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uer (^agedla Donnerstag» 2. Oktober 1913. Nr. 229. 8- Jahrgang Diese Nummer umfaßt 8 Seiten. Jur äas Erbrecht äes Reichs *0? Unlängst wurde die Meldung verbreitet, daß, nach dem der bet der Ängsten FinmPreform Wiede« Vos' gelegt« Gesetzentwurf über eine Beschränkung de» Ver wandtenerbrechts abermals nicht verabschiedet worden war, ans absehbare Zeit Mit einer Weiteren Verfolgung des Gedankens nicht gerechnet Werden könne. Wir wissen nicht, ob diese Meldung, soweit die verbündeten, Re gierungen in Frag« kommen, begründet ist. Was oder die Mchrheit de« Reichstag» Wie auch die weitere poli tische Oeffentlichkeit beirisst, so besteht hier keineswegs die Absicht, di« Verwirklichung aä oalsuäu» grasens zu ver tagen. Der Gesetzentwurf ist bekanntlich von der Büd- getkommission in erster Lesung angenommen worden; in der zweiten Lesung hat man nur noch den gründ- Das Wichtigste vom Tage. Der Pilot Gablatnik stellte hei der Berliner Herbst flugwoche einen neuen Höhen Weltrekord auf. Gr erreichte mit drei Passagieren 2830 Me ter Höhe. * Die Hamburg.Amerika.Linie hat den Nord atlantischen Passage.Pool, der Nord, deutsche Lloyd den Frachten-Pool gekün det. Zn München hielt Prinzregent Ludwig bei der Jahresversammlung den deutschen Museums eine Rede über den Ausbau der deutschen Wasserstraßen. fügung. Der Steuerzahler spart dann im ersten Jahve an Zinsen «/i Millionen, im folgenden IV, Millionen »ich so fort mit steigenden Betrügen. Auch den Stand der Reich-sinan-en mutz es wohltätig beeinflussen, wenn jährlich für SO Millionen Reichsan. Der deutsche Flieger, Oberleutnant Stef. fen, der auf französischem Boden gelan. det war, ist auf Grund einer Verfügung de» fran zösischen Ministerpräsidenten fretgelasfen wor den.*) * In einem Dorfe bei Nantes ermordete ein Dienst- knech t nach einem Streit sntt seinem Herrn diesen und seine Familie, insgesamt sieben Personen.*) legenden Paragraph 1 angenommen, die Wetter« Be- ratung aber abgebrochen, Weil einmal durch die Be schlüsse erster Lesung der finanzielle Effekt für die Deckung nicht mehr stark in» Gewicht fiel, sodann aber, Weil sich «ine Mehrheit für die Erhöhung gewisser Sätze im bestehenden ReichSerbschaftSsteuergesetz gefun- den hatte und dadurch ausreichende Deckung geschasst war. Da» Protokoll der Kommission ergibt, daß darüber unter der Mehrheit Einigkeit bestand, daß der Gedanke nicht aufgegeben Werden, vielmehr nur Sei der künftigen Weiterberatung der fiskalische Gesichtspunkt hinter dem juristischen zurücktreten soll. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß do» finanzielle Ergebnis füp Pen Staat Wo. das Reich gleicht gültig sei. Im Gegenteil, nachdem nun durch ander weitige Steuergesetze der Plan, den Ertrag eine» staat lichen Erbrecht» für die Deckung fortdauernder Ausgaben zu verwenden, fallen gelassen ist, nachdem auch für di« Erhöhung de» Kriegsschatze« anderweit gesorgt ist, tritt der ursprünglich«, von dem Vater des Gesetzentwurf», dem Justizrat Bamberger, von Anfang an verfolgt« Verwendungszweck der Schuldentil, gung erneut in den Vordergrund. In' der naüesten Nummer der Deutschen JuristeiPettung äußert sich Bam berger darüber wlgendermatzen r Was di« Verwendung der Einnahmen angeht, So Mutz man der Kommission zustimmen, wenn sie die AeNderung du» Erbrechts von den Gefetzesvorfchvlgen trennt«, di« zur Deckung der Wehrvorlage dienen soll ten. Man darf die um ihrer selbst Willen not- wendig« Reform de» Erbrecht» nicht mit yimmtz- maßregeln Hn ein« Reih« stellen, die vierfach ohne in ner« Begründung nur den Zweck haben, augeMich- lichev Gellnot abzuhelfen. volttwirtschaMch wär« e» für Reich und 'Staat, ebenso wie für «inen Privat- Urann. befehlt gewest», ganze Vermögen, di« im Wege des Erbgang» Heimfallen, zur Deckung von laufenden Ausgaben aufzuvrauchen. Der Natur der Sache nach sollten diese Einnahmen vielmehr zur Erhöhung de» Stammvermügen» des Reiche» dienen, ccks-, wie bisher befürwortet Wurde, zur Verstärkung des Schatze» und zur Tilgung der Schuld. Da inzwischen durch da» Reichsgesetz, bete. Mendevungen im Finanz wesen vom S. Juli 1908 für di« Erhöhung de« Kriegs schatze» Sorg« getragen ist, so würde e» sich ausschließ lich um die Schuldentilgung handeln. Wenn die Einnahmen au» dem öffentlichen Erbrecht fest zu Die nördlichen Staaten der Republik Me xiko haben erklärt, von Mexiko abfallen und einen republikanischen Sondervund bilden zu Wollen. «) »Uh««« fleh, aa audmr LUll«. Der Kredit des Reiches, der tief gesunken ist, Wie die Entwertung ^r Staatspapier« und da» ErgebWS der WAionen zeigt, muß sich dann allmühlich Wstdn Auch von andever Seit« wird erneut da« Gesttz gefordert. Schon im Vorjahr«, haben namhafte gu- ^sten und Vobstwirtschaftler einen Aufruf zugunsten eben wird der Aufruf erneuert. Wir erwarten von etner AeNderung der testament-losen Erbfolge zugunsten der Gesamtheit an Stelle der entfernteren Verwandten, so wird am Schluß de» Austust gesagt, eine Entlastung der unteren Klaffen der Bevölkerung, eine gerechtere Verteilung der materiellen Glücksgüter für den Todesfall, Stärkung der vaterlän. dischen Gesinnung und eine beträchtlich«, stetig sortschr«1t«nde Besserung der Reich». stnanzen. - Da sich unter den Unterzeichnern auch viel« Reichstagsabgeordnete befinden, so ist nicht änzu- mchMen, daß der Reichstag gewillt ist, den gesunden Ge- danken abermals unverwstklicht zu lassen. Die Boäenreform auf äem Marsch. (von VNstrem Berliner cS Mitarbeiter.) Der unermüdliche, viel angegrffsen«, aber auch erfolg, reiche Führer der deutschen Bodenreform« kann «nieder mit Befriedigung auf eine «ohlgelungene HaMtversamntlung -uvückblicken. Die Tagung de, Bundes in Straßburg hatte hier freilich auch schon von vornherein günstigen Boden, weil di« Gedanken der Bodenreformer in die kommunale Praxis der «Wischen Hauptstadt schon längst wett etngedmn. gen sind. Gin« Stadt, die mehr al» di« Hälfte der Gemar kung in «igenem Besitze hat, und trotz manchem anfänglichen Widerspruch da» Erbbaurecht auch Lei hochwertigem Gelände etngSführt hat, bietet für ein« Bodenreformertagung wohl «inen besonders wirkungsvollen Hintergrund. Di» Boden reformer ihrerseits brachten freilich auch alle, mit, was/hu einem guten Tagungseindruck gehört. Vor allem konnte der Geschäftsbericht ein Mitgliederwachstum von 24 000 Etw -elmttgliedern Und 108 neu angeschlossenen Korporationen vermelden. Das ist ein« stattliche Leistung, di« manchen in Erstaunen setzte, der die Wodenreformbäoung bet ihrem raschen Wachstum in den letzten Jahren nun endlich an der Grenze angekommen wähnte. Auch da» Fiasko der Reich», wertzuwachssteuer gab vielfach der Vermutung Roum, daß di« Bodenreformersache künftighin größerem Mist trauen begegnen werde. Daßoie» nicht der Fall ist, daß tm Gegenteil sehr viele au» Mißtrauen erwachsene Bedenken im mer noch weiter zurückgedrängt werden, zeigten die Strotz burger Verhandlungen sehr deutlich. Da» größte Mißtrauen, mit dem die Bodenreformer zu kämpfen hüben, ist wohl das, daß sie Feinde der Hausbesitzer und Störer des gesunden Mnzei-er M »-- «rzs-bl-^ KDWZZ mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsbla«. Diäerot unä äie Frauen. Zu Diderot» Awjiihrigem Geburtstag« am 8. VItoS«, 1918. Bon Eugen Jsolani. (Nachdruck vrrLoi.n) Diderot ist Diderot, ein einzig Individuum; wer an ihm oder seinen Sachen mäkelt, ist ein Philister, und derer sind Legionen. Wissen doch di« Menschen weder von Gott, noch von der Natur, noch von ihres- gleichet dankbar zu empfangen, was unschätzbar ist. So schrieb Goethe an Zelter einst, und es würde müßig sein, den Gedenktag dieses Großen im Reiche der Geister durch eine kritisch, Würdigung seiner Werke begehen M wollen, die innrer nur wieder den Streit um Diderot er. neuern würde, um seinen Atheismus, der doch die Schönheit und Güte einer Gottheit im Walten der Natur erkannte und anerkannte. Nicht von seinen Werken also wallen wir hier reden, die immer noch — Wer hundert Jahre nach seinem Tode — einer Gesamtausgabe harren, und von denen jede» ein Schicksal hatte, sondern vom Menschen Diderot, der nicht minder interessant war und vielen ein Rätsel schien und heute noch in mancherlei Hinsicht scheinen könnt«. Nur schwer wird der Philister — um mit Goethe» Wort zu spre chen — Diderot» Verhältnis zu den Frauen begreifen kön nen: eia Mann, der aus Liebe unter dem größten Wider stande ein Mädchen heiratet, da» ihm geistig unebenbüvtig war, ist doch der zärtlichste Gatte dieser Frau, die ihm ge rat-- uegen ihrer mangelnden geistigen Begabung mancher lei Aerger und Verdruß bereitet, aber doch in einer -inpchl Größe zeigt — indem sie seinen Neigungen für andere Frauen kein Hindernis in den Weg legt. Und so bleibt er der zärtlich besorgte Gatt« und Vater, trotz seiner tiefen Nei gung zu eine, anderen, die ihm geistig ungleich näher steht, al» sein« Gattin. Di« ganze Epoche, im der Diderot lebte, war reich an Pseudoehen und Wahlverwandtschaften, und dst großen Geister um ihn herum, Rousseau, Grimm, St.ckmn» den geordneten der bürgerlichen Kreist avwichen. Und Di derot» Verhältnis zu seiner -weiten Geliebten, der gest und gemütvollen Sophie Voland, wird gerade Goethe am besten zu würdigen und zu verstehen vermocht Haben, ver gleicht doch mit Recht Karl Rosenkranz dieses Verhältnis mit dem, da» Goethe zu Frau von Stein hatte: Es war eine Liebe, welche seine innerste Seele durchdrang und idealistisch beflügelte, sodaß er gleichsam, obschon längst ein Vierziger, noch eine neu«, höhere Jugend erlebte. Denis Diderot erblickte am 8. Oktober 1718 zu Langres in der Champagne al» Sohn eines wohlhabenden Messer schmiede» da» Licht der Wett. Da die Familie sehr religiös war (eine Schwester ward Nonne, «in Bruder Kanonikus), sollte auch Diderot sich in Pari» den Geologischen Studien widmen, di« er aber, ebenso wie später die juristischen, denen «r sich zugewandt, vernachlWgte, sodaß er schließlich die Unterstützung de» Vaters verlor. Dabei zogen ihn schon frühzeitig die Frauen an, aber es muß heüoorgehoben wer den, daß er dabei nie in Liederlichkeit versank uill sich eins gewiss« Reinheit und Liebe filr Ordentlichkeit bewahrte. Tharakteristtsch z. B. ist der folgend« Vorfall. Gr «ar in ein- Operntänzerin verliebt, Wer diese Liebe schwant» augenblicklich, al» er sah, wie die Tänzerin die Flecken ihre» Strumpfe» mit Kreide bestrich. Mit achtundzwanztg Jahren machte Diderot di« Bekanntschaft «ine» Fräulein Annette Thampion, der Tochter einer Witwe, die mit ihm im gleichen Hause wohnte. Die Mutter und Tochter führten gemeinsam in ihrer kleinen Wohnung einen Handel mit Weißzeug und Spitzen. Die Mutter hatte einst bessere Lage gesehen; fie war von Geburt adlig und hatte einen reichen Fabrikanten gehetratet, der sich aber durch sein« Spekulativ, nen zugrunde gerichtet hatte. Jetzt lebte ste mit ihrer Toch. ter in größter Zurückgezogenheit, die e» ihnen gKattet hatte, sich sogar einige tausend Franken -u ersparen. Diderot wußte sich bei diesen Leiden unter einem geschäftlichen vor- wand« Eingang zu verschaffen und machte schließlich Annett« Thampion «inen Antrag. Dio Mutter war gegen die Hei« rat mit einem Manne, der nicht« tue, und dessen ganze» Berdtenst, wie ste sich äußerte, in einer goldenen Zunge be steh«, mit der er das Gehirn ihrer Tochter verrücke, aber st« selbst hatte Diderot auch viel zu gern, als daß fie der Toch ter lange Widerstand entgegensetzen konnte, di« schon meh rere Anträgr von Kaufleuten abgelehnt hatte und entschie. den erklärte, Diderot angehören zu wollen. Diderot reiste nach Langres, um sich di« Papiere zum Heiraten zu holen, der Vater war außer sich über das Heiratsprojekt des Loh. ne», der noch niemals etwas selbst erworben hatte, und ver weigerte entschieden seine Einwilligung. Diderot kam nach Patts zurück; Annette Champion erklärte, nie in eine Fa milie «tntreten zu wollen, in der man ste mit scheelen Blicken ansehen würde. Da wurde Diderot ernstlich krank, Mutter und Tochter Champion pflegten ihn in aufopfernder Weist, und kaum genesen, ließ 'sich Diderot heimlich um Mitternachr in der Kirche St..Pierr« mit Annette trauen. Die Ehe war von vier Kindern gesegnet, von denen drei aber ganz früh, zeitig staiben. nur das vierte, eine Tochter Angelika, wuchs heran. Di« Sorge um den Unterhalt der Familie nötigt« Di. derot zu, literarischen Tätigkeit, und wenn auch somit An- nett« Champion nicht geistig den Gatten befruchtete, so war ste es doch, der wir den Schriftsteller Diderot eigent. lich danken Und da» ist keineswegs nur deshalb der Fall, weil di« Not Diderot zur Arbeit zwang, sondern auch, «eil Annette Champion» solide Mrgertugend den jungsn L^ mann doch einige Zett wohl an di« behagliche Häuslichkeit zu fesseln vermocht«. Mit Übersetzungen aus dem Eng. ltschen begann er sein« Laufbahn, von denen besonders Shckf» teSbu.v» Versuch über Verdienst und Tugend, den er in voll kommen selbständiger, freier Weise Wett rüg, seine spätere Bedeutung verriet. Solideste Anständigkeit »ar derGvund» nm von Frau Diderot» Wesen; nicht der geringste Schatten darf auf fie fallen. Und Diderot selbst wußte da» mMerken- nen. Er litt e» nicht, daß seine Frau und Schwiegermutter