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JerSälMHeLrMer BrtcHofsweröaer Einzige Tageszeitung im Amtsgerichtsbezirk Bischofswerda und den angrenzenden Gebieten Die« Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amt-Haupt- Mannschaft, der Schulinspcktion und des Hauptzollamts zu Bautzen, des Amtsgerichts, des Finanzamtes und des Stadtrats zu Bischofswerda. Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadt und Land. DichtesteVerbreitung in allen Volksschichten Beilagen: Sonntags-Unterhaltungsblatt und Landwirtschaftliche Beilage Geschäftsstelle Bischofswerda, Altmarkt 15. — Druck und Verlag der Buchdruckerei Friedrich May in Bischofswerda.— Fernsprecher Nr. 22 Erschetuuugsweise: Jeden Werktag abends sür den folgend. Tag. Bezugeprei»: Bei Abholung tn der Geschäftsstelle monatlich Mk. 72.50, bet Zustellung ins Haus monatlich Mk. 75. durch die Post bezogen monatlich Mk. 125. - mit Zustellungsgebühr. Alle Postanstalten, Postboten, sowie Zeitungsausträger und die Geschäftsstelle des Blattes nehmen jederzeit Bestellungen entgegen. 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Die Reichsbank hat mit der Bank von England und einer Gruppe britischer Privatbanken eine Art Rückversicherungsvertraq abgeschlos sen, durch welchen die Reichsbank in di« Lag« gesetzt wird, ihre bisherigen Bedenken gegen die Unterzeichnung der Bel gien zu gebenden Reichsschatzwechsel fallen zu lassen. Noch am Montag albend hat die Reichsregierung durch ihren Gesandten in Brüste! eine entsprechende Mitteilung an die belgische Re gierung machen lassen. Vie am 15. August und am 15. Sept, fällig gewesenen Wechsel in Höhe von je 15 Millionen Gold mark werden unverzüglich der belgischen Regicnina zur Der fiigung gestellt. Daraufhin wird Belgien die Reparations- kommffston formell von dem erzielten deutsch-belgischen Ein vernehmen in Kenntnis setzen. Die Gefahr, daß die Repara tionskommiffion, die zwischen den beiden direkt beteiligten Staaten getroffene Lösung nicht anerkennen könnt«, ist aller dings nach den Äußerungen der Pariser Presse immer noch nicht behoben. Es würde ab«r zweifellos bei allen vernünf tigen und ruhigen Leuten vollem Unverständnis begegnen, wenn di« Reparationskommission auf Betreiben Frankreichs noch belgischer sein wollte als Belgien. Das zwischen der Reichsbänk und den Londoner Banken getroffene Überein kommen wird als em „Geschäftsgeheimnis" privater Unter nehmungen hingestellt, von dem angeblich selbst die Regie rungen der beiden Länder nicht unterrichtet sein wollen. Diese Auffassung erscheint aber einigermaßen sonderbar. Die Reichsbank ist allerdings Eigentümerin der deutschen Goldreserve; der Umstand indessen, daß ein großer Teil des Reichsbankgoldes wÄ»rend des Krieges auf die Mahnung der ReMsregierung hin vom deutschen Publikum eingeliefert worden ist, läßt di« Reichsbank in Bezug auf ihre Goldbe stinch« als eine Art Treuhänderin des deutschen Dolkes er scheinen, garnicht zu sprechen davon, daß der Goldbestand der Reichebank die einzig verfügbare Reserve für den Aufbau einer neuen Währung sein würd«. Der v»n Havenstein in London geschlossene Vertrag dürfte die erstrebte Prolongierung der Schatzwechsel bis zu 18 Monaten zum Gegenstand haben. Die Reichsregierung will der Roichsdcmk monatlich für 15 Millionen Goldmark Devisen zur Verfügung stellen und damit laufend die Einlösung der fälligen Wechsel ermöglichen. In 18 Monaten werden auf diese Weise der Reichsbank die 270 Millionen Goldmark zu- fließen, für die wir Belgien bis zum Ende dieses Jahres in Stücken zu je 50 bezw. 60 Millionen Goldmark Wechsel zu geben haben. Durch das getroffen« Abkommen erhält Belgien das, vas es erstrebt: Bargeld. Die Reichsschatzwechsel werden Nämlich durch die Gegenzeichnung der Reichsbank diskontier- ar. Eine laufend« Devisenabgabe von 15 Millionen Gold mark im Monat wäre zweifellos erträglich, wenn dies für die Reichsbank die einzige Verpflichtung dieser Art bliebe. Dies ist indessen nicht der Fall. Noch steht die Frage offen, wie sich die Alliierten zu der Herabsetzung der deutschen Ausgleichs zahlungen von 40 auf 10 Millionen Goldmark monatlich stel len werden. In Paris setzen die nationalistischen Kreise ihre Hoffnung darauf, daß sich aus der Frage der Ausgleichszah lungen ein Strick für Deutschland werde drehen lassen. Die Reichsregierung hat der am 1. August in einer gemeinsamen Note der Alliierten nied«rgelegten Forderung auf volle Zah lung der am 15. September fälligen Ausgleichsrate in Höhe von 40 Millionen Goldmark nicht entsprechen können, sondern nur die in der deutschen Note vom 14. Juli in Aussicht gestell ten 10 Million Goldmark gezahlt. Nun gehört allerdings die Frag« -er Ausgleichszahlungen nicht unter die Machtbe fugnisse der Reparationskommission. Vielmehr ist für die Zu kunft vorgesehen, daß sich Deutschland mit den einzelnen inter essierten Mächten über die Ausgleichszahlungen zu Verstands gen habe. Ist es den Alliierten wirklich um eine schiedliche Beilegung der Streitfrage zu tun, so wird sich ein praktischer Weg finden lassen. Glaubt aber eine einzeln interessierte Macht, z. B. Frankreich, die Ausgleichszahlungen politisch verwerten zu können, so werden für uns ernste Verlegenhei ten entstehen. Unter allen Umständen aber ist die Verständi gung zwischen Deutschland und Belgien ein Fortschritt-, sie be- deutet, daß die Reichsregierung in den nächsten Monaten auf dem Gokdmarkt nicht m«hr in dem gleichen Umfange wie früher als Deoisenkäuferin auszutreten braucht, und daß eine weitere Entwertung der Mark wenigstens aus diesem Grunde vorläufig nicht mehr zu befürchten ist. Ein« dauernd« Festi gung de« Wertes unserer Mark wird aber natürlich erst dann Erzielt, wenn di« uns auferlegten Lasten endgültig auf «in erträgliches Maß herabgemindert sind, und wenn wir im In dern den Weg zu einer planmäßigen Organisation der Mehr leistung eingeschlagen haben. vr. Troll. Uebergabe der Schatzwechsel an Belgien. Berlin, 21. Sptember. <W. T. B.) Vie deutsch-belgischen Verhandlungen über die Garantiefrage sind, wie wir erfah ren. abgeschlossen Die Schahwechsel werden am Montag übergeben werden, und zwar zunächst die Wechsel über die Raten, die am IS. August und am IS. September 1922 fällig waren und nun am 15. Februar 192Z fällig werden, abzüg sich der Summen, die au» sonstigen deutschen Leistungen aus Var-Annuikäten qutzuschreiben sind. Die wechsel werden die Garantie der Reichsbank trägem Havensteins Bericht vor den Parteiführern. Berlin. 21. September. Am Donnerstag vormittag weilten die Parteiführer in der Reichskanzlei. Reichsbank präsident von Havenstein hat über das Ergebnis seiner Lon doner Reise Bericht erstattet. Er hat nochmals mitgeteilt, daß die Verlängerung der Schatzwechsel aus 18 Mo nate erreicht worden wäre und daß die Bank von England dies in einer gewissen Form erreicht hätte. Im übrigen nahm der Reichsbankpräsident für sich das Bankgeheim nis in Anspruch und äußerte sich nicht weiter über die Ein zelheiten der Abmachungen. Wi« das „Berliner Tageblatt" erfährt, waren bei dem Empfang beim Reichskanzler von den Demokraten die Ab geordneten Petersen,, Erkelenz und Koch, von der Deutschen Volkspartei Stresemann und Kemple, vom Zentrum Abg Marx, von den Unabhängigen Breitscheid, von den Deutsch nationalen Helfferich, Hergt und Graf Westarp anwesend. Da die Führer der Mehrheitssozialisten nicht in Berlin wei len, war die Mehrheitssozialdemokratie nicht vertreten. Des Kanzlers letzte und einzige Hoffnung. Berlin. 24. September. (Äxahtb.) Der Reichskanzler Wirth hat dem Berliner Korrespondenten der „Westminster- Gazette" ein Interview gewährt. Er führte u. a. aus: Die letzte und einzige Hoffnung sei Amerika, das jetzt zu begrei fen scheine, daß ohne seine Hilfe die Wiederherstellung Euro pas unmöglich sei. Amerikas Hilfe müsse aber bald kommen, wenn es nicht zu spät sein soll. „Wir.haben alles getan, um den dauerhaften Frieden zu ermöglichen, trotzdem sind wir in Gefahr, oon außen durch Machtmittel und von innen durch Elend und Hunger vernichtet zu werden." Auf die Frag«, ob er die Verhandlungen über ein Moratorium als gescheitert betracht«, erwiderte der Kanzler, Versprechen könnten nur gehalten werden, solange man die erforderlichen Kräfte habe. „Wir können nicht mehr als das Äußerste tun.' Englands Isolierung im Orient. Die Pariser Konferenz der alliierten Staatsmänner über die Lag« im Orient hat zu einer Vereinbarung geführt, wo nach die ganze Frage so bald als möglich aus einer Konferenz geregelt werden soll, für die abermals Venedig ins Auge ge faßt wird. Man kann also sagen, Venedig ist erledigt, es lebe Venedig! Denn der erst« Plan einer in Venedig zu veran staltenden Konferenz zur Beilegung des griechisch-türkischen Konfliktes ist durch das rücksichtslose Draufgängertum der Türken einfach von selbst ins Wasser gefallen, und wenn man nun in Venedig wieder zufammentreten will, so selbstver ständlich unter ganz anderen Voraussetzungen als das erste Mal. Zur Beurteilung des Ergebnisses der Konferenz zwi schen Poincarz, Curzon (Churchill war nicht mit nach Paris gefahren) und Sforza sind wir vorläufig nur aus Berichte aus rein französischer Quelle angewiesen. Das amtlich aus gegebene Kommunique ist zu inhaltslos, um daraus Schlüsse zu ziehen und nur der Havas-Bericht über den Verlauf der Konferenz gibt ein Bild über die Abwicklung der Besprechun gen. Danach ist die Rolle, die der englische Vertreter gespielt hak, nicht besonders erhebend. Freilich war er von vornher ein in einer hoffnungslosen Minderheit. Seiner Meinung nach war die Zurückziehung der französisch-italienischen Kon tingente eine direkte Vertragsverletzung, ein Vorwurf, den Pcincarö selbstherrlich beiseite schob mit dem Eimvand, dis französische öffentliche Meinung würde einen französisch-türki schen Zusammenstoß nicht gestatten, also seien diele Verträge für den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Di« Türk'n hat t«n sich bisher außerordentlich gemäßigt gezeigt, «ine unnö tige starrsinnige Haltung — damit war, wenn auch nicht ausgesprochen, Lloyd George gemeint, der von diesem Ver gleich mit den Türken wenig entzückt sein wird — würde in der Welt des Islmn schwere Rückwirkungen haben. Wie der Haoosbericht weiter sagt, habe Sforza sür Italien den gleichen Standpunkt vertreten, worauf man sich „ohne Schwierigkeiten" auf die erwähnte Einberufung einer Konfe renz nach Venedig einigte, die die „Friedensbedingungen für den Orient regeln" soll, Also eine glatte Abweisung der englischen Auffassung. Man wird annehmen dürfen, daß das englische Kabi« nett mit diesem Ergebnis nicht zufrieden sein wird. Es.soll, wie gestern gemeldet, am Mittwoch bis gegen Mitternacht ge tagt haben zur Prüfung der Telegramme Curzons und e» verlautet, daß in der Haltung der britischen Regierung be züglich der Integrität der Meerengen und der neiltralen Zone auf beiden Ufern keine Aenderung «ingetreten sei. Daß der Vorschlag einer in Venedig abzuhaltenden Kon ferenz keine Lösung dieser Schwierigkeiten darstellt, wie sie sich zuspitzen, liegt aus der Hand, denn man ist kaum Herr der Ereignisse, die sich bis zum Zusammentritt dieser Konfe renz oder auch nur bis zur Annahme dieses Vorschlages durch die beteiligten Mächte abspielen können. Wie dann, wenn Kemal an seiner Forderung einer baldigen Besetzung Thraziens festhält? Wie dann, wenn, wie nach dem Havas- Bericht anzunehmen ist, dieRussen zu der Venediger Kon ferenz nicht eingeladen werden sollen, aber die Türken auf chrer Hinzuziehung bestehen und selbstverständlich auch die Russen eine Beteiligung fordern sollten? Man sieht, die Konfliktsmöglichkeiten sind keineswegs be seitigt, und der Beschluß der Pariser Drei-Männer-Konfersnz ist lediglich ein Derlegenheitsausweg, über dessen Tragweite man nicht eher etwas sagen kann, als bis man die endgültige Haltung der englischen Regierung dazu kennt. Da die drei Staatsmänner amFreitag nachmittag wieder zu sammentreten werden, wird man sich bis dahin wohl etwas gedulden müssen. Ein Ultimatum -er Türken auf Räumung Thraziens. London, 22. September. (Drahtb.) Der Sonderbericht erstatter des „Daily Expreß" meldet au» Konstantinopel: Die Angoraregierung sei im Begriff, den Alliierten eine Erklä rung zu unterbreiten, in der gefordert wird, daß die Grie- chen Thrazien räumen, da» dann durch türkische Truppen be seht werde. E» werde nm eine Entscheidung binnen 48 Stun den ersucht. Frankreich schickt rheinische Besatzungstruppen nach dem Orient. Nach Meldungen aus Frankfurt a. M. bestätigt es sich, -aß in diesem Jahr« die gesamten farbigen Truppen, die im Rheinland stehen, anstatt, wie in den anderen Jahren in die in Südfrankrcich liegenden Winterquartiere, nach den Dar danellen und nach Konstantinopel entsandt werden. Der Abtransport beginnt bereits in den nächsten Tagen. Außerdem sind an französische, im Rheinland stehende Offizier« Anfragen ergangen, ob sie sich zur Ver wendung in derTürkei zur Verfügung stellen. Eine Anzahl von Offizieren ist bereits nach Frankreich abgereist. Dies läßt auch ans den Abtransport von Truppen aus dem Innern Frankreichs schließen, wi« er von dort gemeldet wi>--. Auch aus der englischen Desatzungszone wird ge meldet, daß beim dortigen englischen Oberkommando aus London Befehle eingetroffen sind, wonach beträchtliche Trup penteile zunächst nach Malta bereitgcstcltt werden sollen, so daß sic innerhalb kürzester Zeit in Boulogne aus englischen Dampfern verladen werden können. Don einem Ersatz der für die Verwendung im Orient in Aussicht genommenen Truppenteile aus England ist nichts bekannt. Nach Meldungen aus London werden die militäri schen Vorbereitungen in England fortgesetzt. Die Brigademanövcr sind abgesagt worden. Die Artilleriebe stände werden ständig verstärkt. Der Abgang einer großen Abteilung van Genietruppen wird heute erwartet, zwei Ba taillone Infanterie und zwei Grenadicrbataillonc halten sich zur Abfahrt bereit. In Gibraltar sind neun Zerstörer der zweiten englischen Flottille aus London angekommen, um nach Konstantinopel weiterzufahren. * Ans dieser Meldung über di« auffallend starken Trup pentransporte nach Konstantinopel sowie über die Zusam menziehung von türkischen Truppen an der Grenze der neu tralen Zone g«ht hervor, daß di« Kriegsgefahr im Orient noch keineswegs beseitigt ist. Man darf nicht in den Irrtum verfallen, daß di« französischen Truppen etwc zum Kampf gegen die T - ?en und zur Verteidigung der neutralen Zone bestimmt >. en. Poinearz hat ausdrücklich erklärt, daß militärische Maßnahmen gegen Kemal Pascha sürFrankreichnichtinFraae kommen. Daß trotz dem die französische Besatzung von Konstantinopel verstärkt wird, ist aus dem Bestreben Poincarös zu erklären, den Engländern im Orient auf keinen Fall eine überragende Stellung zu überlassen. Die Franzosen werden ihrer Stär': entsprechend bei allen Entscheidungen und in der Militär schen Leitung vertreten sein wollen; vielleicht glauben ff« auf