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«Lmtttche Bekanntmachungen. K -Diwä-1 N Abi. 1 de» vafleraes^e« und 8 17 der Ge- M^vemmmna wirb bekanntarmocht, daß der Fabrikbesitzer Wammer bmi/ Einbau einer Francisturbine mit einem HIMtwafterverbrauch von 200 Setl. im Grundstück Flur» 'stück Nr. 1708 de« Flurbuch« für Oberneukirch beabsichtigt. Arn Wehr, Freifluter, Rutzgesfälle, Ober- und Untergraben «erden Veränderungen Hicht vorgenommen. ^Einwendungen hiergegen sind binnen 2 Wochen vom Tage de« Erscheinens dieser Bekanntmachung ab hier anzu- bkWgen. Beteiligte, die sich in dieser Frist nicht melden, ver- lierM das Recht -um Widerspruch gegen die von der Amts- hauptmannschaft als Wasseramt zu treffende Regelung. - Amtrhauptmannschaft vsutzen, 80. August 1922. ' > i - ,- Auf Blatt 470 des Handelsregisters ist heute die offene Handelsgesellschaft in Firma Rudolph L Deuker mit dem Sitz« in Bischofswerda und als deren Gesellschafter die Filial leiterin Mnna Rudolph geb'. Heide in Bischofswerda und . der Blumenfabrikant Arthur Peuker in Sebnitz eingetragen Morden. i Die Gesellschaft hat am 1. August 1922 begonnen. > Amtsgericht Bischofswerda, am 3l. August 1922. EgDRWAW^^^W^^WWWWWW»WWWWWW^WWWWW>W^>WWWW>WWWWWWWIWWW> Der türkische Vormarsch in Kleinasien. * Pari«, 31. August. Englische Blätter melden aus Kon- stchrtdropel, daß die Stadt Eskischehir von der türkischen Ka- , yolleri« nach heftigem Kampfe besetzt wurde. Der Vor- ^rnarfch dauert a». Er erreichte an einer Stelle bereits 70 . Kilometer. Die fliegenden türkischen Kolonnen rücken na- mentlich in Richtung auf Brussa schnell vor. Man fürchtet, daß die Griechen an der Meeresküste in eine lehr bc- 'drängtc Lage geraten. Die Zahl der türkischen Trup- pfy, die an dem Bormarsch teilnehmen, wird auf 40 000 Jn- famevisten und etwa 10 000 Kavalleristen geschätzt. Man hat allgemein den Eindruck, daß die Türken den Angriff begon nen haben, um die bevorstehende Friedenskonferenz zu ihren Gvrtften zu beeinflussen. In London hat der Vormarsch der .Türken lebhafte Beunruhigung hervorgerufen. Es wird je doch versichert, daß die englische Regierung nicht die Absicht ' Hobe, allein in dieser Frage Schritte zu unternehmen. Enver Pascha zum Emir vok Buchara ernannt. Pari», 30. August. „Havas" meldet aus Buchara Ein zelheiten über die Vorgänge in Zentralasien. Danach ryurd« Enver Pascha, der den Oberbefehl über die aufstän dischen Truppen übernommen hatte, im Mai dieses Jahres von den Deputierten zum Emir von Buchara ernannt. Jn- folge seiner Popularität gelang es ihm, den Anschluß der ge samten Bevölkerung an di« nationale Regierung zustande zu bringen. Nach den letzten Wahlen schloß sich ein anderer revolutionärer Führer, der Fürst Schir Mohammed Bei, mir «irrer Armee von 80 000 Mann Enver Pascha an, dessen .Heer nunmehr 150 000 wohl ausgerüstete und bewaffnete Leute umfaßt. Nachdem Sowjetrußland infolge eines Ulti matums Enver Paschas die Unabhängigkeit des neuen Staa tes anerkannt hat, wird nunmehr die Grenze des unabhän gigen Turkestan gebildet durch chinesisch-Turkestan im Osten, ,Afghanistan und Persien im Süden, die russischen Provinzen ' am »Kaspischen Meer im Westen: im Norden verläuft die s<^enze. parallel mit dem Aralsee rind umfaßt u. a. die Städte-Buchara und Samarkand. Steigerung der Personentarife bei der Eisenbahn am 1. Oktober und am 1 Dezember. > E Am'Mittwoch nahm der Neichseisenbahnrat die Mittei lungen des Reichsverkehrsminister über Erhöhung und Neu- oerechnung der -Perlonentarife der Reichsbahn zum 1. Okto ber und zum 1. Dezember 1V22 entgegen. Letzterer bringt ein« Tariferhöhung von 60 Prozent zu den Oktobertarifen. Obwohl di« Einheitssätze d«r 4., 3., 2. und 1. Klasse sich als dann um 72, 108, 180 und 340 L für das Kilometer be laufen werden, mußte zugegeben werden, daß diese Sätze nicht entfernt mit der Geldentwertung Schritt gehalten haben zum Schaden des Güterverkehrs und der Straßen- und Kleinbahnen. Mit der Annahme eines Antrages, der Reichs- Minister möge wohlwollend die Möglichkeit weiterer Erleich terung im Vorortsverkehr wie auch im Berufs- und Bil dungsverkehre prüfen, schloß die Sitzung. * Der ungeheuerliche Sturz der Mark in den letzten Wo chen hat eine Erhöhung der Kohlen preise vom 1 September ab in nicht minder enormem Ausmaße notwen dig gemacht. Die Verkaufspreise ab Werk je Tonne sind wie folgt erhöht werden: Fettförderkohle des rheinisch-westfäli schen Stcinkohlensyndikats um 2593 „ll, niederschlesische Steinkohle durchschnittlich um 2975 sächsische Steinkohle durchschnittlich um 4096 ,tt, mitteldeutsche und ostelbische Rohbraunkohle um 732 mitteldeutsche und ostclbische Braunkohlenbriketts um 2234 .1t, rheinische Braunkohle um rund 400 <tt, rheinische Braunkohlenbriketts um 1449 ,1t. Vanknotenmangcl der Reichsbank. Die Geldknappheit bei der Reichsbank hat sich unter den Nachwehen des zehntägigen Streikes in der Reichsdruckerci, der die Notcnherstellung um weit mehr als 10 Millionen Mark zurückgcbracht hat, mit dein Herannahen des Monats endes infolge der Maßen Ansprüche von Handel und Indu strie bedeutend verschärft. Die Reichsbank war Mittwoch nur in der Lage, 40 <A> der verlangten Auszahlungen in bar zu leisten, und hat den Rest in einem Scheck ausgezahlt. Die ser Zustand der effektiven Geldknappheit dürfte jedoch in den allernächsten Tagen durch die gewaltigen Anstrengungen der Reichsbank und der Reichsdruckerci behoben sein. Neues aus aller Wett. — Sterbende Zeitungen. Wie aus Fulda berichtet wird, teilt das „Fuldaer Tageblatt" mit, daß cs infolge der Pa- picrverteuerung am 1. September sein Erscheinen einstellen muß. Das Blatt war früher Kreisblatt und erschien seit 1868. — Dreivierlel Millionen von einem V-Zugdieb gestoh len. In der Nähe von Halberstadt wurde eine nach Berlin reisende Dame im V-Zug ihrer gesamten Schmucksachcn, Brillanten und Perlen, im Werte von dreiviertel Millionen Mark, beraubt. Als die Bestohlene, eine Frau Hansi Jaffe aus Berlin, den Verlust bemerkte, zog sie sofort die Not bremse, worauf der Zug hielt. Während die aufgeregten Reisenden noch nach der Ursache des plötzlichen Haltens forschten, sprang der Dieb aus dem Zuge und entkam in dem allgemeinen Tumult. — Der Elefant und die Handtasche. Ein Intermezzo er eignete sich dieser Tage im Zoologischen Garten zu Haalc a. S. Eine Dame legte ihre Handtasche auf das Gitter des Elefanten-Käfigs. Im nächsten Augenblick nahm auch be reits der Elefant mit seinem Rüssel die Tasche und ver schlang sie samt dem Inhalt. Die Dame wußte nicht, wie ihr geschah: eine Wiedererlangung der Tasche wird wohl aussichtslos sein. — Furchtbarer Tod eines Greises. Aus Ammcndorf wird gemeldet: Der 84jährige Kriegsveteran Louis Scnne- wald ivarf nach dem Anzündcn der Pfeife das brennende Streichholz weg, das die Sachen des auf der einen Seite gelähmten Mannes in Brand setzte. Im Nu erfaßten die Flammen Bort- und Kopfhaar. Auf dem Wege zum Kran- kenhausc starb der Schwerverletzte. Aus tzsachjen. Die Auflösung des Landtag» im Rechtsausschutz beschlossen. D«r Rechtsausschuß beriet am Donnerstag über Las Volksbegehren und über den sozialdemokratischen Antrag auf ÄndeFufta der Verfassunqsbestimmungen über die Land- tagsaufldpmff mit dem Ziel einer befristeten Auflösung. Der sozialdemokratische Antrag auf Verfassungsänderung wurde abgelehnt und zwar mit den Stimmen der Bürger lichen und der Kommunisten gegen die Stimmen der beiden Regierungsparteien. Mit der gleichen Mehrheit wurde der bürgerliche Antrag auf sofortige Landtagsauflösung im Sinne des Volksbegehrens angenommen. Der Landtag wird nunmehr 4gns^4. September, nicht, wie anfangs vorgesehen, am 6. September, endgültig über seine Auflösung beschließen. Diese Beschlüsse waren schon nach dem Verlauf der letz ten Landtagssitzung zu erwarten. In der Haltung der Par teien hat sich gegenüber der letzten Sitzung nur insofern etwas geändert, als die Demokraten mit den anderen Bür gerlichen gegen den sozialdemokratischen Antrag auf Ver fassungsänderung stimmten, während sie in der letzten Land tagssitzung noch die Zustimmung zu diesem Antrag unter ge wissen Vyraüpsetzungen in Aussicht gestellt hatten. Da aber die Absicht, die die Regierungsparteien mit diesem Antrag verfolgen, den Voraussetzungen direkt zuwiderlief, die die Demokraten für ihre Zustimmung gestellt hatten, haben diese ihre bisherige Absicht aufgegcben und cs auch unterlassen, einen beabsichtigten Abändcrnngsantrag zu dem Antrag der Sozialdemokraten überhaupt einzubringen. Von seiten der Regierungsparteien wurde nichts unversucht gelassen, um noch in letzter Minute ihren Antrag schmackhaft zu machen So wurde von ihnen auch mit dem Hinweis auf die Gefahr operiert, daß in der landtagslosen Zeit zwischen Auflösung und Neuwahlen die Verhältnisse leicht so verworren und schwer werden könnten, daß die Regierung demissioniere Auch dieser Hinweis blieb ohne die von den Regierungspar teien gewünschte Wirkung. Im übrigen kam es wieder zu dcn üblichen Auseinandersetzungen zwischen den Regierungs parteien und den Kommunisten, wobei man sich wieder sehr häufig außerhalb aller parlamentarischen Formen bewegte. Unabhängige und Kommunisten warfen sich gegenseitig .Eseleien" vor, worauf der Vorsitzende sarkastisch äußerte, daß er hierbei nichts tun könne, weil er nicht wisse, ob die Herren sich so stehen, daß sie sich so etwas übet nehmen. Ueberwachung der sächsischen Schlachtviehmärkte. Die sächsische Landespreisprüfungsstelle beschäftigt sich seit längerer Zeit mit den Verhältnissen auf den Schlacht- vichmärkten. Die fortdauernd steigenden Diehpreise haben den maßgebenden Regicrungskreisen wiederholt zu eingehen den Beratungen mit den Angehörigen des Viehhandels, des Fleischgewerbes und der Verbraucherorganisationen Veran lassung gegeben, ohne daß bisher ein Erfolg hinsichtlich der Schlachtviehpreise erzielt werden konnte. In verschiedenen sächsischen Städten, z. B. in Chemnitz und Zwickau, ist mau jetzt auf Veranlassung der dortigen Preisprüfungsstellen da zu übergegangen, die Schlachtviehmärkte regelrecht zu über wachen, um auf Grund der von den Viehhändlern vorzu legenden Unterlagen die Schlachtviehpreise zu kontrollieren. Die Landespreisprüfungsstelle Chemnitz hat nun beim sächsi schen Wirtschaftsministerium angeregt, eine derartige Über wachung der Schlachtviehmärkte für ganz Sachsen einzu führen. Dresden, 1. September. Wettere Erhöhung des Stra ßenbahnkarifs. Von kommendem Montag ab wird auf den städtischen Straßenbahnlinien dek bisher 5 Mark betragend" Fahrpreis auf 8 Mark erhöht. Dabei ist schon bekannt, daß für den nächsten Monat mit einer weiteren Erhöhung, wahr scheinlich aus 10 Mark, gerechnet wird. Meffani Drehs-. ,H! H.MA Roman von Alexandra v. Bosse. .!?'(5. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Da cs aus Hellem Sandstein erbaut war, stand cs leuch tend gegen dcn dunklen Hochwald, der dahinter die sanfte Lehne des Berges sich hinanzog und mit zum Park gehörte. Wer unten vorbsifuhr, tonnte nicht umhin, den Blick zu dem freundlichen und dabei durch die ruhige Linie seiner Fassade tsrpßzügiq wirkenden Bau emporschweifcn zu lassen. Still körch friedlich, einsam erscheinend, lag es in das Grün seiner fVmgebung eingebettet: weit und breit war kein anderes Haus zu sehen. Die landwirtschaftlichen Gebäude lagen un ten im Tal und die Stallungen hinter Bäumen verborgen. '«'Wie zur Strafe dafür, daß sie die Überraschung nicht freudiger ausgenommen, hatte Rüdiger Stesfani nicht er laubt, früher das Haus zu besichtigen, als bis sic darin ein ziehen würden. Sic mar sehr aufgeregt, als an einem schö nen Junitag ihr Wagen langsam die gewundene Straße hinauffuhr, die von Kastanien beschattet wurde. Dann ging es an der uralten Steineiche, die sich am Parkeingang erhob, vorbei aus knirschendem Kiesiheg in dcn Park hinein, und plötzlich tauchte das Helle Haus mit dem Turm und der hohen,-gewölbten Bogenhalle des Haupteingangs vor ihren Blicken au f. Blühende Rhododenbronbüsche und dahinter die golde- :nen^ Kaskaden hoher Toldregensträucher flankierten die ' breite-Freitreppe, di« zum Haüpteingnng hinaufführte. Zu beiden-Seiten, von Stufe zu Stufe aufsteigend, schmückten sie runbgeschnittene Orangen-, und Myrtenbäumchen. Auf dem kur-geschnittenen Rasen nmd vor dem Hause, um das herum die « Auffahrt sich wand, erhob sich eine mächtige Rotbuche imd-davor, in winklig angelegtem großem, buchsbaumum grenztem Beet, blühten vielfarbige Rosen in seltener Fülle. - Ms Steffani vor der Freitreppe aus dem Wagen stieg, dachte sie unwillkürlich an die düsteren Mauern des Drehsa schen Stammschlosses 5. cdenscheldt. Don steifen Pappeln -umstanden, hatte der mächtige Bau den Eindruck eines Ge Muanisses aufsie gemacht, als sie an einem frostigen Herbsttag DWMe von langer Reife, bei granverhaugenem Himmel, zum IWenmal es gesehen hatte und darin ringewgcn war. Da- Schloß Dohneck wie ein Märchenzauber, so weiblich und fast unwirklich schön erschien es ihr. Der Frühling war spät gekommen, noch stand alles in Blüte, sowohl die dichten.Fljpderbüsck« am Wege als auch me hinter dem Hause. Don Rodcnau aus waren sie auf der Landstraße unter dem Schnee blühen der Kirschbäume hingefahren, und Steffanis Herz war ganz erfüllt von all dem Duft, von all dem süßen Frühlinqszauber, durch dcn hindurch Rüdiger sie heute in ihr neues Heim ein führte. Kein Wort sagte sie, aber, ihre Augen strahlten. Nachdem Rüdiger sie durch das ganze Haus geleitet, in dessen Räume durch -sie geöffneten Fenster die linde, düfte volle Lcnzluft einströmte, betraten sie zuletzt durch den wei ten Gartensaal einen von Pfeifenkraut und Clematis um wucherten Vorbau. Er lag zu ebener Erde, da das Haus nach rückwärts deni ansteigenden Terrain angepaßt war, und davor breitete der Park sich aus, mit weiten Wiesen flächen, die alte, breitästigc Bäume umstanden. Steffani sah ihre Kinder über zden grünen, blumigen Rasen der Wieke flattern, taumeln, gleich duftberauschten Schmetterlingen, hörte ihr jubelnden Stimmchen: da wendete sic sich rasch Rü diger zu, streckte ihm die Hände entgegen und stammelte aus übervollem Herzen: „Ich danke dir — ich danke dir, Rüdiger! Es ist ein Paradies!" Er ergriff rasch ihre Hände, zog sic an sich und küßte sie auf den frischen, blühenden Mund, auf dem die Worte des Dankes noch bebten. . - Es mar ein Augenblick des Glücks und des Verstehens, wie er bisher selten noch zwischen ihnen sich eingestellt. Sic waren danach beide wie befangen: so überraschte sie die un gewohnte gegenseitige Zärtlichkeit. Er nahm ihren Arm, und schweigend, klopfenden Herzens gingen sie nebeneinan der über die sauberen Kieswege und über den weichen Rasen in den Park. Hier kamen die Kinder ihnen jauchzend ent gegen. Als sei es verabredet, sauste Peterchen aui die Mama zu, die ihn in ihren:Armen auffing, während Binchen mit norgestrcckten Härchen und vor Wonne jubelnd auf dcn Va ter zutanmelte, der sic hoch in die Luft hob und im Kreise wirbeln ließ. Es war ein Tag voll Sonne, voll Duft und Glück. Nach zwei Wochen des herrlichen Wetters waren trübe Regentage gekommen, die Dahn war angcschwottcn und rauschte wild sprudelnd zu Tal, ihr Wasser erschien so rar, als habx sie das Blut, das einst die Ritter von Dohneck hier vergossen, aus dem Erdboden wieder hcrausacwaschcn. Dann wurde cs wieder schön, ünd nun kam erst wirklich der Sommer. Fli^er und Goldregen waren verblüht, die Eichen und Buchen im Park senkten schwerbelaudt ihre Zweige, Heu duftete auf dcn Wiesen. Auf dem Rascnrund vor der Einfahrt blühten die Rosen schöner noch. als. zuvor, und sie blühten mich um den Kiesplatz vor dem Vorbau, wo Rüdiger selbst sie pflegte. Nie vergoß er, morgens die schönste, frischerblühte Rose stillschweigend neben Steffanis Teller zu legen. Mit leisem Dank nahm sie jedesmal die Gabe entgegen, die ihr wie ein an jedem Morgen wieder stumm dargebrachtes Liebesge ständnis erschien. Heute mar Rüdiger schon zeitig in die Stadt gefahren: er wollte erst'gegen Abend zurückkommcn. Es war ein drük kend schwüler Tag. Am Nachmittag, vor dem Tee, ging Steffani in den Garten, wo die Kinder im Schatten einer Baumgruppe im Sand spielten . Als Steffani einmal zu ihrer Ntutter äußerte: sic wisse gar nicht, von wem Binchen den starrsinnigen Eigenwillen geerbt hgbey könne, war ihr lachend erwidert worden: „Aber von dir doch natürlich, Steffi! Du warst als kleines Kind genau so unbändig, und der Vater mußte oft genug sehr hart und streng mit dir verfahren, bis es ihm gelang, deinen Eigensinn zu brechen." Daran konnte Steffani sich nicht mehr erinnern: sie meinte, der Vater habe seinerzeit zu gründlich ihren Willen gebrochen, weshalb sie noch heute eine ihrer Natur eigentlich fremde Furchtsamkeit und Unsicherheit ergriff, sobald sic einmal ihrem Willen Geltung zu schaffen wünschte. Binchen tollte, trotz der Hitze, mit ihrem geduldigen Spielkameraden, dem gelben Schäferhund, umher und lachte dabei so herzlich über seine Sprünge, wie nur Kinder lachen können. Während Steffani das lebhafte Kind beobachtete, fragte sie sich, ob cs wohl gelingen würde, Binchen auch ohne Ge waltmittel, die ihr dcn Willen brachen, zu einem vernünfti gen Menschenkind zu erziehen. So unbändig das Mädchen sich auch benahm, es war doch ein lebendiges kleines Ge schöpf voll Liebe. Seinen Vater liebte das Kind geradezu feurig, und Steffani dachte: Es soll ihn nicht so fürchten lernen, wie ich meinen Vater als Kind fürchtete, weil meine Schwäche so hilflos seiner Stärke unterlag, und wett man mich gelehrt, vor ihm zu zittern. Peterchen kam zu ihr gelauscu, kletterte aus die Lehne der Bank und begann hinter ihr halsbrecherische Turnübun gen. Sie hatte ihm vor einiger Zeit auf Rüdigers Wunsch das Haar kurz schneiden lassen, er sah nicht me^- so niedlich aus, aber jungenhafter und trug nun auch 'Höschen. Das Haar erschien dunkler seit cs kurz war. und er glich seitdem seinem Vater noch mehr, wett die Kopfform stärker erkennbar wurde. Nun kletterte er über die Lehne, setzte sich neben die Mutter und nestelte sich an sie an. - (Fortsetzung folgt,)