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Dienstag, IS. Juli. luitmst ^000 »istitt Itninsti Nr. 16L. Münster Jahrgang. 6uer (agedkatt und Anzeiger kür das Erzgebirge verantwortlicher Redakteur: Vr>« H'nksia. Für di« Inserate veiantwortlich: Ulalter gr»g,. Beide in Aue i. Lrzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der RedaV«^ mit Ausnahme der Sonntag« nachmittag, von g—r Uhr. — Telegramm. Adresse: Tageblatt Au». — Fernsprecher "" Für onoerlangt eingesandt« Manuskripte kann Sewühr nicht geleistet «erde«. vruck und Verlag: Nuri- vruai- u. vrrl»„g<srl'l»,lt m. d. H. in Aue i. Lrzgeb. Bezugspreis: Durch unsere Boten frei in, Hau, monatlich so pfg. 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Tel.) * Die e n g l i s ch e K r ü n u n g-s f e i e r ist auf den 22. Juli anberauml worden. * Der französische Ministerrat hat beschlossen, den Beamten der Kolonialverwaltung Picquie zum Gouver neur von Madagaskar zu ernennen. * Die Abberufung des französischen Generals Moinier aus Marokko wad dementiert. * Die russischeRegierung s> tzt ihre dentschfein bliche Politik in den O st s e e p r 0 v 1 n z e n in verschärf tem Maße fort. (S. pol. Tgrsch.) IM»- Mutmaßlich« Witterung am 20. Juli: Westwind, wol. kig, kälter, Gewitterneigung, -Wc Zum IW. Todestage der Königin Luise von Prentzeu. Für das preußische und deutsche Volk ist mit dem 19. Juli des gegenwärtigen Jahres ein ernster Gedenktag gekommen, denn an ihm sind hundert Jahre seit dem Hinscheiden einer der edel sten Fürstinnen, die je einen deutschen Thron geziert haben, ver flossen, der Königin Luise von Preußen. Diese ebenso Lurch Schön heit und Anmut, wie durch hohe geistige Begabung, durch Her- zensgüte, Barmherzigkeit und echte Hausfrauentugenden, schließ lich nicht zum wenigsten auch durch warme patriotische, echt deut sche Gesinnung gleich ausgezeichnete Fürstin wurde am 10. März 1776 als Tochter des damaligen Gouverneurs von Hannover, des Herzogs Karl Ludwig Friedrich von Mecklenburg-Strelitz, ge boren und vermählte sich am 24. Dezember 1795 mit dem damali- Prerrtzens Königin. Skizze von Paul Burg. (Nachdruck vreboten.) Der erste Oktobertag de,s Unglücksjahres 1807 war mit trü ben Dämmerungen über dem Kurischen Haff angebrochen; Memel, die nördlichste Stadt Preußens, erschimmerte und verschwand den frühen Reisenden, die sich mit Eilpost auf der breiten Heerstraße von Königsberg her näherten, noch in wogenden Nebeln. In der Stadt war schon reges Treiben. Bürger und Fremde kamen und gingen: in der Hauptstraße, seit dem Besuche des russische» Kai sers vor fünf Jahren Alexanderstraße geheißen, wogte die M-uge auf und nieder, Sie staute sich vor dem stattlichen Hause Les Kaufmanns ücm-.n- re, denn hier wohnte, w-r an lenem un vergeßlichen Tage, die könr^l'che Familie. Es wrr in den ersten Januartag-n praeien, als man am frühen Morgen drr tcdkranke Königin r:uise, mit ihrem Gatten und den Kinsern verzweifelt von Königsberg uiedr.lehrend, behutsam auf treuen Armen in dies Haus trug, wo sie damals so hold und glücklich gewaltet hatte. Der Wrnter wich, der Sommer war seitdem vergangen, aber die Not des Landes wollte kein Ende nehmen, und die treueste Königin hotte umsonst in der bittersten Stunde ihres Lebens vor dem korsischen Eroberer gestanden. Heut» war wie der etwas im Werke, darauf deutete der bunte zusrmmcngewür- felte Soldatenhausen, der seines Befehls gewärtig am Haus tor harrte. Die Königin will heim, nach Berlin, wisperte und raunte der Bürgerschwarm durcheinander. Das soll sie nicht. Sie bleib« Lei ihren treuen Memelern und helfe uns unsere Not er tragen! kam vielstimmig die Antwort aus der Mitte zurück. Der Kordon Soldaten ordnete sich jetzt nach den Befehlen ei- ny, jungen Offiziers. Das ist der Leutnant von Hellwig, kenn zeichnete ihn einer unter den zuschauenden Bürgern: Mißt ihr nicht mehr, er war es, der voriges Jahr ein echtes Husarenstück bein vollbracht« und zehntausend Preußen aus sicherer Gefangen- schaft befreite. Hier an dieser Stelle hat ihm unsere gute Königin, al» er eintritt, selber das Kreuz de» konr le mSi-ite mit rühren gen Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, der vier Jahre später als König Friedrich Wilhelm III. den Thron nach dem Ab leben seines Vaters, des Königs Friedrich Wilhelm II., bestieg. Von Anfang an schaltete sich die fürstliche Ehe äußerst glücklich, und Luise fand ihr höchstes Glück in ihrem einfachen häuslichen Leben mit Gatten und Kindern. Als sie dann Königin geworden war, verstand sie die Pflichten der Hausfrau, Gattin und Mut ter in harmonischer Weise mit denen der Herrscherin und Landes mutter zu r «reinen, und bald hatte sie sich durch ihre sie schmük- kenden äußerlichen Eigenschaften wie auch durch die Werke christ liche Mildtätigkeit und Barmherzigkeit, welche sie in reichstem Maße v isübte, die Herzen des Volkes wie im Sturme erobert. Dies zech e sich namentlich bei den Lansesrei en, welche die Köni gin mit ihrem Gemahl im Verein häufig u.'.'.eraahm. denn nier- all wurde la stets vor allem ihr ein bez nstericr, jubelnder Em- psa> g von der Bevölkerung bereitet. In dies hulmonische, gesegnete und jrillzusrieoene Dasein, das Königin Luise an der Seite ihres Gatten bisher geführt hatte, brachte nun das Unglücksjahr 1806 eine jähe Aenderung. Als nicht nur Preußen» Heer, sondern auch der preußische Staat auf den Schlachtfeldern von Jena und Auerstedt von dem korsischen Er oberer mit gewaltigem Schlage zertrümmert worden war, da sah sich die Königin mit dem König und den königlichen Kindern zur Flucht nach dem äußersten Nordosten der Monarchie, nach Königs berg und Memel, genötigt und eine schwere Zeit begann nun, wie für das ganze, von dem Fuße des brutalen Siegers niederge tretene Land, so auch für die königliche Familie und die fein fühlige Königin Luise selbst. Die Lage wurde fast unerträglich, und die Königin entschloß sich deshalb zu einem unter den obwal tenden Umständen geradezu herorischen Schritt, zu der berühmten Unterredung zwischen ihr und Napoleon am 6. Juli 1807. Aber ihr beweglicher Appell an den siegesstolzen Franzosenkaiser, dem niedergetretenen Preußen bessere FriedensLedingungen zu gwäh- ren, scheiterte an dem ehernen Willen des unbeugsamen Impera tor^; im Innern tief gedemütigt und verwundet, kehrte die Kö nigin von dieser ergebnislosen Unterredung zu den ihrigen zu rück. Sie lebte dann mit der königlichen Familie in und bei Königsberg, in ihrer Musezeit sich dem Studium der Geschichte und der deutschen Literatur widmend. Aber der Gram über das Geschick des Vaterlandes nagte fortan immer stärker am Her zen der Frau, obwohl sie trotz ihres seelischen Schmerzes sich jetzt den Staotsgeschäften zuwandte und z. B. noch die Berufung des Freiherrn von Hardenberg in das Ministerium herbeisührte. Mehr und mehr wirkte ihr niedergedrückter Gemütszustand auch auf ihr körperliches Befinden zurück, sie wurde immer hinfälliger und am 19. Juli 1810 verschied sie während eines Besuches bei den Worten um den Hals gehängt. — Man bestaunte den Bra ven. Ein Oberst, geschmückt mit dem Annenorden, trat zu ihm. Man tue diese russischen Zeichen von der Brust, sie beleidigen jedes Preußenauge, denn Alexander ist kein unehrlicher Zaude rer, hieß es jetzt in der Menge. Laßt es diesem, das ist doch Goerke, der Eeneralchirurg; die Königin hat es ihm selber über reicht, äußerte darauf ein Wohlbewandeter. — Ja» und beim Könige erwirkte sie den Oberstenrang und Portepee. Du mußt etwas tun, sagte sie zum Könige, er hat uns Hospitäler gebaut. Er hat es verdient um dich, sonst sagt man in Preußen, der König wisie nicht, Verdienste zu belohnen und zu encouragieren. So sprach das Volk in Memel an diesem Morgen vor dem Hause des Kaufmanns Eonsentius von seiner Königin, und einer wußte dem andern neue große Züge und gute Daten so» W zu berichten. Da erschien sie am oberen Fenster. Die glänzend großen Aggen, von Schwermut leicht verschleiert, leuchteten strah lend auf, als sie des Volkes drunten ansichtig wurden, das begei stert die Hüte schwenkte, mit den Tüchern winkte und einmal über das andere Mal Königin! scholl es zu ihr herauf, und sie nickte ihnen allen zu. Die Hochrufe erstarken in stummer Verwunde rung. Man blickte hinauf nach der Königin und verwandte kein Auge von ihr. Wie anders war der Anblick! Nicht in dumpfe Kleider derTrauer undLangeweile war sie gekleidet wie sonst alle Tage, die ebenmäßige Gestalt in ein weißes, silberdurchzogenes Kleid gehüllt, dessen Falten anmutig an den schlanken Gliedern Herunterflossen, stand die Königin da und trug auf stolz erhobe nem Haupte ein glitzerndes Perlendiadem. Eine leichte Wehmut lag wie ein feiner, durchsichtiger Schleier über diesem rührenden Abbild von Frauenschönheit und Frauenhoheit. Die Stimme des Volke» fand augenblick» da» rechte Wort des Urteil». Heil unse- Her herrlichen Königin! hallte es au» vielen hundert Kehlen. Grad so, in eben diesem Kleid und Schmuck sah ich sie zum Kaiser Napoleon» in Tilsit hereingehen, sagte der Oberst und General- chirurg zu dem Leutnant gewandt, der den konr le vaörite aus der Brust trug. Wäre Ihre Majestät den Weg niemals gegan- gen! gab dieser zur Antwort. Heute kommt Hilfe au» aller Not. Ein Hornruf aus der Ferne schnitt ihnen das Gespräch ab. Die ihrem Vater auf Schloß Hohenzieritz bei Neustrelitz, noch bi» zuletzt an der Hoffnung festhaltend, daß ihrem geliebten Preußen doch wieder eine bessere Zeit lbe schieden sein Werde. Der Tod der Königin rief in allen Kreisen Les preußischen Volke» tiefe Trauer hervor, wußte man doch überall in der Nation, welch schweren Verlust für das gesamte Vaterland der Hintritt der Fürstin be deutete. Seit jenem Tage, da Luise von Preußen aus der Reihe der Lebenden schied, ist nun ein Jahrhundert vergangen, aber ihre Gestalt lebt in der Erinnerung des preußischen und deutschen Volkes im Glorienscheine fort, und sicher wird die ernste Feier des 19. Juli 1910 das ihrige dazu beitragen, das Gedenken die ser ausgezeichneten Frau auf Preußens Throne auch noch ferner hin der Nachwelt frisch und lebendig zu erhalten. Heraus aus der Versenkung In diesen Tagen jährte sich, wie wir bereits einmal aus führten, daß FürstBülowseineEntlaskung genommen, um fern von den aufreibenden Staatsgeschäften sich beschaulicher Muse zu widmen. Nun hat der letzte Kanzler für eine Reihe von Monaten den Aufenthalt in seiner herrlichen römischen Besitzung mit einem solchen in der deutschen Heimat vertauscht und bei die ser Gelegenheit kann er aus eigener Anschauung betrachten, wie groß die Veränderungen sind, die sich seinem Rücktritte an geschlossen haben. Als er aus dem Amte schied, gab es in den hohen Staatsämtern verhältnismäßig unbedeutende Verschiebun gen, die meisten der Mitarbeiter des Fürsten Bülows und der Blockära blieben vorläufig noch auf ihren Posten. Inzwischen aber hat Herr von Bethmann Hollweg gewaltig unter ihnen auf geräumt und einer nach dem andern ist gegangen oder gegangen worden. Wie angekündigt, hat Herr von Bethmann Hollweg die Gelegenheit nicht vorüberstreichen lassen, seinem Vorgänger auf der Dvichre'ie in Berlin einen längeren Besuch abzustattev. nach dem er bereits gelegentlich seines römischen Antrittsbesuches mehr fach mit ihm konferiert hatte. Die Befprechung zwischen ihnen hat diesmal recht lange gedauert und manche politische Fragen dürf ten gelegentlich dieser Erörterung gestreift worden sein. Ernst genug ist die Zeit und es steht auch dem tüchtigsten Mann durchaus wohl an, wenn er sich in einer kritischen Periode den Nat einer erfahrenen und erprobten Persönlichkeit einholt. Es ist bedauerlich, daß bei uns die Eeflogenheit besteht, daß verabschiedete Staatsmänner aus dem politischen Leben voll ständig ausscheiden, obwohl man ihre Kenntnisse auch indirekt des Staates verwerten könnte. In anderen Ländern besteht ein derartiges, wenn auch ungeschriebenes Schweigegebot für ge- Eruppe trat unters Gewehr, präsentierte. Ein Wagen rollte heran und hielt. Schnellen Schrittes entstiegen ihm zwei Herren, einer im Bürgerrock und ein hoher Offizier. Aus dem Hause kam ihnen ein «ganz jugendlicher Eardefähnrich entgegengeeilt und enipfing sie mit militärischem Gruße. Hurra, Prinz Wilhelm! rief das Volk rings dem Knaben im Fähnrichsrock zu, der fast erschreckt dankte und schnell mit den beiden Ankömmlingen im Haustor verschwand. Oben war die Königin vom Fenster weggetreten, und orau- ßen auf der Straße verlief sich allmählich das Volk. Es sprach noch untereinander von dem jungen Prinzen Wilhelm, den der König zu Neujahr in die preußische Armee eingestellt hatte. In was für eine Armee! Möchte es dem hübschen Zehnjährigen, der so treuherzig dreinschaute, kein böses Zeichen fürs Leben sein, wünschten die Bürger und kehrten heim in ihre Häuser. Die Leiden Fremden hatten sie rasch vergessen. Diese betraten schnel len Schritsts die schlichten königlichen Gemächer. Der Offizier — rs war Prinz Radziwill — ging mit dem Prinzen Wilhelm vor aus, den andern anzumelden, doch schon trat die Königin ihnen schnellen Schrittes entgegen. Mein lieber, lieber Freiherr von Stein! Endlich sind Sie da. Seien Sie uns von Herzen willkommen und bringen Sie uns dqs alte Glück und Gotte gnädigen Beistand mit. Sie hielt ihm beide Hände zum Gruße hin, die der Freiherr ehrerbietig an seine Lippen zog. Dann richtete er sich hoch auf vor seiner Königin, und die beiden sähen einander tief in die Augen, bis auf den Grund der Seele: Eure Majestät haben mich gerufen. Da» galt mir gletch viel, als hätte mich unser Herrgott wieder auf meinen Platz gestellt. Wo ist der König? — Der Kabinettsrat hält ihm noch Vortrag. Gedulden wir un». — Wer? Beyme? — Stein krauste die Stirn. Di« Königin nickt« schwer. Majestät! Stein blickte sie durchdringend und fast gebieterisch an: Die Zeit erheischt, daß ich geradenwegs und ohne Mittelsmänner Zütritt und Vortrag bei meinem gnä digen Könige habe. Luise hob beschwörend die Hand, ««duld, Freiherr, Geduld! Sie kennen den König; er ist s» hartnäckig in seinen Entschlüssen, vertrauen Sie ganz mir. Lassen Eie