Volltext Seite (XML)
Mlchofsweröa.er tzauptblatt und gelesensteIeitung im Amtsgerichts bezirk Bischofswerda und angrenzenden Gebieten Vies Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupt- rnannschaft, der Schulinspektion und des Hauptzollamts zu Bautzen, des Amtsgerichts, des Finanzamtes und des Stadtrats zu Bischofswerda. Unabhängige Zeitung für alle Stände in Stadt und Land. Dichteste Verbreitung in allenVolksschichten Beilagen Sonntags-Unterhaltungsblatt und Landwirtschaftliche Vellage. Geschäftsstelle Bischofswerda, Altmarkt 15. — Druck und Verlag , der Buchdruckerei Friedrich May in Bischofswerda. — Fernsprecher Nr 22 Erscheinungsweise: Jeden Werktag abends für den tolgend. Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle monatlich EU». 5.—, bet Zustellung ins Haus monatlich Mk. 5.50, durch dir Poft bezogen vierteljährlich Mk. 15.— ohne Zustellungsgebühr. Alle Postanstalten, Postboten, sowie Zeitungsausträger und die Geschäftsstelle des Blattes nehmen jederzeit Bestellungen entgegen Postscheck-Konto: Amt Dresden Ytr. 1»21. Gemeinde* »erbundsgiroknfie Bischofswerda Konto Rr. S4. Im Falle höherer Gewalt — K-neg oder sonstiger irgend welcher Störung des Betriebes der Zeitung oder der Beförderungsetnrich« langen hat der Bezieher keinen Anspruch crm Lieferung oder Nachiieierung der Zeitung vde< au^ Bitchzahiung des Bezugspreises Anzeigenpreis: Die Sgespaltene Grund,eile (Alm. Moss« 1H oder deren Raum 1.40 Mk., örtliche Anzeigen 1.— Mk. Im Text teil (Alm. Masse 14) 4.- Mk., die 3gespaltenr Zeile Bei Wieder holungen Nachlaß nach feststehenden Sätzen. — Amtliche Anzeige» die 3gespaltene Zeile 2.40 Mk. — Für bestimmte Tage oder Platz« wird kriue Gewähr geleistet. — Erfüllungsort Bischofswerda. Nr. 256. Mittwoch, den 2. November LS21. 76. Jahrgang. Deutschland und Zeutsch-Südtirol. Ban Br- Fritz Mittelmann, Mttgl. d. Reichstags. Bozen, im Oktober 1021. Soeben hat der König von Italien das „eroberte" Süd tirol besucht und bei der Gelegenheit den neuen Grenzstein seie,4ich enthüllt, der bei der Station Brenner errichtet wor ben ist. Die deutschen Abgeordneten hielten sich von den feierlichen Empfängen, die an verschiedenen Orten des Lan des stattfanden, fern, und auch die übrige deutsche Bevölke rung zeigte sich zurückhaltend. Die öffentlichen Gebäude wie sen natürlich italienischen Flaggenschmuck auf, desgleichen eine Anzahl internationaler Gaststätten, aber dies war auch olles. Vergeblich hatte man sich bemüht, die deutschen Bauern in der historischen Tracht ihrer Täler als wirkungsvolle Staf fage zu gewinnen, aber sie blieben ihrer Überzeugung treu und lehnten alle derartigen Gesuche ab. Charakteristisch hierfür ist die Mitteilung, die uns die junge Hüterin des An- oreas-Hofer-Hauses im Passeiertal zwei Tage vor der An- kunft des Königs machte. Danach mar auch sie auf das drin gendste gebeten worden, den König, der bei feiner Auto fahrt über die Icmfenstraße am Andreas Hofer-Hause Halt Machen wollte, im Nationalkostüm zu empfangen und ihn: den Willkommensgruß zu bieten. Aber vergeblich hatte man dem jungen Mädchen die Begrüßungsworte fein säuberlich «rfgeschricben, sie hat dieses Ansinnen rundweg abgelehnt und sich auch nicht durch die italienische Gendarmerie ein- sschüchtern lassen, lind so dürfte der König, wenn er durch die in Extrazügen herbeigeschafften spalierbildenden Italiener Hindurch in die Seele der südtiroler deutschen Bauern ge- tkickt^at, wenig Freude an dem „eroberten" Lande gehabt haben. Diese Sachlage entgeht den Italienern denn auch kei neswegs, und so sind Einsichtige unter ihnen bereits heute entschlossen, entsprechend zu Händeln. So fiel denn dieser Tage von sehr bedeutender italienischer Seite das Wort: ^Wir wissen genau, daß mir das deutsche Südtirol nicht auf sie Dauer behalten können. Wir wollen es auch nicht. Die Freundschaft und der Handel mit Deutschland sind uns viel wichtiger." Einstweilen ist diese Bemerkung zwar nur eine Rede wendung, aber daß sie überhaupt gebracht werden konnte, läßt doch mancherlei für die Zukunft erhoffen, zumal Ita lien politisch und wirtschaftlich in hohem Maße auf Deutsch land angewiesen ist. Seinen Überfluß an Südfrüchten und Wein kann Italien in der Hauptsache nur in Deutschland «chsetzen, La die andern Nachbarn entweder selbst Überfluß Daran haben, oder wie Deutsch-Österreich, infolge des Valuta- «lends, nicht in der Lage sind, als Käufer dieser Artikel auf zutreten. Und politisch wird Italien die Unterstützung Deutschlands gleichfalls benötigen, um dem übermächtigen Frankreich die Stirn bieten zu können. Der Haß, der gegen Sie Franzosen in ganz Italien herrscht, ist außerordentlich Hark; niemand ist auch nur annähernd so verhaßt wie die Vertreter der sogenannten „großen" Nation. Deutschland gegenüber war das italienische Volk immer freundüch gc- Innt, und wenn es antiösterreichisch war, so galt dieser Na- Aonalhaß nur dem Hause Habsburg, durch dessen Imperialis mus es sich in seinem nationalen Bestände bedroht sah. Hetzt ist dies von Grund auf anders geworden. Das Haus Habsburg ist nicht mehr am Ruder und anstelle der uner- «sten italienischen Brüder, die im Trentino unter österreichi scher Herrschaft „schmachteten", gibt es im neuen Italien eine veutsche Irredenta von rund einer viertel Million, deren na tionale Entschlossenheit Italien zu weitgehender Rücksicht nahme zwingt. Wenn Italien trotzdem auf der Brenner- «renze bestand, so hatte dieses Verlangen seine besonderen Gründe. Mit Deutsch-Österreich, dessen Anschluß an das Deutsche Reich Italien im Interesse der von ihm sehnlichst Herbeigewünschten italienisch-deutschen Grenze begrüßt, will man in Rom in Frieden und Freundschaft leben. Gegen ein mit dem Reiche vereintes Deutsch-Österreich oder auch gegen «inen selbständigen Freistaat Tirol, von dem in letzter Zeit angesichts der katastrophalen Verhältnisse in Deutsch-Öster lich öfter die Rede ist, braucht Italien ebensowenig eine strategische Grenze wie Deutschland etwa eine solche seiner zeit gegen Österreich nötig gehabt hätte. Wohl aber braucht Italien eine strategische Grenze gegen eine unter Habsbur- «er Zepter stehende Donauföderation, die ihre Spitze in glei cher Weise gegen das italienische Königreich wie gegen Deutschlaich richten würde. Frankreich will Deutschland schwächen und darum die.sechs Millionen Deutschen in den Alpenländern Lauernd vom Reich fernhalten. Andererseits kennt man in Paris nur zu genau den heißen Wunsch der Italiener, ihre unerlösten Brüder in Nizza, Savoyen und »us Korsika zu befreien. Aus vielem Grunde bekämpft! ! Frankreich den Anschlutzgedanken auf das heftigste «ich för- den andererseits mich jetzt wiederum die Neftaurarionspläne des Exkaisers Karl, eine Haltung, die von Rom aus mit j wachsender Sorge und gespanntester Aufmerksamkeit ver- : folgt wird. „Deutschland ist der natürliche Bundesgenosse Italiens", j schrieb Bismarck im Jahre IM an den damaligen Gesanü- j teil Preußens am italienischen Hof, den Grafen Usedom, und fügte hinzu: „Italien und Frankreich werden stets Rivalen und oft Feinde sein, die Natur hat zwischen beide einen Zankapfel geworfen, den sie sich streitig machen werden. — Das Mittelländische Meer, dieser wundervolle Hafen mitten in Europa, Asien und Afrika, dieser Kanal zwischen dem Atlantischen und Stillen Ozean, dieses Becken, das die schön sten Länder der Erde umsäumt". Dieses Wort des Altreichs kanzlers wird auch für die Zukunft an Bedeutung nichts verlieren, und wir werden gut daran tun, diese Lage ins Auge zu fassen und unsere Politik danach einzurichten. Lange Jahre trieb Deutschland auf Kosten der deutschen Brüder in Österreich, die stets Hütter Tschechen und Polen zurückgesetzt wurden, eine habsburgische, nicht eine deutsche Politik. Im Weltkrieg hat sich diese Kurzsichtigkeit bitter gerächt, denn der Nagel zum Sarge unserer nationalen Hoffnungen war Kaiser Karl. Lernen wir aus unserem Unglück und machen wir begangene Fehler wieder gut. Niemals darf die Donau föderation errichtet, niemals Kaiser Karl auf den Thron zu rückkehren, wenn der deutsche Gedanke nicht auf Jahrhun derte hinaus zerschlagen werden soll. In diesem Bemühen wird Italien durch seinen nationalen Selbsterhaltungstrieb und seine wirtschaftlichen Interessen zu unserem Bundesge nossen. Ist die Verständigung mit Italien auf der ganzen Linie aber erst da und der Gedanke einer Donauföderation endgültig erledigt, dann bedarf Italien der strategischen Grenze am Brenner nicht mehr: dann wird das oben ange führte Wort des Italieners Wirklichkeit werden, die Stunde der Befreiung der Deutschen in Südtirol wird schlagen, und von der Etsch bis zum Belt wird alles ein einiges Deutsches Reich bilden. Der Kampf um dis Dynastie Habsburg Es scheint, daß nunmehr mit der Entthronung der Habsburger Ernst gemacht werden soll, La die Große Entente geneigt scheint, auf die Forderung der Kleinen Entente be züglich der Ausschaltung des ganzen Habsburger Hauses ein- zugehen, während sic sich ihren übrigen Wünschen gegenüber noch zurückhült. Die ungarische Regierung wird voraussicht lich die Nationalversammlung zur Entscheidung über die Frage der Entthronung Karls und seiner Nachfolger einberu fen. über den endgültigen Aufenthalt des Exkönigs ist noch immer nicht entschieden. Dien, 31. Oktober. Zwischen der Großen und der klei nen Entente dürfte ein Kompromiß aus der Grundlage Zu standekommen, daß die Große Entente nunmehr auch die Ausschaltung des ganzen Habsburger Hauses akzeptiert, während die übrigen Forderungen der kleinen En tente erst in einem späteren Zeitpunkt in Diskussion gezogen werden. Bezüglich der Abreise des Exkönigs Karl ist man doch zu dem Entschluß gelangt, ein englisches Schift damit zu betrauen, das Königspaar nach Galatz zu bringen, wo es den endgültigen Spruch der Votschafterkonfercnz ab warten soll. Exkönig Karl und Exkönigin Zita sollen späte stens morgen in Baja eingeschiftt werden, und man hofft, daß der inzwischen gebesserte Wasserstand der Donau die Fahrt des englischen Schisses nach Galatz ermögliche. Die ungarische Regierung selbst scheint das größte Interesse zu haben, die Entfernung des Königspaares so schnell wie mög lich durchzuführen, und hat offenbar die Absicht, die Einbe rufung der ungarischen Nationalversammlung zur Tnartiku- lierung der Abdankung oder Thronentsetzung des Königs und der Habsburger nach der Abreise des Königs zu veran lassen. was die west ungarische Frage anlangt, so scheint die ungarische Regierung noch immer darauf zu beharren, daß das prolokollvon Venedig ohne weitere Sonderverhandlungen mit Österreich in Geltung siebt und daher die Generalkommission in Oedenburq das Recht hat, ohne weiteres die Abstimmungsmodalitäten festzusehen. Die österreichische Regierung stimmt diesem Standpunkt nicht zu, da sie an den Beschluß des Ausschusses für Auswärtige» gebunden ist, der Regelung auf der Basis des Vrotokolls von Venedig verlangt hat. Andererseits ist die Lage seit der Konferenz von Venedig in wichtigen Punkten derart verän dert, daß schon deswegen neue Verhandlungen Zwischen Österreich und Ungarn nöNg erfcheftwn.. Standrecht in der Tschechoslowakei. Prag, 30. Oktober. Das über einige Teile der Tschecko- Slowakei verhängte Standrecht ist aus die ganze Tschecho slowakei ausgedehnt worden. Raub, Brandstiftung. Ver brechen gegen die Sicherheit des Staates sind mit der Todes strafe bedroht. Das Militär hat Befehl, sede Störung der öffentlichen Ordnung rücksichtslos zu unterdrücken. Zu den Zwischenfällen in Deutschböhmen, über die wir in der letzten Nummer berichteten, ist zu melden, daß di« Sozialisten für die Mobilisierung sind und zwar auch die deutschen Sozialisten. Die Auflehnung der deutschen Be völkerung gegen die Einziehungen ist also nicht als eine Kmrdgebung für den sozialistischen Weltfriedensgedanke» anzusehen, sondern als Protest, für die Tschechen die Haut W Markte zu tragen. Die deutschen Sozialisten verleugnen chr völkisches Gefühl und unterstützen die militärischen Absichten, der sozialistischen Prager Regierung. Im Schützenhaus in Rumburg fand am Freitag abend eine Versammlung statt, in welcher der eigens von Prag hergerufene deutsche sozialdemokratische Abgeordnete Fischer als Sprachrohr der Regierung und der Partei spre chen wollte. Er ist indessen mit seinen Beschwichtigungsver suchen nicht weit gekommen und wurde niedergeschrien. Mit Mühe konnten die Rumburger Parteiführer zu Worte kom men und verkünden, daß der Streik abgebrochen werde» müsse, da die Streikbewegung nur auf Rumburg beschränkt geblieben war. Wegen des Einrückens oder Nichtoinrückens munde von den Versammelten vergeblich eine klare Äuße rung gefordert. Nur ein Kommunist erklärte, daß es dem Mute des einzelnen überlassen bleibe, dem Befehle Folge zn leisten. Wird somit der Widerstand im Sande verlaufe« und nun auch in Rumburg und den Nachbarorten, zwar widerwillig und gewiß nicht vollzählig, dem Mobil machungsbefehle Folge geleistet werden, so hat die Bewe gung doch das Gute gehabt, der Regierung und dem Aus lände die wahre Stimmung des Volkes und der deutschen Soldaten einmal vor Augen zu führen. Bezeichnend bleibt, daß von sozialdemokratischer und kommunistischer Seite der tschechischen Regierung unbedingte Gefolgschaft geleistet wurde; doch getraute man sich nicht, den durch die Aussicht auf einen neuen Krieg erbitterten Leuten das Einrücken z« befehlen. Wien, 31. Oktober. Tn der Slowakei hak die Mobilisie rung vollkommen versagt. Lin Munitionsdepot wurde i» die Luft gesprengt und außerdem Militärpflichtige einge kerkert. Teilweise Ausfuhrsperre in der Tschechoslowakei. Berlin, 1. November. Nachdem erst vor kurzem die tschechisch-slowakische Regierung eine Neuordnung der Em- und Ausfuhr vorgenommen und Ein- und Ausfuhrfreilisten offiziell veröffentlicht hatte, wird jetzt, wie der Deutsch-Öster- reichisch-Ungarische Wirtschaftsverband in Berlin ZV 35, Am Karlsbad 16, mitteilt, mit Hinblick auf die durch die Valuta verhältnisse und die politische Lage geschaffenen Bedingun gen eine teilweise Sperre der Ausfuhr vorgenommen. E» sind hiervon neben Lebensmitteln und Landesprodukten, sowie Kohlen- und Eisenwaren eine große Reihe anderer Waren betroffen, deren Ausfuhr aus der Tschccho-Slowakei bisher sehr rege mar. Die Ausfuhr dieser Waren ist bis zum Widerruf bedingungslos untersagt, selbst Ausfuhrbe willigungen werden nicht erteilt, und die Eisenbahnbehörden sind angewiesen, Waren dieser Gattung überhaupt nicht zur Beförderung anzunehmen. Die Verordnung ist mit sofor tiger Wirkung in Kraft getreten. Gefährdung des Nheinlandes. Oppeln, 29. Oktober. Nachdem die Franzosen in der oberschlesischen Frage einen vollen Erfolg errungen habeir treffen sie schon jetzt ihre Vorbereitungen, um die Rheinland« durch Entfaltung intensivster Propaganda in ihre engere Interessensphäre zu bringen und auch dieses kerndeutsche Land zum unveräußerlichen Bestandteil Frankreichs z» machen. Von gut unterrichteter, der J.--K. in Oppeln nahe stehender Seite erfahre ich, daß in Oppeln von Len Fran zosen eine Nachrichtenabteilung zusammengestellt wird, die sofort nach Erledigung der oberschlesischen Angelegenheit im Rheinland ihre Arbeit wie in Oberschlesien aufnehmen soll. Der Sitz dieser Spionageabteilung wird Berlin sein. Mit einer gewaltig verstärkten französischen Propaganda, der un beschränkte Geldmittel zur Verfügung stehen, ist in allernäch ster Zeit in den Rheinlanden zu rechnen.