." Der Assassor rechnete insgeheim noch sechs Liter Spin- «us und den Schadenersatz, den die Wirtin für die ruinierte Tischplatte in Höhe von elf Mark achtzig verlangte, dazu. Aber dos verschwieg er wohlweislich seiner kleinen Frau, ebenso die vielen Mittel, die er zu sich nahm, um die beiden Mahlzeiten, die ihm wie Bleikugeln im Magen laaen aus zu vertreiben.
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