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Bekanntmachungen. MrachsteDKrüppelberatungsstunde , «Freitag, den ^rs. AvOuft 1922, vormittag» IS bl» Vs12 Mr. Innere Lauenstraße 4, 1. Geschäftshaus der Barchener Nachrichten, ' Die Wohlfahrtsämter der Stadt und Amt»hauplmannfchast Bautzen. AM Städtische Bekanntmachungen. !W>V-M ontag, den 21. August kommt wiederum ein Teil Des bestellten Holzes auf dem Güterbahnhof (Hustes Nieder lage) in der Zeit von vormittags 8—12 Uhr und nachmittags tvottjfl—4 Uhr zur Verteilung und zwar die Nummern 67 bis ^7/auberdem die Nummern 4, 49 und 66. dschornsteinfegerkehrlähne. Mit Wirkung von, 1. S. 1922 chn^dürfen von dem hiesigen Schornsteinfegermeister inner- hylb^des hiesigen Stadtbezirks für das Reinigen eines Schornsteines folgende Kehrlöhne erhoben werden: bei.Feuerungen zum gewöhnlichen Hauswirtschaftsbetrieb csl.'Zfür einen russischen Schornstein in Höhe eines Geschosses 2.10 ^für jedes weitere Geschäft 1.40 mehr; A 2. für einen bestechbaren Schornstein in Höhe eines Geschosses 2:80 „tt - ^Hfür jedes weitere Geschäft 1.40 -A mehr.. ^?W^Der Bodenraum gilt stets als Geschäft. Kellerränine "LA-.-, gelten Mlr dann als Geschah, wenn sie mit einer Fenernngsanlage versehen sind. tülibei Feuerungen für gröftere Wirtschaft?- und Eewcrbe- .^betriebe: .'Al.'für einen russischen Schornstein ohne ' - g!-'sicht auf die Zahl der Geschosse ' 7.— -st :2. j für einen besteigbaren Schornstein'ohne Rück- sicht auf die Zahl der Geschosse 8,40 Ul c)^sür einen Dainpfschornstein bis zu 20 Nieter Höhe 7^35.— Ul; für jede weiteren 10 Meter (Teilbeträge werden -- voll gerechnet) 14.— Ul. vergeblichem Aufsuchen.einer Arbeitsstelle trotz vor heriger Anmeldung hat der.Schornsteinfegermeistcr das Recht, für diesen besonderen Gang 3.— Ul Gebühren zu er heben. Für Kein arbeiten, die in' der Nachtzeit oder an Sonn- und Feiertagen ausoeführt werden, sind die dopnelten Ge bührensätze zu entrichte». Als. Nachtzeit gilt die Zeit von 6 Uhr- abends bis 6 Uhr morgens. Für das Ausbrennen eines Schornsteines sind ferner 56— -<l zu bezahlen. Das erfor derliche Brennmaterial ist vo.m Hauseigentümer zu liefern. Bischofswerda, am 19. August 1922. Der Rat der Stadl. rade offenstehendes Pförtchen im Innern des Gotteshauses. Zwei Handwerker, die mit Reparaturarbcitcn beschäftigt waren, suchten den Dieb festzunehmen. Dieser verteidigte sich mit einer graften Zange gegen seine Angreifer. Endlich ge lang es, den sich wie rasend Gebärdenden zu überwältigen und der Polizei zuzuführen. Er suchte dort den wilden Mann zu spielen und behauptete, von all den Vorgängen nichts zu wissen. In dem Dieb wurde der Monteur Max Mhert Rau ans Leipzig festgestsllt, der sich jetzt wegen dkeser.Angelegenheit vor drm Schöffengericht zu verantwor ten hatte. Auch hier spielle er mit viel Geschick den Gedächt- 'nisschwochen, der sich an nichts erinnern konnte. Es lag aber ein.Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. Schütz vor, der Ron als glänzenden Simulanten bezeichnete. Wei terhin wurde dem Angeklagten ein zweiter Fahrrnddiebstahl nachgewiese^'. den er in der Universität begangen hatte. Rau wurde zu einem Jahr Gefängnis und zwei Jahren Ehr verlust verurteil!. ^Leipzig, 19. August. Der Schwindler mit den gcsälsch len VosttrcdilbUefen, >chcr dessen Treiben wir berichteten, als er in Berlin innerhalb einer Stunde eine ganze Anzahl Post ämter um 70 000 -st geschädigt hatte, hat auch hier eine er- TirsLer Pasfionsspiel. :'L ' Von Roda Noda. ch---h Innabwärts von Kufstein springt noch eine Landzunge Tiroler Bodens ins Bayrische hinein, und hier gebettet zwi schen Wildem Kaiser und Kranzhorn, liegt Erl; die nördlich ste Gemeinde Tirols, ein winziger Flecken mit 670 Einwoh ¬ nern; das Passionsdorf. ?Erl ist zum erstenmal um 760 urkundlich bezeugt, von da an Iaht sich die Geschichte des Ortes ahne Unterbrechung im'aröbsten verfolgen. iDr. Anton Dürrer, Oberbidliothekar der Innsbrucker Universität, hat die Daten alle gesammelt.) Zwischen 1600 und 1850 ist Erl Ansiedlung von Schiffern und Schmieden. Seit Erbauung der Eisenbahnen verkümmern die'.Gewerbe, Erl sinkt in seine alte Armut zurück. ''^Bäuerliche, und bürgerliche Passionsspiele gab es in l Tirol schxn in den letzten Jahrzehnten des Mittelalters. Ge wöhnlich führten die Schulmeister, hie und da Pfarrer, die Regie, Viele Textbücher haben sich bis heute erhalten. ^e'ÄNl Wandel der Zeiten nimmt sich die Geistlichkeit bald der Spiele an — wie besonders die Jesuiten es taten — bald ' verpönt sie die derben Komödien. Die Städter verlieren denn fauch alle Lust daran; die Bauern halten zäh fest an der Vä (tersitte.s Marra Theresia verbietet den „unanständigen Irr- twahn",^immer wieder — das Zeitalter der Aufklärung hat sdamals auch die Aufführung von Oberammergau unter- ! drückt. > In das weltferne Gebirgsdorf dringt das Verbot der Regierung, der Bischöfe nicht. Es verschwindet nur der „Pe- terl'st (Hanswurst) von der Bühne; der Teufel bleibt. Er 'tritt^auch-heute noch für einen Augenblick aus den Erler 'Kulissen, ch, 1" jsÄ^Man spielt noch Passionen: in Bayern zu Oberammer- tzaui(seit 1634) und Waal; in Tirol zu Tiersee. Brirlegg; Hbrlitz in Böhmen; Eibestal und St. Radegund in Lstcr- reich, Selzach in der Schweiz. Erl hat „seinen Passion" (so 'nennen die Bauern ihr Spiel) nachweislich seit 1572 — das älteste Passionsdorf überhaupt. Die Leute hängen init Leib Nni^Seele an dem Brauch; sie leb«, ihre Rollen: kein Scher messer kommt je iiber ihr Haupt; und sic zählen auch die ZMjtnachlPassionen wie die Griechen nach Olympiaden. l^W^Der^Passwn" von Erl will mit Oberammergau nicht «vtzMchen sein; das Erler Spiel ist primitiver, ursprünglicher, .. .. _ .L-AL.. ... folgreiche Gastrolle gegeben. Er ist am 29. Juli im Auto in rasender Schnelligkeit bei IS Postämtern vorgefahren, hat überall denselben gefälschten Kreditbrief über 3000 vorge- zcigt und darauf anstandslos die Summe überall erhoben, so daß er in Leipzig 57 000 -st erbeutet hat. Erst einige Tag« später ist man hier auf das Betrugsmanöver gekom men. Bisher steht noch nicht einwandfrei fest, ob es sich um einen oder mehrere Schwindler handelt. Auch in Breslau sind die gleichen Betrügereien verübt worden. Die Oberpost direktion in Berlin hat auf die Ergreifung der Schwindler und die Wiederbeschaffung des in Berlin erbeuteten Geldes eine Belohnung von 5000 ^st ausgesetzt. Leipzig. 19. August. In einer Sandgrube verschüttet wurden in Lindenau zwei Kinder. Trotz schnell hinzukom mender Hilfe konnte nur ein Kind gerettet werden. Ein 11- jähriger Junge wurde unter den Sandmassen erstickt ausge- fundcn. Lhemnih, 19. August. Von einem Betrunkenen au» dem Zug gestoßen wurde eine Frau, die auf der Plattform des nach Annaberg abfahrenden Personcnzuges stand. Sie blieb bewußtlos zwischen den Gleisen liegen. Limbach, 19. August. Bedenklicher Leichtsinn. Ein fünfjähriges Mädchen schwenkt auf der Straße lustig einen — Tausendmarkschein. Auf die Frage, wo es mit dem Geld hinwill, sagt die Kleine: „Zum Fleischer, Gehacktes holen!" Wenn sich nun ein „Gerissener" fand, der dem Kinde den Schein aus der Hand nahm und ihm dafür einen Zwanzig markschein oder dergleichen gab, weil „der Schein falsch sei", hätte sicher das Kind nichts dagegen machen können, und die Mutter wäre das Geld los gewesen. Werdau, 19. August. Zur Vorsicht auch bei kleinsten Wunden mahnt der folgende Fall: In einem Nachbarorte hatte sich vor einiger Zeit ein junger Mensch einen Nagel in den Fuß getreten. Anscheinend hat er der kleinen Verletzung, nicht die erforderliche Beachtung geschenkt, denn nach etwa vierzehn Tagen ist der junge Mann im Krankenhaus an hin zugckommenem Starrkrampf gestorben. Neues aus aller Welt. — Die Hermannfchlacht verfilmt! Aber nicht in Anleh nung an das bekannte Kleistdrama, sondern Dr. L. Koenig, der bewährte Regisseur des Düsseldorfer Schauspielhauses, hat für die Klio-Film-Gesellschaft, Berlin, ein frei erfundenes Filmdrama geschrieben, das die altgermanische Geschichte, das Leben der Germanen und Römer, ihre Einwirkung und Kulturkämpfe zum Gegenstand hat. Dr. L. Koenig als Ver fasser des Manuskriptes wird selbst die Spielleitung dieses e;sten geschichtlichen Großfilms der Klio-Film-Gesellschaft übernehmen und schon in den nächsten Tagen mit erstklassi ger Besetzung an den geschichtlichen Orten des Teutoburger Waldes mit den Aufnahmen beginnen, die besonders durch reiche Naturwirkungcn ihr ursprüngliches Gepräge erhalten. Neben den großen entscheidenden Kämpfen, der Massenbe wegung und deren Auswirkungen werden auch Schlaglichter auf das Menschentum der großen geschichtlichen Persönlich keiten fallen, um die geistigen Träger eines der bedeutendsten Kulturkämpfe zu charakterisieren. — Ende der Geldwirtschast in Ungarn, dafür Weizen valuta. In den Großstädten des Tieflandes gehen die Ge werbe der Reihe nach auf die Weizenvaluta über. Die Schuster sind nur mehr geneigt, für Mehl zu arbeiten, des gleichen die Küfer, ebenso die Schneider. In der Stadt Bs- kescsaba haben die Herrenschneider die Preise folgenderma ßen angesetzt: Ein einfacher Sakkoanzug 75 bis 100, ein Jackett oder ein Salonanzug 150 Kilogramm Weizen; die Damenschneider: ein einfaches Kostüm 75 bis 100. ein Man tel 75 bis 100, ein Straßenkleid 50 Kilogramm Weizen. — Das Heiratsgesnch für die Nebenbuhlerin. Aus Mainz schreibt man: In einem nahen Städtchen hatte vor fünf Jahren ein lustiges, munteres und nicht häßliches Mädchen einen braven, aber etwas lockeren Burschen gehei ratet. Vor fünf Jahren! Und jedes Jahr stellte sich mit militärischer Pünktlichkeit der Klnpperstorch ein. Das Ehe- Ei» mächtiges Gebäu vo» Holz, nicht viel anders in Grundriß und Profil, nur größer als ein richtiger Jnntaler Heustadel, ist das Theater. Ein paar Marktbuden rundum, die Heiligenbildchen, Rosenkränze, Ansichtskarten, ländliche Erfrischungen fcilhalten. Zehn Uhr vormittags — Bergwclt im Sonnenschein. Drei Böller knallen — und die Zuschauer, meist Landvolk, strömen in den Stadel. (Gestern allerdings gab es auch ge lehrte Gäste: das Literaturseminar des Münchener Univcrsi- tätsprofessors Dr. Artur Kutscher.) Eine bäuerliche Blechmusik leitet die Feier mit getrage ner Weise ein. Komponist: der alte Dorfmeßner. Dann teilt sich der Vorhang — ein Chor von „Schutzgeistern" singt, im Halbrund angereiht. Singt auf einer mit dörflichem Un geschmack „überdekorierten" Bühne; sie stellt barocke Hallen dar, die flankiert sind von maurisch-ägyptischen Balkonen auf ionischen Säulen. — Verwandlung und lebendes Bild: Adam und Eva. Sowie aber die „Schutzgeister" abmarschiert sind, sowie Jesus erscheint, ist es, als bräche ein Strahl aus den Wolken. Dieser Jesus überragt als Mann und Künstler seine Apostel um volle Haupteslänge. Eine große Büftergestalt, der Zimmermeister Kaspar Pfisterer. Schon 1912 gab er seine Rolle. (Auch hiev in Erl spielt man nur aller zehn Jahre.) Er spricht eintönig, das tirolische ch, ein Rachcnlaut, verblüfft uns Fremde: „Wahrlachch, wahrlachch — wenn iachch dichch nichcht gesegnet hätte . . . ." Schon nach den ersten Sätzen aber sieht man nur mehr die Dürcrschen Um risse der Figur, ruhig-prächtige Gebärden, die durchqlüht sind von inniger Hingabe, dem stillen Feuer echten Glau bens. Wie er, gefangen, stumm und groß seine Leiden trägt, zuletzt das Martcrholz: das greift ans Herz. Die Kreuzi gung: auch ohne ihren Gemütsinhalt gesehen, herrlich als Bild. Der Judas von Erl, ein greiser Landmann, mit Namen Georg Rainer, ist Jesu stärkster Gegenspieler. Er hat die Rolle seit dreißig Jahren in Händen, hat sie von Vater und Großvater geerbt. Soll in, Leben ein reich begüterter Mann sein, geriebener Pferdehändler: und es ist, als komme wirk liche Habsucht des Bergbauern, seine Härte und Pfiffigkeit der Wiedergabe zu Hilfe. Ein naturalistischer, fast sympathi scher Judas, köstlich-ecyt — am köstlichsten, wo ihm «in End chen alter Volkskomik aus dem Apostelgewand guckt. Die Maria von Erl ist Kaspar Pfisterers, des Iesusdar- s'ellers leibliche Tochier Mario. Vielleicht erhielt sic den Taufnamen schon, weil man sie in der Wiege vorbestimmt glück erfuhr aber trotz der vier Sprößlinge und der fünfjölhri« gen Dauer plötzlich eine Trübung, denn eine leichtlebig« Nachbarin, die bisher noch ohne Mann war. bendelte mit dein Ehemann an. Die junge Frau kam bald dahinter, und Weiberlist versuchte den Zusammenbruch des Eheglück» zu verhindern. Eines Tages konnte der Ehegatte im Lokalblatt« chen folgende auffallende Anzeige lesen: „Ich bin fünf Jahre mit meinem Manne Heinrich St. (folgt voller Nam«) verhei ratet, lebe in glücklicher Ehe und lasse mir von Elisabeth K. (folgt wieder Name) nicht mein Glück nehinen. Da sie an- dauerend meinen Mann belästigt, ihn zwingen will, sich von mir scheiden zu lassen, bitte ich einen heiratslustigen Herrn, sich zu melden, anstelle meines Mannes, damit sie endlich un ter di« Haube kommt. Frau St. und vier Kinder." Man hat leider nicht erfahren, ob dieses Heiratsgesuch von Erfolg gewesen ist. Eins ist sicher: Elisabeth K. lieft davon ab, den Ehemann weiter zu belästigen. — Röntgenbehandlung eine» Vogels. Als die „erste Krebsbehandlung bei einem Vogel" wird von Neuyorker Blättern das Heilverfahren geschildert, das der Neuyorker Arzt Dr. John Ranken mit seinem Hahn vorgenommen hat Petty — so ist der Name des Vogels — ist ein berühmtes Tier und wurde bei einer Preisausstellung von Zwerghäh nen kürzlich nur um ein weniges von dem Hahn des Lord Dewar „Prince Smaragd" geschlagen. Während der Aus stellung schlug sich Petty nun mit einem Flügel an der Wand und es entwickelte sich daraufhin ein Gewächs, das der Be sitzer als Krebs diagnostisierte. Er schickte deshalb seiner Vogel zur Behandlung nach dem Institut für Krebsforschung, und hier wurde mit dem kostbaren Tier eine Kur vorgenom men, die in Röntgenbestrahlung bestand. Das Gewäch? wurde dadurch auch wirklich beseitigt, und Petty ist wieder, hergestellt. — Die größten Goldklumpen. Ein Klumpen reinen Gal des, der nicht weniger als 5 Pfund wog, wurde kürzlich ir Kalifornien von zwei älteren Männern gefunden, die fas ihr ganzes Leben als Bergarbeiter gearbeitet hatten. Dir Summe, die sie für dieses kostbare Stück Metall erhielten, be trug 375 Pfund Sterling. Der Goldgehalt des Klumpen? repräsentiert auch keinen größeren Wert. Jedoch hat ein Liebhaber für den Klumpen wegen seiner ungewöhnlicher Größe 1000 Pfund Sterling geboten. Dieser Fund ist aber keineswegs der größte Goldklumpen der West, sondern es is nur das größte Stück Gold, das in Amerika gefunden wurde. In Südafrika hat man Klumpen ausgegraben, die 10 Pfund und mehr wogen. Den Rekord hält Australien. Auf den be rühmten Ballarat-Goldfeldern wurde vor einigen Jahren en Klumpen aufgefunden, der fast 20 Pfund schwer war. E? war ein Stück gelben Metalls, das man leicht in beiden Hän den halten konnte und dessen Wert auf 1500 Pfund Stettin; berechnet wurde. — Aberglaube und Lebensrettung. Ein deutscher Afrika- Reisender erzählt folgendes kleine Erlebnis: Eines Tages ritt ich allein auf einem Reitkamel in di« Wüste (südlich von Marokko) hinaus. Nach einem längeren Ritt, der mich völlig aus dem Bereich menschlicher Wohnungen bracht«, gewahrte ich in der Ferne eine Staubwolke, di« Eer und naher kam. Als ich schließlich heranstürmende Beduinen erkannte, war an eine Flucht nicht mehr zu denken. Au« der Ferne schon eröffneten die Wllstenräuber ein lebhaftes Gewehrfeuer. Eine der Bleikugeln fuhr vor mir in den Sand, eine andere schlug sich am Halsbandgurt meines Kameles breit. Ich stieg ab, da ein Entrinnen nicht mehr möglich war, und hol' die beiden Kugeln auf. Als das die Beduinen sahen, stellten sie das Gewehrfeuer ein, wendeten ihre Reittiere und jagten davon. Bei vielen Wüstenvölkern herrscht nämlich der Aber glaube, daß es Menschen gibt, die gegen Schuft gefeit sind und Gewehrkugeln auffangen können. Sicher haben die Wüstenräuber mich für einen solchen Menschen gehalten, do ich unverletzt blieb und ihre Flintenkugeln aufhob. Vor sol chen Übermenschen hegen sie begreiflicherweise große Furcht. So hatte der Aberglaube der Beduinen mir das Leben gc rettet. Nach diesem aufregenden Erlebnis zog ich es jedoch vor, kehrt zu machen, um nicht ein zweites Mal in die Ge- sah, einst die Rolle ihrer Mutter zu übernehmen. Maria Pfisterer, ein junges Mädchen, gibt die Rolle Heuer zum erstenmal. Der uralte Text des „Passions" ist vor fünfzig Jahren von dem Erler Pfarrherrn Franz Angerer umgedich tet worden, und der Pfarrherr hat die Frauenrollen schlecht bedacht. Wie Vater Pfisterer selbst, überragt auch Maria körperlich und künstlerisch ihre Komparsen, im Gestus dem Vater beinah ebenbürtig. Ich müßte noch so manches Gesicht der Truppe malen, wollt ich dem fernen Leser eine Vorstellung geben des Erler Schauspiels: den Kaiphas, den Nikodemus — die Häscher Gerade in den Szenen der Häscher hat sich ein Rest von Ur wuchs und Drastik erhalten, der die tirolischen Spiele eben so anziehend macht. Erl, ich betonte cs schon, will mit Oberammergau nicht verglichen sein, will die Großart von Oberammergau nicht nachahmen, geschweige denn erreichen. Es ist auch nur Zu fall, daß die beiden Feste diesmal Zusammentreffen. Erl ist bescheiden. Sein Publikum sind Wallfahrer aus der Umgebung. Theatergebäud« und Fundus sind Eigen tum einer „Aktiengesellschaft" von vierzig Bauern, die ir- gcndeinmal je zehn Gulden einzahlten und dann ihr Kapital um je fünf Gulden erhöhten. Die „Kamedihiten" ist non „Jesus", „Petrus" und anderen Bauern gezünmert. Der Reingewinn des Spiels fließt der Kirche zu. Immer wieder in den Nöten der Jahrhunderte haben sich die Bauern von Erl zum Spiele aufgerafft unter dem Ruf: „Dio Kirche braucht Geld." Diesmal zum Beispiel soll eine neue Glocke nngeschafft werden — der Krieg bat die aite aus dem Ge stühl geholt. Bon den 670 Einwohnern des Dorfes agieren 300: als Engel, als Apostel, Schutzgeister, als Juden und Römer, Chor und Musikanten. Das ganze Dorf ist aufge boten, bis zu den kleinste» Kindern hinab — alle Mann sind Einheimische. Nur der Leiter ein Studierter: Dr. Anton Dürrer. Sein ist das Verdienst, die Darbietung nicht ins Opcrnhoftc verkünstelt, verfälscht, verkitscht zu haben. .. , * Die Aufführung dehnt sich lang, bis in den späten Nach- mittag und Abend — die Erler hasten nicht, sie haben Zeit. Als wir das Theater verlassen, ist die Sonne unterge gangen — Johannisseuer lohen auf, ihrer immer mähr — lautlos ziehen Glühwürmchen — Sterne strahlen, strrchken weiß und weißer — eine Sternschnuppe streicht — da zuckt ein Wetterleuchten — als wollte Gott all leine Feuerkünite spielen lassen zum Beschluß des uiwergeßiichen Toae».