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Eounabend, IS. August 1VLI. Ilit» L000 utlntr Iteuntw Nr. 18«. kechSter Jahrgang. Ku er Lageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge iwortlicher Reöaklrur. srit, Rrnkoicl. <ur di« Znseiüt« verantwortlich: vll»it«r ««»„». Leide in Aue i. Lrzgeb. mit der wSchentlichen Unterhaltungsbeilage: Äuer Sonntagsblatt. Lxrechstrmd« t« Redaktion mit Auinahm« der Smmtage nachmittag» von » Uhr. — Lelr-ramm-Ndriffr: Tageblatt Nnrrqgemrg«. Ferntzrech« »«. Für unverlangt etngesandt« Manuskript» kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck »ad vertag Sie» vrncit- o. Vtkiege-Üeeelle«»»» m. b. H. in Nu» i. Lrzgeb. —— t: .», Bezugspreis: Durch unsere Boten frei ins Hau» monatlich so0fg. 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Der Kaiser wohnte auf dem großen Sand« bei Mainz einer größeren Truppenübung bei und begab sich dann nach Sr 0 nberg. » Die Akten in der Bremer Epionageaffäre liegen dem Obcrreichsanwait bereits vor. Die Verteidigung ist bestellt. Jnsolge der großen Hitze ist amRheinbereit »Trauben, reise eingetreten. Ein Antrag auf Vertagung der Wehrvorlage im ungarischen Abgeordnetenhause wurde abge lehnt. Da» en glisch« Unterhaus hat die Resolution angenommen, worin die Einführung einer Entschädigung an seine Mitglieder gefordert wird. tzd Im Londoner Streik wurden die Forderungen der Fuhrleute bewilligt; der Lusstano dauert jedoch al» Sympathiestreik fort. * In Agram ist der Generalstreik angekündtgt worden. Ein tgung-verh and langen sind im Gange. Mutmaßlich« Witt«r«ng am IS. August: Nordwind, wolkig, etwa, kälter, Gewitterneigung, östlich Regen. «ML Keine Illusionen! Mit banger Sorge steht man aus der rechten Seite den kommenden Reichstagswahlen entgegen^ Die Stichwahl parole des Herrn v. Heydebrand ist dafür neben andern Vor gängen ein sprechender Beweis. Nach außen hin wstll man aber davon nichts merken lassen; ja man tut so, als ob es um die konservative Sache fast noch besser gestanden habe, der Liberalis mus dagegen von Tag zu Tag immer mehr bergab gehe. Wenn Das Paket ans Berlin. Humoreske von Paul Miß. Herr Balduin Knipser war wütend. Schon wieder hatte Pauline ein Glas -erschlagen. .Letzt hab' ich» aber satt!" schrie er -ornig. „Es paßt mir denn doch nicht, mein ganzes Glas und Porzellan von Ihnen zerschlagen zu lassen! Zum Ersten können Sie gehen I" Das Mädchen zuckte ruhig di« Schultern und er- widerte: „O gewiß, gern werde ich sogar gehen! Mir paßt es schon lange nicht, fiir solch einen wahren Hungerlohn zu atLeiten und dann noch nicht einmal satt zu essen zu bekommen! Sehr gern gehe ich sogar!" Herr Balduin Knipser schäumt« vor Wut. «Packen Sie Ihre Sachen, sofort können Sie gehen!" „Sowie ich mein Geld habe, ja, früher nicht," antwortet« da» Mädchen ganz ruhig. „Da haben Sie Ihr Geld! Und nun aber hinaus, Sie freche Person!" „Was? Sie wollen noch 'n« Lipp« riskie ren, Sie oller Geizkragen?" Hinaus, oder ich hol« di« Polizei!" Das half. Wütend rief da« Mädchen: „Jawoll, ich geh«, aber Sie werden noch an mich denken! In Arer empfindlichsten Stell« will ich sie treffen!" „Hinaus! Hinaus!" Mit einem Krach flog die Tür zu, und Paulin« war drauß«n. Herr Balduin Knipser lirf «rr«gt im Zimmer umh«r. Erst nach und nach beruhigt« ihn sein« Frau. Doch kaum war d«r Groll ein wenig beschwichtigt, da harrt« d«s armen Mann« schon wie der eine Aufregung. Sin Brief kam. S» meldet« sich Loaterb«. such an. Ein Vetter mit seiner Frau wpllt« kommen um acht Tage zur Erholung dabl«tb«n. Zur Erholung! — Hi» Balduin raste. Ausgerechnet zu ihm kam man, um sich zu erholen! Set» schön«, Geld mußte er opfern, damit sein Besuch sich erholen konnte! Und da» Schlimmst« war, man mußt« zu alledem noch ein freundlich«, Gesicht machen, damit man nicht um seinen guten Ruf kam. O, es war um toll zu wetden! Doch witder gelang «» der ruhigen Gattin, auch diesen Sturm zu beschwichtigen. Mo der Besuch kam an. Mit zuckersüßem Lächeln wurde er empfangen und aus» freundlichste und freigiebigst, bewirtet. Heim lich aber macht« Herr Balduin »in and»«» Gesicht. Da rechnet« er allabendlich «oll Lutschen« au«. raievtet Ms-Masts» an Wat» man einigen konservativen Organen glauben wollt«, dann hätte sich vom Nationalliberalismus bald alle« abgewandt: Indu strie, Mittelstand, Landwirte und Arbeiter. Solcherlei Dinge müs-- sen sich der Herren ab und zu vorrÄxn, um nicht den Mut zu verlieren. Dahin gehört auch, daß die konservative Presse von Zeit zu Zeit die Lehre au» den Ersatzw ahl en zum Reichstag zieht. Alan sollte denken, daß au» diesen die Rechte nicht gerade große Hoffnungen für die kommenden Hauptwahlen h?rleiten könnte. Weit gefehlt. Man erinnert stch, daß die Kreuzzeitung schon vor Monaten aus den seit der Reichsfinanzreform stattge habten Ersatzwahlen herausgerechnet hat, daß einzig und allein dk konservative Partei an Stimmenzahl gewpnnen habe, wäh rend alle andern Parteien verloren haben sollten. Jetzt begeg nen wir wieder ähnlichen Tendenzen. Im Tag hatte Herr Erzberger für sämtliche 45 Ersatzwahlen (seit den Haupt wahlen 1907) «in« Statistik aufgemacht, di« fiir den Wechsel im Besitz der Mandate folgende» ergibt. Es L«hauvt»t«u «woimm v«rlLr-v Mandat«: Konservativ« 8 Wirtschaftliche Bereinigung «sw. 1 Zentrum 9 Nationalliberale b 0 » 0 4 1 1 S 8 Dolkspartei 1 2 2 Sozialdemokratie ...... 4 S 0 Mi» man steht, haben die beiden liberalen Parteien die höchsten Verluste zu tragen — so bemerkt dazu Herr Erzberger und zeigt damit, daß er seine eigene Tabelle recht schlecht lesen kann. Die Verlust« der Rechten siiü> genau so groß, wie di« der Liberalen, nämlich je sieben Mandate; dabei aber steht dem Verlust der Liberalen ein Gewinn von fünf Mandaten gegenüber, dem der Rechten aber nicht». Wenn nun die Berl. Pol. Nachr. unter Hinweis auf die sozial demokratischen Erfolge hervorheben, es sei bezeichnend, daß die Sozialdemokratie ihre Erfolge vornehmlich gegen die Liberalen, insbeosnderedieNa 1 i0nalliberalen, errungen habe, so liegt doch hier eine Irreführung insofern vor, al» der darin sich zeigende Zug nach links Äen ein Meükmal aller Wahlen ist. Die Sozialdemokratie hat ihren Stimmenzuwpchs bei allen Ersatzwahlen seit der Reichsfinanzreform ziemlich gleichmäßig geholt, auch dort, wo kein nationalliberaler Kandidat ihr gegenüberstand. Wenn die Nationalliberalen da bei am meisten Mandate dingebüßt haben, so kommt da» sben daher, weil fie gerade solche Kreise zu verteidigen hatten, Vie vorher schon durch die Sozialdemokratie stark bedroht rqaven. schaftsgeld da» alle» erforderte, und wie kostspielig alle diese Un terhaltungen und Amüsement» waren, die man dem Besuch bis- ten zu müssen glaubte. Schrecklich! Ein kleine« Kapital ging dabei drauf! Doch auch diese acht Tage nahmen ein End«. Und mit bestem Dank verabschiedete sich da» Paar. „Es war Herrlich! Ich «erd« mich bald für all« eure Freundlichkeiten revanchieren!" empfahl sich der Vetter. Herr Balduin sagte zwar verbindlichst: „O, bitte, bitte, durchaus keine Ursache!" Innerlich aber sagte er: „Was du dich schon revanchieren wirst! Spatz, das wird recht was sein!" Die Lokomotive pfiff. Der Zug dampf: e ab. Und Herr Balduin war mit seiner Gattin wieder allein und hatte Zeit, nun all« Unkosten genau zu berechnen. Da» tat er denn auch. Und es trug nicht dazu bet, seine Laune zu verbessern. Aber siehe da, schon «ter Tage später brachte die Post ein Paket. Auf dem Abschnitt der Begleitadress« stand die Firma eine» altrenommierten Ztgarrengeschäftes au» Berlin. Einiger maßen erstaunt öffnet« «» Herr Balduin, und es fanden stch vier halbe Kisten Zigarren darin; sonst nicht», kein Brief, kein« Karte! „Verstehst du das?" fragte er seine Frau. ,,Wa» ist dabei wetter zu verstehen?" erwiderte fie, ,d«r Detter revanchiert stch eben, viel ist es ja nicht, aber man fleht doch wenigsten,» den guten Willen." „Du glaubst, daß sie vom Detter find?" „Aber, lieber Mann, Woher sollen St« denn sonst setn? Du hast doch kein« bestellt" .Mein, da, habe ich auch dicht. Aber warum schreibt der Mensch kein Wort dazu?" „Man wird in'dem Geschäft, «0 er gekauft hat, den «rief vergessen haben Letzulegen." „Du glaubst?" „Ja, wie soll es denn ander» sein? Wer sollt« dir denn sonst Zigarren schenken?" Endlich war er tibeH«ugt und gab ihr recht. Und nun freute «r sich wirtlich, denn di« Zigarren waren extra prima, sämtlich Import«» und mit Leibbinde. Ach, di« sollten ihm mal schmecken! Schon jetzt lechzt« er danach. Da sagte sein« Frau: „Das trifft sich ja prächtig. Nun brauchst du ja keine Zigarren zu kauf«», wenn du nächst« Woch« di« A«rr«n vom veretn zu d«1n«m Geburtstag «tnladqt." Ar nickt« dazu und stimmt« scheinbar Lei, aber zu sich selber sagt« er: „Da, sollt, mir «infallen! Ich werd» diesen vereinckbrüdern mein« feinen Zigarren geben! So dumm! Was die nicht auf- paffen, da» nehmen fi« doch in der Lasch, mit. Nein, für dies» Leut» ist da« Knaul nicht gewachten!" Und «hm« wisse» de« Einem gleich falschen Schluß begegnen wir auch bei der Verglei chung der Stimmenzahl d«r einzelnen Parteien. Folgende Tabelle gibt darüber Aufschluß: ' - Parlet Harrst» wähle» «rsatz- wahw» GerottMR -berverl» Alle rechtsstehenden Parteien 82 220 88871 4-18351 Zentrum 48 048 4» 134 — 1911 Nationalliberale 9182S 741S4 — 17889 Volkepartei - 60 407 82 889 — 8838 Sozialdemokratie .... 230 288 282 380 -s-82 0« Hier begnügen sich die Berl. Pol. Nachr. mit der Feststellung, daß die rechtsstehenden Parteien «ine namhafte Zu nahme, alle anderen Parteien dagegen, namentlich die Natio nalliberalen, einen Rückgang zu verzeichnen hätten. Eine der artige Feststellung sollte stch eine Korrespondenz, di« ernst ge nommen sein will, schenken. Selbst Herr Erzberger fügt diesen Zahlen die Bemerkung hinzu: Der Gewinn der rechtsstehenden Parteien ist in erster Linie daraus zurüchzuiführen, daß diese bet den Ersatzwahlen einen Kandidaten auch da ausstellt«», wo di« rechtsstehenden Wähler 1907 für di« National, liberalen gestimmt hatten. Da« war -. B. in Friedberg. Büdingen, in Cannstatt-Ludwigsburg ünd anderen Orten der Fall. Wdnn man diesen Gesichtspunkt berücksichtigt, dann ver flüchtigt stch die namhafte Zunahme der konservativen Ettm- menzahl ziemlich rasch In Wirklichkeit find die Ziffern alle» bürgerlicher Parteien zurückgegangen, während einzig und allein die der Sozialdemokratie g«sti«g«n sind. Diese Tendenz fetzt aber, wie ein Blick auf die Ziffern der einzelnen Ersatzwahlen zeigt, da «in, wo der BÄlow«Block aufhört. Und deshalb hat man auf der rechten Sette auch nicht den geringsten Anlatz, über di« Ergebnisse der Ersatzwahlen irgendwelche Bofrtödigung zu empfinden, Politische Tagesschau. - Au», 18 August. Di« Br«««» Spiouageaffäre. Da« Boesmann-Bureau in Bremen meldet: Angesicht» de» vielen Widersprüche, die sich in den Mitteilungen der Pvesse über die Epionageaffäre in Bremen finden, und Mit Rückficht auf di» Tatsache, daß uns di« zuständigen Behörden auch heute noch er klären, über keinerlei amtliche» Material zu verfügen, haben wie un» veranlaßt gesehen, un» a» wohlinformierter Mello ein gehend über die Sachlage de» Fall« zu erkundigen. Wir stellen Frau ging er zu seinem Kaufmann, lieh sich dort vier halb» Kisten billige Zigarre geben, und zwar in denselben Forma ten der Importen. Und al» er sie zu Hause hatte, machte er stch heimlich dabei, zog vorsichtig und behutsam die Leibbinden von den Importen ab und steckt« fie den billigen Zigarren auf, ist, echten aber verschloß «r im Schrank. Schmunzelnd freute «r stch seiner Tat. Und «Nch di« FH ging vorüber. Genau wie Herr Balduin es voraussah, was es gekommen. Di« Vereinsbrüder pafften und qualmten darauf los, daß alle Stuben blau waren; und was nicht aufgeraucht wurde, das ließ man mit nach Hause waichern. Al» da« FH zu End« war, standen vier leere Kisten da. Herr Balduin Knip ser lächelte stillvergnügt und freute sich seiner Fürsorge. Als all« Gäste fort waren und man die vier leeren Kisten sah, sagt« der Haushen bedauernd: „Meine schönen Zigarren!" Da kam seine Frau und tröstet« ihn: „Na laß nur, Männe, diesmal kamst du noch mit einem blauen Auge davon. Ich habe ein bißchen Schicksal gespielt." Verständnislos sah er sie an. St, aber lächelte „Ich fand nämlich in dem verschlossenen Schrank vier Kisten Zigarren von deiner billigen Sorte, an di« du wohl gar nicht mehr gedacht hast. Da bin ich hergegangen, habe die Leib binden von den ersten abgenommen und hab« fie recht behutsam diesen billige» aufgesteckt! Siehst du, Männe, so hab« ich dir di« echten gerettet; d«nn ich -sagte mir, für diese dummen Kerle sind di« billigen auch gut g«nugl Na, «ar da» nicht schlau?" „Sehr!" Herr Balduin rang nach Lust. „Das hast du außerordent- ltch schlau gemacht!" „Was hast du denn, Männe?" rief fi« er- schrocken, al, st« ihn so dasttzen sah. ,Mu> ich habe? Nicht, hab« ich!" schrie er. „Ich hatte vier Kisten Importen. Und jetzt hab« ich vier Kisten Sttnkadv«»! Das glaub« ich wohl, daß die Zigarren den Kerken geschmeckt haben!" Noch immer begriff die Frau nicht». Da ab« erklärt, der betrogen» Geizhals ihr, «ft» ste getan hatte. Und nun rief st, «einend: „Siehst du, da» kommt von deinen Heimlichkeiten! Hättest du mir die Wahrheit gesagt, wär« so etwa, nicht geschehens" Gckchehen« Dinge fick nicht mehr zu ändern, und so beruhigt, stch auch Herr Balduin nach und nach AL« kaum war d« un angenehm« Vorfall so halb und halb vergessen, al» «in neue» Er- «iguta tho wieder schnall lebendig «erden ließ, von der Berli-