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mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Äuer Sonntagsblatt. tens «ranrwortltcher Redakteur sei«, Rrnbolck. ,«e die Inserat« verantwortlich: Malter Re»«». Seide in Au« i. Lrzged. »Mr chvov LI!»»« kwimt» Nr. S7 TechSter Jahrgang. Bezugspreis: Durch unsere Boten frei ins Hau, monatlich 5»0fg. Bei der Geschäftsstelle abgebolt monatlich 40 pfg. und wdchentlich io pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich t.»o Mk., monatlich so pfg. — Durch den Briefträger frei ins Haus vierteljährlich ,.-r Mk., monatlich «4 pfg. - Einzelne Nummer t«r Pfg. — Deutscher Postzeitungskatalog. — Erscheint täglich in dm Mittagsstunden mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Insertionspreis: Vie stebengejpalten« Rorxuszeile oder deren Raum für Inserate au» Rue und dm Drtschastm der Rmtshaivtmannschast Schwarzenberg ,o Pfg., sonst t» pfg. Reklamepetitzeile rs pfg. Bet gräßerm Abschlüssen «nt- ß>rechmd«r Rabatt. Annahme von Anzeigen bis spätestens g'/r Uhr vormittag». Für Aufnahme von «Sßer« Anzeigm an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werdm, wmn sie am Tage vorher bei uns eingehen. Druck und Verlag ü«, «RR*. ». ye^sge-tzwül»«»,!» m» b» Sxrechstond« der Redaktion mit Ausnahm« der Sonntag« nachmittag» von 4—» Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt Aoeerzgebirge. — Frrntzrecher »s. z, Lrzgtd. Für unverlangt ringesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet «erden. Donnerstag. 9. März lull. 5luer Tageblatt und Anzeiger Mr das Erzgebirge 4 Vie« Nuwwer »r,»i r r«ne» Das «tchttgft- vom Lage Die R etchStagSkommission f ür d a » K u rpi u scherei- ges«tz beschloß gestern, l ie unentgeltliche Behandlung mittels mystischerHeilverfahren (Lesundbete,, Br- sprechen, Spiritismus, Symvalhte usw.) zu verbieten. Nach zuvcrläff gen Informationen sind die verbündeten Re» girungen b > rett, dem Reichslande mit gewis sen Beschränkungen eine Vertretung im Bun desrate zu gewähren. Im öster'eichiichen Abgeordnetenhaus« wuide gestern eine Vorlage eingeorochi, dir j ed e E ' n sch r L n- kung des Vereinsrecht für Frauen aufhebt. ch Das ungarische Abgeordnetenhaus hat nach langen Debatten die Verlängerung de« Privilegiums der gemeinsamen Notenbank bis 1Sl7 an no m m e n. ch Die Mobilmachung von20000Mann amerikanischer Truppen gegen Mexiko dat begonnen. Der eng lisch e B o t s ch a f t e r I n W a s h t n g t o n hat von der amerikanischen Regierung den Schutz der englischen Interessen in Mexiko verlangt. Professorenstreit. >0? In der Budgetkommission de» preußischen Abgeordneten- Hauses hat jetzt der unerquickliche Zwist, der seit Monaten an der Berliner Universität zwischen mehreren bekannten Lehrern der Wissenschaft ausgebrqchen ist, eine eingehende Beleuchtung ge funden. Di« Streitigkeiten Loten kein erfreuliche» Bild von den Zuständen im Lehrkörper einer Universität von dem Range Ber lins Lnd die fortwährenden Reibereien waren auf dem besten Wege, den Ruf der ersten ^lma water Deutschlands bedenklich zu schädigen. Die Berufung de» noch in verhältnismäßig jungen Jahren stechenden Professor;» Bernhard war bekanntlich seiner zeit gegen di« Wünsche der Berliner Universität erfolgt und schon damals gab e» Differenzen, die allerdings mehr prinzipiellen al» persönlichen Charakter trugen. Mit Mühe und Rot wurde «ine Einigung erzielt, aber der Friede war nur oberflächlicher Natur und die dem jungen Professor auferlegte Unterschreibung eine» Reverse», wonach er keine Konkurrenzvorlesungen halten dürfe, war nicht gerade von wissenschaftlichem Geiste durchfüllt. Dieser Revers ist zum Zankapfel -wischen den Beteiligten geworden, «in« Reihe von Mißverständnissen und falschen Auslegungen kamen dazu und schließlich Irrungen und Wirrungen. Die in der Kommission von einem Regierungsvertreter gegebene Dar- stellung de» Verlaufe» der ganzen Affäre klingt nicht gerade gün. stig für di« ält« r « n Professoren und der Minister bescheinigt« dem Professor Bernhard ausdrücklich, daß von einem Wort- bruch, der ihm von seinen Kollegen vorgeworfen wurde, nicht die Rede sein könne. Allerdings fügte der Minister hinzu, daß es im Hinblick auf derartig« Differenzen zu beklagen sei, daß an der Berliner Universität ein Professor lehr«, der sich mit der ganzen Fakultät im Gegensatz befinde. Da» müsse zu Ilnzuläng- lichkeiten führen, und, wenn es sich um einen Regierungsbeamten handeln würde, so würde der Minister keine Bedenken tragen, ihn zu versetzen. < Der Fall Bernhard zeigt, wie «ngherzig man doch zu weilen in gelehrten Kreisen ist, wie man alle Hebel in Beweg ung setzt, um einen unbequemen Kollegen Verdrießlichkeiten zu bereiten. Man müßte dqch meinen, daß Männer, wie Wagner, Schmoller, Sehring, keine Konkurrenz zu scheuen brau chen, ihr Name steht fest, und sie haben ihren großen Zulauf. Warum soll «» da nicht auch «inem jung « n Dozenten möglich sein, an der Berliner Universität festen Fuß zu fassen und z. t. auch über Disziplin zu lehren, wie die Größen der Wissenschaft? Heißt doch ein alter akademischer Spruch: DieWtssenschaft ist freiI Di« in der ganzen Angelegenheit zutage getretenen Erscheinungen zeigen aber «ine Art Verkörperung in gewissen Ge- lehrtenkreisen, die in hohem Maße zu bedauern ist. Auch die Wissenschaft muß fortschreiten, und, wenn man ihre Lehre in den eigenen Kreisen unterbinden will, so zeugt da» eigentlich nicht von Geistesgröße. Die Universität und ichr Lehrkörper haben ihre besondere, auf alten Traditionen aufgebaute Verfassung. Es ist etwas Schönes um alte U«Lerlieferungen, und man soll sie, sqweit irgend möglich, respektieren. Andererseits ist daraus nicht «ine Antiquierung herzuleiten. Auch hier muß der Fort schritt sein« Stätte finden, und, wenn solche Vorkommnisse sich zutragen, wie die an der Berliner Universität -u verzeichnen sind, so darf man sich nicht wundern, wenn di« Bewegung wächst, welch« die Einrichtungen der Universität mod«rner«n Anschau ungen anpassen will. Es wird dann nicht an Wehrusen über Eingriff« in die Freiheit der Wissenschaft fehlen, man sollte sich aber dann in Untverfitätskreisen selber sagen, daß Vorkommnisse in den eigenen Reihen dazu Leigetragen haben, mit alten Ein richtungen aufzuräumen. Politische Tagesschau. Aue. S. März. Postetat. X Da» Militär ist im R «ich »tage abgetreten, die Post- schweben sind angerückt, allerdings nicht in Uniform, die wird ja heute nur noch am Schalter, und zwar meist in Gestalt der Li- tewka von den mittleren und höheren Beamten getragen. Im Reichspostamt herrscht der schwarze Rock. Den Reigen der Red ner eröffnete Herr Gröber vom Zentrum, der sich warm der Beamten annahm. Der Fortschrittler Eickhoff kargte bemer kenswerter Weise nicht mit Lob für die Postverwaltung, um dann s«in Lieblingsthema anzuschneiden, das Einheitsporto im Welt- verkehr. Genosse Eichhorn wettert gegen di« Plusmacheret der Post und den Schneckengang Lei diesem Berkehrstnstitut, Herr Krätke sei taub gegen R*formvorschläge. Der geplante Eilboten, dienst sei zu teuer. Der Konservative Drö scher wünscht dem Staatssekretär gegenüber den vielen Angriffen «in lange» amt- liches Leben, wofür der nach ihm sprechende Herr Krätke dän- kend quittiert. Dann geht dieser aus verschiedene vorgebrachte Wünsche ein. Von einer Zulage für die Oberpostasfistenten will er erst dann etwa» wissen, wenn Deckung vorhanden sei. Au» finanziellen Gründen wendet sich der Staatssekretär gegen da« Weltpostporto. Auf die Privateilbotenanstalten ist er nicht gut zu sprechen, weil der Post dadurch gut« Einnahmen weggeschnappt werden. Herr Stresemann von den Nationalliberalen ver wendet sich für Besserstellung der Beamten. Der Reichsparteiler Linz äußert lokale Wünsche, die der Staatssekretär berücksichti gen will. Um A7 Uhr vertagte da» Haus die Weiterberatung auf heute. - Reich»tag»«rfatzwahl in Prenzlau-Anzermünd«. Durch di« Ernennung des Oberpräsidialrates von Winterfeldt zum Landesdirektor der Provinz Brandenburg ist «ine neue Reich». Selber effeu macht fett! Na-dru« oerdote». L Um aus ihrem Umzug in eine neue Wohnung Nutzen zu ziehen, hatten Montier» beschlossen, einen Empfangstag anzu sagen. Ihr« Wahl war auf den ersten Sonntag des Monat» gefallen. Zum «rst«n Male mußten Giftle und Gustave Moutier von vier bis sieben Uhr zu Hause bleiben. Um Hal- vier Uhr, sie beide von ihren Einkäufen, die Arme voller Paket«, heimkehr ten, begegneten st« einander an der Haustür. „Nun? Hast du Kuchen gefunden?" fragte Gustave. „Ja prachtvollen Treme- und Napfkuchen in einer kleinen Konditorei, die nicht durch ihr Aeußeres besticht, aber sehr gut besucht ist ... . Und für nur zwei Sous!" „Herrlich!" „Und du? Hast du alles Nö tige?" „Alles Nötige! .... Einen leichten vorzüglichen Port- wein . . . einen leichten Portwein in derart ekelhaft schmutzigen Flaschen, daß man sie kaum mit den Fingern zu berühren wagt, und die fast so aussehen, als ob sie von der Zeit vor der Erfindung de» Glases herrühren .. . Und niemals würdest du erraten, wie viel ich dafür gezahlt habe . . . achtundddretßtg Sou», tatsäch lich, achtunddreihtg Sou» di« Flasche!" Sie begannen die Tr«pp« hinaufzust«igen Moutier hielt sein« Frau am Arm zurück. „Nun — und di« Portierfrau?" ,M« Porti«rfrau, wa» ist'» mit der Portterfrau?" ,Mch, du weiht schon ., . den Auftrag, den wir ihr geben wollten!" Sie richteten ihre Schritte nach der Portierloge. Mit Le- scheiden«» Mten« baten sie Madame Ludovie, di« Portterfrau, wenn ihre Freunde sie danach fragen, in welchem Stockwerk sie wohnten, nicht im fünften, sondern im vierten über dem Erdge- schoß zu erwidern. Um dessen sicherer zu sein, daß sie ihnen diese kleine Befriedigung der Eigenliebe gewährt«, fügten sie hinzu: „A propo», meine gute Madame Ludovie, wir haben hier Ku- chen. Wmn unser« Freunde fortgegang«n find, werden wir uns gern ein Vergnügen daraus machen, Ihnen einige« hinunter- -uschicken." II. Nacheinander hatten an diesem Sonntag -wischen vier und sieben zwölf Personen fünf Sekunden lang Hre Danmen auf den an der Entreetür der Wohnung Moutier» angebrachten elekt rischen Knopf» gedrückt und dann fünfzig Minuten lang ihre Glie der in einem der vier längs der Moutierschen Salonwand aufge stellten Sessel versenkt. Die Moutiers hatten zwanzig Creme- und zwanzig kleine Napfkuchen gekauft. Gegen acht Uhr, al» es augen scheinlich war, daß sich kein Besucher mehr «instellen würde, mach ten sie Jnventuraufnahm« der übriggebliebenen Kuchen. „Vier zehn", bestätigte Moutier, „es blieben vierzehn." „Desto besser," erwiderte seine. Frau, „man wird sich einmal gütlich tun kön nen!" i Sie hatten Leide soeben ausgerechnet, daß selbst wenn sie dem Dienstmädchen zwei Kuchen gäben, es jedem von ihnen noch mög lich wäre, al» Dessert nach dem Diner sqch» Kuchen zu essen. Da rief Moutier plötzlich au»: „Donnorwetter — und die Portier frau?" „Das ist wahr — allerdings —" stimmte Mme. Mou tier zu, — „man hätte «s fast vergessen. Ach wi« heiter, dieser alten Schachtel willen genötigt zu sein, sich bescheiden zu müssen." „Schließlich, versprochen ist versprochen," beschloß Moutier. „Da durch bleiben uns jedem nur vier Stück! . . . Um so schlim mer! Man wird ichr vier Kuchen hinunterbringen." Wäh ¬ rend «r den Teller mit den vier Kuchen aufhob, fiel ihm, al» er gerade im Begriff war, di« Entreetür zuzuschlagen, etwa» «in: „Sag' mal, Giftle — " „Was, mein Freund?" „Vier!.... Glaubst du, daß «» notwendig ist, ihr «t«r Kuchen htnunterzuschik- ken? .... Würden deiner Meinung nach nicht auch zwei ge- nüqm? ... Wort« . . . Hör- . . Leg« Loch diesen Crem«, und diesen «tapfknchen aus die Deffertschale des Eßzimmer» zurück!" Jeden Sonntag abend hatten Herr und Frau Ludovie ihr« beiden Söhn«, ihr« Tochter und ihren Schwiegersohn, den Schutz- man-, zu Tisch bei sich. Al» Moutier di« Schwell« der Portierloge überschritten hatte, Verursacht« der Anblick der zahlreichen Gesell- schäft, di« um di« Portierfrau thront«, itzm doch Bedauern, sich nur mit zwei Kuchen versehen zu haben. „Ja, ja, Madam« Lu- dovic, zwei, es find nur zwei," murmelte «r verwirrt.... ./ent schuldigen St«. Wir rechneten daraus, Ihnen mehr hinunter- bringen zu können. Wir haben «in« vi«l größer« Zahl von Be suchern empfangen, al» wir vorausgesehen hatten. Schließlich i hoff« ich, daß ich mir den nächsten Sonntag da» Vergnüg«» mqchen kann, Ihnen eine etwa, besser ausgestattete Schüssel anzubieten." s IN. ! < Zum zweiten Male blieben am gestrigen Sonntag Herr und Frau Moutier zu Haus«. Seit drei Uhr lagen di« vierzig Ku chen reihenweise in Schüsseln aus «inem Tischchen des Salon» aufgerichtet, und da» Heer der Gäser stand in Reih und Glied unter der Oberherrschaft der Flaschen. Von vier Uhr ab ev- «arteten Giftle und Gustave in ihren schönsten Kleidern unge duldig die Ankunft ihrer Freund«. Es schlug halb fünf. Es schlug dreiviertel fünf. Es schlug fünf Uhr. Noch kein Besucher hatte geruht, an der Entreetür zu läuten. ,Mas geht denn vor?" fragte Gustave «rstaunt. „Das ist doch ganz unbegreiflich," staunte Giftle. Eine Viertelstunde weiter. Und wiederum eine Viertel stunde. Und dann schlug es dreiviertel sechs. Noch immer halt« kein Besucher an der Entreetür zu läuten geruht. Um sechs Uhr konnte Moutier sein« schlecht« Laune nicht mehr zügeln. „Herr des Himmel»! Ich hab'» satt, auf Leute zu warten, di« sich um mich nicht kümmern! Du bist «», nhcht waihr, die empfang«» wollte? Nun gut, du wirst sie ganz allein empfangen, dein« Freund« .... Wenn sie kommen! Ich gehe hinunter, um «in« Zigarette zu rauchen." Am Fuße der Treppe hatte Moutier schon di« Glastür ge- öffnet, die nach der Vorhalle des Haus«» führte. E» wurde ihm schwer, nicht «inen Freudenschrei entschlüpfen zu lassen. Zwei Personen, die er, obgleich sie ihm nur ihr« Rückseite -ukehrten, al» sein« Freunde erkannte Herr und Frau Ealignac — fragten soeben Madame Ludocav: „Herr und Frau Moutier? E, ist doch richtig im vierten Stockwerk über, dem Erdgeschoß, nicht wahr?" Moutier begann in großer Eile seine Treppen wieder hinaufzusteigen. Deutlich hört« er, wie di« Portterfrau den Salignac» erwiderte: „Ja, ja, es ist richtig, in der fünften Etage. Aber es ist unnötig, daß Sie sich bemühen, htnaufzukkttern l Herr und Frau Moutier find heute nicht zu Hause. Sie sind gleich nach dem Frühstück «»»gegangen." Deutlich hört« er, al» di« Saltg. nac» sich dann entfernt hatten, wie ste ihrem im Hintergrund der Portierlog« gebliebenen Manne freudig zurt«f: „Stehst du, La- doote! Wieder zwei Personen, denen ich soeben geantwortet habe, daß dies« Dummköpfe Moutier» bummeln gegangen find! E» macht sich! E» macht sich! Da» find wieder vier Kuchen mehr, di« wir bestimmt heute abend ausessen werden. Heil" (Einzig autorisierte Übersetzung von Srttti -i.lsoo.)